Verfahrensgang
OLG Köln (Beschluss vom 27.01.2009; Aktenzeichen 7 W 101/08) |
LG Köln (Beschluss vom 18.08.2008; Aktenzeichen 5 O 120/08) |
Tenor
Der Beschluss des Landgerichts Köln vom 18. August 2008 – 5 O 120/08 – und der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 27. Januar 2009 – 7 W 101/08 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes und werden aufgehoben.
Die Sache wird zur Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 EUR (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zurückweisung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung.
I.
1. Mit Schriftsatz vom 19. März 2008 beantragte der Beschwerdeführer die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und überreichte unter Beweisangebot seines Vorbringens den Entwurf einer Amtshaftungsklage gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung in den Justizvollzugsanstalten K. und H., und zwar zunächst in seiner Eigenschaft als Untersuchungshäftling, dann als Strafgefangener.
Der Beschwerdeführer sei insgesamt 151 Tage unter menschenunwürdigen Haftbedingungen untergebracht worden.
Die Hafträume 227 und 213 in der Justizvollzugsanstalt K., in denen er in der Zeit vom 17. Januar 2007 bis zum 17. März 2007 mit jeweils einem Mitgefangenen untergebracht gewesen sei, hätten jeweils eine Grundfläche von lediglich 8 m2 und einen Rauminhalt von 20 m3 aufgewiesen. In den Hafträumen habe sich – neben der Grundausstattung – eine Toilette befunden, die nur durch eine verstellbare Holzwand (Schamwand) mit einer kleinen Sichtschutzfläche vom übrigen Raum abgetrennt gewesen sei. Der Tisch, an dem die Mahlzeiten eingenommen worden seien, sei nur einen Meter von der Toilette entfernt gewesen. Die Hafträume hätten nicht über eine gesonderte Belüftungsanlage verfügt.
Die Haftbedingungen in den Hafträumen 257 und 163 ebenfalls in der Justizvollzugsanstalt K., in denen der Beschwerdeführer im Anschluss daran in der Zeit vom 18. März 2007 bis zum 15. Mai 2007 untergebracht gewesen sei, und der Haftraum 205 in der Justizvollzugsanstalt H., in dem er vom 10. Oktober 2007 bis zum 10. November 2007 untergebracht gewesen sei, seien mit den vorgenannten – bis auf den höheren Rauminhalt von 24 m3 – identisch gewesen. Der Beschwerdeführer habe gegen die Art der Haftunterbringung protestiert und Anträge auf Verlegung gestellt. Dem Beschwerdeführer sei jedoch jeweils mitgeteilt worden, dass eine Verlegung nicht möglich sei, da die Justizvollzugsanstalten überbelegt seien und es eine Warteliste gebe.
Der Beschwerdeführer habe lediglich in der Zeit vom 7. September 2007 bis zum 9. Oktober 2007 gearbeitet und den Haftraum – neben der täglichen Freistunde – für acht Stunden verlassen dürfen. Im Übrigen habe er sich dreiundzwanzig Stunden täglich zusammen mit jeweils wechselnden Mitgefangenen im Haftraum befunden. Die Mitgefangenen des Beschwerdeführers hätten keine Arbeit gehabt. Nicht arbeitende Gefangene hätten in den genannten Justizvollzugsanstalten nur zweimal wöchentlich duschen dürfen. Bei sämtlichen Mitgefangenen habe es sich zudem um starke Raucher gehandelt, was in den kleinen Hafträumen zu einem unerträglichen Gemisch aus Rauch, Körperausdünstungen und Toilettengerüchen geführt habe.
Im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer der die Gesundheit gefährdenden und die Privatsphäre negierenden Situation zwangsweise ausgesetzt gewesen sei und dass das Land diese Situation bewusst in Kauf genommen habe. Einfachgesetzliche Regelungen wie § 18 Abs. 2 Satz 2 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) oder § 201 StVollzG könnten nichts an dem Anspruch eines Strafgefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde ändern. Die sogenannte Junktim-Entscheidung des Bundesgerichtshofs, nach der eine menschenunwürdige Unterbringung nicht in jedem Fall auch eine Geldentschädigung zur Folge haben müsse, habe eine Haftdauer von lediglich zwei Tagen betroffen. Dagegen sei der Beschwerdeführer viel länger menschenunwürdig untergebracht worden.
2. Mit Schreiben vom 3. Juli 2008 beantragte das Land, den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen. Dabei räumte das Land die seitens des Beschwerdeführers behauptete räumliche Ausgestaltung der Hafträume ein. Allerdings stellte es unter Beweisangebot teils hinsichtlich der Dauer der Unterbringung in den einzelnen Hafträumen abweichende Behauptungen auf, teils machte es ergänzende Ausführungen zu den Gründen für die Unterbringung in den jeweiligen Hafträumen.
