Leitsatz (amtlich)
Es stellt einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss dar, wenn als Ausnahme von einem gesetzlichen Rauchverbot in Gaststätten abgeschlossene Raucherräume für Schankwirtschaften zugelassen, für Speisewirtschaften jedoch untersagt sind.
Verfahrensgang
VG Hamburg (Vorlegungsbeschluss vom 10.08.2011; Aktenzeichen 4 K 3551/10) |
Tenor
§ 2 Absatz 4 des Hamburgischen Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit (Hamburgisches Passivraucherschutzgesetz – HmbPSchG) vom 11. Juli 2007 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 211), zuletzt geändert am 15. Dezember 2009 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 506), ist mit Artikel 12 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit die Vorschrift Gaststätten, die zubereitete Speisen anbieten oder über eine entsprechende Erlaubnis nach § 3 des Gaststättengesetzes in der Fassung vom 20. November 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 3418), zuletzt geändert am 7. September 2007 (Bundesgesetzblatt I Seite 2246 ≪2257≫), verfügen, von der Möglichkeit ausnimmt, abgeschlossene Räume einzurichten, in denen das Rauchen gestattet ist.
Bis zu einer Neuregelung gilt die Vorschrift mit der Maßgabe fort, dass sie auch auf Gaststätten anzuwenden ist, die zubereitete Speisen anbieten oder über eine entsprechende Erlaubnis nach § 3 des Gaststättengesetzes in der Fassung vom 20. November 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 3418), zuletzt geändert am 7. September 2007 (Bundesgesetzblatt I Seite 2246 ≪2257≫), verfügen.
Tatbestand
A.
Die Vorlage betrifft die Frage, ob es mit Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass das Hamburgische Passivraucherschutzgesetz als Ausnahme von dem generell in Gaststätten geltenden Rauchverbot die Einrichtung von Raucherräumen für Schankwirtschaften erlaubt, diese Begünstigung jedoch Speisewirtschaften vorenthält.
I.
1. a) Durch § 2 Abs. 1 des Hamburgischen Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit (Hamburgisches Passivraucherschutzgesetz – HmbPSchG) vom 11. Juli 2007 (GVBl S. 211), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Passivraucherschutzgesetzes vom 15. Dezember 2009 (GVBl S. 506), wird das Rauchen in Gaststätten sowie in zahlreichen anderen öffentlich zugänglichen Einrichtungen verboten. Die Vorschrift lautet auszugsweise:
§ 2
Rauchverbot
(1) Das Rauchen ist nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 verboten in
1. |
bis 8 … |
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9. |
Einrichtungen, in denen Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden (Gaststätten), einschließlich Gaststätten, die in der Betriebsart Diskothek geführt werden. |
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10. |
bis 12. … |
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(2) bis (8) … |
Vom Rauchverbot ausgenommen sind Gaststätten mit nur einem Gastraum und einer Gastfläche von weniger als 75 m², die keine zubereiteten Speisen anbieten und nicht über eine entsprechende gaststättenrechtliche Erlaubnis verfügen (§ 2 Abs. 5 HmbPSchG).
§ 2 Abs. 4 HmbPSchG erlaubt für Gaststätten, in denen keine zubereiteten Speisen angeboten werden und die nicht über eine entsprechende gaststättenrechtliche Erlaubnis verfügen, die Einrichtung von Raucherräumen. Die Vorschrift lautet:
(4) In Gaststätten gemäß Absatz 1 Nummer 9, die keine zubereiteten Speisen anbieten und nicht über eine entsprechende Erlaubnis nach § 3 des Gaststättengesetzes in der Fassung vom 20. November 1998 (BGBl. I S. 3419), zuletzt geändert am 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246, 2257), verfügen, können abgeschlossene Räume eingerichtet werden, in denen das Rauchen gestattet ist. Voraussetzung hierfür ist, dass
- diese Räume baulich so wirksam abgetrennt werden, dass eine Gefährdung anderer durch Passivrauchen ausgeschlossen wird und die Raucherräume belüftet werden,
- der Zutritt Personen unter 18 Jahren verwehrt ist und
- diese Räume nicht größer sind als die übrige Gastfläche.
In ähnlicher Weise wie § 2 Abs. 4 HmbPSchG erlaubt § 2 Abs. 3 HmbPSchG, dass in anderen Einrichtungen, für die grundsätzlich das Rauchverbot gilt (z.B. Behörden, Krankenhäusern, Wohneinrichtungen, Hochschulen, Sporthallen und Justizvollzugsanstalten), Raucherräume eingerichtet werden. Zu den Voraussetzungen gehört auch hier, dass „in diesen Räumen keine zubereiteten Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden” (§ 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 HmbPSchG).
Die Betreibenden von Gaststätten sind verantwortlich für die Einhaltung des Verbots und müssen, wenn ihnen ein Verstoß bekannt wird, die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um weitere Verstöße zu verhindern (§ 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 HmbPSchG). Wer dieser Pflicht nicht nachkommt, handelt ordnungswidrig (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 HmbPSchG).
b) Eine vergleichbare Regelung zur Zulassung von Raucherräumen in Gaststätten findet sich in anderen Ländern nicht. Während in Bayern und im Saarland ein striktes Rauchverbot in Gaststätten gilt und damit die Einrichtung von Raucherräumen dort ohnehin unzulässig ist, lassen alle anderen Länder das Rauchen in gesonderten Räumen unter besonderen Voraussetzungen zu, ohne danach zu unterscheiden, ob in den jeweiligen Gaststätten zubereitete Speisen angeboten werden oder nicht.
