Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 02.02.2005; Aktenzeichen 3 UZ 328/05) |
Hessischer VGH (Beschluss vom 05.01.2005; Aktenzeichen 3 UZ 3183/03) |
VG Gießen (Urteil vom 08.09.2003; Aktenzeichen 1 E 1175/03) |
Tenor
Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Januar 2005 – 3 UZ 3183/03 – verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Februar 2005 – 3 UZ 328/05 – ist damit gegenstandslos.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Das Land Hessen hat der Beschwerdeführerin die Hälfte ihrer notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Tatbestand
I.
1. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die baurechtliche Genehmigung einer Mobilfunksendeanlage in der unmittelbaren Nachbarschaft des der Beschwerdeführerin gehörenden Hausgrundstücks. Für die Mobilfunksendeanlage war zuvor eine Standortbescheinigung über die Einhaltung der Sicherheitsabstände und Grenzwertanforderungen durch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post erteilt worden. Die Beschwerdeführerin erhob nach erfolglosem Widerspruchsverfahren eine auf Aufhebung der Baugenehmigung und Untersagung der Nutzung der Mobilfunksendeanlage gerichtete Klage.
Sie wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Abweisung dieser Klage durch das Verwaltungsgericht sowie gegen die Nichtzulassung der Berufung und die Zurückweisung einer Anhörungsrüge durch den Verwaltungsgerichtshof.
2. Das Verwaltungsgericht hat die Abweisung der Klage darauf gestützt, dass die Baugenehmigung nicht gegen Bestimmungen des Immissionsschutzrechts verstoße und in bauplanungsrechtlicher Hinsicht die Voraussetzungen für eine Ausnahme oder jedenfalls eine Befreiung vorlägen.
Die von der Mobilfunksendeanlage ausgehenden Immissionen überschritten nicht die Grenzwerte der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV). Die dort festgelegten Grenzwerte selbst seien nicht zu beanstanden. Anlass zu weiteren Ermittlungen im Hinblick auf die von elektromagnetischen Feldern ausgehenden Risiken bestehe mit Rücksicht auf den gegenwärtigen Stand von Wissenschaft und Forschung nicht. Eine eigenständige Risikobewertung sei den Gerichten vielmehr erst nach weiteren Fortschritten in der Forschung und auf Grund gesicherter Befunde möglich.
Selbst wenn die Eigenart der näheren Umgebung als reines Wohngebiet zu beurteilen wäre, hätte die Mobilfunksendeanlage mit einer Befreiung nach § 34 Abs. 2 in Verbindung mit § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB genehmigt werden können. Denn das Vorhaben sei städtebaulich vertretbar und auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Lehne man eine Zuordnung des betreffenden Baugebiets zu den in der Baunutzungsverordnung genannten Gebieten ab, wäre die Mobilfunksendeanlage nach § 34 Abs. 1 BauGB zulässig. Jedenfalls müsse die Klage hinsichtlich der begehrten Aufhebung der Baugenehmigung und Untersagung der Nutzung auch deshalb ohne Erfolg bleiben, weil ein Verstoß gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte nachbarliche Rücksichtnahmegebot nicht vorliege, zumindest aber die von der Mobilfunksendeanlage ausgehende Einwirkung auf die benachbarten Grundstücke nicht die insoweit bestehende Bagatellgrenze einer tatsächlichen Beeinträchtigung überschreite.
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 5. Januar 2005 zurückgewiesen.
Er hat dabei im Rahmen der Prüfung des in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geregelten Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Hinblick auf den baurechtlichen Abwehranspruch offen gelassen, ob die vom Verwaltungsgericht bejahten Voraussetzungen einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB vorlagen. Er hat die Mobilfunksendeanlage stattdessen als eine in einem reinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässige fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 beurteilt.
Andere Gründe für die Zulassung der Berufung, insbesondere eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, habe die Beschwerdeführerin nicht dargelegt.
4. Mit Beschluss vom 2. Februar 2005 hat der Verwaltungsgerichtshof die hiergegen gerichtete Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Er hat dabei an seiner Auffassung zur Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 festgehalten.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerdeführerin hat hinsichtlich sämtlicher angegriffener Entscheidungen die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 GG sowie hinsichtlich der Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs darüber hinaus die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG gerügt.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich die Hessische Staatskanzlei, die im Ausgangsverfahren beigeladene Vorhabenträgerin und das Bundesverwaltungsgericht geäußert.