So sei der Beschwerdeführer in dem Haftraum 227 in der Justizvollzugsanstalt K. nur vom 19. Januar 2007 bis zum 20. Februar 2007 mit einem Mitgefangenen, und zwar wegen seiner Suchtkrankheit zu seiner eigenen Sicherheit, untergebracht gewesen. Vom 28. Februar 2007 bis zum 17. März 2007 sei der Beschwerdeführer in dem Haftraum 213 in der Justizvollzugsanstalt K. zusammen mit einem Mitgefangenen untergebracht gewesen, weil der Beschwerdeführer selbst um Verlegung in diesen Haftraum gebeten habe. In dem Haftraum 257 der Justizvollzugsanstalt K. sei der Beschwerdeführer nur am 5. April 2007 untergebracht gewesen. In dem Haftraum 163 der Justizvollzugsanstalt K. sei der Beschwerdeführer überhaupt nicht untergebracht gewesen. Es treffe allerdings zu, dass der Beschwerdeführer vom 10. Oktober 2007 bis zum 24. Oktober 2007 in dem Haftraum 205 der Justizvollzugsanstalt H. mit einem weiteren Strafgefangenen untergebracht gewesen sei, danach jedoch allein. Jedenfalls aber scheitere der Anspruch des Beschwerdeführers insgesamt an § 839 Abs. 3 BGB, da er zumindest fahrlässig weder von dem nach dem nordrhein-westfälischen Vorschaltverfahrensgesetz eröffneten Widerspruch noch von dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 109 ff. StVollzG oder der Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 StVollzG Gebrauch gemacht habe, obwohl ihm dies möglich und zumutbar gewesen sei. Im Übrigen gebe es, wie die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeige, zwischen einer Menschenwürdeverletzung und einem Anspruch auf Geldentschädigung kein Junktim.
3. Mit Schriftsatz vom 8. August 2008 erwiderte der Beschwerdeführer, dass es nur deshalb zu der Verlegung in den Haftraum 213 in der Justizvollzugsanstalt K. gekommen sei, weil die Anstaltsleitung ihm mitgeteilt habe, dass der neu zugewiesene Zellengenosse für Haftraum 227 heroinabhängig gewesen sei. Da keine Einzelzellen zur Verfügung gestanden hätten, habe der Beschwerdeführer beantragt, ihn in Haftraum 213 mit einem Mitgefangenen zu verlegen. Des Weiteren trug er unter Beweisangebot vor, dass er entgegen den Angaben des Landes durchaus in Haftraum 163 untergebracht worden sei. Im Übrigen wäre der Beschwerdeführer auch auf eine gerichtliche Entscheidung hin nicht sofort in eine Einzelzelle verlegt worden. Das Land ignoriere mangels räumlicher Kapazitäten kontinuierlich gerichtliche Entscheidungen. In der Vergangenheit hätten die Anstaltsleitungen gerichtliche Entscheidungen auch nach Monaten nicht umgesetzt. Dem Beschwerdeführer seien allein fünf Fälle aus der Justizvollzugsanstalt E. namentlich bekannt. Dazu zitierte der Beschwerdeführer aus der Strafvollzugsstatistik für Mehrfachbelegung in den Justizvollzugsanstalten des Landes. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass nach § 119 Abs. 1 und 2 StPO (in der für das Verfahren maßgeblichen Fassung vom 7. April 1987, BGBl I S. 1074 ≪1319≫, gültig bis zum 31. Dezember 2009, geändert durch Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2274 ≪2275≫; im Folgenden: a.F.) in Verbindung mit Nr. 23 Abs. 1 der Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) bereits die gemeinschaftliche Unterbringung von zwei Untersuchungsgefangenen grundsätzlich ausgeschlossen gewesen sei.
4. Mit angegriffenem Beschluss vom 18. August 2008 wies das Landgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurück.
Seinen rechtlichen Erwägungen legte das Landgericht zugrunde, dass der Beschwerdeführer mündlich und schriftlich mehrere Anträge auf Einzelunterbringung gestellt habe. Darauf sei ihm mitgeteilt worden, dass eine Verlegung nicht in Betracht gekommen sei, da nicht genügend Einzelzellen frei gewesen seien, er jedoch auf eine Warteliste eingetragen würde.
Im Rahmen der rechtlichen Erwägungen kam das Landgericht sodann zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer ein Entschädigungsanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG nicht zustehe.
Ob und inwieweit einem von menschenunwürdiger Haftunterbringung betroffenen Strafgefangenen ein Entschädigungsanspruch zustehe, hänge nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (unter Verweis auf: BGHZ 161, 33 ff.; BGH, Beschluss vom 28. September 2006 – III ZB 89/05 –, NJW 2006, S. 3572) insbesondere von der Bedeutung und Tragweise des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie vom Grad des Verschuldens ab. Außerdem stelle die gemeinsame Unterbringung von Strafgefangenen entgegen § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG, der grundsätzlich eine Einzelunterbringung vorsehe, ohne das Hinzutreten erschwerender, den Strafgefangenen benachteiligender Umstände keine Verletzung der Menschenwürde dar. Das werde im Übrigen auch dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber ausdrücklich in § 201 Nr. 3 StVollzG eine Ausnahme für Vollstreckungsanstalten zugelassen habe, die – wie die Justizvollzugsanstalt K. – bereits vor Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes am 1. Januar 1977 errichtet worden seien. Ob mit Rücksicht auf diese Übergangsbestimmung die Unterbringung des Beschwerdeführers mit anderen Gefangenen in den von ihm beschriebenen Zellen als menschenunwürdig zu werten sei, erscheine der Kammer daher schon durchaus zweifelhaft. Zwar möge die vom Beschwerdeführer angegebene Größe der Zellen die Vermutung für einen menschenunwürdigen Zustand nahelegen, allerdings setze die Gewährung einer Entschädigung nicht nur das Vorhandensein von besonders bedrückenden räumlichen Verhältnissen voraus, sondern der zu unterstellende beengte Zustand des Haftraums müsse den betroffenen Gefangenen seelisch oder körperlich nachhaltig und dauerhaft belastet haben. Dazu trage der Beschwerdeführer indes nur unsubstantiiert vor. Dass es sich bei den Mitgefangenen um Raucher gehandelt habe, reiche hierfür nicht aus. Bei der Bewertung der Haftbedingungen als menschenunwürdig sei zu beachten, dass durch die besondere Ausgestaltung des Vollzuges die Haftbedingungen insgesamt gemildert werden könnten. Dies sei etwa dann der Fall, wenn durch eine Arbeit in und außerhalb des Vollzuges der Aufenthalt in der Zelle zeitlich erheblich reduziert sei und auch durch sonstige Vollzugslockerungen wie etwa die Unterbringung im Gruppenvollzug der Aufenthalt in der geschlossenen Zelle im Wesentlichen auf die Nachtzeiten beschränkt sei. Solche Vergünstigungen habe der Beschwerdeführer jedenfalls in der Zeit vom 7. September 2007 bis zum 9. Oktober 2007 erhalten, als er einer Arbeit nachgegangen sei. Er habe zudem eine Stunde Freigang pro Tag gehabt und an Sport- und Freizeitgruppen teilnehmen können. Dadurch dass der Beschwerdeführer von den Rechtsbehelfen, die das Strafvollzugsgesetz beziehungsweise die für die Untersuchungshaft geltenden Vorschriften bereit stellten, keinen Gebrauch gemacht habe, habe er zu erkennen gegeben, dass er die gemeinsame Unterbringung nicht als menschenunwürdig empfunden habe.
