Verfahrensgang
Tenor
Die Vorlage ist unzulässig.
Tatbestand
Die Vorlage betrifft die unterschiedliche Regelung der Anrechnung ersparter Aufwendungen auf den Annahmeverzugslohn in § 615 Satz 2 BGB und § 11 KSchG. Nach § 615 Satz 2 BGB als der allgemeinen Vorschrift zur Vergütung des Dienstverpflichteten bei Annahmeverzug des Dienstberechtigten muss sich der Verpflichtete den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart hat. Im Spezialfall des § 11 KSchG findet eine solche Anrechnung hingegen nicht statt. Das vorlegende Landesarbeitsgericht sieht darin in einem Fall, in dem eine Anwendung des § 11 KSchG zu Gunsten eines Arbeitnehmers nicht in Betracht kam, eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG).
I.
Im Ausgangsverfahren streiten die Parteien, soweit hier von Bedeutung, nach einem rechtskräftigen Teilurteil über den Bestand des Arbeitsverhältnisses noch um Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung von Arbeitsentgelt aus Annahmeverzug.
Die Klägerin war seit September 2004 als Buchhalterin beim Beklagten beschäftigt. Der Beklagte führt einen Kleinbetrieb im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG mit nicht mehr als zehn Arbeitnehmern. Er behauptete, er habe der Klägerin am 31. Oktober 2005 eine Kündigung zum 30. November 2005 ausgehändigt. Die Klägerin bestritt, die Kündigung erhalten zu haben, und beantragte vor dem Arbeitsgericht, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ungekündigt fortbestehe. Außerdem machte sie für die Zeit ab Dezember 2005 Vergütungsansprüche geltend. Das Arbeitsgericht gab dem Feststellungsantrag durch Teilurteil statt, weil der Beklagte den Zugang des Kündigungsschreibens nicht beweisen konnte. Dieses Urteil wurde rechtskräftig. Später beendeten die Parteien das Arbeitsverhältnis zum 30. November 2007. Im Streit blieben aber die Vergütungsansprüche der Klägerin. Das Arbeitsgericht sprach der Klägerin für den Zeitraum Dezember 2005 bis November 2007 teils Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, teils gemäß § 615 Satz 1 BGB Annahmeverzugslohn zu. Im Rahmen des Annahmeverzugslohns brachte es gemäß § 615 Satz 2 BGB die Fahrtkosten in Abzug, die sich die Klägerin dadurch erspart hatte, dass sie nicht von zu Hause zur Arbeitsstätte fahren musste. Für den gesamten Zeitraum ergab sich hierfür ein Abzug in Höhe von 2.617,50 EUR. Insoweit wurde die Klage erstinstanzlich abgewiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Nachdem die Klägerin Berufung erhoben hatte, setzte das Landesarbeitsgericht den Rechtsstreit aus und legte dem Bundesverfassungsgericht zur verfassungsrechtlichen Prüfung die Frage vor, ob die Bestimmung des § 615 Satz 2 BGB, wonach sich der Arbeitnehmer im Falle des Annahmeverzugs auf die Vergütung das anrechnen lassen muss, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart, gegen Art. 3 des Grundgesetzes verstößt.
Zur Begründung führte das Landesarbeitsgericht im Wesentlichen aus:
Die Entscheidung über die Berufung der Klägerin hänge davon ab, ob § 615 Satz 2 BGB anzuwenden sei. Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Vergütungsansprüche sei, soweit es um Zeiträume gehe, in denen die Klägerin nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, § 615 Satz 1 BGB. Nach § 615 Satz 2 BGB sei auf die Vergütungsansprüche das anzurechnen, was die Klägerin sich dadurch an Aufwendungen erspart habe, dass sie nicht gearbeitet habe. Bei den in § 615 Satz 2 BGB genannten ersparten Aufwendungen handele es sich um solche Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer im Falle der Weiterarbeit entstanden wären. Hierzu gehörten typischerweise Fahrtkosten für die Anfahrt zum Arbeitsplatz.