III.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung an und gibt ihr, da die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG vorliegen, statt, soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die Nichtzulassung der Berufung durch den Verwaltungsgerichtshof wendet.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Februar 2005 über die Anhörungsrüge ist infolgedessen gegenstandslos, einschließlich der darin enthaltenen Kostengrundentscheidung.
Soweit die Verfassungsbeschwerde die Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht betrifft, wird sie nicht zur Entscheidung angenommen.
1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs über die Nichtzulassung der Berufung verstößt nicht gegen die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende staatliche Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrtheit und auch nicht gegen das in Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsgrundrecht, er verletzt die Beschwerdeführerin jedoch in ihrem Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG).
a) Soweit der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Berufung den Standpunkt des Verwaltungsgerichts bestätigt, dass der Beschwerdeführerin kein immissionsschutzrechtlich begründeter nachbarlicher Abwehranspruch gegen die Mobilfunksendeanlage zusteht, begegnet dies keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof haben ihren Entscheidungen insoweit die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Anforderungen an die staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG im Bereich nicht abschließend geklärter schädlicher Umwelteinwirkungen zugrunde gelegt.
Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat in ihrem Beschluss vom 28. Februar 2002 (1 BvR 1676/01 – NJW 2002, S. 1638) zu den in der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV) festgelegten Grenzwerten unter Bezugnahme auf die einschlägige Senatsrechtsprechung ausgeführt, dass dem Verordnungsgeber bei der Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zukommt, der auch Raum lässt, konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht gebietet nicht, alle nur denkbaren Schutzmaßnahmen zu treffen. Deren Verletzung kann vielmehr nur festgestellt werden, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben. Die geltenden Grenzwerte können nur dann verfassungsrechtlich beanstandet werden, wenn erkennbar ist, dass sie die menschliche Gesundheit völlig unzureichend schützen. Liegen noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse über komplexe Gefährdungslagen – wie hier die schädlichen Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder – vor, verlangt die staatliche Schutzpflicht auch von den Gerichten nicht, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts durch Beweisaufnahmen zur Durchsetzung zu verhelfen oder die Vorsorgeentscheidung des Verordnungsgebers unter Kontrolle zu halten und die Schutzeignung der Grenzwerte jeweils nach dem aktuellen Stand der Forschung zu beurteilen. Es ist vielmehr Sache des Verordnungsgebers, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weiter gehende Schutzmaßnahmen treffen zu können. Eine Verletzung der Nachbesserungspflicht durch den Verordnungsgeber kann gerichtlich erst festgestellt werden, wenn evident ist, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung zum Schutz der Gesundheit auf Grund neuer Erkenntnisse oder einer veränderten Situation verfassungsrechtlich untragbar geworden ist (vgl. zum Vorstehenden BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Februar 2002, a.a.O. sowie BVerfGE 49, 89 ≪130, 132 f.≫; 56, 54 ≪78 ff.≫; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. Februar 1997 – 1 BvR 1658/96 –, NJW 1997, S. 2509).
Gemessen an diesen Grundsätzen verstößt die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass sich dem Verwaltungsgericht eine eigenständige Risikobewertung auf der Grundlage einer gerichtlichen Beweisaufnahme nicht aufdrängen musste, nicht gegen die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende staatliche Schutzpflicht, zumal im konkreten Fall – worauf der Verwaltungsgerichtshof zu Recht hinweist – die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht keine Beweisanträge gestellt hatte, die Messergebnisse der beanstandeten Mobilfunksendeanlage deutlich unter den Grenzwerten der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV) liegen und auch die Mindestsicherheitsabstände nach der Standortbescheinigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zum Wohnhaus der Beschwerdeführerin um ein Mehrfaches überschritten sind. Auch vor dem Hintergrund des Vorbringens der Beschwerdeführerin im Verfassungsbeschwerdeverfahren ist unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Äußerung der Hessischen Staatskanzlei über die auch durch staatliche Stellen betriebenen Anstrengungen um neue wissenschaftliche Erkenntnisse in diesem Bereich nicht erkennbar, dass die zur Wahrung der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichteten staatlichen Stellen völlig untätig geblieben wären oder gesicherte neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen, die ein Einschreiten der Gerichte erforderlich machten. Einer Beweisaufnahme, die ohnehin nur den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik hätte wiedergeben können, bedurfte es danach nicht (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2004 – V ZR 217/03 –, NJW 2004, S. 1317).
b) Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs verletzt auch nicht das Eigentumsrecht der Beschwerdeführerin. Art. 14 Abs. 1 GG schützt zwar die Nutzbarkeit des Eigentums und die diesbezügliche Verfügungsfreiheit. Hoheitlich bewirkte Minderungen des Marktwertes eines Vermögensgutes berühren daher in der Regel nicht den Schutzbereich des Eigentumsrechts (vgl. BVerfGE 105, 17 ≪30≫; 252 ≪277≫). Dies gilt insbesondere auch für Wertverluste an einem Grundstück, die durch die behördliche Zulassung eines Vorhabens in der Nachbarschaft eintreten (vgl. dazu auch BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1001.04 –, juris Rn. 409, vom 29. Januar 1991 – BVerwG 4 C 51.89 –, BVerwGE 87, 332 ≪384 f.≫ und vom 24. Mai 1996 – BVerwG 4 A 39.95 –, Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39). Ob durch die genehmigte Errichtung und den Betrieb der Mobilfunksendeanlage überhaupt eine Wertminderung am Grundstück der Beschwerdeführerin eingetreten ist, bedarf danach hier keiner Entscheidung.
c) Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Januar 2005 verstößt jedoch gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, soweit das Gericht die Berufung auch nicht mit Blick auf den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten baurechtlichen Abwehranspruch zugelassen hat.
Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet zwar keinen Anspruch auf die Einrichtung eines bestimmten Rechtszuges (vgl. BVerfGE 92, 365 ≪410≫; 104, 220 ≪231≫). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 77, 275 ≪284≫; 78, 88 ≪99≫; 84, 366 ≪369 f.≫ sowie 104, 220 ≪232≫). Dies bedeutet für die Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO, dass die Anforderungen an die Begründung eines Zulassungsantrages nicht überspannt werden dürfen, so dass die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leer läuft (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 8. März 2001 – 1 BvR 1653/99 –, NVwZ 2001, S. 552 ≪553≫ sowie 3. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 30. Juni 2005 – 1 BvR 2615/04 –, NVwZ 2005, S. 1176 ≪1177≫). Dies gilt indes nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise ebenso für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst.
Hier hat der Verwaltungsgerichtshof den Zugang der Beschwerdeführerin zum Berufungsrechtszug dadurch in unzumutbarer Weise verkürzt, dass er die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) aus einem Grund abgelehnt hat, auf den das Verwaltungsgericht selbst sein Urteil nicht gestützt hatte, und dass diesem Grund seinerseits grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt.
Zwar begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils auf ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche Erwägungen abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Dies kann mit Rücksicht auf den Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs lediglich einen vorherigen Hinweis hierauf erfordern (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 2. März 2006 – 2 BvR 767/02 –, juris Rn. 16 f.; BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 – BVerwG 7 AV 4.03 –, NVwZ-RR 2004, S. 542 ≪543 a.E.≫). Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens, als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO geregelten Zulassungsgründe, wenn das Berufungsgericht beim Austausch der Gründe auf Erwägungen abstellt, die nicht ohne weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004, a.a.O.). Insbesondere verkürzt die Heranziehung von Erwägungen, die ihrerseits Grundsatzbedeutung haben, zur Ablehnung des Zulassungsgrundes ernstlicher Zweifel den vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehenen Rechtsschutz im Berufungsverfahren in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 2. März 2006, a.a.O.; OVG Berlin, NVwZ 1998, S. 1318 ≪1319≫).
Im vorliegenden Fall kam der Qualifizierung der Mobilfunksendeanlage als fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 jedenfalls im soweit maßgeblichen Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs grundsätzliche Bedeutung zu. Von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist eine Rechtssache nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung nämlich immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint; der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. März 2005 – BVerwG 1 B 11.05 –, NVwZ 2005, S. 709; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Juni 1997 – 4 S 1050/97 –, VBlBW 1997, S. 420 ≪421≫).
