Entscheidungsstichwort (Thema)
Zaubern keine Kunst i. S. des Gemeinnützigkeitsrechts
Leitsatz (redaktionell)
Daß Zaubern nach Auffassung des BFH keine Kunst i. S. von § 52 Abs. 1 und 2 AO 1977 ist und damit ein entsprechender Verein nicht gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977 von der Körperschaftsteuer befreit werden kann, verstößt nicht gegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.
Normenkette
GG Art. 5 Abs. 3 S. 1; AO 1977 § 52; KStG 1977 § 5 Abs. 1 Nr. 9
Verfahrensgang
Gründe
1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs rügt, ist seine Verfassungsbeschwerde unzulässig. Sein Vortrag läßt nicht erkennen, was er geltend gemacht hätte, wenn der Bundesfinanzhof verdeutlicht hätte, aus welchem Grund er die Revision zugelassen hat. Nur dann hätte aber geprüft und entschieden werden können, ob die angegriffene Entscheidung auf dem vermeintlichen Verfassungsverstoß beruht (vgl. BVerfGE 28, 17 ≪20≫; ständige Rechtsprechung). Der bloße Hinweis, ihm sei die Gelegenheit genommen worden, die Rechtsmeinung des Bundesfinanzhofs kritisch zu hinterfragen, reicht dazu nicht aus. Die durch die §§ 23 Abs. 1 und 92 BVerfGG gebotene Substantiierung seiner Rüge wäre ihm auch möglich gewesen, weil er dem Revisionsurteil hätte entnehmen können, welche Rechtsfragen der Bundesfinanzhof als entscheidungserheblich angesehen hat.
2. Im übrigen sind keine Grundrechtsverletzungen erkennbar.
a) Ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG liegt nicht schon darin, daß der Bundesfinanzhof – wie der-Beschwerdeführer meint – die Zauberei zu Unrecht nicht dem verfassungsrechtlichen Kunstbegriff zugeordnet hat. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob allein der Umstand, daß der Gesetzgeber mit der steuerlichen Privilegierung in § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG der in dieser Grundrechtsnorm zum Ausdruck kommenden objektiven Wertentscheidung Rechnung tragen wollte, einen solchen Fehler auf die verfassungsrechtliche Ebene höbe. In jedem Fall scheidet ein verfassungsgerichtliches Eingreifen, schon deswegen aus, weil eine grundsätzliche Verkennung der Bedeutung und Tragweite der Kunstfreiheitsgarantie nicht vorliegt.
Auch bei der Rüge einer Verletzung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist es im Regelfall nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die tatrichterliche Feststellung und Würdigung des Sachverhalts in jeder Hinsicht auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen (BVerfGE 30, 173 ≪196 f.≫; 67, 213 ≪222 f.≫), es sei denn, sie läßt auf eine grundsätzliche Fehleinschätzung dieses Grundrechts schließen. Es gibt zwar Fälle, in denen eine weitergehende Prüfung in Betracht kommt, wie zum Beispiel bei strafrechtlichen Verurteilungen; denn die Grenzen der verfassungsgerichtlichen Eingriffsbefugnisse richten sich auch danach, mit welcher Intensität die fachgerichtliche Entscheidung die Sphäre des Betroffenen beeinträchtigt (BVerfGE 42, 143 ≪148 f.≫; 43, 130 ≪136≫; 54, 129 ≪136≫; 66, 116 ≪131≫; 67, a.a.O.). Ein solch weitgehender Eingriff steht hier jedoch nicht in Rede. Dem Beschwerdeführer geht es lediglich um die Teilhabe an einer abgabenrechtlichen Privilegierung, die der Bundesfinanzhof ihm vorenthält. In dieser Situation muß das Bundesverfassungsgericht sich mit der üblichen Prüfung begnügen, ob die angegriffene Entscheidung auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von Bedeutung und Tragweite des in Anspruch genommenen Grundrechts beruht (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪93≫).
Ein solcher, verfassungsrechtlich relevanter Fehler ist nicht erkennbar. Der Bundesfinanzhof legt seiner Entscheidung ausdrücklich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zugrunde, die er zutreffend wiedergibt. Ob er bei der Subsumtion der Zauberei unter diese richtig beschriebenen verfassungsrechtlichen Anforderungen die Eigenarten dieser speziellen Tätigkeit hinreichend würdigt, entzieht sich der verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Die dazu notwendige Ermittlung dessen, was Zaubern ist, betrifft die tatrichterliche Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die allein Sache der Fachgerichte ist.
Ebensowenig läßt die Beurteilung, bei der Zauberei handele es sich bei formaler, typologischer Betrachtung nicht um eine klassische Form künstlerischer Äußerung, auf ein grundlegend fehlerhaftes Verständnis des Kunstbegriffs schließen. Die Beispiele klassischer Kunstformen, welche der Bundesfinanzhof nennt, verdeutlichen das Gegenteil. Ob seiner Einschätzung, die Zauberei erfülle nicht die Voraussetzungen eines typologischen Kunstbegriffs, hinreichende und zutreffende Tatsachenfeststellungen zugrunde liegen, ist wiederum keine verfassungsrechtliche Frage.
b) Ebensowenig gibt es Anhaltspunkte für eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob diese Verfahrensgarantie überhaupt ihrem Schutzbereich nach betroffen ist, soweit die Rechtsverletzung darin liegen soll, daß zu Unrecht Zugang zu einer weiteren Instanz gewährt wurde. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG scheidet jedenfalls schon deswegen aus, weil die Zulassung der Revision keine willkürliche Rechtsfindung erkennen läßt (vgl. BVerfGE 3, 359 ≪364 f.≫; ständige Rechtsprechung). Immerhin ging es – wie die Revisionsentscheidung zeigt – um die Klärung der Frage, ob die Förderung des Zauberns ein gemeinnütziger Zweck im Sinne der Abgabenordnung ist.
Soweit der Beschwerdeführer seine auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zielende Rüge damit begründet, daß der Große Senat des Bundesfinanzhofs hätte angerufen werden müssen, verkennt er, daß das Gericht nicht von der Rechtsprechung des IV. Senats abweichen wollte, sondern sich im Gegenteil ausdrücklich auf diese Rechtsprechung berufen hat.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen