Entscheidungsstichwort (Thema)
Stattgebender Kammerbeschluß: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, hier bzgl Eigenbedarfs des Vermieters
Orientierungssatz
1. Fehlt ein für GG Art 103 Abs 1 ausreichender materiell-rechtlicher Grund, angebotene Beweise nicht zu erheben, so sind die besonderen Umstände, die dem Bundesverfassungsgericht die Feststellung gestatten, daß das Gericht seiner Pflicht, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen, und in Erwägung zu ziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BVerfG, 1985-10-08, 1 BvR 33/83, BVerfGE 70, 288 ≪293≫), erfüllt (hier: die Behauptung in der Vollstreckungsabwehrklage, daß einer Kündigung kein durchsetzungsfähiger Eigenbedarf mehr zugrundeliege; Nichterörterung der umstrittenen Frage, ob nach Rechtskraft des Räumungstitels eintretende Umstände überhaupt gem ZPO § 767 oder BGB § 826 der Vollstreckung entgegengehalten werden können).
2. Voraussetzung eines durchsetzungsfähigen Eigennutzungswunsches ist nicht allein, daß er den Anforderungen des Rechtsentscheids des BGH von 1988-01-20 (VIII ARZ 4/87, BGHZ 103, 91 ≪100≫) genügt, er muß nicht nur vernünftig und nachvollziehbar sein, sondern auch ernsthaft verfolgt werden (vgl BVerfG, 1989-02-14, 1 BvR 308/88, BVerfGE 79, 292 ≪305≫).
3. Das BVerfG hat nicht zu untersuchen, ob ein Klagebegehren rechtsmißbräuchlich und deshalb eine unterlassene entscheidungserhebliche Beweiserhebung vor GG Art 103 Abs 1 gerechtfertigt ist. Dasselbe gilt für die Frage, ob der Vortrag im Einzelfall dem prozeßrechtlichen Substantiierungsgebot entspricht und die hierzu angetretenen Beweise den Regeln der ZPO genügen. Nach der Rechtsprechung des BGH muß einem Beweisantrag bezüglich innerer Tatsachen selbst dann nachgegangen werden, wenn die Behauptung auf einer Vermutung beruht (vgl BGH, 1983-05-04, VIII ZR 94/82, NJW 1983, 2034 ≪2035≫). Eine Ausnahme gilt wegen ZPO § 138 nur dann, wenn sie aufs Geradewohl abgegeben worden ist (vgl BGH, 1964-02-12, IV ZR 46/63, NJW 1964, 1179 ≪1180≫).
4. Ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach BVerfGG § 32 ist wegen BVerfGG § 90 Abs 2 S 1 unzulässig, solange in Folge einer Zurückverweisung erneut einstweilige Rechtsschutzmöglichkeiten offen stehen (hier: aus ZPO § 769 u § 765a).
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; ZPO §§ 767, 138; BGB §§ 826, 564b Abs. 2 Nr. 2; BVerfGG § 93b Abs. 2 S. 1, §§ 32, 90 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.07.1990; Aktenzeichen 2/11 S 94/90) |
AG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 30.11.1989; Aktenzeichen Hö 3 C 6202/89) |
Fundstellen
Haufe-Index 543676 |
NJW 1990, 3259 |