2. Bereits in seiner ursprünglichen Fassung vom 11. Juli 2007 (GVBl S. 211) sah das Hamburgische Passivraucherschutzgesetz als Ausnahme vom geltenden Rauchverbot die Möglichkeit vor, in Gaststätten und verschiedenen anderen Einrichtungen Raucherräume zu schaffen. Voraussetzung war, dass diese Räume baulich so wirksam abgetrennt wurden, dass eine Gefährdung anderer durch Passivrauchen ausgeschlossen war und dass die Raucherräume belüftet und ausdrücklich gekennzeichnet waren (§ 2 Abs. 3 HmbPSchG a.F.). Zwischen Speise- und Schankwirtschaften wurde dabei nicht differenziert. Eine Ausnahmeregelung für getränkegeprägte Kleingastronomie enthielt das Gesetz damals noch nicht.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 30. Juli 2008 (BVerfGE 121, 317) Regelungen der Länder Baden-Württemberg und Berlin über Rauchverbote in Gaststätten für mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt hatte, weil sie die getränkegeprägte Kleingastronomie unverhältnismäßig belasteten, befasste sich der Landesgesetzgeber mit hiernach gebotenen Anpassungen des Hamburgischen Passivraucherschutzgesetzes. Zwischen den damaligen Regierungsfraktionen bestanden zunächst unterschiedliche Vorstellungen über eine Neuregelung: Während in der CDU-Fraktion mehrheitlich weitgehende Ausnahmetatbestände vom Rauchverbot in Gaststätten befürwortet wurden, trat die Grün-Alternative Liste (GAL) für ein striktes Rauchverbot ohne Ausnahmen ein. Unter dem 25. November 2009 legten die Regierungsfraktionen der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg schließlich den gemeinsamen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Passivraucherschutzgesetzes vor (Drucks 19/4713), der in der Folgezeit zu der hier gegenständlichen Gesetzesfassung führte. Zur Begründung des Gesetzantrags wird knapp auf die Notwendigkeit einer Anpassung des Gesetzes an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts verwiesen. Weiter heißt es, dem generellen Ziel des Schutzes vor den Gefahren des Passivrauchens solle unverändert Rechnung getragen werden, es sollten aber auch die Interessen der Gastronomie Berücksichtigung finden.
II.
1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: die Klägerin) betreibt eine Gaststätte auf einem in Hamburg an der Autobahn A 7 gelegenen Autohof. Neben einer Gaststube mit einer Fläche von 70 m² umfasst die Gaststätte noch einen 33 m² großen „Clubraum”. Für diese Gaststätte ist die Klägerin im Besitz einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft mit dem Ausschank von Getränken aller Art und der Abgabe von Speisen.
Im Juni 2010 beantragte sie beim zuständigen Bezirksamt eine Ausnahmegenehmigung vom Rauchverbot, um den Clubraum als Raucherraum auszuweisen. 80 % ihrer Gäste seien Lkw-Fahrer; diese seien fast alle Raucher. Schon bei Einführung der ursprünglichen Fassung des Hamburgischen Passivraucherschutzgesetzes sei es für ihre Gaststätte zu Umsatzeinbußen von bis zu 20 % gekommen. Das nun eingeführte komplette Rauchverbot in Speisewirtschaften bedrohe ihre wirtschaftliche Existenz. Es seien Umsatzeinbußen von etwa 60 % zu erwarten. Die Kundschaft der Lkw-Fahrer würde fast komplett wegbrechen. Dies werde dadurch begünstigt, dass die umliegenden Länder die Einrichtung von Raucherräumen erlaubten und die Lkw-Fahrer sehr mobil seien.
Das Bezirksamt lehnte den Erlass einer Ausnahmegenehmigung ab; die gesetzliche Regelung gelte ausnahmslos, eine Ausnahme für Speisewirtschaften sei nicht vorgesehen. Nachdem auch der Widerspruch der Klägerin ohne Erfolg blieb, begehrt die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht festzustellen, dass sie berechtigt sei, einen bestimmten näher bezeichneten Raum ihrer Gaststätte als Raucherraum auszuweisen und zu betreiben.
2. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 2 Abs. 4 HmbPSchG mit Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, soweit nach dieser Regelung Gaststätten, die zubereitete Speisen anbieten oder über eine entsprechende Erlaubnis nach § 3 des Gaststättengesetzes (GastG) verfügen, anders als Schankwirtschaften (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GastG) keine abgeschlossenen Räume einrichten dürfen, in denen das Rauchen gestattet ist.
Die Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 4 HmbPSchG sei entscheidungserheblich. Wenn die Vorschrift verfassungsgemäß sei, sei die Klage abzuweisen; denn in der Gaststätte der Klägerin würde dann das Rauchverbot absolut gelten, und die Klägerin dürfte keinen Raucherraum betreiben. Wenn die Vorschrift verfassungswidrig sei, bestehe für sie dagegen zumindest die Chance, eine für sie günstigere Regelung durch den Gesetzgeber und damit einen Erfolg der Feststellungsklage zu erreichen. Die Feststellungsklage sei zulässig und bis auf die Tatsache, dass die Klägerin eine Speise- und keine Schankwirtschaft betreibe, begründet. Es bestehe keine Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung. Der eindeutige Wortlaut der Vorschrift schließe eine Interpretation dahingehend aus, dass auch in Speisewirtschaften abgeschlossene Raucherräume eingerichtet werden dürften. Zwar würde die Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 4 HmbPSchG nicht unmittelbar dazu führen, dass die Klägerin einen abgeschlossenen Raucherraum einrichten dürfte. Für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage genüge in den Fällen eines gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses jedoch bereits die Chance, eine günstigere Regelung zu erreichen.
Seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 4 HmbPSchG begründet das Verwaltungsgericht unter Verweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juli 2008 (BVerfGE 121, 317). Das Rauchverbot in Gaststätten greife in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin ein. Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt; denn die Ausgestaltung der Ausnahme vom Rauchverbot gemäß § 2 Abs. 4 HmbPSchG verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil im Hinblick auf diese Ausnahme Speisewirtschaften ohne sachliche Rechtfertigung anders als Schankwirtschaften behandelt würden.
III.
Zu der Vorlage haben das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, das Statistische Bundesamt, das Deutsche Krebsforschungszentrum und namens des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA Bundesverband) dessen Landesverband Hamburg Stellung genommen. Der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung, die Bürgerschaft und der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg sowie die Beteiligten des Ausgangsverfahrens haben von Stellungnahmen abgesehen.
1. Der Präsident des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts teilt mit, dass das Gericht mit den im Aussetzungs- und Vorlagebeschluss aufgeworfenen Fragen zur Verfassungswidrigkeit des Hamburgischen Passivraucherschutzgesetzes bisher nicht befasst gewesen sei.
2. Das Statistische Bundesamt teilt mit, dass sich seit 2007 die Umsätze in der getränkegeprägten Gastronomie (Schankwirtschaften, Diskotheken und Tanzlokale, Bars, Vergnügungslokale, sonstige getränkegeprägte Gastronomie) deutlich schlechter als in der speisengeprägten Gastronomie (Restaurants mit herkömmlicher Bedienung, Restaurants mit Selbstbedienung, Imbissstuben, Cafés, Eissalons) entwickelt hätten. Die Umsätze in beiden Wirtschaftszweigen seien bezogen auf das Basisjahr 2005 gesunken, und zwar verstärkt seit Januar 2007. Zu diesem Zeitpunkt sei der Mehrwertsteuersatz erhöht worden. In der getränkegeprägten Gastronomie seien die Umsätze seit Januar 2007 stärker zurückgegangen als in der speisengeprägten Gastronomie; so seien etwa im August 2010 bei den realen Umsatzmesszahlen im Vergleich zu 2005 für die getränkegeprägte Gastronomie nur noch 76,0 % gegenüber 85,6 % für die speisengeprägte Gastronomie erreicht worden. Erst im Laufe des Jahres 2009 habe sich der Trend in beiden Bereichen mit zuletzt 77,1 % beziehungsweise 86,6 % im September 2011 stabilisiert.
Zu der Frage, ob es bei der Umsatzentwicklung Unterschiede zwischen kleinen Einraumgaststätten und größeren Gaststätten gebe, konnte das Statistische Bundesamt keine Aussagen treffen. Wegen der verschiedenen Regelungen in den einzelnen Ländern und der unterschiedlichen Zeitpunkte deren In- und Außerkrafttretens sah sich das Statistische Bundesamt zudem nicht in der Lage abzuschätzen, inwieweit landesspezifische Regelungen zum Rauchverbot für die beschriebene Entwicklung ursächlich waren. Damit unterscheide sich die Lage von derjenigen zum Zeitpunkt der Anfrage des Bundesverfassungsgerichts in dem der Entscheidung des Senats vom 30. Juli 2008 (BVerfGE 121, 317) zugrunde liegenden Verfahren. Bei der für dieses Verfahren abgegebenen Stellungnahme sei es für einen bestimmten Zeitraum im Jahr 2007 möglich gewesen, die Länder eindeutig in solche mit gleichartigen Passivraucherschutzgesetzen und solche gänzlich ohne entsprechende Regelungen einzuteilen.
3. Das Deutsche Krebsforschungszentrum teilt mit, dass es aus wissenschaftlicher Sicht keinen Unterschied mache, ob die Schadstoffe, die im Tabakrauch enthalten seien, in einer Schankwirtschaft oder in einem Speiserestaurant eingeatmet würden. Sie seien in jedem Fall gesundheitsschädlich und krebserregend, insbesondere für die Beschäftigten. Der „Kompromiss”, in Speisegaststätten das Rauchen zu verbieten und es in Getränkegaststätten zuzulassen, gehe auf ein Positionspapier der Tabakindustrie aus dem Jahr 2005 zurück. Er widerspreche den Erkenntnissen der Krebsforschung und dem Vorrang des Gesundheitsschutzes vor wirtschaftlichen Erwägungen.
4. Für den DEHOGA Bundesverband hat sich dessen Landesverband Hamburg geäußert. Er differenziert in seiner Stellungnahme zwischen drei Typen von Gaststätten: (1.) reinen Schankwirtschaften, (2.) Speisewirtschaften, die getränkeorientiert seien, aber auch einfache Speisen oder eine kleine Speisekarte anböten, und (3.) Restaurants, bei denen das Speisenangebot deutlich im Vordergrund stehe.
Es gebe in Hamburg nur relativ wenige Gaststätten, die völlig auf die Abgabe von Speisen verzichteten; allenfalls handele es sich um 60 bis 80 Betriebe. Solche Betriebe, die schon immer auf die Abgabe von Speisen verzichtet hätten, dürften nur in geringem Umfang von der gesetzlichen Neuregelung betroffen sein. Etwas anders stelle sich die Situation für solche Gaststätten dar, bei denen erst in Reaktion auf die gesetzliche Neuregelung die Abgabe von Speisen eingestellt worden sei. Hier sei der Speisenumsatz ersatzlos weggefallen, ohne dass in nennenswertem Umfang neue Gäste, nämlich rauchende Gäste und deren Begleitung, hätten gewonnen werden können.
