Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Berufungsbegründung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren
Beteiligte
Rechtsanwalt Dr. Werner Nowak |
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft im Wesentlichen die Frage, welche Anforderungen an die Darlegung von Gründen zu stellen sind, auf die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Antrag auf Zulassung der Berufung gestützt werden kann.
1. Die Beschwerdeführer stammen aus der früheren Sowjetunion, die sie 1994 verließen. Der Beschwerdeführer zu 1 war dort als (Volks-)Richter tätig. Die übrigen Beschwerdeführer sind seine Angehörigen. Ihre Anträge auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung wurden abgelehnt, die von den Beschwerdeführern zu 1 bis 4 erhobenen Widersprüche zurückgewiesen, die Widersprüche der anderen Beschwerdeführer wie ihre Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, hilfsweise auf Wiederaufnahme des Verfahrens, nicht beschieden.
Die Klage der Beschwerdeführer hat das Verwaltungsgericht im Mai/Juni 1998 abgewiesen. Hinsichtlich der Beschwerdeführer zu 5 und 6 sei sie unzulässig, im Übrigen unbegründet. Dem Beschwerdeführer zu 1 stehe gemäß § 5 Nr. 1 Buchstabe d des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) ein Anspruch auf eine Spätaussiedlerbescheinigung nicht zu, weil er als Richter eine herausgehobene politische und berufliche Stellung innegehabt habe. Die Beschwerdeführer zu 2 bis 4 hätten ebenfalls keinen Anspruch auf die erstrebte Bescheinigung, weil sie aufgrund der Position des Beschwerdeführers zu 1 gleichfalls begünstigt gewesen seien.
Den Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung der Berufung, den sie vor allem mit ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils begründet haben (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), hat das Oberverwaltungsgericht abgelehnt. Er genüge nicht den gesetzlichen Darlegungserfordernissen.
Ihre Zweifel an der Richtigkeit des Urteils hätten die Beschwerdeführer ausschließlich mit dem Hinweis auf die entgegenstehende Entscheidung eines anderen Verwaltungsgerichts begründet, ohne darzulegen, dass und weshalb die ihm zugrunde liegenden Erwägungen an der Richtigkeit des vorliegenden Urteils Zweifel erweckten. Erforderlich sei, dass sich der Antragsteller mit der angegriffenen Entscheidung inhaltlich substantiiert auseinander setze und im Einzelnen erläutere, weshalb sie aus seiner Sicht unzutreffend sei. Auch wenn beim Antrag auf Zulassung wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) an die Darlegungslast geringere Anforderungen als bei den anderen Zulassungsgründen zu stellen wären, werde der Vortrag der Beschwerdeführer insoweit den Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Sie hätten sich nämlich nur auf eine abweichende verwaltungsgerichtliche Entscheidung berufen, ohne darzulegen, dass die Komplexität der Sache messbar über das in verwaltungsgerichtlichen Verfahren der jeweiligen Eigenart Übliche hinausgehe. Dem Darlegungsgebot sei auch nicht genügt, soweit die Beschwerdeführer die Grundsätzlichkeit der Rechtssache behaupteten (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Hinweis allein auf die divergierende Entscheidung eines anderen Verwaltungsgerichts reiche auch hier nicht aus. Da die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ordnungsgemäß dargelegt worden sei, komme es nicht mehr darauf an, dass § 5 Nr. 1 Buchstabe d BVFG – mit Wirkung zum 1. Januar 2000 – aufgehoben worden sei.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG. Dem Berufungszulassungsantrag habe stattgegeben werden müssen. Die Regelungen über das Zulassungserfordernis führten zu einer Rechtsschutzverkürzung, weil eine Tatsacheninstanz entfalle. Deshalb dürften die Zulassungskriterien des § 124 Abs. 2 VwGO nur im Sinne einer einfachen Schlüssigkeitsprüfung angewendet werden. Das gelte namentlich beim Zulassungsantrag wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Vor allem die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 1999 (BVerwGE 108, 340), auf die sie im Zulassungsverfahren hingewiesen hätten, begründe solche Zweifel. Die Darlegungsanforderungen des Verwaltungsgerichtshofs seien überzogen, weil er praktisch eine Berufungsbegründung verlange.
Entscheidungsgründe
II.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.
1. Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu. Zwar erscheint die Frage, ob die vom Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung zugrunde gelegten Maßstäbe für die Darlegung der Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO mit Art. 19 Abs. 4 GG im Einklang stehen, für sich gesehen klärungsbedürftig im Sinne des § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG (vgl. nachstehend unter a bis c). Sie braucht jedoch im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht geklärt zu werden, weil es auf sie entscheidungserheblich nicht ankommt (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25≫). Denn die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, den Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung der Berufung abzulehnen, ist verfassungsrechtlich auch dann nicht zu beanstanden, wenn die in der angegriffenen Entscheidung hierfür entwickelten Maßstäbe verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht uneingeschränkt standhalten (vgl. nachfolgend unter 2 a bb).
a) Maßstab für die Prüfung der von den Beschwerdeführern erhobenen Rügen ist in erster Linie Art. 19 Abs. 4 GG, den die Beschwerdeführer mit der Rüge eines Verstoßes des Verwaltungsgerichtshofs gegen Art. 2 Abs. 1 GG und rechtsstaatliche Grundsätze erkennbar haben ansprechen wollen.
Die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG verbietet, wenn prozessrechtliche Vorschriften Rechtsbehelfe vorsehen, den Gerichten eine Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften, die die Beschreitung des eröffneten (Teil-)Rechtswegs in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. BVerfGE 77, 275 ≪284≫; 78, 88 ≪99≫). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht – wie hier die §§ 124, 124 a VwGO – den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. zu § 32 AsylVfG a.F. und § 78 AsylVfG BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, NVwZ 1993, S. 465; BayVBl 1995, S. 178). Deshalb dürfen insbesondere die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können (vgl. auch – zum Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache – BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, BayVBl 1995, S. 178).
b) Anders als die Revisionsinstanz dient die Berufungsinstanz dazu, das erstinstanzliche Urteil in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu überprüfen. Außerdem sollen die Berufungsgerichte die durch einen Rechtsstreit aufgeworfenen grundsätzlichen Rechtsfragen einerseits soweit wie möglich selbst klären, andererseits aber auch so aufbereiten, dass ihre bundeseinheitliche Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht erleichtert wird. Für die Bereinigung von Divergenzen gilt Entsprechendes.
Dieser Aufgabe der Berufungsgerichte tragen die in § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 VwGO aufgeführten Zulassungsgründe Rechnung. Die in den Nummern 1 und 2 genannten Zulassungskriterien der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung und der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache sollen eine allgemeine Fehlerkontrolle in Fällen ermöglichen, die dazu besonderen Anlass geben. Mit den Nummern 3 und 4 (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Abweichung von den angeführten Divergenzentscheidungen) sollen – auch als Vorstufe zu einer eventuell noch erforderlichen Klärung durch das Revisionsgericht – Rechtseinheit und Rechtsfortbildung auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts gesichert werden. Zur Entlastung der Gerichte verlangt das Gesetz, dass der Betroffene die Gründe für die Zulassung der Berufung darlegt (§ 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO).
c) Regelungen dieser Art begegnen als solche keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Ebenso können bei ihrer Auslegung und Anwendung die Gerichte von den Verfahrensbeteiligten ein Mindestmaß an Substantiierung verlangen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, BayVBl 1995, S. 178 ≪179≫). Doch dürfen die Anforderungen an die Substantiierung schon deshalb nicht überspannt werden, weil § 124 a Abs. 1 VwGO dem Antragsteller nur einen Monat nach der Zustellung Zeit lässt, die Zulassungsgründe herauszuarbeiten. Das hat der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Maßstabbildung für die Auslegung und Anwendung des § 124 a Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO nicht hinreichend erkannt.
aa) An die Darlegung des in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthaltenen Zulassungsgrunds der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils stellt der Verwaltungsgerichtshof folgende Anforderungen: Aus der Antragsbegründung und der erstinstanzlichen Entscheidung selbst müssten sich „schlüssige Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffs eine hinreichend verlässliche Aussage über die Erfolgsaussicht des (noch zuzulassenden) Rechtsmittels ermöglichen.” Gefordert wird weiter „eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem angegriffenen Urteil”, der nur genügt sei, „wenn sich der Antragsteller mit der angegriffenen Entscheidung inhaltlich substantiiert auseinander setzt und hierbei im Einzelnen erläutert, weshalb sie aus seiner Sicht im Ergebnis unzutreffend ist”.
Mit diesen Anforderungen überdehnt das Gericht den vom Gesetzgeber beabsichtigten Entlastungseffekt des Darlegungserfordernisses in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu vereinbarenden Weise, wenn es damit dem Betroffenen abverlangen will, dem Gericht einen vollständigen Begründungskontext zu liefern, den es im Fall der Stattgabe selbst zu entwickeln hätte. Der Wortlaut des Gesetzes gibt dazu keinen Anlass. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung sind immer schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden. Das Zulassungsverfahren hat außerdem nicht die Aufgabe, das Berufungsverfahren vorwegzunehmen. An die Begründung des Zulassungsantrags dürfen daher nicht dieselben Anforderungen gestellt werden wie an die spätere Berufungsbegründung nach § 124 a Abs. 3 VwGO, für die zusätzliche Zeit zur Verfügung steht. Überdies sind die darüber hinausgehenden Anforderungen des Verwaltungsgerichtshofs auch deshalb bedenklich, weil sie durch unbestimmte Qualitätsmerkmale wie „vertiefte Auseinandersetzung” oder „hinreichend verlässliche Aussage” die Erfolgsaussichten des Antrags unkalkulierbar machen.
bb) Zum Zulassungsgrund der besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) hält der Verwaltungsgerichtshof die „hinreichende” Darlegung für geboten, dass „die Komplexität der Sache messbar über das in verwaltungsgerichtlichen Verfahren der jeweiligen Eigenart Übliche hinausgeht.” Auch damit wird der Betroffene in unzumutbarer Weise belastet.
