Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 05.04.2005; Aktenzeichen L 9 B 3/05 SO ER)

LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 09.03.2005; Aktenzeichen L 9 B 3/05 SO ER)

SG Münster (Beschluss vom 22.02.2005; Aktenzeichen S 16 SO 18/05 ER)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Übernahme von Studiengebühren und Semesterbeiträgen durch den Sozialhilfeträger.

I.

1. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3022) erhalten Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, grundsätzlich keine Leistungen der Sozialhilfe. Nur in besonderen Härtefällen kann nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII Hilfe zum Lebensunterhalt geleistet werden. Für erwerbsfähige Hilfebedürftige enthält § 7 Abs. 5 des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) eine gleich lautende Vorschrift. Eine entsprechende Regelung hatte bereits § 26 des bis 2004 geltenden Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) enthalten.

2. Der Beschwerdeführer ist Student, aber seit längerer Zeit studierunfähig erkrankt. Seine Immatrikulation hat er aufrechterhalten, um nach seiner Genesung das bereits begonnene Examen beenden zu können. Seit Januar 2005 gewährt ihm der Träger der Sozialhilfe nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII Hilfe zum Lebensunterhalt. Den Antrag des Beschwerdeführers, ihm auch den Semesterbeitrag von 762,12 EUR zu gewähren, um eine Exmatrikulation zu verhindern, lehnte der Sozialhilfeträger jedoch ab. Hiergegen legte der Beschwerdeführer Widerspruch ein. Daneben begehrte er Eilrechtsschutz.

Das Sozialgericht wies den Antrag zurück. Auch wenn eine besondere Härte nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII vorliege, sei nur der notwendige Lebensunterhalt zu gewähren, nicht aber Mittel für einen Semesterbeitrag. Hierfür bestehe auch kein Anlass, da der Beschwerdeführer nach den vorliegenden Attesten sein Studium in nächster Zeit nicht fortsetzen könne. Das Landessozialgericht wies die Beschwerde zurück. Dieser Beschluss ging dem Beschwerdeführer am 11. März 2005 zu.

Er erhob daraufhin eine Anhörungsrüge nach § 178 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Fassung des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vom 9. Dezember 2004 (BGBl I S. 3220). Diese wies das Landessozialgericht mit Beschluss vom 5. April 2005, dem Beschwerdeführer zugestellt am 7. April 2005, als unbegründet zurück.

Aus anderen Mitteln, unter anderem einer Überzahlung an Sozialhilfeleistungen, konnte der Beschwerdeführer den Beitrag für das Sommersemester 2005 aufbringen.

3. In seiner am 6. Mai 2005 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung mehrerer Grundrechte, darunter des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Beschwerdeführer wieder zurückgenommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg, denn sie ist unzulässig.

a) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG rügt, genügt seine Verfassungsbeschwerde nicht den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG an eine substanziierte Begründung. Der Beschwerdeführer hat insoweit lediglich auf den Inhalt seiner Anhörungsrüge nach § 178 a SGG verwiesen. Zu allen dort genannten Punkten hat das Landessozialgericht aber in seinem Beschluss vom 5. April 2005 Stellung genommen. Mit diesen Ausführungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Außerdem trägt der Beschwerdeführer nicht ausreichend vor, inwieweit die angegriffenen Entscheidungen gerade auf der angeblichen Gehörsverletzung beruhten. Hierzu hätte der Beschwerdeführer unter anderem ausführen müssen, was er im Ausgangsverfahren noch vorgetragen hätte, wenn ihn das Landessozialgericht vorab auf seine Rechtsansicht hingewiesen hätte, und warum dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.

b) Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG unzulässig.

aa) In der Regel muss ein Beschwerdeführer nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nach einem Eilrechtsverfahren auch den Hauptsacherechtsweg beschreiten (vgl. BVerfGE 86, 15 ≪22≫). Eine Verfassungsbeschwerde gegen Eilentscheidungen ist nur dann zulässig, wenn ein Beschwerdeführer gerade eine Grundrechtsverletzung durch die Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes geltend macht und das Hauptsacheverfahren keine ausreichenden Möglichkeiten bietet, der Grundrechtsverletzung abzuhelfen (vgl. BVerfGE 104, 65 ≪71≫; stRspr). Dies ist unter anderem der Fall, wenn er eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG im Eilverfahren rügt (vgl. BVerfGE 59, 63 ≪84≫). Daneben kann die Beschreitung und Erschöpfung des Hautsacherechtswegs auch entsprechend § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG unzumutbar sein (vgl. BVerfGE 86, 46 ≪49≫).

bb) Eine Ausnahme vom Gebot der Rechtswegerschöpfung liegt hier nicht vor.

Der Beschwerdeführer greift lediglich sozialgerichtliche Eilentscheidungen an. Zwar rügt er auch eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG durch die Versagung des Eilrechtsschutzes. Seine Ausführungen hierzu betreffen jedoch allein die Auslegung der einschlägigen Regelungen des SGB XII, also Fragen des materiellen Rechts und damit nicht die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes. Dies gilt auch für die übrigen geltend gemachten Grundrechtsverletzungen.

Eine Verweisung auf den Hauptsacherechtsweg ist auch geeignet, die geltend gemachte Beschwer völlig zu beseitigen, und sie ist dem Beschwerdeführer zumutbar. Den Beitrag für das laufende Semester, um den allein es im Ausgangsverfahren ging, konnte der Beschwerdeführer aus anderen Mitteln aufbringen und seine Exmatrikulation dadurch abwenden. Hierdurch ist ihm nur eine einmalige finanzielle Belastung entstanden, die auch nachträglich noch ausgeglichen werden kann; sie kann sich während eines Hauptsacheverfahrens nicht erhöhen, weil der notwendige Lebensunterhalt des Beschwerdeführers durch laufende Leistungen gedeckt ist. Dies hätte selbst dann gegolten, wenn der Sozialhilfeträger wegen der Überzahlung, aus der der Beschwerdeführer den Semesterbeitrag bestritten hat, die Leistungen trotz des § 51 Abs. 2 SGB I für einen der Folgemonate einmalig gekürzt hätte.

2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Papier, Steiner, Gaier

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1986066

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