Verfahrensgang
Tenor
Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 17. Juni 2011 – I-11 U 27/06 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) und wird aufgehoben. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 28. März 2012 – III ZR 177/11 – wird damit gegenstandslos. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Hamm zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer dessen notwendige Auslagen zu erstatten.
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 371.000,00 EUR (in Worten: dreihunderteinundsiebzigtausend Euro) festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Versagung von Amtshaftungsansprüchen wegen der überlangen Verfahrensdauer eines zivilgerichtlichen Verfahrens.
1. Gegenstand des dem Amtshaftungsprozess zugrundeliegenden Ursprungsverfahrens war ein Anspruch des Beschwerdeführers auf restlichen Werklohn für den Abtransport von Erd- und Gesteinsmassen im Rahmen einer Straßenbaumaßnahme. Wegen dieser Forderung erwirkte der Beschwerdeführer im Dezember 1983 einen Mahnbescheid. Das Landgericht gab der Klage im anschließenden zivilgerichtlichen Verfahren im April 1985 dem Grunde nach statt. Die Berufung der damaligen Beklagten wurde im Juni 1986 zurückgewiesen. Ein Jahr später wurde die Annahme der Revision abgelehnt. Im anschließenden Betragsverfahren gab das Landgericht der Klage nach umfangreicher Beweisaufnahme im Mai 1996 durch Schlussurteil teilweise statt. Gegen das landgerichtliche Urteil legten beide Parteien Berufung ein, die sie im Oktober 1996 begründeten. Im Berufungsverfahren kam es unter anderem zu Verzögerungen durch eine weiträumige Terminierung des Oberlandesgerichts, zwei Berichterstatterwechsel, eine wiederholte Übertragung der Sache auf den Einzelrichter und eine verzögerte Terminierung nach einer ergänzenden Beweisaufnahme. Während des Berufungsverfahrens wurde am 1. Februar 2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der damaligen Beklagten eröffnet. Der Beschwerdeführer erhielt aus der Prozessbürgschaft den von ihr gesicherten Teilbetrag seiner Forderung und schloss mit dem Insolvenzverwalter einen Vergleich, wonach dieser eine darüber hinausgehende Forderung zur Insolvenztabelle festzustellen hatte. Wegen Masseunzulänglichkeit waren die hieraus resultierenden weiteren Ansprüche des Beschwerdeführers jedoch nicht durchsetzbar.
2. In dem der Verfassungsbeschwerde zugrundeliegenden Ausgangsverfahren machte der Beschwerdeführer seinen Ausfallschaden aus dem Ursprungsverfahren gegenüber dem beklagten Land geltend. Er begehrte Amtshaftungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer in Höhe von 844.443,53 Euro zuzüglich Zinsen und abzüglich des aufgrund der Prozessbürgschaft gezahlten Betrages von 347.678,47 Euro.
a) Das Landgericht wies diese Klage ab. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Beschwerdeführers verurteilte das Oberlandesgericht das beklagte Land zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 530.841,67 Euro nebst Zinsen abzüglich bereits erstatteter 347.678,47 Euro. Das Verfahren sei phasenweise durch die Richter am Landgericht und am Oberlandesgericht nicht mit der gebotenen Beschleunigung bearbeitet worden. Zwar sei das Verhalten im Grundverfahren nicht zu beanstanden, im Betragsverfahren sei es jedoch in beiden Instanzen zu pflichtwidrigen Verstößen gegen die gerichtliche Prozessförderungspflicht gekommen. Die hierauf zurückzuführende amtspflichtwidrige Verzögerung belaufe sich auf insgesamt 34 Monate. Infolgedessen sei dem Beschwerdeführer ein Schaden in Höhe der Differenz zwischen der voraussichtlichen Urteilssumme bei streitiger Entscheidung im Ausgangsverfahren und dem aufgrund der Prozessbürgschaft zugeflossenen Betrag entstanden. Ohne die Verzögerung hätte bis Mitte des Jahres 2000 ein vollstreckbares Berufungsurteil ergehen können. Aus diesem hätte der Beschwerdeführer noch erfolgreich vollstrecken können, weil der Beklagten zu diesem Zeitpunkt von ihrer Bank noch die erforderlichen Kreditmittel zur Verfügung gestellt worden wären.