Die Betreibenden getränkeorientierter Speisewirtschaften klagten regelmäßig darüber, dass ihr Umsatz nach der Novellierung des Hamburgischen Passivraucherschutzgesetzes drastisch zurückgegangen sei. Teils werde über Umsatzrückgänge von 30 % bis 50 % berichtet. Dies werde in erster Linie auf das Rauchverbot zurückgeführt. Für Gruppen mit rauchenden Gästen sei es unattraktiver geworden, solche Gaststätten aufzusuchen; denn die Notwendigkeit, zum Rauchen die Gaststätte zu verlassen, werde als Störung des kommunikativen Miteinanders empfunden. Die Verweildauer der Gäste habe sich erheblich verkürzt. Außerdem wichen Gäste in den Außenbezirken Hamburgs auf Gaststätten in den benachbarten Ländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen aus.
Bei „klassischen” Restaurants seien die Klagen über Umsatzrückgänge weniger ausgeprägt. Zwar werde auch dort immer wieder mitgeteilt, dass sich die Aufenthaltsdauer der Gäste gerade in der kälteren Jahreszeit verkürzt habe, vereinzelt werde allerdings auch berichtet, dass es einen Zuwachs an Gästen gebe, die den rauchfreien Essensgenuss zu schätzen wüssten.
Entscheidungsgründe
B.
Die Vorlage ist zulässig. Insbesondere hat das vorlegende Gericht seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 4 HmbPSchG unter Hinweis auf die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 30. Juli 2008 zu einem gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss bei der Zulassung von Raucherräumen (dort für Diskotheken; vgl. BVerfGE 121, 317 ≪368 ff.≫) hinreichend dargelegt. Auf dieser Grundlage sind dem Vorlagebeschluss auch die – gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erforderlichen – hinreichenden Darlegungen zur Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage zu entnehmen. Ist das vorlegende Gericht – wie hier – der Überzeugung, dass die zur Prüfung gestellte Norm das in Art. 3 Abs. 1 GG verbürgte Grundrecht oder einen speziellen Gleichheitssatz verletzt, reicht es für die Feststellung der Entscheidungserheblichkeit aus, dass die Verfassungswidrigerklärung der Norm der im Ausgangsverfahren klagenden Partei die Chance offen hält, eine für sie günstige Regelung durch den Gesetzgeber zu erreichen (vgl. BVerfGE 121, 108 ≪115≫ m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall; denn der Gesetzgeber kann den vom vorlegenden Gericht angenommenen Gleichheitsverstoß zwar auf verschiedenen Wegen heilen, sich hierbei aber auch für die Möglichkeit entscheiden, die Begünstigung in Gestalt der Zulassung von Raucherräumen auf Speisegaststätten zu erstrecken. In diesem Fall hätte die Klägerin nach der hier maßgeblichen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts im Ausgangsverfahren Erfolg.
C.
§ 2 Abs. 4 HmbPSchG ist mit Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG insoweit unvereinbar, als die Norm solche Gaststätten, die zubereitete Speisen anbieten oder über eine entsprechende Erlaubnis verfügen, von der Möglichkeit ausnimmt, abgeschlossene Räume einzurichten, in denen das Rauchen gestattet ist.
I.
Die maßgebliche Vorschrift (§ 2 Abs. 4 HmbPSchG) ist nicht umfassend, sondern nur im Rahmen der für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage (§ 81 BVerfGG) auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (vgl. BVerfGE 126, 331 ≪354≫). Dies betrifft die Frage, ob Betreibende von Speisewirtschaften (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GastG) anders als Betreibende von Schankwirtschaften (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GastG) von der Möglichkeit ausgeschlossen werden dürfen, in entsprechend der gesetzlichen Regelung ausgestatteten Nebenräumen ihrer Gaststätten das Rauchen zu gestatten. Es wird also weder die Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit eines Rauchverbots in Gaststätten aufgeworfen (vgl. dazu BVerfGE 121, 317 ≪344, 356≫), noch ist mit Blick auf eine etwa übermäßige Belastung einer bestimmten Gastronomiesparte über die Notwendigkeit eines weiteren Ausnahmetatbestandes vom gesetzlichen Rauchverbot zu befinden (vgl. dazu BVerfGE 121, 317 ≪359 ff.≫). Ausweislich der Vorlagefrage geht es vielmehr allein darum, ob der Klägerin ein gesetzlich geregelter Ausnahmetatbestand – nämlich die Möglichkeit, einen Raucherraum einzurichten – in verfassungswidriger Weise vorenthalten wird. Diese Konstellation entspricht im Ansatz derjenigen, über die der Senat bereits hinsichtlich des Ausschlusses von Diskotheken von der ansonsten erlaubten Einrichtung von Raucherräumen durch die ursprüngliche Fassung von § 7 Abs. 2 Satz 2 des Landesnichtraucherschutzgesetzes Baden-Württemberg entschieden hat (BVerfGE 121, 317 ≪368 ff.≫). Auch im vorliegenden Fall liegt eine Beschränkung der freien Berufsausübung durch ein Rauchverbot vor, von dem eine Ausnahme vorgesehen ist, deren Ausschluss für bestimmte Gastronomiebetriebe den Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG standhalten muss (vgl. BVerfGE 25, 236 ≪251≫; 121, 317 ≪369≫).