Wegen der schuldhaften Nichteinlegung eines Rechtsbehelfs stehe dem Anspruch im Übrigen § 839 Abs. 3 BGB entgegen. Der Beschwerdeführer hätte durch den Gebrauch eines Rechtsbehelfs den von ihm jetzt geltend gemachten Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht durch menschenunwürdige Haftbedingungen abwenden können. Die mündlichen und schriftlichen Anträge auf Verlegung in eine Einzelzelle reichten hierfür nicht aus. Denn sonst würden sich zahlreiche Strafgefangene gegen die als menschenunwürdig empfundene Belegung der Hafträume nicht wehren, um dann später eine nicht unerhebliche finanzielle Entschädigung zu verlangen. Komme die Anstaltsleitung einem Antrag eines Strafgefangenen auf Einzelunterbringung nicht nach, habe der Strafgefangene nach § 109 StVollzG Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen. Dieser Antrag sei gemäß § 112 Abs. 1 StVollzG innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu stellen. Soweit der Beschwerdeführer hierzu geltend mache, dass ein Antrag ohne Erfolgsaussichten gewesen wäre, weil die Anstaltsleitung geantwortet habe, keine Einzelzellen in ausreichender Zahl zur Verfügung zu haben, sei das zur Begründung nicht ausreichend, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung erst gar nicht zu stellen. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass entweder – wenn ein Antrag sachlich begründet sei – dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung stattgegeben werde und daraufhin eine entsprechende Verlegung auf eine Einzelzelle erfolge oder aber – wenn der Antrag gegebenenfalls auch nach Ausschöpfung aller weiteren Rechtsbehelfe nicht begründet sei – dem Antrag auf Verlegung auch nicht nachgekommen zu werden brauche. Keinesfalls sei davon auszugehen, dass die Justizvollzugsanstalt der Anordnung der Vollstreckungskammer auf Verlegung in eine Einzelzelle nicht nachgekommen wäre. Dies gelte entsprechend für den Fall der Untersuchungshaft. Soweit in der Rechtsprechung Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung im Hinblick auf den Zeitraum vor der mutmaßlichen Entscheidung der Vollstreckungskammer bewilligt worden sei, komme dies nicht zum Tragen, weil nach den vorstehenden Ausführungen schon gar nicht davon auszugehen sei, dass menschenunwürdige Haftbedingungen vorgelegen hätten.
5. Mit Schriftsatz vom 30. September 2009 legte der Beschwerdeführer hiergegen sofortige Beschwerde vor dem Oberlandesgericht ein. Dazu verwies der Beschwerdeführer auf die Rechtsprechung des benachbarten Oberlandesgerichts Hamm zur Haftunterbringung in dessen Gerichtsbezirk und zählte erneut Fälle auf, in denen die Justizvollzugsanstalt E. eine gerichtliche Entscheidung auch nach mehreren Monaten nicht umgesetzt habe.
Es sei Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn – wie hier – eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht komme und keine konkreten nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde. Außerdem habe das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die Junktim-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs betont, dass die Unterbringung in dem Fall damals „aufgrund einer Notsituation” erfolgt sei. Die Unterbringungssituation der Gefangenen sei jedoch nicht schicksalhaft über das Land hereingebrochen. Wenn das Land mehr Personen zum Strafantritt lade als menschenwürdige Haftraumplätze zur Verfügung stünden, sei von einem vorsätzlichen Organisationsverschulden auszugehen. Nach der Strafvollzugsstatistik 2005 seien in dem Land circa 40 Prozent der Strafgefangenen gemeinschaftlich untergebracht. Beziehe man die Untersuchungsgefangenen mit ein, die nach § 119 Abs. 1 und 2 StPO a.F. (in der für das Verfahren maßgeblichen Fassung vom 7. April 1987) in Verbindung mit Nr. 23 Abs. 1 UVollzO nicht mit anderen Gefangenen untergebracht werden dürften, seien dort sogar 50 Prozent der Gefangenen gemeinschaftlich untergebracht. In Anbetracht dessen könne die bloße Behauptung des Landes, dass der Beschwerdeführer in eine Einzelzelle verlegt worden wäre, wenn er den Anspruch nur gerichtlich geltend gemacht hätte, nicht nachvollzogen werden. Anträge auf gerichtliche Entscheidung führten nicht zu einem „mehr” an Hafträumen. Das Land argumentiere selbst damit, dass es eine Warteliste geführt habe. Den Gefangenen sei bekannt, dass die Abarbeitung der Warteliste einen Zeitaufwand von mehreren Jahren erfordere. Außerdem habe der Beschwerdeführer sich anfangs in Untersuchungshaft befunden. Die Vorschrift des § 201 Nr. 3 StVollzG sei auf ihn zunächst nicht anwendbar gewesen.