b) Auf die hiergegen gerichtete Revision des beklagten Landes hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Oberlandesgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
aa) Die verzögerte Sachbearbeitung durch die Gerichte sei von der Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 Abs. 1 GG) erfasst, weil sich aus dem Recht auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 EMRK) die drittbezogene Amtspflicht gegenüber den Parteien ergebe, anhängige Verfahren mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten und bei Entscheidungsreife möglichst zeitnah abzuschließen. Ein Richter, der bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht verletze, sei jedoch nach dem sogenannten Richterspruchprivileg des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB nur dann für den hieraus entstehenden Schaden verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat bestehe. Soweit diese Privilegierung nach § 839 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht im Falle einer pflichtwidrigen Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amtes gelte, betreffe dies nicht solche Maßnahmen des Gerichts, die rechtzeitig getroffen worden seien, jedoch im Ergebnis zu einer Verlängerung des Verfahrens geführt hätten. Aber auch soweit das richterliche Verhalten nicht von der Haftungsprivilegierung erfasst sei, könne bei der Beurteilung der Frage, ob eine haftungsbegründende Verzögerung vorliege, der verfassungsrechtlich garantierte Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) nicht unberücksichtigt bleiben.
Von der Privilegierung des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB seien nicht nur Mängel erfasst, die im Urteil selbst lägen oder die unmittelbar mit seinem Erlass in Zusammenhang stünden, sondern außerdem alle Maßnahmen, die objektiv darauf gerichtet seien, die Rechtssache durch Urteil zu entscheiden, also die Grundlagen für die Sachentscheidung zu gewinnen. Derartige Maßnahmen stünden in einem so engen Zusammenhang mit dem Urteil, dass sie von diesem haftungsmäßig nicht getrennt werden könnten.
Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB führe die Verpflichtung zur Entscheidung in angemessener Zeit nicht dazu, dass das Gericht die Prozessführung unabhängig von Art. 97 Abs. 1 GG nach dem Zeitfaktor auszurichten habe und bei verschiedenen Möglichkeiten der Verfahrensgestaltung immer die schneller zum Abschluss führende wählen müsse. Denn gerade das Rechtsstaatsprinzip verlange eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands. Die sachgerechte Führung des Prozesses sei insoweit – abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben – in das Ermessen des verantwortlichen Richters gestellt und könne im Amtshaftungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit geprüft werden. Bei der Würdigung, ob das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich gewesen sei, müsse beachtet werden, dass sich bei zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts verdichte, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen. Der Zeitfaktor sei aber auch bei langer Verfahrensdauer nicht der allein entscheidende Maßstab.
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein richterliches Verhalten unvertretbar und insoweit amtspflichtwidrig gewesen sei, trage grundsätzlich der Kläger. Allein die lange Dauer des Vorprozesses begründe keine sekundäre Darlegungslast des beklagten Landes, weil es darauf ankomme, ob eine schadensursächliche Verfahrensverzögerung durch konkrete und grundsätzlich vom Kläger darzulegende pflichtwidrige Verhaltensweisen des im Vorprozess tätigen Richters oder durch ein Organisationsverschulden des Landes aufgetreten sei.
bb) Die grundsätzlich dem Tatrichter obliegende Überprüfung der Verfahrensführung im Vorprozess erweise sich in der angefochtenen Entscheidung teilweise als rechtsfehlerhaft. Das Oberlandesgericht sei in manchen Punkten unzutreffend von einer ermessensfehlerhaften, verfahrensverzögernden Prozessleitung der im Ausgangsverfahren tätigen Gerichte ausgegangen und habe sich mit den möglichen Gründen für die eingetretene Verzögerung des Ausgangsverfahrens teilweise nicht hinreichend auseinandergesetzt.
Soweit das Berufungsgericht aufgrund der Erteilung von Hinweisen vor Erlass des Beweisbeschlusses im erstinstanzlichen Betragsverfahren von einer pflichtwidrigen Verzögerung von vier Monaten ausgegangen sei, habe es nicht berücksichtigt, dass diese Entscheidung eines Gerichts der Privilegierung des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB unterfalle. Nicht zu beanstanden sei hingegen die Annahme einer pflichtwidrigen Verzögerung von 14 Monaten im Zusammenhang mit der letztlich erfolglosen Beauftragung des Sachverständigen. Der nicht unter § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB fallende unangemessen nachsichtige Umgang des Landgerichts mit dem Sachverständigen sei nicht mehr vertretbar gewesen. Rechtsfehlerhaft sei demgegenüber die Auffassung des Berufungsgerichts, das Landgericht habe pflichtwidrig nicht sogleich nach Eingang des Gutachtens des zweiten Sachverständigen im April 1995 Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung anberaumt, wodurch eine Verzögerung von vier Monaten eingetreten sei. Die Entscheidung des Gerichts, den Parteien zunächst rechtliches Gehör zu geben, um dann auf der Grundlage der eingehenden Stellungnahmen über die weitere Verfahrensweise befinden zu können, unterfalle der Privilegierung des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB.