1. a) Da für eine Speisewirtschaft, wie sie von der Klägerin betrieben wird, die Einrichtung eines Raucherraums durch § 2 Abs. 4 HmbPSchG nicht zugelassen ist, gibt es für solche Gaststätten keine Ausnahme von dem in § 2 Abs. 1 Nr. 9 HmbPSchG normierten Rauchverbot. Ungeachtet seiner vornehmlichen Adressierung an die Besucher einer Gaststätte greift dieses Rauchverbot in die Berufsausübungsfreiheit der Gaststättenbetreibenden ein (vgl. BVerfGE 121, 317 ≪344 ff.≫). Die Freiheit der Berufsausübung wird durch Art. 12 Abs. 1 GG umfassend geschützt (vgl. BVerfGE 85, 248 ≪256≫) und erstreckt sich auch auf das Recht, Art und Qualität der am Markt angebotenen Güter und Leistungen selbst festzulegen (vgl. BVerfGE 106, 275 ≪299≫) und damit den Kreis der angesprochenen Interessenten selbst auszuwählen. Unter diesem Gesichtspunkt beeinträchtigt das Rauchverbot die freie Berufsausübung derjenigen, die Gaststätten betreiben; denn ihnen wird die Möglichkeit genommen, selbst darüber zu bestimmen, ob in ihren Lokalen den Gästen das Rauchen gestattet oder untersagt ist. Damit können sie nur noch in den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen darüber entscheiden, ob die Leistungen und Dienste ihres Gaststättenbetriebs auch solchen Gästen angeboten werden sollen, die diese zusammen mit dem Rauchen von Tabak in Anspruch nehmen möchten. Den Gaststättenbetreibenden wird es nicht nur erheblich erschwert, rauchende Gäste mit ihren Angeboten zu erreichen, sondern sie werden regelmäßig daran gehindert, ihre Leistungen an Gäste zu erbringen, die auf das Rauchen in der Gaststätte nicht verzichten wollen (so BVerfGE 121, 317 ≪345≫).
b) Berufsausübungsregelungen müssen nicht nur den Anforderungen genügen, die sich unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 GG ergeben, sie müssen vielmehr auch sonst in jeder Hinsicht verfassungsgemäß sein und insbesondere den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beachten (vgl. BVerfGE 25, 236 ≪251≫; 121, 317 ≪369≫).
Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 126, 400 ≪416≫; 127, 263 ≪280≫; stRspr). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 – 1 BvR 2035/07 –, NVwZ 2011, S. 1316 ≪1317≫ m.w.N.). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich insbesondere aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011, a.a.O.); denn dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten, zu denen auch die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte freie Berufsausübung zählt, nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 121, 317 ≪370≫ m.w.N.).
2. Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf die verfassungsrechtliche Prüfung des § 2 Abs. 4 HmbPSchG ist diese Norm mit Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
a) Für die vorliegend zu beurteilende Differenzierung zwischen Schank- und Speisewirtschaften ist bei der Prüfung anhand des Gleichheitssatzes von einer strengeren Bindung des Gesetzgebers auszugehen, weil sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten – hier in Gestalt der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten freien Berufsausübung – nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 121, 317 ≪370≫). Aufgrund der differenzierenden Regelung in § 2 Abs. 4 Satz 1 HmbPSchG sind die Betreibenden von Speisewirtschaften im Unterschied zu denjenigen, die Schankwirtschaften betreiben, daran gehindert, gesonderte Nebenräume einzurichten, um dort ihren Gästen das Rauchen zu gestatten und damit eine Ausnahme vom ansonsten geltenden Rauchverbot in Gaststätten für sich zu nutzen. Dies hat zur Folge, dass Betreibende von Speisewirtschaften nicht in freier Ausübung ihres Berufs das Angebot ihrer Gaststätten auch für rauchende Gäste attraktiv gestalten können. Es liegt nahe, dass dies erhebliche wirtschaftliche Nachteile insbesondere für eher getränkegeprägte Speisegaststätten nach sich zieht, bei denen die Gäste auf Speisen zwar nicht verzichten wollen, solche Lokale aber vorrangig aus anderen Gründen – wie etwa auf der Suche nach Geselligkeit und zur Kommunikation – aufsuchen.
b) Diese Ungleichbehandlung ist sachlich nicht gerechtfertigt. Es fehlt an einem hinreichend gewichtigen Grund für die Differenzierung.
aa) Als Differenzierungsgrund genügt es nicht bereits, dass die in § 2 Abs. 4 Satz 1 HmbPSchG vorgenommene Unterscheidung das Ergebnis eines politischen Kompromisses zwischen den damaligen Regierungsfraktionen in der Hamburgischen Bürgerschaft ist. Die Notwendigkeit, sich durch einen politischen Kompromiss eine parlamentarische Mehrheit zu sichern, prägt Politik. Sie kann für sich allein genommen die mit schwerwiegenden Nachteilen für die Ausübung eines Freiheitsrechts verbundene Ungleichbehandlung verschiedener Normadressaten freilich nicht rechtfertigen. Auch wenn der Gesetzgeber im demokratischen Staat regelmäßig auf politische Kompromisse angewiesen ist, gilt doch auch für ihn gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Bindung an die Grundrechte. Dem Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist mithin nicht allein schon wegen des Vorliegens eines politischen Kompromisses Genüge getan, er setzt vielmehr seinerseits der Möglichkeit eines Kompromisses inhaltliche Grenzen.
bb) Sachliche Gesichtspunkte, mit denen sich die Unterscheidung zwischen Schank- und Speisewirtschaften bei der Zulassung von Raucherräumen rechtfertigen lässt, sind nicht erkennbar.
Für die verfassungsrechtliche Prüfung ist allerdings nicht ausschlaggebend, ob die maßgeblichen Gründe für die gesetzliche Neuregelung im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich als solche genannt wurden oder gar den Gesetzesmaterialien zu entnehmen sind. Nicht die subjektive Willkür des Gesetzgebers führt zur Feststellung eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, sondern die objektive Unangemessenheit der Norm im Verhältnis zu der tatsächlichen Situation, die sie regeln soll (vgl. BVerfGE 51, 1 ≪26 f.≫; 93, 386 ≪400≫ m.w.N.). Auf dieser Grundlage ist kein hinreichend gewichtiger Grund für die Differenzierung auszumachen.