6. Mit angegriffenem Beschluss vom 27. Januar 2009 wies das Oberlandesgericht die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers aus den Gründen des angegriffenen Beschlusses des Landgerichts zurück.
7. Mit seiner am 20. Februar 2009 eingelegten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer – unter anderem – eine Verletzung seines Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
8. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat sich in ihrer Stellungnahme auf den Standpunkt gestellt, dass die angegriffenen Entscheidungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht würden. Der Bundesgerichtshof hat in der Stellungsnahme seine bisherige Rechtsprechung zur Geldentschädigung für immaterielle Schäden unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung referiert. Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akte des Ausgangsverfahrens hat dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, da dies insoweit zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen zu Inhalt und Reichweite des aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪356 ff.≫; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. Mai 1997 – 1 BvR 296/94 –, NJW 1997, S. 2745 ≪2746≫; vom 14. April 2003 – 1 BvR 1998/02 –, NJW 2003, S. 2976 ≪2977≫; vom 1. Juli 2009 – 1 BvR 560/08 –, juris Rn. 13; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. Februar 2003 – 1 BvR 1526/02 –, NJW 2003, S. 1857 ≪1858≫; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. November 2004 – 1 BvR 2095/04 –, NJW-RR 2005, S. 500 ≪501≫; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 29. Mai 2006 – 1 BvR 430/03 –, juris Rn. 17).
2. Soweit der Beschwerdeführer durch den Beschluss des Landgerichts eine Verletzung seines Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde zulässig.
3. In dem vorgenannten Umfang ist sie auch im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
a) Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll allerdings nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪356 f.≫).
Es läuft dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, wenn ein Fachgericht § 114 Satz 1 ZPO dahin auslegt, dass auch schwierige, noch nicht geklärte Rechtsfragen im Prozesskostenhilfeverfahren „durchentschieden” werden können (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪359≫). Dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit widerstrebt es daher, wenn ein Fachgericht § 114 Satz 1 ZPO dahin auslegt, dass es eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage, obwohl dies erheblichen Zweifeln begegnet, als einfach oder geklärt ansieht und sie deswegen bereits im Verfahren der Prozesskostenhilfe zum Nachteil des Unbemittelten beantwortet (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪359 f.≫). Ein solcher Verstoß ist erst recht anzunehmen, wenn das Fachgericht bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur abweicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. Februar 2003 – 1 BvR 1526/02 –, NJW 2003, S. 1857 ≪1858≫; Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. November 2004 – 1 BvR 2095/04 –, NJW-RR 2005, S. 500 ≪501≫; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 29. Mai 2006 – 1 BvR 430/03 –, juris Rn. 17).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen hält die angegriffene, Prozesskostenhilfe vollumfänglich versagende Entscheidung des Landgerichts einer Überprüfung anhand von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG nicht stand.
aa) Dies gilt zunächst für die von dem Landgericht vorgenommene Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Amtshaftungsklage in Bezug auf die anspruchsbegründende Voraussetzung der Menschenwürdeverletzung.
(1) Bei der Belegung und Ausgestaltung der Hafträume sind dem Ermessen der Justizvollzugsanstalt durch das Recht des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG Grenzen gesetzt (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Februar 2002 – 2 BvR 553/01 –, NJW 2002, S. 2699 ≪2700≫). Die grundlegenden Voraussetzungen individueller und sozialer Existenz des Menschen müssen auch dann erhalten bleiben, wenn der Grundrechtsberechtigte seiner freiheitlichen Verantwortung nicht gerecht wird und die Gemeinschaft ihm wegen begangener Straftaten die Freiheit entzieht. Aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip folgt die Verpflichtung des Staates, den Strafvollzug menschenwürdig auszugestalten, mithin das Existenzminimum zu gewähren, das ein menschenwürdiges Dasein überhaupt erst ausmacht (vgl. BVerfGE 45, 187 ≪228≫; 109, 133 ≪150≫; BVerfGK 7, 120 ≪123≫). Die Menschenwürde ist unantastbar und kann deshalb auch nicht auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung wie die – hier nicht einschlägigen, weil sie nicht zu Eingriffen in die Menschenwürde ermächtigen – § 18 Abs. 2 Satz 2 StVollzG oder § 144 StVollzG eingeschränkt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Februar 2002 – 2 BvR 553/01 –, NJW 2002, S. 2699 ≪2700≫).
Als Faktoren, die eine aus den räumlichen Haftbedingungen resultierende Verletzung der Menschenwürde indizieren, kommen in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, in Betracht, wobei als ein die Haftsituation abmildernder Faktor die Verkürzung der täglichen Einschlusszeiten berücksichtigt werden kann.