Die Annahme des Berufungsgerichts, im Zuge des zweitinstanzlichen Betragsverfahrens sei es im Zusammenhang mit verschiedenen Terminierungen des Oberlandesgerichts zu weiteren pflichtwidrigen Verzögerungen von mindestens zwölf Monaten gekommen, halte nur teilweise einer rechtlichen Überprüfung stand. Zu Recht habe das Oberlandesgericht das nicht unter § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB fallende Unterlassen einer ersten Terminsverfügung oder der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens beanstandet. Für den weiteren Verlauf des Verfahrens lasse jedoch die pauschale Bewertung des Berufungsgerichts bezüglich des Zeitpunkts der mündlichen Verhandlung nach Eintritt der Terminsreife und bezüglich des Terminierungszeitpunktes nach dem Eingang weiterer Schriftsätze und im Anschluss an die Beweisaufnahme nicht erkennen, dass im Rahmen der Vertretbarkeitsprüfung die wesentlichen Umstände Berücksichtigung gefunden hätten. Die vom Beschwerdeführer erhobene Gegenrüge, die zweimalige Zuweisung der Sache an den Berichterstatter als Einzelrichter sei als pflichtwidrige Verzögerung des Verfahrens zu bewerten, sei unbegründet, weil es sich hierbei um eine in das Ermessen des Vorsitzenden beziehungsweise des Gerichts fallende, nicht anfechtbare Entscheidung im Anwendungsbereich des Richterspruchprivilegs aus § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB handele.
c) Das Oberlandesgericht wies nach der Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof die Berufung des Beschwerdeführers gegen das landgerichtliche Urteil durch angegriffenes Urteil insgesamt zurück. Zur Begründung führte es aus, dass bei Anwendung der vom Bundesgerichtshof konkretisierten Maßstäbe der Vorwurf einer pflichtwidrigen Verfahrensverzögerung weiterhin jedenfalls in Teilen berechtigt sei. Diese gehe jedoch nicht über einen Zeitraum von 20 Monaten hinaus.
Entsprechend den Ausführungen des Bundesgerichtshofes zur Gewährung rechtlichen Gehörs vor dem Erlass des Beweisbeschlusses liege keine pflichtwidrige Verfahrensverzögerung im Zeitraum bis März 1990 vor. Im weiteren Gang des Betragsverfahrens vor dem Landgericht sei jedoch aufgrund eines nicht mehr vertretbaren richterlichen Verhaltens eine Verzögerung von insgesamt 15 Monaten verursacht worden. Eine pflichtwidrige Verzögerung von 14 Monaten ergebe sich daraus, dass das Landgericht nicht ausreichenden Druck auf den Sachverständigen ausgeübt habe. Eine weitere Verzögerung von einem Monat sei durch das teilweise nicht mehr verständliche Verhalten des Landgerichts im Hinblick auf den Rückerhalt der Akten vom Sachverständigen nach der Entziehung des Gutachtenauftrages entstanden. Im weiteren Verlauf des Betragsverfahrens vor dem Landgericht seien hingegen keine Verzögerungen festzustellen, die auf ein unvertretbares und damit amtspflichtwidriges richterliches Verhalten zurückzuführen seien. Dies gelte entsprechend den bindenden Erwägungen des Bundesgerichtshofes insbesondere für das Unterlassen einer sofortigen Terminsanberaumung nach Eingang des Gutachtens des zweiten Sachverständigen.
Im Berufungsverfahren des Betragsverfahrens sei eine amtspflichtwidrige Verzögerung durch eine verspätete erste Terminierung von höchstens fünf Monaten entstanden. Im weiteren Verlauf seien keine Verzögerungen feststellbar, die auf einer amtspflichtwidrig zögerlichen richterlichen Bearbeitung beruhten. Das Anberaumen eines Termins zur Erörterung des Sachverständigengutachtens im Februar und dessen Verlegung im März 2000 auf einen Termin am 9. November 2000 seien bei genauerer Beleuchtung der näheren Umstände dieser Terminierung nachvollziehbar. Der ursprüngliche Termin am 14. August 2000 sei wegen einer nicht angezeigten Verhinderung des Beklagtenvertreters aufgehoben worden; im Übrigen seien die Sachverständigen ebenfalls verhindert gewesen. Dass der Bitte des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers um eine frühere Terminierung mangels freier Termine vor Mitte Juli nicht habe entsprochen werden können, stehe im Einklang mit den ursprünglichen Terminvorschlägen des Senats und lasse sich außerdem mit den Schulferien ab Ende Juni erklären. Wegen der vom Sachverständigen mitgeteilten Verhinderung bis zur 38. Kalenderwoche sei ein Termin frühestens am 18. September in Betracht gekommen, wobei wiederum auf Schulferien Anfang Oktober habe Rücksicht genommen werden müssen. Der außerdem angebotene Termin am 28. September sei von der mit der Terminvereinbarung betrauten Ausgleichsstelle gestrichen worden. Vor diesem Hintergrund erweise sich die Terminierung auf den 9. November noch als vertretbar. Es sei nicht auszuschließen, dass den Üblichkeiten entsprechend auch Nachmittagstermine über die Ausgleichsstelle abgefragt worden seien. Zudem fehle es an Vortrag dazu, ob die übrigen Beteiligten einen früheren Termin hätten wahrnehmen können.