Erkenntnisse über das in vergleichbaren Streitverfahren übliche Maß an Komplexität kann sich ein nicht gerade auf das jeweilige Rechtsgebiet spezialisierter Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht beschaffen, während sie dem angerufenen Gericht ohne weiteres zugänglich sind. Es kommt hinzu, dass mit dem Adverb „messbar” wiederum ein Kriterium eingeführt wird, das sich im vorliegenden Zusammenhang einer rationalen Handhabung entzieht und damit dem Betroffenen hinsichtlich der Erfolgsaussichten seines Antrags ein unkalkulierbares Risiko aufbürdet. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass Fachsenate in der Gefahr stehen, die Schwierigkeiten desto weniger wahrzunehmen, je mehr sie spezialisiert sind; diesem Blickwinkel kann auch der informierte Rechtsanwalt nicht entsprechen. Ob eine Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht schwierig ist, wird sich häufig schon aus dem Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteils ergeben. Der Antragsteller genügt seiner Darlegungslast dann regelmäßig mit erläuternden Hinweisen auf die einschlägigen Passagen des Urteils. Nur soweit er die Schwierigkeiten des Falles darin erblickt, dass das Gericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen ist oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, kann gefordert werden, dass er diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darstellt und ihren Schwierigkeitsgrad plausibel macht.
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht im Sinne des § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführern als verletzt gerügten Rechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
a) Der angegriffene Beschluss verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG.
aa) Das ergibt sich hinsichtlich der Beschwerdeführer zu 5 und 6 ohne weiteres daraus, dass ihre Klage vom Verwaltungsgericht als unzulässig abgewiesen worden ist und sich im Antrag auf Zulassung der Berufung keine Ausführungen finden, mit denen die vom Verwaltungsgericht festgestellte Versäumung der Widerspruchsfrist angegriffen wird. Mit dem Verwaltungsgerichtshof kann deshalb insoweit angenommen werden, dass der Zulassungsantrag nicht ausreichend substantiiert ist.
bb) Im Ergebnis nichts anderes gilt für die Darlegungen zum Zulassungsbegehren der übrigen Beschwerdeführer. Auch wenn die Anforderungen an die Begründung des Zulassungsantrags auf das verfassungsrechtlich gebotene Maß reduziert werden, konnte der Verwaltungsgerichtshof die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO als nicht erfüllt ansehen.
(1) Zur Begründung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils verweisen die Beschwerdeführer zu 1 bis 4 letztlich nur auf das abweichende Urteil eines anderen Verwaltungsgerichts, ohne auch nur ansatzweise auszuführen, aus welchem Grund es überzeugender sein soll als das im Ausgangsverfahren ergangene. Eine schlüssige Gegenargumentation im oben (unter II 1 c aa) dargelegten Sinne kann darin nicht gesehen werden. Es ist deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Verwaltungsgerichtshof angenommen hat, dass der Zulassungsgrund nicht hinreichend dargetan ist. Auch den Antrag auf Zulassung der Berufung wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache haben die Beschwerdeführer zu 1 bis 4 innerhalb der Frist des § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO nur mit dem Hinweis auf die Entscheidung jenes anderen Verwaltungsgerichts begründet. Damit sind sie auch hinsichtlich des Zulassungsgrunds nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hinter dem zurückgeblieben, was verfassungsrechtlich an einer hinreichenden Darlegung verlangt werden kann (vgl. oben II 1 c bb). Schließlich leuchtet es ein, dass der Verwaltungsgerichtshof den bloßen Hinweis auf ein divergierendes verwaltungsgerichtliches Urteil auch nicht als Begründung für die erstrebte Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat genügen lassen.