So wird nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte die Unterbringung in einem mehrfach belegten Haftraum ohne das Hinzutreten weiterer Umstände als Verstoß gegen die Menschenwürde angesehen, wenn eine Mindestfläche von 6 m2 und 7 m2 pro Gefangenen nicht eingehalten wird und die Toilette nicht abgetrennt beziehungsweise nicht gesondert entlüftet ist (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Juli 2003 – 3 Ws 578/03 –, NJW 2003, S. 2843 ≪2845≫; OLG Naumburg, Beschluss vom 3. August 2004 – 4 W 20/04 –, NJW 2005, S. 514; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. Juli 2005 – 12 U 300/04 –, NJW-RR 2005, S. 1267; OLG Hamburg, Urteil vom 14. Januar 2005 – 1 U 43/04 –, juris Rn. 49; OLG Koblenz, Urteil vom 15. März 2006 – 1 U 1286/05 –, juris Rn. 11 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Januar 2006 – 1 Ws 147/05 –, juris Rn. 2; OLG Hamm, Beschluss vom 13. Juni 2008 – 11 W 78/07 –, juris Rn. 20 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 18. Februar 2009 – 11 U 88/08 –, juris Rn. 48). Der Bundesgerichtshof ließ die rechtliche Würdigung der Instanzgerichte unbeanstandet, nach der die Unterbringung von fünf Gefangenen in einem 16 m2 großen Haftraum mit integrierter Toilette ohne räumliche Abtrennung menschenunwürdig sei (vgl. BGHZ 161, 33 ≪35≫). In einer weiteren Entscheidung erkannte der Bundesgerichtshof als einen die Haftsituation abmildernden Faktor die Verkürzung der täglichen Einschlusszeit an (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2006 – III ZB 89/05 –, NJW 2006, S. 3572). Ähnlich erachtete der Berliner Verfassungsgerichtshof in einer Entscheidung die Unterbringung eines Gefangenen in einer Einzelzelle mit einer Grundfläche von 5,25 m2 ohne räumliche Abtrennung der in die Zelle integrierten, nicht gesondert gelüfteten Toilette über drei Monate hinweg als Verstoß gegen die Menschenwürde (vgl. VerfGH Berlin, Beschluss vom 3. November 2009 – 184/07 –, juris Rn. 2, Rn. 22 ff.). Schließlich hat auch das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen die Unterbringung von Gefangenen bei Nichteinhaltung der genannten Mindestflächen ohne räumliche Abtrennung der in die Zelle integrierten Toilette als Verstoß gegen die Menschenwürde qualifiziert (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Februar 2002 – 2 BvR 553/01 –, NJW 2002, S. 2699 ≪2700≫; vom 13. März 2002 – 2 BvR 261/01 –, NJW 2002, S. 2700 ≪2701≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. November 2007 – 2 BvR 2201/05 –, juris Rn. 16 f.).
(2) Das Landgericht ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Amtshaftungsklage in Bezug auf die anspruchsbegründende Voraussetzung der Menschenwürdeverletzung von der geschilderten fach- und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen.
Die von dem Landgericht als gegeben unterstellten räumlichen Haftbedingungen erfüllen die oben genannten Kriterien für eine Menschenwürdeverletzung, da in den vom Beschwerdeführer bewohnten Hafträumen die üblicherweise veranschlagten Mindestflächen pro Gefangenen unterschritten wurden und die jeweils in die Zelle integrierte Toilette nicht räumlich abgetrennt und belüftet war. Deutet man die Ausführungen des Landgerichts dahin, dass es zum Ausdruck habe bringen wollen, für die anspruchsbegründende Voraussetzung einer Menschenwürdeverletzung seien – jenseits der Unterschreitung der Mindestfläche pro Gefangenen und einer in die Zelle integrierten Toilette ohne räumliche Abtrennung und Belüftung – zusätzliche Umstände erforderlich, können sich diese nicht auf die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stützen. Denn auch die insoweit in Bezug genommene Junktim-Entscheidung des Bundesgerichtshofs lässt keinen Zweifel daran, dass derartige räumliche Haftbedingungen bereits für sich genommen eine menschenunwürdige Behandlung sein können (vgl. BGHZ 161, 33 ≪33 i.V.m. 35≫). Der Bundesgerichtshof hat insofern Zusatzerfordernisse nicht für die Ebene der anspruchsbegründenden Voraussetzungen aufgestellt, sondern ausschließlich für die Ebene der Rechtsfolgen (vgl. BGHZ 161, 33 ≪37, 38≫), und zwar um bei der Frage der Geldentschädigung den Besonderheiten des Falles gerecht zu werden (vgl. BVerfGK 7, 120 ≪124≫). Auch die zweite als Referenz herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann hierfür nicht als Beleg dienen, da sie eine gänzlich andere Konstellation betraf. Zum einen ging es dort um eine bloße Doppelbelegung entgegen § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG – eine Überschreitung der Mindestfläche pro Gefangenen ohne räumliche Abtrennung und Belüftung der Toilette stand nicht in Rede. Zum anderen hatte der betroffene Gefangene Arbeit und befand sich in der Zeit von 13.00 Uhr bis 19.00 Uhr jeweils in einer teilgelockerten Station mit offenem Bereich (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2006 – III ZB 89/05 –, NJW 2006, S. 3572).
Versteht man die weiteren Ausführungen des Landgerichts dahin, dass es zum Ausdruck habe bringen wollen, im vorliegenden Fall hätten jedenfalls Umstände vorgelegen, welche die räumlichen Haftbedingungen abgemildert hätten, erweisen sich diese Erwägungen verfassungsrechtlich als nicht tragfähig. Der vom Landgericht angeführte Gesichtspunkt, der Beschwerdeführer sei in der Zeit vom 7. September 2007 bis zum 9. Oktober 2007 einer Arbeit nachgegangen, geht ins Leere, weil der Beschwerdeführer für diesen Zeitraum keine Ansprüche geltend gemacht hat. Soweit das Landgericht darauf verweist, dass der Beschwerdeführer täglich an Sport- und Freizeitgruppen habe teilnehmen können, ist bereits nicht ersichtlich, wie das Landgericht zu dieser Erkenntnis gelangt ist, da weder der Beschwerdeführer noch das Land dies im fachgerichtlichen Verfahren vorgetragen haben. Außerdem hat das Landgericht selbst seinen rechtlichen Ausführungen als unstreitige Tatsache zugrunde gelegt, dass sich der Beschwerdeführer täglich für dreiundzwanzig Stunden zusammen mit jeweils wechselnden Mitgefangenen in einem Haftraum befunden habe. Abgesehen davon ergibt sich aus den Ausführungen des Landgerichts nicht und ist auch sonst nicht erkennbar, wie sich die – nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfassungsbeschwerdeverfahren – in der Regel halbstündigen Sport- und Freizeitangebote maßgeblich auf die Einschlusszeit und damit die Haftbedingungen hätten auswirken können. Gleiches gilt, soweit das Landgericht auf die tägliche Stunde Hofgang rekurriert (vgl. BGHZ 161, 33 ≪33 f. i.V.m. 35≫). Dessen ungeachtet kann die Frage, ab welcher Stundenzahl die Verkürzung der täglichen Einschlusszeit in der Zelle die räumlichen Haftbedingungen derart abmildert, dass nicht mehr von einer Menschenwürdeverletzung auszugehen ist, auch nicht als hinreichend geklärt im Sinne des oben erörterten Maßstabes der Rechtsschutzgleichheit für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe angesehen werden.
Das Landgericht durfte die Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens schließlich nicht an der fehlenden Menschenwürdeverletzung mit der Begründung scheitern lassen, der Beschwerdeführer könne subjektiv nicht erheblich in seiner Menschenwürde betroffen gewesen sein, weil er keine Rechtsbehelfe eingelegt habe. Deutet man die Ausführungen des Landgerichts dahin, dass es zum Ausdruck habe bringen wollen, der Beschwerdeführer habe konkludent in die räumlichen Haftbedingungen eingewilligt, sei mithin aufgrund eines Grundrechtsverzichts nicht in seiner Menschenwürde verletzt worden, ist dies ebenfalls nicht tragfähig. Zum einen hat das Landgericht nicht geprüft, ob die Annahme einer konkludenten Einwilligung des Beschwerdeführers in seiner Eigenschaft als Untersuchungsgefangener schon einfachrechtlich durch § 119 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F. (in der für das Verfahren maßgeblichen Fassung vom 7. April 1987, gültig bis zum 31. Dezember 2009) verstellt war beziehungsweise ob die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an eine konkludente Einwilligung des Beschwerdeführers in seiner Eigenschaft als Strafgefangener erfüllt waren (vgl. OLG Celle, Urteil vom 2. Dezember 2003 – 16 U 116/03 –, NJW-RR 2004, S. 380 ≪381≫; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. Juli 2005 – 12 U 300/04 –, NJW-RR 2005, S. 1267 ≪1268≫). Zum anderen hat das Landgericht nicht geprüft, ob die Menschenwürde überhaupt ein disponibles Grundrecht ist, das einen Grundrechtsverzicht zulässt (vgl. ablehnend: BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2000 – BVerwG 2 WD 12/00, 13/00 –, NJW 2001 S. 2343 ≪2344≫; BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 – B 11 AL 11/08 –, juris Rn. 25). Auch diese Rechtsfragen können nicht als hinreichend – zu Lasten des Beschwerdeführers – geklärt im Sinne des oben erörterten Maßstabes der Rechtsschutzgleichheit für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe angesehen werden.
bb) Auch die von dem Landgericht vorgenommene Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Amtshaftungsklage in Bezug auf die anspruchsvernichtende Einwendung des § 839 Abs. 3 BGB genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.
Dabei kann offenbleiben, ob die Annahme des Landgerichts, der Beschwerdeführer habe die ihm mögliche und zumutbare Einlegung der Rechtsbehelfe, insbesondere im einstweiligen Rechtsschutz, nach dem Strafvollzugsgesetz für die Zeit als Strafgefangener (vgl. § 114 Abs. 2 Satz 2 StVollzG) und nach der Strafprozessordnung für die Zeit als Untersuchungsgefangener (vgl. § 119, § 126 Abs. 1 und 2 StPO a.F. in Verbindung mit Nrn. 73, 75 Abs. 1 UVollzO) im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB schuldhaft versäumt, verfassungsrechtlich zu beanstanden ist. Denn das Landgericht hat jedenfalls die hypothetische Kausalität der versäumten Rechtsbehelfe für die Verhinderung des Schadenseintritts mit verfassungsrechtlich nicht tragfähiger Begründung vollumfänglich bejaht.
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Schadensersatzpflicht gemäß § 839 Abs. 3 BGB nur dann vollumfänglich verneint werden, wenn die Einlegung eines gebotenen Rechtsbehelfs den Eintritt des Schadens gänzlich verhindert hätte. Wenn die Einlegung eines Rechtsbehelfs erst von einem bestimmten Zeitpunkt an weitere Schäden verhindert hätte, entfällt der Schadensersatzanspruch nur für diesen späteren Schäden, bleibt jedoch für die bereits vorher entstandenen bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 1986 – III ZR 77/84 –, NJW 1986, S. 1924; speziell für eine Amtshaftungsklage wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen: OLG München, Beschluss vom 10. August 2006 – 1 W 1314/06 –, NJW 2007, S. 1986). Für die Kausalität zwischen der Nichteinlegung des Rechtsbehelfs und dem Schadenseintritt ist der Schädiger beweispflichtig (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 – III ZR 342/02 –, NJW 2004, S. 1241 ≪1242≫; Urteil vom 11. März 2010 – III ZR 124/09 –, NJW-RR 2010, S. 1465). Bei der Frage, welchen Verlauf die Sache genommen hätte, wenn der Rechtsbehelf eingelegt worden wäre, ist grundsätzlich auch zu berücksichtigen, wie nach der wirklichen Rechtspraxis entschieden worden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 – III ZR 342/02 –, NJW 2004, S. 1241 ≪1242≫).
