Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Beschluss vom 07.04.2006; Aktenzeichen 1 Ws 841/05) |
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller ist Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt D…. Er wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Stromkostenpauschale für in seinem Haftraum über ein Radio hinaus vorhandene Elektrogeräte seit dem 1. April 2005. Nachdem das Justizministerium des Landes Rheinland-Pfalz die Justizvollzugsanstalten mit Rundschreiben angewiesen hatte, für solche Geräte von den Gefangenen eine monatliche Stromkostenpauschale in Höhe von 2 € zu erheben und die Geräte den Betroffenen im Falle ihrer Weigerung zu entziehen, erteilte der Beschwerdeführer sein Einverständnis mit einer Abbuchung unter dem Vorbehalt einer abschließenden Klärung der Rechtmäßigkeit der Stromkostenpauschale. Sein Antrag auf gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Kostenbeteiligung blieb in letzter Instanz erfolglos. Gegen den zurückweisenden Beschluss des Oberlandesgerichts hat der Antragsteller Verfassungsbeschwerde erhoben und während des laufenden Verfahrens einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
Entscheidungsgründe
II.
Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.
Für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 93, 181 ≪186≫). Dies gilt nicht nur im Hinblick darauf, dass einstweilige Anordnungen des Bundesverfassungsgerichts weit tragende Folgen haben können (vgl. BVerfGE 3, 41 ≪44≫ – stRspr), sondern auch im Hinblick auf die besondere Funktion und Organisation des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht ist nach den ihm durch Verfassung und Gesetz zugewiesenen Aufgaben und nach seiner gesamten Organisation weder dazu berufen noch in der Lage, vorläufigen Rechtsschutz unter ähnlichen Voraussetzungen zu gewährleisten wie die Fachgerichtsbarkeit. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 32 BVerfGG ist – anders als der von Art. 19 Abs. 4 GG geprägte vorläufige Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren – nicht darauf angelegt, möglichst lückenlosen vorläufigen Rechtsschutz zu bieten (vgl. BVerfGE 94, 166 ≪216 f≫; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. November 1999 – 2 BvR 2039/99 – NJW 2000, S. 1399 ≪1400≫).
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen offensichtlich nicht vor. Dem Beschwerdeführer droht für den Zeitraum bis zur Entscheidung über die Annahme oder Nichtannahme seiner Verfassungsbeschwerde kein Nachteil, zu dessen Abwendung eine Anordnung des Bundesverfassungsgerichts erforderlich wäre. Ihm droht nicht einmal eine Entziehung von Geräten, da er diese – wie es nach seinem Vortrag auch geschieht – vermeiden kann, indem er einstweilen unter dem Vorbehalt abschließender rechtlicher Klärung der Abbuchung der Stromkostenpauschale zustimmt. Dass in der unter Vorbehalt gestellten Entrichtung des Stromkostenbeitrags in der genannten Höhe ein schwerer Nachteil im Sinne des anzulegenden strengen Maßstabes läge, ist nicht ansatzweise ersichtlich; der Beschwerdeführer trägt hierzu auch nichts vor.
Das Stellen eines Antrags auf einstweilige Anordnung nach § 32 BVerfGG in einem Fall, in dem – für jeden Einsichtigen erkennbar – von einem drohenden schweren Nachteil für den Antragsteller nicht die Rede sein kann, stellt eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts dar, der das Gericht durch Verhängung einer Missbrauchsgebühr entgegentreten kann (§ 34 Abs. 2 BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht muss nicht hinnehmen, dass es in der Erfüllung seiner Aufgabe, grundsätzliche Verfassungsfragen zu entscheiden, die für das Staatsleben, die Allgemeinheit und die Verwirklichung der Grundrechte des Einzelnen von Bedeutung sind, und – wo nötig – die Grundrechte des Einzelnen durchzusetzen, durch substanzlose Verfassungsbeschwerden oder substanzlose Eilanträge behindert wird (vgl. Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgericht vom 9. März 2006 – 2 BvR 312/06 – juris, und vom 12. September 2005 – 2 BvR 1435/05 –, NJW-RR 2005, S. 1721 f., m.w.N.). Von der Verhängung einer Missbrauchsgebühr wird für diesmal nur im Hinblick darauf abgesehen, dass dem Beschwerdeführer als langjährig Inhaftiertem möglicherweise die an sich zu erwartende Einsicht in die Missbräuchlichkeit seines Eilantrages nicht in gleicher Weise wie einem Bürger in Freiheit ohne besondere Belehrung zugänglich war.
Die Entscheidung über die Annahme der Verfassungsbeschwerde bleibt vorbehalten.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Lübbe-Wolff, Gerhardt
Fundstellen