Beteiligte
des Herrn Mohamed Mohamed Omar Azdoud |
Rechtsanwälte Dr. Michael von Glahn und Kollegin |
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Bamberg vom 29. April 1999 - 4 Ausl.Reg. 20/97 - und 28. Juni 1999 - 4 Ausl.Reg. 20/97 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, soweit in ihnen die Fortdauer der Auslieferungshaft angeordnet wird. Sie werden insoweit aufgehoben. Die Sache wird insoweit an das Oberlandesgericht Bamberg zurückverwiesen. Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die durch die Verfassungsbeschwerde und den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung entstandenen notwendigen Auslagen zur Hälfte zu erstatten.
Tatbestand
A.
Das Verfassungsbeschwerde-Verfahren betrifft u.a. die Frage, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen im Rahmen eines Auslieferungsverfahrens an die Anordnung der Fortdauer der Auslieferungshaft zu stellen sind, wenn die (förmliche) Auslieferungshaft nach § 15 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) zum Zeitpunkt der Zulässigkeitsentscheidung des Oberlandesgerichts nach § 29 IRG bereits mehr als 14 Monate andauert.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist 23 Jahre alt und marokkanischer Staatsangehöriger. Er befindet sich z.Zt. in Auslieferungshaft in der Justizvollzugsanstalt Dortmund. Das Königreich Marokko begehrt seine Auslieferung. Ausweislich des Haftbefehls des Untersuchungsrichters am Berufungsgericht Al Hoceima vom 27. Januar 1998 soll der Beschwerdeführer am 11. Februar 1997 nahe Al Hoceima (Marokko) zusammen mit drei weiteren Beschuldigten zwei Beamte der königlichen Gendarmerie aus einem fahrenden PKW gestürzt und dadurch den einen Beamten getötet und den anderen erheblich verletzt haben. Zwei der Beschuldigten befinden sich in Auslieferungshaft in Bayern, der dritte Mitbeschuldigte hat in belgischer Auslieferungshaft am 23. Juli 1997 einen Selbstmordversuch unternommen, der am 30. Juli 1997 seinen Tod zur Folge hatte.
Der Beschwerdeführer erklärte sich nicht mit einer vereinfachten Auslieferung gemäß § 41 IRG einverstanden.
2. Das Oberlandesgericht Bamberg ordnete am 9. Januar 1998 gegen den Beschwerdeführer gemäß § 16 Abs. 1 IRG die vorläufige Auslieferungshaft an. Seit dem 19. Februar 1998 befindet sich der Beschwerdeführer in (förmlicher) Auslieferungshaft gemäß § 15 IRG.
3. Noch vor dem Eintreffen der Auslieferungsunterlagen überreichte das Auswärtige Amt der Botschaft des Königreichs Marokko am 5. Februar 1998 eine Verbalnote, in der das Auswärtige Amt um Einholung einer Zusicherung gemäß § 8 IRG bat. Das Königreich Marokko möge zusichern, daß gegen den Beschwerdeführer eine Todesstrafe nicht verhängt oder nicht vollstreckt werde. Mit Datum vom 24. Februar 1998 überreichte der Botschafter des Königreichs Marokko dem Auswärtigen Amt eine Verbalnote. Darin heißt es:
Die Botschaft des Königreichs Marokko in Bonn grüßt das Auswärtige Amt und beehrt sich, unter Bezugnahme auf ihre Verbalnote Nr. 0267 vom 17.02.1998, ihm mitzuteilen, daß das marokkanische Justizministerium mit Bezug auf die Artikeln 392, 114 und 401 des marokkanischen Strafgesetzbuches – deren Kopien in der vorerwähnten Verbalnote beigefügt waren – erachtet, daß die den Verfolgten vorbehaltenen Taten, bzw. die versuchten Totschlag und Körperverletzung, wegen derer die Auslieferung beantragt wurde, unter Todesstrafe nicht gestellt werden.