(2) Das Landgericht ist zu Lasten des Beschwerdeführers von der nach der geschilderten höchstrichterlichen Rechtsprechung üblichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast abgewichen.
Die Annahme des Landgerichts, dass einem Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG, nicht zuletzt im einstweiligen Rechtsschutz nach § 114 StVollzG, – und wohl auch nach § 119, § 126 Abs. 1 und 2 StPO a.F. in Verbindung mit Nrn. 73, 75 Abs. 1 UVollzO – stattgegeben worden wäre und sofort eine entsprechende Verlegung auf eine Einzelzelle erfolgt wäre, mit der Folge, dass eine Menschenwürdeverletzung gänzlich verhindert worden wäre, kann sich nicht auf ein entsprechend substantiiertes Vorbringen des insofern darlegungspflichtigen Landes stützen. Zu der Frage der hypothetischen Kausalität der jeweils unterlassenen Rechtsbehelfe hat das Land überhaupt nicht Stellung genommen. Außerdem hat das Landgericht seinen rechtlichen Ausführungen als unstreitig zugrunde gelegt, dass es in den jeweiligen Justizvollzugsanstalten eine Warteliste für Verlegungen gegeben habe. Der Beschwerdeführer hat ferner ausdrücklich bestritten, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs den Schaden sofort und damit gänzlich verhindert hätte, und, obwohl ihm diesbezüglich nicht die Darlegungslast zufiel, auch konkrete tatsächliche Anhaltspunkte hierfür aufgezeigt, namentlich aus der Strafvollzugsstatistik 2005 zur Mehrfachbelegung in den Justizvollzugsanstalten des Landes zitiert, Beispielsfälle von Strafgefangenen aus einem benachbarten Oberlandesgerichtsbezirk des Landes benannt sowie auf eine Reihe von Beschlüssen des benachbarten Oberlandesgerichts verwiesen, die ein entsprechendes Vollzugsdefizit der Justizvollzugsanstalten mangels räumlicher Kapazitäten konstatierten (vgl. OLG Hamm, Beschlüsse vom 13. Juni 2008 – 11 W 54/08, 11 86/07, 11 W 77/07, 11 W 78/07, 11 W 85/07 –, juris). Danach wäre es an dem Land gewesen, nicht nur überhaupt zur hypothetischen Kausalität der jeweils nicht eingelegten Rechtsbehelfe vorzutragen, sondern substantiiert darzulegen, aus welchen Gründen und – hierbei allerdings unter Berücksichtigung des einstweiligen Rechtsschutzes – ab welchem Zeitpunkt diese im Hinblick auf die Haftbedingungen des Beschwerdeführers praktische Wirkung entfaltet hätten.
cc) Ferner hat das Landgericht bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Amtshaftungsklage in Bezug auf die Rechtsfolgenseite des geltend gemachten Anspruchs, die Gewährung einer Geldentschädigung, eine schwierige entscheidungserhebliche Rechtsfrage durchentschieden.
(1) Der Bundesgerichtshof macht eine Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen von Zusatzerfordernissen wie etwa der Bedeutung und der Tragweite des Eingriffs, ferner dem Anlass und dem Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens abhängig. Im Hinblick auf die Eingriffsintensität stellt er hierbei auf eine konkrete Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Wohles ab (vgl. BGHZ 161, 33 ≪37≫). Allerdings hat der Bundesgerichtshof in dem entschiedenen Fall diese Zusatzerfordernisse erkennbar an der kurzen Dauer jener menschenunwürdigen Unterbringung von lediglich zwei Tagen festgemacht. Insofern hat auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegende Sachverhalt besondere Umstände aufwies, welche die dort aufgestellten Vorgaben für die Gewährung einer Geldentschädigung nicht ohne Weiteres verallgemeinerungsfähig erscheinen lassen (vgl. BVerfGK 7, 120 ≪121, 124≫). Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte geht dementsprechend dahin, bei einer längeren Dauer der menschenunwürdigen Unterbringung auf Zusatzerfordernisse wie etwa eine Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Wohls zu verzichten beziehungsweise diese als gegeben anzusehen (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 14. Januar 2005 – 1 U 43/04 –, juris Rn. 60, 62; OLG Hamm, Urteil vom 18. Februar 2009 – 11 U 88/08 –, juris Rn. 70 a.E.).
(2) Das Landgericht hat in seinem Beschluss vernachlässigt, dass sich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs insoweit mit einem wesentlich abweichenden Sachverhalt befasste und ihr Ergebnis nicht zweifelsfrei auf den vorliegenden Fall übertragen werden konnte (vgl. abgrenzend zu anderen Fallgestaltungen: BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 – 1 BvR 1807/07 –, juris Rn. 31).
Nach dem Vorbringen des Landes selbst im Prozesskostenhilfeverfahren hat der Beschwerdeführer jedenfalls circa zwei Wochen (vom 10. Oktober 2007 bis zum 24. Oktober 2007) durchgehend ohne das Hinzutreten mildernder Umstände unter den genannten Haftbedingungen im Haftraum 205 in der Justizvollzugsanstalt H. zugebracht.