Ein Abzug wäre allerdings nicht vorzunehmen, wenn § 11 KSchG anzuwenden wäre. § 11 KSchG stelle wie § 615 Satz 2 BGB eine Anrechnungsbestimmung dar, die indes anders als § 615 Satz 2 BGB keine Anrechnung ersparter Aufwendungen vorsehe. Die Vorschrift verdränge als lex specialis § 615 Satz 2 BGB. Sie sei vorliegend gleichwohl nicht anzuwenden. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gälten die Regelungen des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes, also auch § 11 KSchG, nicht für Kleinbetriebe. Ausgenommen seien lediglich §§ 4 bis 7 und § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 KSchG. Kraft Gesetzes würden somit Arbeitnehmer, die in einem Kleinbetrieb tätig seien, schlechter behandelt als Arbeitnehmer, die in einem Betrieb beschäftigt seien, auf den das Kündigungsschutzgesetz anzuwenden sei. Während die Arbeitnehmer eines Kleinbetriebs sich ersparte Aufwendungen auf den Verdienst anrechnen lassen müssten, sei dies bei anderen Arbeitnehmern nicht der Fall.
Der allgemeine Gleichheitssatz gebiete, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Daraus ergäben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichten. Art. 3 Abs. 1 GG sei danach jedenfalls dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lasse.
Gemessen an diesen Grundsätzen sei kein Grund erkennbar, der es gebiete oder auch nur als vertretbar erscheinen lasse, die Frage, ob Arbeitnehmer sich auf den Annahmeverzugslohn ersparte Aufwendungen anrechnen lassen müssten, in Abhängigkeit von der Größe des Betriebs, in dem sie beschäftigt seien, zu regeln.
Das Bundesverfassungsgericht habe sich in seiner Entscheidung vom 27. Januar 1998 (BVerfGE 97, 169) mit der Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 KSchG auseinandergesetzt. Dabei sei es allerdings um die Frage gegangen, ob es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei, dass Arbeitnehmer, die in Kleinbetrieben tätig seien, vom Kündigungsschutz nach § 1 KSchG ausgeschlossen seien. Dies sei bejaht worden. Die tragende Begründung hierfür sei die Überlegung gewesen, dass bei enger persönlicher Zusammenarbeit, insbesondere persönlicher Mitarbeit des Arbeitgebers im Betrieb, sowie bei geringerer Finanzausstattung und Verwaltungskapazität des Unternehmens gute Gründe dafür sprächen, dem Arbeitgeber freiere Hand bei der Ausübung seines Kündigungsrechts einzuräumen, als ihm die allgemeinen Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes erlaubten.
Diese Gründe seien nicht geeignet, die unterschiedliche Regelung bei der Anrechnung ersparter Aufwendungen zu begründen. Gerade die geringere Verwaltungskapazität kleinerer Betriebe spreche dagegen, die Abrechnung der Annahmeverzugsansprüche auch noch bezüglich der ersparten Aufwendungen zu komplizieren. Die geringere Finanzausstattung rechtfertige die unterschiedliche Behandlung ebenfalls nicht. Ob der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Erbringung der Arbeitsleistung Aufwendungen habe, berühre das Verhältnis von Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht. Insbesondere wirkten sich etwaige Aufwendungen des Arbeitnehmers nicht auf die Arbeitsvergütung aus, sondern würden in aller Regel im Rahmen der steuerlichen Behandlung des Einkommens vom Arbeitnehmer als abzugsfähige Werbungskosten geltend gemacht. Warum dies im Fall des Annahmeverzugs zu einer Minderung des Arbeitslohnes führen solle, sei ohnehin nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen.
Die Gründe, die den Gesetzgeber bewogen hätten, § 11 KSchG anders zu regeln als § 615 Satz 2 BGB, stellten ebenfalls keinen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung dar. Der Regierungsentwurf zum Gesetz von 1951 habe zunächst ebenfalls eine Anrechnungspflicht vorgesehen. Der zuständige Ausschuss des Bundestags habe aber im Hinblick auf die Geringfügigkeit der in Betracht kommenden Beträge diese Vorschrift gestrichen, um „nicht kleinlich zu verfahren” (Bezugnahme auf Hueck/v.Hoyningen-Huene, KSchG, 14. Aufl. 2007, § 11 Rn. 48). Diese Überlegung treffe auch für Kleinbetriebe zu. Die Regelung des § 615 Satz 2 BGB sei daher wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig. Eine verfassungskonforme Auslegung komme nicht in Betracht. Der eindeutige Wortlaut des § 615 Satz 2 BGB lasse eine Auslegung dahingehend, die ersparten Aufwendungen nicht anzurechnen, nicht zu.