In ihrem Antrag auf Haftfortdauer vom 24. März 1998 betonte die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Bamberg, daß eine Zusicherung der Einhaltung der Spezialität gemäß § 11 IRG nicht vorliege und die Verbalnote der marokkanischen Botschaft vom 24. Februar 1998 keine ausreichende Zusicherung im Sinne des § 8 IRG darstelle; der maßgebende Artikel 392 des marokkanischen Strafgesetzbuches sei unvollständig übersetzt und die Erklärung sei nicht eindeutig; darüber hinaus handele es sich nicht um eine völkerrechtlich verbindliche Zusage der marokkanischen Regierung.
4. Mit Beschluß vom 31. März 1998 ordnete das Oberlandesgericht Bamberg gegen den Beschwerdeführer und zwei andere Verfolgte die Fortdauer der Auslieferungshaft an. In seinem Beschluß legte das Oberlandesgericht unter Ziffer 2) und 3) fest:
2) Bezüglich sämtlicher drei Verfolgter ist zur Vorbereitung der endgültigen Entscheidung bei den zuständigen marokkanischen Behörden zu erholen
- die Zusicherung der Einhaltung der Spezialität,
- eine vollständige Abschrift des Artikels 392 des marokkanischen Gesetzbuches mit Übersetzung,
- eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung der marokkanischen Regierung, daß gegen die Verfolgten wegen der Taten, derentwegen um Auslieferung ersucht wird, die Todesstrafe nicht verhängt oder nicht vollstreckt wird.
3) Zudem ist eine Auskunft der Bundesregierung zu erholen,
- ob bei Vorliegen einer Zusicherung nach § 8 IRG diese als ausreichend für die Einhaltung erachtet wird und
- ob den Verfolgten nach Auslieferung in das Königreich Marokko Folter droht.
Mit Beschlüssen vom 29. Mai 1998 und vom 28. Juli 1998 ordnete das Oberlandesgericht erneut die Haftfortdauer an. In der Zwischenzeit hatte das Bundesministerium der Justiz mit Schreiben vom 1. Juli 1998 dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz einen Bericht der deutschen Botschaft in Rabat vom 5. Juni 1998 überreicht und angefragt, ob die Auflagen des Oberlandesgerichts Bamberg damit als erledigt betrachtet werden könnten. In dem Bericht der Botschaft heißt es unter anderem, die marokkanische Regierung halte ihre Zusicherungen im Auslieferungsverkehr ein, und in der Todesstrafenproblematik ergäben sich gegenüber einer Zusicherung nach § 8 IRG auch deswegen keine Bedenken, weil die Vollstreckung der Todesstrafe de facto obsolet geworden sei. Die Gefahr von Folter und unmenschlicher Behandlung bestehe nicht. Darüber hinaus enthält der Bericht Ausführungen über den Straftatbestand des Art. 392 des marokkanischen Strafgesetzbuches.
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz teilte dem Bundesministerium der Justiz mit Schreiben vom 14. Juli 1998 mit, daß die vom Oberlandesgericht in Ziffer 2 des Beschlusses vom 31. März 1998 für erforderlich gehaltenen Zusicherungen noch immer nicht vorlägen und aus der Sicht des Staatsministeriums durch einen Bericht der deutschen Botschaft in Marokko nicht ersetzt werden könnten.
5. Im September 1998 beantragte die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht erneut die Verlängerung des Haftbefehls und machte unter anderem geltend, die Fortdauer der Haft sei nicht unverhältnismäßig. Wann der Beschluß des Senats vom 31. März 1998 den marokkanischen Behörden übermittelt worden sei, sei nicht bekannt. Das entsprechende Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz an das Bundesministerium der Justiz datiere vom 28. April 1998, so daß die marokkanischen Behörden im Mai/Juni 1998 unterrichtet worden sein dürften. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß es sich bei Marokko um ein außereuropäisches Land handele und sich die Geschäftswege dort unter Umständen weitaus schwieriger gestalteten, lägen die bisherigen Verzögerungen „durchaus noch in einem dem gegenständlichen Auslieferungsverfahren immanenten Bereich”. Es werde jedoch eine Fristsetzung bis zum 30. Dezember 1998 angeregt.