Für die Zeit vom 19. Januar 2007 bis zum 20. Februar 2007 verteidigt sich das Land damit, dass die Unterbringung mit einem Mitgefangenen in dem Haftraum 227 in der Justizvollzugsanstalt K. wegen der Suchtkrankheit des Beschwerdeführers zu dessen eigener Sicherheit erfolgt sei, um der Gefahr eines Suizids vorzubeugen. Für die Zeit vom 28. Februar bis zum 17. März 2007 trägt das Land vor, dass die Verlegung in den Haftraum 213 in der Justizvollzugsanstalt K. auf Wunsch des Beschwerdeführers erfolgt sei, wobei dieser jedoch entgegnet, dass er den Wunsch nur geäußert habe, um der Unterbringung mit einem ihm neu zugewiesenen heroinsüchtigen Mitgefangenen zu entgehen. Hierbei ist jedoch zweifelhaft, ob diese von dem Land vorgetragenen Motive für die Unterbringung die räumlichen Haftbedingungen derart abzumildern geeignet sind, dass nicht mehr von einer Menschenwürdeverletzung auszugehen ist. Denn es ist fraglich, ob die Argumentation, man habe einen suchtkranken, unter Umständen suizidgefährdeten Menschen zu seinem Wohl unter objektiv menschenunwürdigen räumlichen Haftbedingungen untergebracht, in verfassungsrechtlicher Hinsicht trägt, scheint sie doch zunächst allenfalls den Mangel an räumlichen Kapazitäten in den jeweiligen Justizvollzugsanstalten zu akzentuieren. Dies kann jedoch letztendlich dahinstehen. Denn ungeachtet dessen ist nach dem eigenen Vortrag des Landes ein Zeitraum zu veranschlagen, welcher im Verhältnis zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs die dort zugrunde liegende Unterbringungsdauer um ein Vielfaches übersteigt.
Damit hat das Landgericht auch diesbezüglich eine schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfrage, die, wie die geschilderte obergerichtliche Rechtsprechung zeigt, in vertretbarer Weise auch anders beantwortet werden kann, ohne Erörterung der Problematik in Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens abschließend im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden.
c) Der angegriffene Beschluss des Landgerichts beruht auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei der erforderlichen Beachtung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe in der Sache zumindest teilweise zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre.
4. Weiterhin steht nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit fest, dass der Beschwerdeführer auch im Fall einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪26 f.≫).
Zu einer anderen Prognose gelangt man auch nicht, wenn man die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur hypothetischen Kausalität im Rahmen des § 839 Abs. 3 BGB bei Amtshaftungsklagen wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung berücksichtigt (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 – III ZR 124/09 –, NJW-RR 2010, S. 1465 ≪1466≫). In der genannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof für die hypothetische Kausalität des unterlassenen Rechtsbehelfs ausdrücklich nicht auf die (hypothetische) Möglichkeit der Justizvollzugsanstalten abgestellt, den betroffenen Gefangenen anderweitig menschenwürdig unterzubringen, sondern an die aus dem Gebot der Achtung der Menschenwürde folgende rechtliche Erwägung angeknüpft, dass die Strafvollstreckung zu unterbrechen sei, wenn und solange eine weitere Unterbringung nur unter menschenunwürdigen Bedingungen in Betracht komme. Damit hat der Bundesgerichtshof nicht nur – in der Sache überzeugend – die Pflicht des Staates formuliert, im Falle menschenunwürdiger Haftbedingungen sofort auf die Durchsetzung des Strafanspruchs zu verzichten, sondern – weil dieser Pflicht das Recht des betroffenen Gefangenen korrespondieren dürfte, bei der Vollstreckungsbehörde die Unterbrechung beziehungsweise die Aufschiebung der Strafe zu beantragen (vgl. § 455 StPO) – auf diese Weise auch einen neuen Weg der Rechtsverteidigung offen gelegt. Allerdings haben weder die Parteien jenes Ausgangsverfahrens noch die des vorliegenden Ausgangsverfahrens noch sonst Rechtsprechung und Schrifttum in der Vergangenheit eine derartige Rechtsschutzmöglichkeit jemals erwogen. Damit steht im Fall der Zurückverweisung für die Beurteilung des hier allein in Frage stehenden Prozesskostenhilfeverfahrens nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass die vom Bundesgerichtshof entwickelten Rechtsschutzmöglichkeiten zu dem maßgeblichen Zeitpunkt in der Rechtspraxis tatsächlich effektiv umgesetzt worden wären und damit das Ergreifen der Rechtsschutzmöglichkeiten möglich, zumutbar und erfolgversprechend gewesen wäre. Dies wird sich nur mithilfe der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens klären lassen, wobei das Land hierfür die Beweislast trägt. Angesichts dieser Ungewissheit obliegt es den Fachgerichten zu prüfen, ob und inwieweit die Nichteinlegung des Rechtsbehelfs bereits in der Vergangenheit entstandene Ansprüche aus § 839 BGB tangiert.
Im Hinblick auf die Rügen der Verletzung weiterer Grundrechte wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
5. Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts teilt den festgestellten Mangel des landgerichtlichen Urteils. Das Oberlandesgericht hat sich die Gründe des Landgerichts ausdrücklich zu Eigen gemacht.
6. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
7. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG.
Unterschriften
Kirchhof, Eichberger, Masing
Fundstellen
EuGRZ 2011, 177 |
NJW-RR 2011, 1043 |
NVwZ 2011, 6 |
NStZ 2012, 431 |
ZAP 2011, 348 |
DÖV 2011, 449 |
HRA 2011, 2 |
KfZ-SV 2013, 23 |
NPA 2012 |
StraFo 2011, 142 |