III.
Die Vorlage ist unzulässig.
1. Ein Gericht kann eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 86, 71 ≪76≫). Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss das vorlegende Gericht in den Gründen seiner Entscheidung ausführen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm abhängt und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügt ein Vorlagebeschluss dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nur, wenn ihm zum einen mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, dass das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie es dieses Ergebnis begründen würde (vgl. BVerfGE 7, 171 ≪173 f.≫; 105, 61 ≪67≫; stRspr). Zum anderen muss das vorlegende Gericht die für seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar und erschöpfend darlegen (vgl. BVerfGE 78, 165 ≪171 f.≫; 86, 71 ≪78≫; 88, 70 ≪74≫; 88, 198 ≪201≫; 93, 121 ≪132≫). Es muss deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt ist. Dabei muss es sich intensiv mit der einfachen Rechtslage auseinandersetzen, auf naheliegende tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte eingehen und die in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen ebenso verarbeiten wie die Entstehungsgeschichte der betreffenden Norm (vgl. BVerfGE 76, 100 ≪104≫; 79, 240 ≪243 f.≫; 80, 96 ≪100≫; 86, 52 ≪57≫; 86, 71 ≪77 f.≫; 89, 329 ≪337≫; 92, 277 ≪312≫; 105, 48 ≪56≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. März 2010 – 1 BvL 11/07 –, juris).
2. Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Vorlagebeschlusses nicht.
a) Der Vorlagebeschluss macht schon nicht hinreichend deutlich, welche Sachverhalte oder Personengruppen aus Sicht des Landesarbeitsgerichts in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt werden.
Ausweislich der im Tenor des Beschlusses formulierten Vorlagefrage betrifft die vom Landesarbeitsgericht beanstandete Ungleichbehandlung Arbeitnehmer, die sich nach § 615 Satz 2 BGB im Falle des Annahmeverzugs auf die Vergütung dasjenige anrechnen lassen müssen, was sie infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart haben. Das Landesarbeitsgericht scheint damit die allgemeine Anrechnungsregelung des § 615 Satz 2 BGB zur verfassungsgerichtlichen Prüfung zu stellen und die Vorlagefrage insoweit nur dahingehend einzugrenzen, dass nicht alle von dieser Vorschrift erfassten Dienstverhältnisse in Betracht gezogen werden sollen, sondern nur diejenigen von Arbeitnehmern. Die Benachteiligung der von § 615 Satz 2 BGB erfassten Arbeitnehmer soll sich hiernach aus einem Vergleich mit solchen Arbeitnehmern ergeben, deren Annahmeverzugsvergütung sich nach § 11 KSchG richtet und die sich deshalb keine ersparten Aufwendungen anrechnen lassen müssen. So verstanden würden also allgemein die Anrechnungsregelungen des § 615 Satz 2 BGB und des § 11 KSchG gegenübergestellt.
