Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlagebeschluss zum Bundesverfassungsgericht. § 615 Satz 2 BGB. Annahmeverzug. ersparte Aufwendungen. Anrechnung. Ungleichbehandlung
Leitsatz (amtlich)
§ 615 Satz 2 BGB und § 11 KSchG enthalten bezüglich der Anrechnung ersparter Aufwendungen unterschiedliche Regelungen, durch die Arbeitnehmer im Kleinbetrieb benachteiligt werden, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich ist.
Normenkette
BGB § 615 S. 2; KSchG § 11
Verfahrensgang
ArbG Bamberg (Aktenzeichen 3 Ca 61/06 C) |
Tenor
1. Das Verfahren wird gemäß Art. 100 Absatz 1 Satz 1 GG ausgesetzt.
2. Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob die Bestimmung des § 615 Satz 2 BGB, wonach sich der Arbeitnehmer im Falle des Annahmeverzugs auf die Vergütung das anrechnen lassen muss, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart, gegen Art. 3 GG verstößt.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten, soweit hier von Bedeutung, um Ansprüche der Klägerin aus Annahmeverzug.
Die Klägerin war seit 01.09.2004 beim Beklagten als Buchhalterin beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis fand, da der Beklagte einen Kleinbetrieb im Sinne des § 23 Absatz 1 KSchG führt, das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung.
Der Beklagte behauptete, er habe der Klägerin am 31.10.2005 eine Kündigung zum 30.11.2005 ausgehändigt. Er meldete die Klägerin zum 30.11.2005 bei der DAK K. ab.
Die Klägerin erhob am 16.01.2006 die vorliegende Klage und beantragte, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ungekündigt fortbestehe. Außerdem machte sie für die Zeit ab Dezember 2005 Vergütungsansprüche geltend.
Mit Teilurteil vom 16.05.2007 gab das Arbeitsgericht Bamberg dem Feststellungsantrag statt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Parteien beendeten das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2007.
Mit Urteil vom 20.05.2009 (Bl. 150 ff d.A.) entschied das Arbeitsgericht Bamberg u.a. über die Zahlungsansprüche für den Zeitraum Dezember 2005 bis November 2007. Es sprach der Klägerin teils Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, teils gemäß § 615 Satz 1 BGB Annahmeverzugslohn zu. Im Rahmen des Annahmeverzugslohns brachte das Erstgericht gemäß § 615 Satz 2 BGB die Fahrtkosten in Abzug, die sich die Klägerin dadurch ersparte, dass sie nicht von zu Hause zur Arbeitsstätte fahren musste. Für den gesamten Zeitraum ergab sich hierfür ein Abzug in Höhe von 2.617,50 EUR.
Insoweit wurde die Klage abgewiesen.
Die Klägerin legte gegen das Urteil bezüglich der Klageabweisung in Höhe von 2.617,50 EUR fristgerecht Berufung ein. Auf Antrag der Klägerin wurde die Berufungsbegründungsfrist bis 22.09.2009 verlängert. Die Berufungsbegründungsschrift vom 21.09.2009 ging am 23.09.2009 beim Landesarbeitsgericht Nürnberg ein.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wurde mit Schreiben vom 23.09.2009 darüber informiert, dass der Schriftsatz vom 21.09.2009 erst am 23.09.2009 bei Gericht eingegangen sei. Mit Schriftsatz vom 25.09.2009, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangen am 28.09.2009, beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führte er aus, der Schriftsatz sei, nachdem er gegen 17.10 Uhr fertig gestellt worden sei, an das Landesarbeitsgericht Nürnberg gefaxt worden. Dem Schriftsatz vom 25.09.2009 war der Sendebericht beigefügt. Aus ihm ergibt sich, dass der fünfseitige Schriftsatz vom 21.09.2009 am selben Tag um 17.15 Uhr an das Landesarbeitsgericht Nürnberg gefaxt worden ist.
Entscheidungsgründe
II.
Die Entscheidung über die Berufung der Klägerin hängt von der Frage ab, ob § 615 Satz 2 BGB anzuwenden ist.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere nicht gemäß § 64 Absatz 6 ArbGG iVm § 522 Absatz 1 Satz 1 ZPO zu verwerfen.
Zwar hat die Klägerin die fristgerecht eingelegte Berufung nicht innerhalb der bis 22.09.2009 verlängerten Frist begründet. Der Berufungsbegründungsschriftsatz vom 21.09.2009 ist (im Original) erst am 23.09.2009 bei Gericht eingegangen.
Der Klägerin ist indes Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, § 64 Absatz 6 ArbGG iVm den §§ 525, 233, 234, 236 ZPO.
Die Klägerin hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fristgemäß gestellt.
Dass die Berufungsbegründungsschrift nicht rechtzeitig bei Gericht einging, beruht darauf, dass der Schriftsatz vom 21.09.2009 offensichtlich nicht per Fax beim Empfänger angekommen ist. Hiervon erhielt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erst ab Zugang des entsprechenden gerichtlichen Hinweises vom 23.09.2009 Kenntnis. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ging am 28.09.2009, also jedenfalls innerhalb der 2-Wochenfrist bei Gericht ein.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch begründet.
Die Klägerin war ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Berufungsbegründung einzuhalten.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat alle Vorkehrungen getroffen, um zu gewährleisten, dass der Schriftsatz mit der Berufungsbegründung fristgerecht eingereicht wurde.
Insbesondere genügte es,...