Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen
Tenor
Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer zu 2) die im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten. Im Übrigen wird der Antrag auf Anordnung der Erstattung der notwendigen Auslagen abgelehnt.
Dem Beschwerdeführer zu 1) wird eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 500 EUR (in Worten: fünfhundert Euro) auferlegt.
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführer beantragen die Anordnung der Erstattung ihrer Auslagen, nachdem sie ihre Verfassungsbeschwerde gegen Vorschriften des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens des Landes Hessen (Hessisches Nichtraucherschutzgesetz ≪HessNRSG≫) für erledigt erklärt haben.
Die Beschwerdeführer sind Gastwirte. Zur Begründung ihrer im Juni 2008 erhobenen Verfassungsbeschwerde trugen sie vor, dass sie jeweils eine Einraumgaststätte betrieben, bei der keine bauliche Möglichkeit bestehe, einen speziellen Raucherraum einzurichten. Deshalb würden sie von dem gesetzlich vorgesehenen Rauchverbot existenziell betroffen und in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Nachdem durch das Gesetz zur Änderung des Hessischen Nichtraucherschutzgesetzes vom 4. März 2010 (GVBl I S. 86) unter anderem eine Ausnahmeregelung für kleine Einraumgaststätten geschaffen worden ist (§ 2 Abs. 5 Nr. 2 HessNRSG), haben die Beschwerdeführer ihre Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt und beantragt, die Erstattung ihrer Auslagen durch das Land Hessen anzuordnen. Das Land Hessen hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Der Beschwerdeführer zu 1) ist auf Zweifel an der Richtigkeit seines Beschwerdevorbringens hingewiesen worden.
Entscheidungsgründe
II.
Nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ist auch im Falle der Erledigung der Verfassungsbeschwerde über die Erstattung der Auslagen des Beschwerdeführers nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Dabei kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen. Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt, so kann, falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind, davon ausgegangen werden, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet. In einem solchen Fall ist es billig, die öffentliche Hand ohne weitere Prüfung an ihrer Auffassung festzuhalten und dem Beschwerdeführer die Erstattung seiner Auslagen in gleicher Weise zuzubilligen, wie wenn seiner Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden wäre (vgl. BVerfGE 85, 109 ≪114 f.≫; 91, 146 ≪147≫). Zwar erscheint es im Hinblick auf Funktion und Tragweite der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bedenklich, im Falle der Erledigung einer Verfassungsbeschwerde aufgrund einer überschlägigen Beurteilung der Erfolgsaussichten über die Auslagenerstattung zu entscheiden und dabei zu verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen aufgrund einer lediglich kursorischen Prüfung Stellung zu nehmen (vgl. BVerfGE 33, 247 ≪264 f.≫). Diese Bedenken greifen jedoch nicht ein, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Lage – etwa durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem gleich liegenden Fall – bereits geklärt ist (vgl. BVerfGE 85, 109 ≪115 f.≫).
Nach diesen Grundsätzen entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit, zugunsten des Beschwerdeführers zu 2) eine Auslagenerstattung anzuordnen. Die Verfassungsbeschwerde hat sich dadurch erledigt, dass der hessische Landesgesetzgeber die angegriffene Vorschrift geändert und eine Ausnahmeregelung für getränkegeprägte Einraumgaststätten geschaffen hat. Vorausgegangen war, dass das Bundesverfassungsgericht ähnliche Vorschriften in Nichtraucherschutzgesetzen anderer Bundesländer für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt hatte, weil sie Betreiber kleinerer Einraumgaststätten mit getränkegeprägtem Angebot in unzumutbarer Weise belasteten (vgl. BVerfGE 121, 317 ≪355 ff.≫). Der Beschwerdeführer zu 2) betreibt eine solche Gaststätte.
Demgegenüber entspräche es nicht der Billigkeit, auch dem Beschwerdeführer zu 1) eine Erstattung seiner Auslagen zuzusprechen. Bei seiner Gaststätte handelt es sich – entgegen seinem Vorbringen in der Beschwerdeschrift – nicht um eine Einraumgaststätte, bei der die Einrichtung eines Rauchernebenraums aus baulichen Gründen nicht möglich ist. Vielmehr erstrecken sich die Räumlichkeiten, wie der Beschwerdeführer zu 1) inzwischen eingeräumt hat, über mehrere Räume, die auf zwei Stockwerke seines Hauses verteilt sind. Im Internet wird unter anderem damit geworben, dass „im separaten Billard-Raum oder im großen Snooker-Salon im 1. Stock” kleinere Versammlungen oder Geselligkeiten stattfinden könnten. Damit gehört die Gaststätte des Beschwerdeführers zu 1) gerade nicht zu dem besonderen Typus von Gaststätten, die durch die ursprüngliche Fassung des Gesetzes unzumutbar belastet wurden.
III.
Nach § 34 Abs. 2 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht eine Gebühr bis zu 2.600 EUR auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde einen Missbrauch darstellt. Ein solcher Missbrauch liegt unter anderem dann vor, wenn gegenüber dem Bundesverfassungsgericht falsche Angaben über entscheidungserhebliche Umstände gemacht werden. Dabei genügt es, wenn die Falschangabe unter grobem Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten erfolgt; ein vorsätzliches Verhalten oder gar eine absichtliche Täuschung ist nicht erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. November 2009 – 2 BvR 1398/09 –, juris ≪Rn. 10≫ m.w.N.). Die Frage, ob es sich bei den Gaststätten der Beschwerdeführer um Einraumgaststätten handelte, war erkennbar entscheidungserheblich. Der Beschwerdeführer zu 1) richtete seine gesamte Argumentation – ebenso wie bereits bei einer früheren erfolglosen Verfassungsbeschwerde – maßgeblich auf diesen Gesichtspunkt aus. Dabei war die Aussage, bei seiner Gaststätte handele es sich um eine Einraumgaststätte, bei der keine bauliche Möglichkeit bestehe, einen speziellen Raucherraum einzurichten, offenkundig wahrheitswidrig. Soweit er nunmehr geltend macht, aus seiner subjektiven Sicht handele es sich wegen einer eingeschränkten Nutzung der Räume gleichwohl um eine Einraumgaststätte, lässt sich dies kaum nachvollziehen. Jedenfalls die Aussage, es bestehe keine bauliche Möglichkeit, einen speziellen Raucherraum zu schaffen, lässt sich angesichts der bestehenden Nebenräume in keiner Weise vernünftig erklären.
Der Auferlegung einer Missbrauchsgebühr steht es nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer zu 1) die Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt hat. Während nach § 34 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG in der bis zum 10. August 1993 geltenden Fassung eine Missbrauchsgebühr nur in Betracht kam, wenn eine Verfassungsbeschwerde abgelehnt oder verworfen wurde, setzt die heute geltende Fassung keine bestimmte Art der Erledigung voraus. Mit seinem Antrag auf Auslagenerstattung macht der Beschwerdeführer zu 1) deutlich, dass er inhaltlich an seiner missbräuchlichen Verfassungsbeschwerde festhält, und behindert das Bundesverfassungsgericht durch diese sinnentleerte Belastung seiner Arbeitskapazitäten bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Paulus
Fundstellen
Haufe-Index 2368735 |
NJW 2010, 3151 |