Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 13.10.1992; Aktenzeichen 8 U 20/92) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
1. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage des Ausschlusses des gesetzlichen Ausgleichsanspruchs von Handelsvertretern gemäß § 89b Abs. 3 Nr. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB). Der Beschwerdeführer kündigte seinen Handelsvertretervertrag fristlos, weil die Unternehmerin, eine Bausparkasse, seine Zustimmung zu einer Änderung des Provisionssystems verlangte. Der Beschwerdeführer befürchtete deshalb Einkommenseinbußen.
2. Über die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist gemäß Art. 8 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 2. August 1993 (BGBl I S. 1442) – ÄndG – nach §§ 93a, 93b BVerfGG in der Fassung des Art. 1 ÄndG zu entscheiden. Die Verfassungsbeschwerde erfüllt nicht die nach § 93a Abs. 2 BVerfGG erforderlichen Voraussetzungen für ihre Annahme.
a) Ihr kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne von § 93a Abs. 2a BVerfGG nicht zu, weil der Bedeutungsgehalt des Art. 12 Abs. 1 GG für den Bereich des Handelsvertreterrechts durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 81, 242 ≪253≫) hinreichend geklärt ist. Die vorliegende Verfassungsbeschwerde gibt keinen Anlaß, die dort aufgestellten Grundsätze fortzuentwickeln.
Davon ausgehend unterliegt es keinem ernsthaften Zweifel, daß eine ersatzlose Aufhebung von § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB – unter Beibehaltung der gesetzlichen Ausgleichsregelung im übrigen – von Art. 12 Abs. 1 GG nicht gefordert wird:
Dem Gesetzgeber ist für die inhaltliche Ausgestaltung des Handelsvertreterausgleichs ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet. Denn der Ausgleichsanspruch ist kein reiner Vergütungsanspruch wie der Provisionsanspruch. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber mit der Einführung des Ausgleichs gemäß § 89b HGB auch dafür entschieden, einen Beitrag zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und sozialen Absicherung von Handelsvertretern zu leisten (BTDrucks. I/3856, S. 33 ff.). An dieser sozialpolitischen Grundlage hat sich nichts geändert (BTDrucks. 7/3918, S. 7 ff.). Dementsprechend hängen Entstehung und Bemessung des Ausgleichsanspruchs maßgeblich von Billigkeitserwägungen ab (§ 89b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 bis 3 HGB).
Danach ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt gewesen, den Fortbestand der Ausschlußregelung gemäß § 89b Abs. 3 Nr. 1 erste Alternative HGB damit zu rechtfertigen, daß die weitere Akzeptanz der Handelsvertretertätigkeit bei den Unternehmen aufrechterhalten werden solle (BTDrucks. 7/3918, S. 7 ff.). Bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise kann nicht davon ausgegangen werden, daß durch den gesetzlich angeordneten Ausschluß des Ausgleichsanspruchs für den Fall der Kündigung des Handelsvertreters ohne verhaltensbedingten begründeten Anlaß ein nicht mehr hinnehmbares Übergewicht der Unternehmerseite über die Handelsvertreterseite herbeigeführt wird (BVerfGE 81, 242 ≪253≫). Es läßt sich nicht generell feststellen, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, ob und inwieweit sich die Ausschlußregelung gemäß § 89b Abs. 3 Nr. 1 erste Alternative HGB als Hemmnis für berufliche Veränderungen von Handelsvertretern erweist. Es wird darauf ankommen, ob nach der subjektiven Einschätzung des Handelsvertreters die ihm eröffnete neue berufliche Perspektive einen Verlust des Ausgleichsanspruchs überwiegt. Hierfür wird wiederum der Höhe des zu erwartenden finanziellen Ausgleichs maßgebliche Bedeutung zukommen. Zudem war es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, auch den von ihm als schutzwürdig anerkannten Interessen der Unternehmer an einer Fortsetzung der Zusammenarbeit Bedeutung beizumessen.
Auch die gerügten Verstöße gegen Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG liegen nicht vor.
b) Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht gemäß § 93a Abs. 2b BVerfGG zur Durchsetzung von Grundrechten des Beschwerdeführers angezeigt.
Auslegung und Anwendung des § 89b Abs. 3 Nr. 1 erste Alternative HGB durch das Oberlandesgericht lassen keinen Grundrechtsverstoß erkennen. Es ist im Ergebnis unter dem Gesichtspunkt des Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen die von Unternehmerseite angestrebte Änderung des Provisionssystems als sachlich begründet anerkannt, hingegen die Prognose des Beschwerdeführers über einen damit verbundenen erheblichen Einkommensverlust für widerlegt gehalten hat.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Söllner, Kühling, Jaeger
Fundstellen
Haufe-Index 1084314 |
NJW 1996, 381 |