Die Frage, ob Mobilfunksendeanlagen als Nebenanlagen im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 einzustufen sind, erfüllt diese Voraussetzungen. Sie war jedenfalls zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung in der obergerichtlichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte umstritten und ist höchstrichterlich auch bisher nicht entschieden worden. So hat der 4. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in einer Entscheidung vom 29. Juli 1999 die Qualifizierung einer Mobilfunksendeanlage als Nebenanlage auch im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 abgelehnt (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 29. Juli 1999 – 4 TG 2118/99 –, NVwZ 2000, S. 694 ≪695≫). Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht hat diese Frage im Februar 2003 ausdrücklich offen gelassen (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Februar 2003 – 10 B 2417/02 –, NVwZ-RR 2003, S. 637 ≪639 ff.≫). Hingegen hat sich der hier zur Entscheidung berufene 3. Senat des Verwaltungsgerichtshofs einer Entscheidung des 9. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Dezember 2004 angeschlossen, nach der Mobilfunksendeanlagen als fernmeldetechnische Nebenanlagen gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 zu bewerten sind (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 6. Dezember 2004 – 9 UE 2582/03 –, NJOZ 2006, S. 232 ≪234 ff.≫). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich zwar in einer Entscheidung vom 1. November 1999 mit der Qualifizierung von Mobilfunksendeanlagen befasst. Es hatte aber nur die Frage zu entscheiden, ob solche Anlagen als Nebenanlagen im Sinne des § 14 Abs. 2 BauNVO 1962/1968/1977 zu bewerten sind, nicht dagegen, was für die Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 gelten soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. November 1999 – BVerwG 4 B 3.99 –, NVwZ 2000, S. 680 ≪681≫).
Soweit der Verwaltungsgerichtshof beanstandet, dass die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt sei (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), ändert dies nichts an dem festgestellten Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Von der Beschwerdeführerin konnte nämlich, obwohl sie die Frage der Qualifizierung von Mobilfunksendeanlagen als Nebenanlagen im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO im erstinstanzlichen Verfahren selbst angesprochen hatte, die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache lediglich hinsichtlich der tragenden Erwägungen des angefochtenen Urteils erwartet werden, nicht dagegen hinsichtlich der vom Verwaltungsgerichtshof ohne vorherigen Hinweis neu eingeführten Gründe zur Stützung des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
Das Verfahren über die Anhörungsrüge hat ebenfalls nicht zu einer Heilung der Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geführt, weil der Verwaltungsgerichtshof an seiner Beurteilung der Mobilfunksendeanlage als fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO und damit an der den Rechtsschutz unzulässig beschränkenden Versagung der Berufungszulassung wegen eines seinerseits rechtsgrundsätzliche Klärung erfordernden Grundes festgehalten hat.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Verwaltungsgerichtshof bei dessen Vermeidung im Hinblick auf den geltend gemachten nachbarlichen Abwehranspruch aus dem Baurecht die Berufung zugelassen hätte. Denn er hat sich zu den übrigen Erwägungen des Verwaltungsgerichts, mit denen es den Anspruch der Beschwerdeführerin verneint hat, insbesondere zu der fehlenden tatsächlichen Beeinträchtigung durch die Mobilfunksendeanlage, einer Aussage enthalten. Es kann daher nicht beurteilt werden, ob er insoweit die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts teilt.
d) Ob der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Januar 2005 gegen weitere als verletzt gerügte Grundrechte und grundrechtsgleiche Rechte der Beschwerdeführerin verstößt, kann offen bleiben.
2. Der Beschluss über die Anhörungsrüge bezieht sich inhaltlich auf die Nichtzulassungsentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs und ist daher mit dessen Aufhebung gegenstandslos.
3. Ein Verstoß des verwaltungsgerichtlichen Urteils gegen die als verletzt gerügten Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG liegt aus den vorstehend hierzu genannten Gründen nicht vor.
IV.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Bryde, Eichberger, Schluckebier
Fundstellen