Die unterschiedliche Ausgestaltung dieser Anrechnungsvorschriften ist im Schrifttum bislang nicht in nennenswertem Maße als verfassungsrechtliches Problem diskutiert worden. Der Unterschied in den gesetzlichen Regelungen wird meist nur beschrieben (vgl. Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 615 Rn. 19; Spilger, in: KR, 9. Aufl. 2009, § 11 KSchG Rn. 50; Boewer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, 3. Aufl. 2009, § 69 Rn. 41; Preis, in: ErfK, 10. Aufl. 2010, § 615 BGB Rn. 85; Biebl, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Aufl. 2007, § 11 KSchG Rn. 31; Fiebig, in: Fiebig/Gallner/Nägele, Kündigungsschutzrecht, 3. Aufl. 2007, § 11 KSchG Rn. 40; ders., in: Däubler/Hjort/Hummel/Wolmerath, Arbeitsrecht, § 11 KSchG Rn. 24; Boecken, in: AnwaltKommentar Arbeitsrecht, Band 1, 2. Aufl. 2010, § 615 BGB Rn. 53; Richardi, in: v. Staudinger, BGB, §§ 611-615, Neubearbeitung 2005, § 615 Rn. 134, 139; Belling, in: Erman, BGB, 12. Aufl. 2008, § 615 Rn. 40; Linck, in: Schaub/Koch/Linck/Vogelsang, Arbeitsrecht-Handbuch, 13. Aufl. 2009, § 95 Rn. 85; Bröhl, in: Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, Fachanwaltskommentar Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2009, § 11 KSchG Rn. 14; Schneppendahl, in: Wedde, Arbeitsrecht, § 11 KSchG Rn. 3). Gelegentlich wird kurz kritisch angemerkt, die Rechtslage sei uneinheitlich (vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 14. Aufl. 2007, § 11 Rn. 48; Pleßner, in: BeckOK KSchG, § 11 Rn. 25 ≪Stand: 01.03.2010≫; Hergenröder, in: MüKo-BGB, 5. Aufl. 2009, § 11 KSchG Rn. 26), aber nur ganz vereinzelt werden verfassungsrechtliche Bezüge hergestellt, indem – wenn auch ohne nähere Ausführungen – Zweifel an der Vereinbarkeit mit „Art. 3 GG” geäußert werden, weil die Differenzierung durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt sei (vgl. Henssler, in: MüKo-BGB, 5. Aufl. 2009, § 615 Rn. 65).
Auch das Landesarbeitsgericht möchte die Vorlagefrage wohl nicht so weit verstanden wissen, dass entsprechend dem Tenor des Beschlusses die Regelung des § 615 Satz 2 BGB, soweit sie Arbeitnehmer betrifft, insgesamt zur verfassungsgerichtlichen Prüfung gestellt werden soll. Zwar meint das Landesarbeitsgericht beiläufig auch allgemein, es sei ohnehin nicht nachvollziehbar, warum die Ersparnis von Aufwendungen im Fall des Annahmeverzugs zu einer Minderung des Arbeitslohns führen solle. Die verfassungsrechtliche Kritik des Gerichts richtet sich aber ausweislich der weiteren Beschlussgründe im Wesentlichen wohl nicht gegen eine Benachteiligung von Arbeitnehmern im gesamten Anwendungsbereich des § 615 Satz 2 BGB, also in jedem Falle des Annahmeverzugs des Arbeitgebers. Vielmehr hat das Landesarbeitsgericht speziell den Annahmeverzug des Arbeitgebers im Blick, der die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers deshalb nicht in Anspruch nimmt, weil er sich darauf beruft, das Arbeitsverhältnis sei durch eine von ihm ausgesprochene Kündigung beendet worden. Besteht das Arbeitsverhältnis doch fort, weil die Kündigung rechtsunwirksam war, weil sie vom Arbeitgeber zurückgenommen wurde oder weil sich die Arbeitsvertragsparteien auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geeinigt haben, kommt in allen diesen Fällen (vgl. Boewer, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, 3. Aufl. 2009, § 69 Rn. 41) § 11 KSchG zur Anwendung, es sei denn, die Geltung dieser Vorschrift ist durch § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG ausgeschlossen. In diesem Ausnahmefall bleibt es für die Arbeitnehmer eines Kleinbetriebs im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG auch dann bei der Anrechnung ersparter Aufwendungen nach § 615 Satz 2 BGB, wenn dem Annahmeverzug des Arbeitgebers eine Kündigung zugrunde liegt, die das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Das Landesarbeitsgericht sieht für diese Benachteiligung solcher gekündigter Arbeitnehmer, für die die Anwendung des § 11 KSchG durch § 23 Abs. 1 KSchG ausgeschlossen wird, keinen tragfähigen Grund. Abweichend vom Tenor des Vorlagebeschlusses dürfte Gegenstand der beantragten verfassungsgerichtlichen Prüfung daher eigentlich die Frage sein, ob der Ausschluss der Geltung des § 11 KSchG für gekündigte Arbeitnehmer eines Kleinbetriebs durch § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.