(2) Eine Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht deshalb geboten, weil das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 1999 (BVerwGE 108, 340), auf das die Beschwerdeführer den Verwaltungsgerichtshof hingewiesen haben, diesen nicht dazu veranlasst hat, die Berufung wegen Divergenz zuzulassen (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Zwar ist es verfassungsrechtlich bedenklich, wenn ein zunächst mit grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache begründetes Rechtsmittel nicht wegen Abweichung der zur Überprüfung gestellten Entscheidung zugelassen wird, falls nachträglich eine beachtliche Divergenzentscheidung ergeht, durch die die ursprünglich grundsätzlich bedeutsam gewesene Rechtsfrage geklärt worden ist (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, NVwZ 1993, S. 465 ≪466≫; DVBl 2000, S. 407 ≪408≫). Dies gilt jedoch nur, wenn das auf den Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung gestützte Rechtsmittel zulässig war (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, NVwZ 1993, 465 ≪466≫). Daran aber fehlt es hier, weil der Verwaltungsgerichtshof, ohne dass dies, wie ausgeführt, verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre, die gesetzlichen Darlegungserfordernisse für die Grundsatzrüge der Beschwerdeführer als nicht erfüllt angesehen hat.
b) Auch ein Verstoß der angegriffenen Entscheidung gegen Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich nicht feststellen.
aa) Sollten die Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf den „Gleichbehandlungsgrundsatz” eine Verletzung der Rechtsanwendungsgleichheit zu ihrem Nachteil geltend machen wollen, weil andere Gerichte die zu § 5 Nr. 1 Buchstabe d BVFG maßgebliche Rechtsfrage anders entschieden haben, könnten sie damit nicht durchdringen. Abweichende Auslegungen derselben Norm durch verschiedene Gerichte verstoßen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn die Rechtspflege ist wegen der Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG) konstitutionell uneinheitlich (vgl. BVerfGE 87, 273 ≪278≫).
bb) Art. 3 Abs. 1 GG ist auch in seiner Bedeutung als Willkürverbot (vgl. BVerfGE 89, 1 ≪13 f.≫) nicht verletzt. Eine derartige Verletzung kann nicht darin gesehen werden, dass der Verwaltungsgerichtshof zwar erkannt hat, dass § 5 Nr. 1 Buchstabe d BVFG im Zeitpunkt seiner Entscheidung durch das Haushaltssanierungsgesetz vom 22. Dezember 1999 (BGBl I S. 2534) aufgehoben worden war, daraus aber zugunsten der Beschwerdeführer keine Konsequenzen gezogen hat. Ob Rechtsänderungen, die erst nach Erlass einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wirksam geworden sind, im Verfahren der Berufungszulassung nach § 124 a Abs. 1 VwGO berücksichtigt werden können oder gar müssen, wird in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte unterschiedlich beurteilt (vgl. Laudemann, NJ 2000, S. 172 ≪174≫). Zum Teil wird die Berücksichtigung derartiger Änderungen von vornherein abgelehnt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 5. März 1998 – 6 L 378/98 –, Umdruck S. 3; OVG Schleswig, NordÖR 1998, S. 30 ≪31≫; OVG Münster, DVBl 2000, S. 578), von einer anderen Auffassung jedenfalls nur dann für zulässig erachtet, wenn sich die Rechtslage bis zum Ablauf der Zulassungsbegründungsfrist nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO geändert hat und die Änderung innerhalb dieser Frist auch geltend gemacht wird (vgl. OVG Koblenz, DVBl 1998, S. 241 ≪242≫; NVwZ 1998, S. 1094 ≪1095≫; OVG Lüneburg, NdsVBl 1999, S. 91 ≪92≫; VGH Kassel, NVwZ 2000, S. 85). Die dafür jeweils angeführten Gründe entbehren jedenfalls nicht jeden sachlichen Grundes und lassen deshalb sachfremde Erwägungen nicht erkennen. Auch die im Zusammenhang mit den Ausführungen zum Wegfall des Buchstaben d in § 5 Nr. 1 BVFG zu Tage getretene Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs, Rechtsänderungen, die nach dem Ergehen des verwaltungsgerichtlichen Urteils eingetreten sind, grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, kann deshalb nicht als willkürlich angesehen werden; dass sie aus anderen Gründen verfassungswidrig sein könnte, haben die Beschwerdeführer nicht behauptet. Im Übrigen bleibt es diesen unbenommen, im Hinblick auf die Aufhebung des § 5 Nr. 1 Buchstabe d BVFG und mit Rücksicht darauf, dass dieser Umstand im Ausgangsverfahren materiell unberücksichtigt geblieben ist, nach § 51 VwVfG ein Wiederaufgreifen des Verfahrens anzustreben.
c) Schließlich ist auch für eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nichts ersichtlich. Insoweit wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Kühling, Jaeger, Hömig
Fundstellen
Haufe-Index 565212 |
NJW 2000, 3776 |
NVwZ 2000, 1163 |
VBlBW 2000, 392 |
DVBl. 2000, 1458 |
DVBl. 2000, 1686 |
NordÖR 2000, 453 |
FSt 2001, 121 |
NdsVBl. 2000, 244 |