Verfahrensgang
AG Oberhausen (Urteil vom 16.03.1998; Aktenzeichen 35 C 78/98) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Mit der Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen eine amtsgerichtliche Entscheidung in einem Verfahren gemäß § 495a ZPO, die ihre Klageerwiderung nicht berücksichtigt hat.
Die Beschwerdeführer hatten eine zu errichtende Eigentumswohnung erworben. Mit den Elektroarbeiten war die Klägerin des Ausgangsverfahrens von dem Bauherrn namens der Beschwerdeführer beauftragt worden. Mittlerweile ist der Kaufvertrag rückabgewickelt.
Nach der Baubeschreibung war für das Haus u.a. eine – durch die Klägerin zu errichtende – Antennenanlage vorgesehen. Die Klägerin montierte hingegen eine Parabolspiegelanlage, deren anteilige Mehrkosten in Höhe von DM 500,00 zzgl. 15 % MwSt. (= DM 575,00) die Beschwerdeführer nicht übernehmen wollen. Die Klägerin behauptet, von den Beschwerdeführern insoweit einen über die Baubeschreibung hinausgehenden Auftrag erhalten zu haben, die Beschwerdeführer wenden ein, sie seien davon ausgegangen, daß mit “Antennenanlage” in der Baubeschreibung bereits eine Parabolspiegelanlage gemeint gewesen sei.
Die Beschwerdeführer haben die Rechnung der Klägerin über DM 3.172,97 in Höhe von DM 1.935,57 (für andere Elektroarbeiten) bezahlt. Die Klägerin hat die Rechnung auf Hinweis der Beschwerdeführer wegen eines Rechenfehlers in Höhe von DM 662,40 reduziert und den verbleibenden Betrag von DM 575,00 beim Amtsgericht Oberhausen eingeklagt.
Die Amtsrichterin beschloß, im vereinfachten Verfahren nach § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, und setzte den Beschwerdeführern eine Frist von zwei Wochen zur Klageerwiderung ab Zustellung der Verfügung. Der Beschluß wurde beiden Beschwerdeführern durch Niederlegung am 27. Februar 1998 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 11. März 1998, eingegangen beim Amtsgericht Oberhausen am 13. März 1998, erwiderten die Beschwerdeführer auf die Klage. Der Schriftsatz gelangte jedoch nicht sofort zur Akte. Vielmehr entschied das Gericht am 16. März 1998, ohne den Schriftsatz zu kennen, und gab der Klage statt, weil die Beschwerdeführer der Klage nicht fristgerecht entgegengetreten seien. Laut Vermerk der entscheidenden Richterin gelangte der Schriftsatz erst nach Fertigung der Urteilsverfügung am 20. März 1998 zur Akte.
Die Beschwerdeführer legten gegen das Urteil am 27. April 1998 beim Landgericht Duisburg Berufung ein und haben parallel fristwahrend Verfassungsbeschwerde erhoben. Auf den Hinweis des Landgerichts, nach ständiger Kammerrechtsprechung werde die Berufung bei Nichterreichen der Berufungssumme auch in Fällen der Verletzung rechtlichen Gehörs für unzulässig gehalten, und telefonischer Mitteilung durch dieses Gericht, daß eine förmliche Entscheidung des Landgerichts zum Nachweis der Ausschöpfung des Rechtswegs nicht erforderlich sei, haben die Beschwerdeführer die Berufung am 16. Juni 1998 zurückgenommen.
- Mit der Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Amtsgericht hätte bei seiner Entscheidung die Klageerwiderung berücksichtigen müssen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu. Bedeutung und Tragweite des mit der Verfassungsbeschwerde als verletzt gerügten Anspruchs auf das rechtliche Gehör sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung des als verletzt bezeichneten Verfassungsrechts angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
Die Annahme würde insoweit voraussetzen, daß die geltend gemachte Rechtsverletzung besonderes Gewicht hat oder die Beschwerdeführer in existentieller Weise betrifft (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25≫). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Das angegriffene Urteil des Amtsgerichts verletzt zwar die grundrechtsgleiche Gewährleistung rechtlichen Gehörs, allerdings kommt der geltend gemachten Verletzung kein besonderes Gewicht zu. Sie beruht auch nicht auf einer groben Verkennung des durch das grundrechtsgleiche Recht gewährten Schutzes noch auf einem leichtfertigen Umgang mit der grundrechtlich geschützten Position noch verletzt er kraß rechtsstaatliche Grundsätze (BVerfGE 90, 22 ≪25≫). Die Klageerwiderung war zum Zeitpunkt der Entscheidung wegen eines organisatorischen Fehllaufes noch nicht zur Akte gelangt. Auch daß die Richterin das Urteil nur einen Arbeitstag nach dem Fristablauf abgesetzt hat, spricht allein nicht für einen leichtfertigen Umgang mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör. Die Richterin konnte nach Lage der Akten davon ausgehen, die Beschwerdeführer hätten auf die Klage nicht erwidert. Anhaltspunkte für leichtfertige oder auch in anderen Fällen praktizierte Vernachlässigung verfassungsrechtlich geschützter Positionen durch die Richterin ergeben sich nicht. Unter dem von der Richterin irrtümlich angenommenen Umstand, auf die Klage sei nicht erwidert worden, durfte das Urteil ergehen (vgl. Beschluß der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 11. September 1998 – 2 BvR 1929/97 –, veröffentlicht in JURIS).
Für eine existentielle Bedeutung der aus der Entscheidung folgenden Belastung für die Beschwerdeführer ist nichts vorgetragen.
Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht bereits in mehreren Entscheidungen betont, daß die Landgerichte im Fall der Verletzung rechtlichen Gehörs im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO (BVerfGE 60, 96 ≪98 ff.≫; 61, 78 ≪80≫; 61, 119 ≪121≫; 64, 203 ≪206≫) bzw. im vereinfachten Verfahren nach § 495a ZPO (vgl. Beschluß der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Dezember 1996 – 2 BvR 2316/96 –, NJW 1997, S. 1301) analog § 513 Abs. 2 ZPO die Berufung zulassen können. Zwar handelt es sich hierbei um eine Frage des einfachen Rechts, über die die Landgerichte zu entscheiden haben (BVerfGE 72, 119 ≪121≫), doch ist die Zulassung der Berufung unter dem Gesichtspunkt des wirksamen Grundrechtsschutzes verfassungsrechtlich geboten.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Winter, Hassemer
Fundstellen
Haufe-Index 1276535 |
NJW 1999, 1176 |