Die hiernach bestehenden Unklarheiten hinsichtlich des Gegenstands der Normenkontrolle könnten als solche für die Zulässigkeit der Vorlage unschädlich sein, wenn sie durch eine Auslegung der Vorlagefrage unter Berücksichtigung der Gründe des Vorlagebeschlusses überwunden werden könnten. Damit wären aber noch nicht die Defizite in der Begründung der Überzeugung des Landesarbeitsgerichts von der Verfassungswidrigkeit der – anderen als von ihm im Tenor des Beschlusses genannten – Norm beseitigt, die sich daraus ergeben, dass die Darlegung einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) die Gegenüberstellung bestimmter, durch die Norm unterschiedlich geregelter Sachverhalte oder Personengruppen voraussetzt. Wechseln die Überlegungen des vorlegenden Gerichts wie hier zwischen mehreren Standpunkten hin und her, ohne sich zweifelsfrei nachvollziehbar auf den Vergleich bestimmter Sachverhalte oder Personengruppen festzulegen, dann fehlt es schon aus diesem Grunde an einer schlüssigen, den Vorgaben des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG entsprechenden Begründung der Vorlage.
b) Jedenfalls hat sich das Landesarbeitsgericht nicht hinreichend mit einer möglichen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügenden sachlichen Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung auseinandergesetzt. Das Landesarbeitsgericht hat nicht in ausreichendem Maße untersucht, ob die sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG ergebende Unanwendbarkeit des § 11 KSchG im Falle eines vom Arbeitnehmer eines Kleinbetriebs erfolgreich geführten Kündigungsschutzverfahrens zur Entlastung des betroffenen Arbeitgebers bei generalisierender Betrachtung (vgl. BVerfGE 97, 169 ≪182 ff.≫) gerechtfertigt sein kann.
In § 11 KSchG wird von einer Anrechnung ersparter Aufwendungen im Sinne des § 615 Satz 2 BGB im Anschluss an ein Kündigungsschutzverfahren abgesehen, um die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht durch Auseinandersetzungen über die Höhe des Annahmeverzugsentgelts zu belasten (vgl. Fiebig, in: Fiebig/Gallner/Nägele, Kündigungsschutzrecht, 3. Aufl. 2007, § 11 KSchG Rn. 40; vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte BTDrucks Nr. 2090 vom 27. März 1951 und Nr. 2384 vom 21. Juni 1951; RdA 1951, S. 178). Dieser Regelungszweck des § 11 KSchG kann auch in einem Kleinbetrieb Bedeutung erlangen, wenn der Arbeitnehmer des Kleinbetriebs die Kündigung des Arbeitgebers mit Erfolg angegriffen hat und das Arbeitsverhältnis möglichst konfliktfrei fortgesetzt werden soll. Dennoch kann es unter Berücksichtigung des Regelungsspielraums des Gesetzgebers verfassungsrechtlich unbedenklich sein, das durch § 11 KSchG verfolgte Anliegen dann hinter das Interesse des Arbeitgebers an einer Anrechnung der ersparten Aufwendungen des Arbeitnehmers zurücktreten zu lassen, wenn es sich um einen Arbeitgeber eines Kleinbetriebs handelt, der typischerweise finanziell weniger leistungsstark und deshalb an einer Reduzierung der Lohnkosten besonders interessiert ist.
Dass diese naheliegende Erwägung sachlich nicht zu rechtfertigen ist und keinen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer darstellt, hat das Landesarbeitsgericht nicht nachvollziehbar dargelegt. Es hat die durch § 615 Satz 2 BGB bewirkte Entlastung des Arbeitgebers in Abrede gestellt, indem es ausgeführt hat, das Verhältnis von Arbeitnehmer und Arbeitgeber werde nicht dadurch berührt, ob der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Erbringung der Arbeitsleistung Aufwendungen habe oder nicht. Dass die Anrechnung ersparter Aufwendungen die Höhe des vom Arbeitgeber geschuldeten Annahmeverzugsentgelts beeinflusst, ergibt sich jedoch bereits daraus, dass auch aus Sicht des Landesarbeitsgerichts die Klage gegen den Arbeitgeber teilweise abzuweisen wäre, wenn eine Anrechnung nach § 615 Satz 2 BGB erfolgen müsste.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kirchhof, Bryde, Schluckebier
Fundstellen
Haufe-Index 2368718 |
NJW 2010, 2718 |
FA 2010, 337 |
NZA 2010, 1004 |
EzA-SD 2010, 8 |
EzA 2010 |