(1) So lässt sich die unterschiedliche Behandlung nicht durch Gründe des Gesundheitsschutzes rechtfertigen.
(a) Dies gilt zunächst im Hinblick auf den Schutz der Gesundheit des Gaststättenpersonals, ungeachtet der Frage, ob und inwieweit ein Landesgesetzgeber dieses Ziel zum Gegenstand eines Nichtraucherschutzgesetzes machen kann, ohne dadurch gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes zu verstoßen (vgl. dazu BVerfGE 121, 317 ≪347 f.≫). Insoweit fehlt es bereits an dem erforderlichen hinreichenden Zusammenhang zwischen dem Regelungsziel und den vom Gesetzgeber gewählten Differenzierungsmerkmalen (vgl. BVerfGE 124, 199 ≪220≫; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011, a.a.O., S. 1316 f. m.w.N.). Im vorliegenden Fall lässt sich ein solcher Zusammenhang zwischen dem Schutz des Gaststättenpersonals und der Differenzierung zwischen Speise- und Schankgaststätten nicht erkennen, denn nicht nur in Speise-, sondern auch in Schankwirtschaften sind Angestellte beschäftigt, die die Gäste in dort zulässigen Raucherräumen bedienen und hierbei den Gefahren des Passivrauchens ausgesetzt werden. Weder in den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens noch anderweitig lassen sich Nachweise dafür finden, dass das Gaststättenpersonal in Raucherräumen von Speisewirtschaften regelmäßig in stärkerem Maße dem Tabakrauch ausgesetzt sein könnte als in Raucherräumen von Schankwirtschaften. Nicht von der Hand zu weisen ist zudem die Überlegung des vorlegenden Gerichts, dass ein etwa beabsichtigter Schutz des Gaststättenpersonals effektiver und zugleich für die Betreibenden von Gaststätten weniger belastend zu erreichen ist, wenn die Zulassung von Raucherräumen davon abhängig gemacht wird, dass sich die Gäste dort selbst bedienen.
(b) Die Differenzierung kann ferner nicht mit dem Schutz der Gesundheit der Gäste gerechtfertigt werden. Gäste sind in den Schutz der gesetzlichen Regelung schon nicht einbezogen, soweit sie ihre eigene Gesundheit dadurch gefährden können, dass sie selbst rauchen. Ihnen wird kein Schutz vor Selbstgefährdung aufgedrängt (vgl. BVerfGE 59, 275 ≪278 f.≫; 121, 317 ≪359≫). Vielmehr wird nach § 1 Abs. 1 HmbPSchG mit dem Hamburgischen Passivraucherschutzgesetz ausdrücklich nur das Ziel verfolgt, die Bevölkerung vor den gesundheitlichen Gefahren durch Passivrauchen in öffentlichen Einrichtungen zu schützen. Dieses begrenzte Schutzziel rechtfertigt indessen die Ungleichbehandlung von Schank- und Speisewirtschaften nicht.
(aa) Die Erwägung eines erhöhten Schutzbedürfnisses für Gäste in Speisewirtschaften wegen einer angenommenen zusätzlichen Belastung der Nahrung durch Tabakrauch wurde zwar bei einer Anhörung im Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz der Hamburgischen Bürgerschaft von einer Auskunftsperson vorgebracht (vgl. Ausschuss-Drucks 19/8, S. 17), im Gesetzgebungsverfahren spielte dieses Schutzziel als Grund für die hier zu beurteilende Differenzierung jedoch ersichtlich keine Rolle. So erklärte der Präses der damaligen Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz in einer späteren Ausschusssitzung, es sei „aus gesundheitspolitischer Sicht völlig irrelevant …, ob man beim Rauchen was isst oder nicht”. Dies sei „eine Geschmacksfrage, aber keine gesundheitspolitische Frage”. Beim Essen zu rauchen sei nicht mehr oder weniger schädlich als beim Trinken zu rauchen (vgl. Ausschuss-Drucks 19/9, S. 12). Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Annahme eines erhöhten Schutzbedürfnisses auf belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen würde. So hat das Deutsche Krebsforschungszentrum in seiner Stellungnahme zum vorliegenden Verfahren ausgeführt, es ergebe aus wissenschaftlicher Sicht keinen Unterschied, ob die Aufnahme der Schadstoffe, die im Tabakrauch enthalten seien, in einer Schankwirtschaft oder in einem Speiserestaurant erfolge.
Aber selbst wenn unterstellt wird, dass die Verbindung von Essen und Passivrauchen zu einer besonderen Schadstoffbelastung der nichtrauchenden Gäste führt, ergibt sich daraus keine Rechtfertigung, den Betreibenden von Speisewirtschaften die für andere Gaststätten bestehende Möglichkeit vorzuenthalten, Raucherräume einzurichten. Ist das Rauchen nur noch in vollständig abgetrennten Nebenräumen erlaubt, so entfällt das an die besondere Betriebsart anknüpfende Argument der gesteigerten Gefährdung durch Passivrauchen, weil sich die Gäste zum Essen in Nichtraucherbereichen aufhalten können. Eine Gefährdung der Gäste in den Nichtraucherbereichen kann durch strikte Einhaltung der Vorgaben des § 2 Abs. 4 Satz 2 HmbPSchG verhindert werden. Danach sind Raucherräume baulich so wirksam abzutrennen, dass eine Gefährdung anderer durch Passivrauchen ausgeschlossen wird (vgl. BVerfGE 121, 317 ≪371 f.≫).