Die Zeitspanne zwischen dem Eingang der Stellungnahme des Beschwerdeführers und einer Terminierung eines Einzelrichtertermins erscheine angesichts eines zweimaligen Berichterstatterwechsels aufgrund von Beförderungen der Berichterstatter in dieser Zeit als vertretbar. Die Zeit zwischen dem Einzelrichter- termin und der Anberaumung eines Senatstermins sei ebenfalls nicht Ausdruck einer unzureichenden Verfahrensförderung.
Die auf schuldhafter Pflichtverletzung beruhende Verzögerung von insgesamt 20 Monaten habe nicht den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Schaden verursacht, weil aus einem dann nicht vor Ende August 2001 vorliegenden Berufungsurteil ebenfalls nicht mehr erfolgversprechend habe vollstreckt werden können.
d) Die gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Oberlandesgericht gerichtete Beschwerde wurde vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen.
3. Der Beschwerdeführer hat gegen die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes und das zweite Urteil des Oberlandesgerichts Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).
Die Ausgangsgerichte hätten in den angegriffenen Entscheidungen zwar das Recht des Beschwerdeführers auf eine Entscheidung in angemessener Frist grundsätzlich anerkannt. Aufgrund der Anforderungen, die der Bundesgerichtshof im Amtshaftungsprozess an die Darlegung der Unvertretbarkeit des richterlichen Verhaltens bei der Prozessführung stelle, werde dieses Recht allerdings in einer Weise entwertet, die verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbar sei. Die Entscheidungen trügen nicht der verfassungsrechtlich gebotenen Folge Rechnung, dass die richterliche Unabhängigkeit mit zunehmender Dauer des Verfahrens immer weiter zurücktreten müsse und die Gerichte verpflichtet seien, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen. Die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze führten dazu, dass allenfalls im Einzelfall außerhalb des Bereichs des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB ein richterliches Verhalten als nicht mehr vertretbar bewertet werden könne und eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast selbst dann nicht in Betracht komme, wenn eine sehr lange Verfahrensdauer vorliege, in deren Verlauf bereits unvertretbare Verzögerungen festgestellt worden seien.
Damit hätten die Ausgangsgerichte der richterlichen Unabhängigkeit ein Gewicht und eine Bedeutung beigemessen, die ihr nicht zukomme. Insbesondere entziehe die richterliche Unabhängigkeit nicht die wesentlichen Tätigkeitsbereiche des Richters der Überprüfung. Zudem bleibe die richterliche Unabhängigkeit unangetastet, wenn lediglich Ersatzansprüche in Rede stünden. Die Ausgangsgerichte hätten das Recht auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Zeit demgegenüber nur formelhaft erwähnt und letztlich der richterlichen Unabhängigkeit generell Vorrang eingeräumt. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes erfordere demgegenüber trotz der richterlichen Unabhängigkeit die Überprüfung auch der eigentlichen richterlichen Tätigkeit auf die Verursachung von Verfahrensverzögerungen. Schließlich sei eine Verlagerung der Darlegungs- und Beweislast auf die Anstellungskörperschaft sowohl nach langer Verfahrensdauer als auch nach früherem Verzögerungsverhalten anzuerkennen.
Die Klageabweisung beruhe auf dieser Entwertung, da die für die Kausalität erforderliche weitere „relevante” Verzögerung von wenigen Monaten oder gar Wochen habe festgestellt werden können, wenn der Bundesgerichtshof bereits einen seiner Maßstäbe anders formuliert hätte.
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde sei zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt, weil die aufgeworfenen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung hätten, das Gewicht der gerügten Grundrechtsverletzung über den Einzelfall hinausreiche und der Beschwerdeführer aufgrund der extrem langen Verfahrensdauer sowie der finanziellen Folgen existenziell betroffen sei.
4. Zu der Verfassungsbeschwerde hatten das Bundesministerium der Justiz, das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und das im Ausgangsverfahren beklagte Land Gelegenheit zur Äußerung. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr teilweise statt, weil dies zur Durchsetzung des – bei Auslegung des § 839 BGB und dabei insbesondere des Richterspruchprivilegs zu beachtenden – Anspruchs des Beschwerdeführers auf Erlangung einer gerichtlichen Entscheidung innerhalb angemessener Zeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) und die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ebenfalls vorliegen.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die Maßstäbe der Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 82, 126 ≪155≫; 93, 99 ≪107≫) und die sich daraus ergebende Verpflichtung, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen (vgl. BVerfGE 55, 349 ≪369≫; 60, 253 ≪269≫; 93, 1 ≪13≫), bereits geklärt.
