Verfahrensgang
OLG Hamm (Beschluss vom 29.11.2012; Aktenzeichen III - 1 Vollz (Ws) 624/12) |
LG Kleve (Beschluss vom 17.10.2012; Aktenzeichen 182 StVK 5/12) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
1. Der im Maßregelvollzug untergebrachte Beschwerdeführer wendet sich gegen Beschlüsse, die im fachgerichtlichen Verfahren nach §§ 109 ff., §§ 116 ff. in Verbindung mit § 138 Abs. 3 StVollzG ergangen sind. Das Landgericht hatte Anträge, die die Höhe der Entlohnung des Beschwerdeführers im Rahmen der Arbeitstherapie, das Urlaubsgeld und die Lohnfortzahlung betrafen, als unbegründet zurückgewiesen. Die Rechtsmittelbelehrung, die nach Angabe des Beschwerdeführers mit dem Beschluss verbunden war und die er zusammen mit dem Beschluss in Kopie vorgelegt hat, ging dahin, dass er gegen den Beschluss das Rechtsmittel der Beschwerde einlegen könne und dass dies schriftlich geschehen müsse; die Beschwerde könne aber auch zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden. Die vom nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer daraufhin durch eigenes Schreiben eingelegte Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht als unzulässig, da sie nicht in der nach § 118 Abs. 3 StVollzG gebotenen Form – durch eine von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle – eingelegt gewesen sei.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie unzulässig ist.
a) Der Rechtsschutzsuchende muss allerdings nicht hinnehmen, dass er etwaige Rechtsansprüche deshalb nicht durchsetzen kann, weil er aufgrund einer fehlerhaften gerichtlichen Rechtsmittelbelehrung ein Rechtsmittel nicht in der dafür gesetzlich vorgeschriebenen Form eingelegt hat. Ihm steht jedoch die Möglichkeit offen, mittels eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eine Beeinträchtigung seiner Rechte im fachgerichtlichen Verfahren abzuwehren. Die Nutzung dieser Möglichkeit gehört zum Rechtsweg, den ein Beschwerdeführer im Regelfall erschöpfen muss, bevor er in zulässiger Weise Verfassungsbeschwerde erheben kann (§ 90 Abs. 2 BVerfGG; vgl. BVerfGE 10, 274 ≪281≫; 42, 252 ≪256 f.≫; 77, 275 ≪282≫; BVerfGK 8, 303 ≪306≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. August 2013 – 2 BvR 1412/13 –, juris).
aa) Nach dem vom Beschwerdeführer vorgetragenen und glaubhaft gemachten Sachverhalt beruhte die vom Oberlandesgericht festgestellte Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht auf einem Verschulden des Beschwerdeführers, sondern darauf, dass das Landgericht ihm eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung erteilt hatte. Ursächlich für die Unzulässigkeit war somit ein Fehler der Justiz. In derartigen Fällen besteht die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. BVerfGK 8, 303 ≪304 ff.≫; BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. September 2005 – 2 BvR 172/04, 2 BvR 834/04 und 2 BvR 907/04 –, NJW 2005, S. 3629 f., und vom 21. März 2005 – 2 BvR 975/03 –, NStZ-RR 2005, S. 238 ≪239≫; Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. November 2001 – 2 BvR 1471/01 –, Rpfleger 2002, S. 279, vom 29. Februar 2012 – 2 BvR 2911/10 –, juris, und vom 10. Oktober 2012 – 2 BvR 1095/12 –, NJW 2013, S. 446 ≪447≫).
bb) Eine Wiedereinsetzung scheidet im vorliegenden Fall nicht wegen Fristablaufs aus.
Jedenfalls in den Fällen, in denen der Wiedereinsetzungsgrund in einem den Gerichten zuzurechnenden Fehler liegt, fordert der Grundsatz fairer Verhandlungsführung eine Belehrung des Betroffenen über die Möglichkeit, effektiven Rechtsschutz im Wege der Wiedereinsetzung zu erreichen. Erst diese Belehrung setzt die Wiedereinsetzungsfrist in Lauf (vgl. BVerfG, jeweils a.a.O.).
Ein solcher Fall liegt hier vor, weil die Rechtsbehelfsbelehrung, der gemäß die Rechtsbeschwerde formwidrig erhoben wurde, fehlerhaft war. Die danach gebotene Belehrung, dass und wie der Beschwerdeführer Wiedereinsetzung erlangen konnte, ist ihm bislang nicht erteilt worden, weil die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung nicht im landgerichtlichen Beschluss enthalten, sondern auf einem gesonderten Blatt für den Beschwerdeführer beigefügt war und nicht Bestandteil der Akte des fachgerichtlichen Verfahrens wurde. Das Oberlandesgericht konnte daher ihre Fehlerhaftigkeit nicht erkennen.
Da der Beschwerdeführer infolgedessen über die Möglichkeit, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, erst durch den vorliegenden Beschluss in der notwendigen Weise informiert wird, beginnt die maßgebliche Wiedereinsetzungsfrist erst mit der Zustellung dieses Beschlusses zu laufen (BVerfGK 8, 303 ≪306≫; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Februar 2012 – 2 BvR 2911/10 –, juris, und vom 10. Oktober 2012 – 2 BvR 1095/12 –, NJW 2013, S. 446 ≪447≫).
b) Der Beschwerdeführer kann innerhalb einer Woche seit Zustellung dieses Beschlusses durch eine von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Landgerichts oder der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die Vollzugsanstalt liegt, in der er untergebracht ist (§ 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 299 StPO), erneut Rechtsbeschwerde einlegen, indem er gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 120 Abs. 1 StVollzG, § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO). Hierzu ist ihm rechtzeitig Gelegenheit zu geben.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Lübbe-Wolff, Landau, Kessal-Wulf
Fundstellen