(bb) Schließlich lässt sich die unterschiedliche Behandlung von Schank- und Speisegaststätten nicht damit rechtfertigen, dass durch den Ausschluss von Raucherräumen in der letztgenannten Gastronomiesparte eine größere Anzahl von Menschen den Gefahren des Passivrauchens entzogen wird. Zwar geht mit jeder Verringerung der Möglichkeiten zu rauchen zwangsläufig auch die Zahl der durch Passivrauchen gesundheitlich Gefährdeten zurück. Auch darf der Gesetzgeber der Prävention dieser Gesundheitsgefahr durchaus Raum geben. Diese Erwägung kann hier jedoch keinen hinreichend gewichtigen, sachlich vertretbaren Differenzierungsgrund liefern; denn es fehlt insoweit wiederum an dem notwendigen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung. Anhaltspunkte dafür, dass das in Speisewirtschaften offerierte gastronomische Angebot im Vergleich zu Schankwirtschaften zu einer weiteren Erhöhung der mit dem Passivrauchen verbundenen Gesundheitsgefahren führt, liegen nicht vor (vgl. oben ≪aa≫). Wenn der Ausschluss der Speisewirtschaften von der gesetzlichen Begünstigung dazu dienen sollte, die Anzahl der Gelegenheiten zum Rauchen gering zu halten, erschiene die Differenzierung daher geradezu willkürlich; denn es würde an ein Unterscheidungsmerkmal angeknüpft, das in keinerlei Zusammenhang mit einem solchen Regelungsziel des Gesetzgebers steht.
(2) Eine etwaige unterschiedliche wirtschaftliche Betroffenheit von Speise- und Schankwirtschaften durch ein Rauchverbot scheidet ebenfalls als tauglicher Differenzierungsgrund aus.
Aus Sicht des Gesetzgebers spielten die wirtschaftlichen Auswirkungen des Rauchverbots offenkundig bei der Formulierung der Vorschrift keine Rolle. Im Gesetzgebungsverfahren wurde ersichtlich davon ausgegangen, dass keine ausreichenden „belastbaren Zahlen … über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Rauchverbotes in der Gastronomie in Deutschland” vorliegen (Abg. Harald Krüger, PlProt 19/42, S. 2622). Eine Differenzierung zwischen Schank- und Speisewirtschaften wegen unterschiedlicher wirtschaftlicher Belastung durch das Rauchverbot scheitert bereits an einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Für den – allein von der Regelung betroffenen – Bereich derjenigen Gaststätten, die über die baulichen Möglichkeiten zur Einrichtung eines Nebenraums für rauchende Gäste verfügen, lässt sich nicht feststellen, dass reine Schankwirtschaften typischerweise in erheblichem Umfang wirtschaftlich stärker durch ein Rauchverbot belastet würden als Gaststätten, in denen auch zubereitete Speisen angeboten werden oder angeboten werden dürfen.
Zwar hatte das Statistische Bundesamt in seiner Stellungnahme zu dem durch Urteil vom 30. Juli 2008 abgeschlossenen Verfahren ausgeführt, dass die landesgesetzlichen Rauchverbote wahrscheinlich zu stärkeren Umsatzrückgängen im Bereich der getränkegeprägten Gastronomie geführt hätten (vgl. BVerfGE 121, 317 ≪339≫). Für das vorliegende Verfahren konnte es seine damalige – ohnehin als bloße „Momentaufnahme” bezeichnete – Feststellung jedoch nicht bestätigen. So führt das Statistische Bundesamt zwar aus, dass die Umsätze der getränke- und der speisengeprägten Gastronomie seit Januar 2007 zurückgegangen seien und die Umsatzentwicklung der getränkegeprägten Gastronomie schlechter sei als die der speisengeprägten. Es konnte aber keine Aussage darüber treffen, inwieweit dies durch landesgesetzliche Regelungen zum Rauchverbot verursacht worden sei. Zudem war der im Jahr 2008 getroffenen Einschätzung nicht zu entnehmen, ob die vermutete besondere wirtschaftliche Betroffenheit der getränkegeprägten Gastronomie nicht im Wesentlichen durch die Besonderheiten und spezifischen Belastungen der getränkegeprägten Kleingastronomie verursacht war. Dafür spricht, dass die Nichtraucherschutzgesetze der seinerzeit bei der Auswertung berücksichtigten Bundesländer (Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hessen) bereits damals die Einrichtung von Raucherräumen für Schank- und Speisewirtschaften erlaubten, aber noch keine Ausnahmeregelung für Einraumgaststätten enthielten, bei denen solche Nebenräume nicht geschaffen werden konnten. Deshalb erscheint es nicht fernliegend, dass die damals für Schankwirtschaften erfassten Umsatzrückgänge vor allem auf solche Gaststätten zurückgehen, die von vornherein nicht die Möglichkeit hatten, Raucherräume einzurichten und mithin vom Rauchverbot wirtschaftlich besonders nachteilig betroffen waren. Dementsprechend findet sich im Urteil des Senats vom 30. Juli 2008 auch nicht die Feststellung einer generell stärkeren Belastung der Schankwirtschaften im Vergleich zu den Speisewirtschaften. Vielmehr hat der Senat spezifische Auswirkungen nur für eine bestimmte Gruppe von Schankwirtschaften zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und besondere wirtschaftliche Nachteile allein für die getränkegeprägte Kleingastronomie bejaht (BVerfGE 121, 317 ≪363≫), die namentlich durch „Eckkneipen” (BVerfG, a.a.O., S. 358) oder „Einraumkneipen” (BVerfG, a.a.O., S. 364) repräsentiert wird. Maßgebend für die vom Senat getroffene Unterscheidung war ausdrücklich nicht allein die Ausrichtung solcher Gaststätten als Schankwirtschaften, sondern – neben der geringeren Zahl von Sitzplätzen – die besondere Gästestruktur, die gegenüber anderen Gastronomiesparten durch eine vergleichsweise hohe Zahl von rauchenden Gästen gekennzeichnet ist (BVerfG, a.a.O., S. 363) und mithin bei einem Rauchverbot existenzbedrohliche Umsatzrückgänge befürchten lässt (BVerfG, a.a.O., S. 365). Es war bereits damals nicht und ist heute noch weniger zu erkennen, dass über diesen speziellen Gaststättentypus hinaus, der in besonderer Weise durch rauchende Stammgäste geprägt wird, Schankwirtschaften im Vergleich mit Speisewirtschaften allgemein von einem Rauchverbot in einem solchen Maße wirtschaftlich stärker betroffen wären, dass dies den völligen Begünstigungsausschluss aller Speisewirtschaften rechtfertigen könnte.