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die geltend gemachte Grundrechtsverletzung hat besonderes Gewicht und betrifft den Beschwerdeführer wegen der sich aus den angegriffenen Entscheidungen ergebenden erheblichen finanziellen Belastung in existentieller Weise (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).
3. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Zwar begegnet die Auslegung des § 839 BGB durch den Bundesgerichtshof im Ergebnis keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken; die Anwendung dieser Maßstäbe durch das Oberlandesgericht verletzt hingegen den Beschwerdeführer zum Teil in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).
a) Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Das Bundesverfassungsgericht beschränkt seine Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen auf die Verletzung von Verfassungsrecht (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫; stRspr). Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht ist erst erreicht, wenn die Auslegung der Fachgerichte Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 89, 1 ≪9 f.≫; 99, 145 ≪160≫; 129, 78 ≪102≫; BVerfG, Urteil des Erstens Senats vom 11. Juli 2012 – 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08 –, NJW 2012, S. 3081 ≪3086≫).
Aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) lässt sich die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes im materiellen Sinn für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten ableiten (vgl. BVerfGE 82, 126 ≪155≫; 93, 99 ≪107≫). Hieraus ergibt sich unter anderem die Verpflichtung der Fachgerichte, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen (vgl. BVerfGE 55, 349 ≪369≫; 60, 253 ≪269≫; 93, 1 ≪13≫). Die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens ist stets nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles zu bestimmen (vgl. BVerfGE 55, 349 ≪369≫). Es gibt keine allgemeingültigen Zeitvorgaben; verbindliche Richtlinien können auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht entnommen werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 6. Mai 1997 – 1 BvR 711/96 –, NJW 1997, S. 2811 ≪2812≫; EGMR, Urteil der Dritten Sektion vom 11. Januar 2007 – 20027/02, Herbst/Deutschland –, NVwZ 2008, S. 289 ≪291≫).
Gegenüber dem Anspruch auf Erlangung einer gerichtlichen Entscheidung in angemessener Zeit sind allerdings weitere, teilweise widerstreitende rechtsstaatliche Anforderungen zu beachten (vgl. BVerfGE 88, 118 ≪124≫; 93, 99 ≪107≫). So ist die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes außerdem auf eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes gerichtet (vgl. BVerfGE 54, 277 ≪291≫; 85, 337 ≪345≫). Die Gerichte dürfen die prozessrechtlichen Möglichkeiten zur Sachverhaltsfeststellung nicht so eng auslegen, dass ihnen eine sachliche Prüfung derjenigen Fragen, die ihnen vorgelegt worden sind, nicht möglich ist (vgl. BVerfGE 53, 115 ≪127 f.≫) und das vom Gesetzgeber verfolgte Verfahrensziel deshalb nicht erreicht werden kann (vgl. BVerfGE 78, 88 ≪98 f.≫; 101, 275 ≪294 f.≫). Zur Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege und zur materiell richtigen Entscheidung sind die Gerichte grundsätzlich gehalten, von den Parteien angebotene Beweise oder Darlegungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 117, 202 ≪240≫). Hieraus folgt, dass den Gerichten ein gewisser Spielraum bei der Verfahrensgestaltung und noch mehr bei der inhaltlichen Beurteilung des zu entscheidenden Falles verbleibt.
Die Verfahrensgestaltung obliegt in erster Linie dem mit der Sache befassten Gericht im Rahmen des ihm im Hinblick auf die Verfahrensführung durch die einschlägige Prozessordnung eingeräumten Ermessens. Sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zulässt, muss das Gericht hierfür zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festlegen, wobei es freilich das Gebot eines wirkungsvollen Rechtsschutzes nicht außer Acht lassen und die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung nicht aus sachwidrigen Erwägungen unterlassen darf (vgl. BVerfGE 55, 349 ≪369≫). Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Frage, ab wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, sind sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Natur des Verfahrens und die Bedeutung der Sache für die Parteien (vgl. BVerfGE 46, 17 ≪29≫), die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 6. Mai 1997 – 1 BvR 711/96 –, NJW 1997, S. 2811 ≪2812≫), die Schwierigkeit der Sachmaterie, das den Beteiligten zuzurechnende Verhalten, insbesondere durch sie herbeigeführte Verfahrensverzögerungen sowie die gerichtlich nicht zu beeinflussende Tätigkeit Dritter, vor allem der Sachverständigen, deren Anleitung im Ermessen des Gerichts steht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 1999 – 1 BvR 467/99 –, NJW 1999, S. 2582 ≪2583≫; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00 –, NJW 2001, S. 214 ≪215≫). Dagegen kann sich der Staat nicht auf solche Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Oktober 2003 – 1 BvR 901/03 –, NVwZ 2004, S. 334 ≪335≫). Ferner haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00 –, NJW 2001, S. 214 ≪215≫; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. September 2009 – 1 BvR 3171/08 –, VersR 2010, S. 1617 ≪1618≫).
b) Nach diesen Maßstäben verletzt die Auslegung der § 839 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG durch den Bundesgerichtshof nicht den bei Prüfung einer Amtspflichtverletzung zu beachtenden Anspruch des Beschwerdeführers auf wirkungsvollen Rechtsschutz und die sich daraus ergebende Verpflichtung, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen.
aa) Es beruht nicht auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Anspruches auf wirkungsvollen Rechtsschutz, dass der Bundesgerichtshof vom Richterspruchprivileg des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB auch solche Maßnahmen erfasst sieht, die objektiv darauf gerichtet sind, die Rechtssache durch Urteil zu entscheiden, also die Grundlagen für die Sachentscheidung zu gewinnen.
Das Richterspruchprivileg findet seinen Grund in den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, WM 2013, S. 815 ≪817≫), die hier dafür sprechen, dass eine rechtskräftige Entscheidung durch einen Amtshaftungsprozess nicht erneut in Frage gestellt wird (vgl. dazu BGHZ 57, 33 ≪45≫; Leipold, JZ 1967, S. 737 ≪739≫; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 262 (Januar 2009); ders. in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, § 839 Rn. 323; Wieland, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl., 2006, Art. 34 Rn. 52). Diesem Ziel entspricht die Erstreckung des Haftungsprivilegs des § 839 Abs. 2 BGB auf solche richterlichen Maßnahmen, die objektiv darauf gerichtet sind, die Rechtssache durch Urteil zu entscheiden, also die Grundlagen für die Sachentscheidung zu gewinnen. Ob das Haftungsprivileg darüber hinaus auch auf Art. 97 Abs. 1 GG gestützt werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung.
Dem verfassungsrechtlich verankerten Beschleunigungsgebot wird Rechnung getragen, indem nach § 839 Abs. 2 Satz 2 BGB eine gerichtliche Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung nicht dem Haftungsprivileg unterfällt und der Kreis der vom Haftungsprivileg umfassten vorbereitenden Maßnahmen restriktiv nur soweit zu ziehen ist, wie dies durch die im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsätze der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens geboten ist (vgl. dazu Wieland, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl., 2006, Art. 34 Rn. 52). Zudem ist bei der Prüfung der Verfahrensführung außerhalb des privilegierten Bereichs zu beachten, dass eine Verzögerung durch eine nach § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht überprüfbare Maßnahme in der Folge zur Pflicht führen kann, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen.
bb) Die Annahme des Bundesgerichtshofes, die sachgerechte Führung des Prozesses sei außerhalb des Anwendungsbereiches des Richterspruchprivilegs aus § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB in der Regel in das Ermessen des verantwortlichen Richters gestellt und könne im Amtshaftungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit geprüft werden, wobei er den Zeitfaktor nicht als allein entscheidend ansieht, beruht ebenfalls nicht auf einer unzutreffenden Einschätzung der Verpflichtung, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen. Dieser Maßstab des Bundesgerichtshofes wird den Anforderungen des Gebotes effektiven Rechtsschutzes sowie dem vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Spielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung und der inhaltlichen Beurteilung des zu entscheidenden Falles im Grundsatz noch gerecht. Bei seiner Anwendung kann der Anspruch auf Erlangung einer gerichtlichen Entscheidung in angemessener Zeit ausreichend berücksichtigt werden. Dabei kann sich das Ermessen im Verlauf eines Verfahrens zu einer Pflicht verdichten, sich nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens und dessen Beendigung zu bemühen.
cc) Schließlich beruht es nicht auf einer grundsätzlichen Verkennung der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, dass der Bundesgerichtshof die Darlegungs- und Beweislast für eine Amtspflichtverletzung, sei es durch individuelles richterliches Fehlverhalten, sei es in Form eines Organisationsversäumnisses, – abgesehen von Darlegungserleichterungen im Einzelfall – grundsätzlich beim Kläger belässt.
Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt die Verpflichtung zu einer fairen Handhabung des Beweisrechts, insbesondere der Beweislastregeln (vgl. BVerfGE 52, 131 ≪145≫; 117, 202 ≪240≫). Darlegungs- und Beweislasten dürfen nicht in einer Weise zugeordnet werden, die es den belasteten Verfahrensbeteiligten faktisch unmöglich macht, sie zu erfüllen (vgl. BVerfGE 54, 148 ≪157 f.≫; 59, 128 ≪160≫). Diese Anforderungen verlangen aber nicht, die allgemeinen Regeln des materiellen und prozessualen Rechts so auszugestalten oder anzuwenden, dass der Anspruchsteller im Amtshaftungsprozess in Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen Darlegungs- und Beweiserleichterungen für sich in Anspruch nehmen kann.
Dabei kommen dem Anspruchsteller die Vergünstigungen der in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes nicht generell ausgeschlossenen sekundären Darlegungslast zugute (vgl. zu den Voraussetzungen etwa BGHZ 145, 170 ≪184 f.≫). Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass in den angegriffenen Entscheidungen der bloße Vortrag einer langen Dauer des Ursprungsverfahrens nicht als ausreichend erachtet wurde, eine sekundäre Darlegungslast des an sich nicht darlegungs- und beweisbelasteten Staates anzunehmen. Denn dem Anspruchsteller ist es nicht faktisch unmöglich, anhand des ihm bekannten Verlaufs des eigenen Verfahrens konkrete Verhaltensweisen der im Vorprozess tätigen Richter oder bei deren Überlastung ein Organisationsversäumnis substantiiert zu behaupten. Allerdings erfordert die effektive Durchsetzung des Beschleunigungsgebots eine sekundäre Darlegungslast des Staates zumindest hinsichtlich interner Abläufe und der Einzelheiten eventueller Organisationsmängel.
c) Die Rechtsanwendung im Urteil des Oberlandesgerichts nach der Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof beruht demgegenüber teilweise auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung des Gebotes effektiven Rechtsschutzes in seiner Ausprägung als Verpflichtung der Fachgerichte, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen.
aa) Es ist mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar, dass das Oberlandesgericht die Verfahrensführung des Landgerichts im Betragsverfahren nach dem Eingang des Sachverständigengutachtens nicht als haftungsrelevante Verzögerung angesehen hat.
Zwar ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die Gewährung rechtlichen Gehörs zum Sachverständigengutachten anstelle einer sofortigen Terminierung dem Richterspruchprivileg zuzuordnen. Es ist jedoch von Verfassungs wegen nicht mehr vertretbar, dies als Rechtfertigung einer viermonatigen Verfahrensverzögerung heranzuziehen. Bei der Überprüfung dieser Verfahrensführung hat das Oberlandesgericht den Anspruch auf eine Entscheidung in angemessener Zeit grundsätzlich verkannt, weil es die Verpflichtung der Gerichte, sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen, vollständig außer Acht gelassen hat. Angesichts einer damaligen Verfahrensdauer von etwa elfeinhalb Jahren, der Möglichkeit des Gerichts, während der einmonatigen Stellungnahmefrist der Parteien bereits selbst das Gutachten zu prüfen, und der sehr kurzen Stellungnahmen der Parteien ist eine weitere Bearbeitungszeit von drei Monaten zu lang. Entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts ließ ihm das Revisionsurteil die Möglichkeit, nach der Zurückverweisung das Beschleunigungsgebot zu beachten. Der Fehler des Oberlandesgerichts ist außerdem in seiner materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht. Zwar betrifft er bei einer Gesamtdauer des Ursprungsverfahrens von mehr als 20 Jahren nur einen sehr kleinen Zeitraum, dieser hat jedoch für die Entscheidung erhebliche Bedeutung, weil für die Frage der Ursächlichkeit der Amtspflichtverletzungen für den geltend gemachten Schaden jeder Monat der Verzögerung entscheidend sein kann.
bb) Es ist ebenfalls mit dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot nicht mehr vereinbar, dass das Oberlandesgericht die Terminverlegung nach der ergänzenden Beweisaufnahme im Berufungsverfahren des Betragsverfahrens auf einen siebeneinhalb Monate nach der Verfügung liegenden Terminstag nicht als Grund für die Annahme einer Amtspflichtverletzung angesehen hat. Hier lässt das Oberlandesgericht die aus der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes folgende und sich mit zunehmender Dauer des Verfahrens verdichtende Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens und dessen Beendigung zu bemühen, außer Acht, obwohl sich eine derartige Verpflichtung nach einer Verfahrensdauer von etwa 16 Jahren geradezu aufdrängte. Das Oberlandesgericht hat gebilligt, dass die Sache mit lediglich fünf Terminvorschlägen für einen Zeitraum von siebeneinhalb Monaten wie ein gewöhnlicher Rechtsstreit behandelt wurde, und keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob im Ursprungsverfahren hinreichende Beschleunigungsmaßnahmen ergriffen worden waren.