In den Materialien zum Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Passivraucherschutzgesetzes finden sich zwar Hinweise, die darauf hindeuten, dass sich der Gesetzgeber bei der von ihm vorgenommenen Differenzierung zwischen Schank- und Speisewirtschaften an dem Urteil des Senats vom 30. Juli 2008 (BVerfGE 121, 317) orientieren wollte. So berief sich der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion vor der Hamburgischen Bürgerschaft darauf, dass das Bundesverfassungsgericht „Unterscheidungen der Gastronomiearten in Speisegaststätten und getränkegeprägt” für zulässig gehalten habe, dass „innerhalb der Gruppe jedoch keine Ungleichbehandlungen passieren” dürften (Abg. Harald Krüger, PlProt. 19/42, S. 2622 ≪2623≫). Ähnlich äußerten sich Abgeordnete des Koalitionspartners GAL im Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz (vgl. Drucks. 19/4768, S. 3). Hieraus kann sich jedoch ein hinreichender Grund für die unterschiedliche Behandlung beider Gastronomiesparten in § 2 Abs. 4 HmbPSchG schon deshalb nicht ergeben, weil in dem zitierten Urteil das gastronomische Angebot keineswegs generell als geeignetes Differenzierungskriterium bei der Zulassung von Ausnahmen vom Rauchverbot in Gaststätten genannt wird. Der Senat hatte vielmehr das Merkmal des „vorwiegend an Getränken und weniger an Speisen ausgerichtete(n) Angebot(s)” lediglich als eines von mehreren Merkmalen herangezogen, um mit der getränkegeprägten Kleingastronomie den vom Rauchverbot besonders belasteten Typus von Gaststätten zu kennzeichnen (vgl. BVerfGE 121, 317 ≪363 f.≫; oben ≪2≫). Allein in diesem Zusammenhang wurde das unterschiedliche gastronomische Angebot im Folgenden bei der Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 375) und der Formulierung der Zwischenregelung (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 377) wieder aufgenommen.
II.
Die in § 2 Abs. 4 Satz 1 HmbPSchG bestimmte Unterscheidung zwischen Schank- und Speisewirtschaften ist eine Berufsausübungsregelung, die als gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Die Verfassungswidrigkeit der Norm führt hier jedoch nicht zu ihrer Nichtigkeit. Es ist lediglich die Unvereinbarkeit der gegenwärtigen Regelung mit dem Grundgesetz festzustellen, weil dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten für die Neuregelung zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 121, 317 ≪373 f.≫ m.w.N.). Es bleibt dem Gesetzgeber überlassen, ob er den festgestellten Gleichheitsverstoß durch eine Ausdehnung der Begünstigung des § 2 Abs. 4 HmbPSchG auf Speisewirtschaften, durch eine nach sachgerechten Kriterien differenzierende Vorschrift oder durch eine grundlegend anders konzipierte Verbotsregelung (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 374) ausräumen will.
III.
Mit Blick auf die Berufsfreiheit der Betreibenden von Speisewirtschaften besteht für den Zeitraum bis zu einer gesetzlichen Neuregelung zur Vermeidung weiterer erheblicher wirtschaftlicher Nachteile ein Bedürfnis nach einer Zwischenregelung durch das Bundesverfassungsgericht auf Grundlage des § 35 BVerfGG (vgl. BVerfGE 48, 127 ≪184≫; 84, 9 ≪21≫; 121, 317 ≪376≫). Hierzu wird in Anlehnung an das bisherige Regelungskonzept des Gesetzgebers (vgl. dazu BVerfGE 121, 317 ≪376≫) die geltende Ausnahme vom Rauchverbot durch die Zulassung von Raucherräumen auf solche Gaststätten erstreckt, die zubereitete Speisen anbieten oder über eine entsprechende Erlaubnis nach dem Gaststättengesetz verfügen. Auch für Speisewirtschaften können hiernach unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 Satz 2 HmbPSchG abgeschlossene Raucherräume eingerichtet werden.
Unterschriften
Kirchhof, Gaier, Eichberger, Schluckebier, Masing, Paulus, Baer, Britz
Fundstellen
BVerfGE 2012, 131 |
NJW 2012, 6 |
NVwZ-RR 2012, 257 |
NVwZ 2012, 6 |
NZM 2012, 5 |
DÖV 2012, 402 |
GewArch 2012, 157 |
JA 2012, 556 |
JuS 2013, 184 |
DVBl. 2012, 3 |
GuT 2012, 17 |
KommJur 2012, 4 |
NordÖR 2012, 342 |
BGBl. I 2012, 458 |
LL 2012, 362 |
NRÜ 2012, 181 |