Die Frage der Amtspflichtverletzung konnte hier auch nicht mit der Begründung offen bleiben, dass die haftungsbegründende Kausalität vom Beschwerdeführer nicht substantiiert vorgetragen worden sei, weil er nicht dargelegt habe, dass und an welchem konkreten Tag die übrigen Prozessbeteiligten einen früheren Termin hätten wahrnehmen können. Denn diese Hilfsbegründung ist ihrerseits nicht mehr verfassungsrechtlich vertretbar. Sie beruht auf einem grundsätzlichen Verkennen der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes in ihrer Ausprägung als Verbot, Darlegungs- und Beweislasten in einer Weise zuzuordnen, welche die Erlangung von Rechtsschutz faktisch unmöglich macht. Das Oberlandesgericht stellt Anforderungen an den Vortrag des Beschwerdeführers, die es ihm unmöglich machen, die von ihm verlangte Darlegungslast zu erfüllen. Ohne Kenntnis von den internen Abläufen des Gerichts war es dem Beschwerdeführer faktisch unmöglich, vorzutragen, welche Nachmittagstermine vom Gericht zur Verfügung hätten gestellt und von Parteivertretern und Sachverständigen hätten wahrgenommen werden können.
cc) Die Annahme des Oberlandesgerichts, die verzögerte Terminierung im weiteren Verlauf des Verfahrens nach dem zweimaligen Berichterstatterwechsel sei vertretbar, beruht ebenfalls auf einer grundsätzlichen Fehleinschätzung der Verpflichtung, sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen. Der Berichterstatterwechsel liegt ausschließlich in der organisatorischen Verantwortung des Staates, der für dessen Folgen haftet. Das Oberlandesgericht verkennt zudem die Bedeutung der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, indem es das Unterlassen einer Terminierung durch den zweiten Berichterstatter mit der Begründung als vertretbar ansieht, dass der weitere Berichterstatterwechsel absehbar gewesen sei und ein Nachfolger möglicherweise die Erforderlichkeit prozessleitender Maßnahmen anders bewerten würde.
dd) Im Übrigen beruht die Überprüfung des Ursprungsverfahrens auf etwaige amtspflichtwidrige Verzögerungen nicht auf einer grundsätzlichen Verkennung der Verpflichtung zum Abschluss eines Gerichtsverfahrens in angemessener Zeit. Bezüglich des Grundverfahrens ist für eine derartige Verletzung schon deshalb nichts ersichtlich, weil das Oberlandesgericht angesichts des damaligen Prozessstadiums bei einer Betrachtung ex ante noch nicht verpflichtet war, sich in besonderem Maße um eine Beschleunigung zu bemühen. Die Beurteilung der Verfahrensführung des Landgerichts im Betragsverfahren bis zum Eingang des Sachverständigengutachtens ist ebenfalls von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, da nicht erkennbar ist, dass es – abgesehen von dem im Ausgangsverfahren beanstandeten nachsichtigen Umgang mit dem ersten Sachverständigen – das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich der Sachverständigenauswahl und der sonstigen Beweiserhebung fehlerhaft ausgeübt hat. Schließlich ist es nicht zu beanstanden, den Zeitraum zwischen einem Einzelrichtertermin vor dem Oberlandesgericht und der Anberaumung eines Senatstermins noch nicht als Ergebnis eines unvertretbaren Zuwartens anzusehen, weil eine sofortige Terminierung nicht als die einzige dem Beschleunigungsgebot gerecht werdende Maßnahme betrachtet werden konnte.
d) Die Abweisung der Amtshaftungsklage beruht auf den festgestellten Verstößen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Oberlandesgericht zu einem abweichenden, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gekommen wäre, wenn es im Amtshaftungsprozess die aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang beachtet hätte, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht dann weitere amtspflichtwidrige und damit haftungsrelevante Verzögerungen im Betragsverfahren von mehreren Monaten festgestellt hätte, und dass nach den noch zu treffenden Feststellungen des Oberlandesgerichts im Amtshaftungsprozess bereits eine weitere haftungsrelevante Verzögerung von wenigen Monaten genügt hätte, um die Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und geltend gemachtem Schaden zu bejahen.
III.
Das Urteil des Oberlandesgerichts vom 17. Juni 2011 ist hiernach gemäß § 93c Abs. 2, § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Der ebenfalls angegriffene Beschluss des Bundesgerichtshofs über die Nichtzulassungsbeschwerde wird damit gegenstandslos.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG, diejenige über die Festsetzung des Gegenstandwerts auf § 14 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 ≪366 ff.≫).
Unterschriften
Gaier, Schluckebier, Paulus
Fundstellen