6. Mit Schriftsatz vom 23. September 1998 wendete der Beschwerdeführer ein, die weitere Auslieferungshaft und auch die Einräumung einer zusätzlichen Frist bis zum 31. Dezember 1998 seien verfassungswidrig. Da es sich auch für die marokkanischen Behörden nicht um ihren ersten Auslieferungsfall handeln dürfte, müßte ihnen die erforderliche Verfahrensweise sehr wohl bekannt sein.
7. Mit Beschluß vom 28. September 1998 ordnete das Oberlandesgericht erneut die Fortdauer der Auslieferungshaft an und setzte für die Einholung der Zusicherungen nach § 11 IRG und nach § 8 IRG sowie für die Vorlage einer vollständigen Abschrift des Art. 392 des marokkanischen Strafgesetzbuches eine Frist bis zum 30. Dezember 1998. Mit Blick auf den gewichtigen Strafvorwurf liege eine gravierende Verletzung des Beschleunigungsgebotes nicht vor. Außerdem wolle der Senat nicht über den Wert von Zusagen entscheiden, bevor diese vorlägen und die Auskunft der Bundesregierung hierüber erteilt sei.
Am 2. Oktober 1998 teilte die marokkanische Botschaft in einer weiteren Verbalnote mit, daß das marokkanische Justizministerium zusichere, daß die Taten, hinsichlich welcher die Betreffenden beschuldigt würden, nicht der Todesstrafe unterlägen, und daß die „Beschuldigten nur auf der Basis der Tatsachen beurteilt” würden, aufgrund welcher ihre Ausweisung von der deutschen Regierung verlangt werde. Das Bundesministerium der Justiz vertrat daraufhin in einem Schreiben vom 19. Oktober 1998 die Ansicht, daß alle Auflagen des Senats „nunmehr erfüllt” seien.
8. Mit Schreiben vom 28. Oktober 1998 teilte der Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht mit, die bisher übersandten Verbalnoten und auch die Verbalnote vom 2. Oktober 1998 genügten offensichtlich den Auflagen des Oberlandesgerichts in seinem Beschluß vom 31. März 1998 nicht. Eine Zusicherung der marokkanischen Regierung sei unerläßlich. Daraufhin wandte sich das Auswärtige Amt am 10. November 1998 erneut mit Verbalnote an die marokkanische Regierung bzw. die marokkanische Botschaft und bat um präzise Einhaltung der Formulierungen.
9. Mit Beschluß vom 27. November 1998 ordnete das Oberlandesgericht Bamberg zum fünften Male die Haftfortdauer an. Es hätten sich seit der letzten Entscheidung des Senats weder rechtliche noch tatsächliche Veränderungen ergeben, die Anlaß zur Aufhebung oder Außervollzugsetzung der Auslieferungshaft gäben. Erst nach Ablauf der bis zum 30. Dezember 1998 gesetzten Frist gäbe es Anlaß zu einer erneuten intensiven Prüfung.
10. Mit Verbalnote vom 8. Dezember 1998 erklärte die marokkanische Botschaft gegenüber dem Auswärtigen Amt, daß sie sich beehre, „ihm unter Bezugnahme auf seine Verbalnote (…) vom 10. November 1998 die vom marokkanischen Justizministerium gemachten rechtlichen Zusicherungen für das Urteil der drei marokkanischen Staatsangehörigen, deren Auslieferung von Marokko beantragt wurde, zu bestätigen”. Darüber hinaus gab die Botschaft eine Reihe von Zusicherungen ab, unter anderem, daß eine Verurteilung der Betroffenen nur für die ihnen vorgeworfenen Taten erfolgen werde und daß die Taten weder der Todesstrafe unterlägen noch die Todesstrafe gegen die Betroffenen verhängt oder vollstreckt werde.
11. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1998 teilte die Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht mit, daß nunmehr die Zusicherungen vorlägen, und bat das Gericht um Mitteilung, ob die Auflagen entsprechend dem Beschluß des Strafsenats nunmehr erfüllt seien. Außerdem teilte die Staatsanwaltschaft mit, daß sie bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wegen des dort anhängigen Asylverfahrens des Beschwerdeführers eine Anfrage gestellt habe. Vor einer Stellung des Zulassungsantrages sei die Antwort des Verwaltungsgerichts abzuwarten, aus der sich „möglicherweise weitere Erkenntnisse ergeben”.
12. Mit Schriftsatz vom 5. Januar 1999 beantragte der Beschwerdeführer erneut unter Hinweis auf die Unverhältnismäßigkeit der Haftdauer und die Unzulänglichkeit der vorliegenden Zusagen und Auskünfte, die Auslieferung für unzulässig zu erklären und den Haftbefehl aufzuheben.
13. Mit Beschluß vom 27. Januar 1999 ordnete das Oberlandesgericht die Fortdauer der Auslieferungshaft an. Es hätten sich seit der letzten Entscheidung keine Erkenntnisse ergeben, die die beantragte Auslieferung als unzulässig anzeigten oder bezüglich der Anordnung oder Vollstreckung der Haft eine abweichende Beurteilung rechtfertigten. Hierbei berücksichtige der Senat auch, daß eine abschließende Entscheidung unmittelbar bevorstehe.
14. Mit einem umfangreichen Beweisbeschluß vom 1. Februar 1999 holte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen bei dem Deutschen Orient-Institut und dem Auswärtigen Amt Auskünfte unter anderem über die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe, die Einhaltung von Zusicherungen seitens der marokkanischen Behörden, hinsichtlich der Anwendung von Folter sowie weiterer Fragenkomplexe ein. Die Antwort des Deutschen Orient-Institutes erfolgte am 15. Februar 1999.
15. Mit Beschluß vom 26. März 1999 ordnete das Oberlandesgericht die Fortdauer der Auslieferungshaft an und setzte die Entscheidung über die Zulässigkeit bis zu dem Eingang der von dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen begehrten Auskunft des Auswärtigen Amtes aus. Diese Auskunft hatte das Auswärtige Amt am 17. März 1999 erteilt; darin nimmt es unter anderem zur Todesstrafe, zur Folter und zu der Zusicherung in der Verbalnote der marokkanischen Botschaft vom 8. Dezember 1998 Stellung.
16. Mit dem angegriffenen Beschluß vom 29. April 1999 erklärte das Oberlandesgericht die Auslieferung des Beschwerdeführers an das Königreich Marokko zur Strafverfolgung wegen der im Haftbefehl des Untersuchungsrichters am Berufungsgericht Al Hoceima vom 27. Januar 1998 bezeichneten Straftaten für zulässig und ordnete die Haftfortdauer an. Die Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Zulässigkeit der Auslieferung griffen nicht durch:
- Das Vorbringen, wonach die erhobenen Vorwürfe als Vorwand zur Verfolgung aus politischen Gründen erfunden worden seien, habe der Beschwerdeführer nicht weiter präzisiert. Das Gericht halte dieses Vorbringen deshalb für bloße Schutzbehauptungen. Aus diesem Grunde seien die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 IRG und eine besondere Prüfungspflicht bezüglich des dringenden Tatverdachts zu verneinen.
- Es gebe auch keinen Anlaß, der Zusicherung der Nichtverhängung oder doch Nichtvollstreckung der nach dem Text der marokkanischen Vorschriften – § 392 Abs. 2 des Strafgesetzbuches – denkbaren Todesstrafe durch das ersuchende Land zu mißtrauen. Mit Verbalnoten vom 24. Februar und 8. Dezember 1998 habe die Botschaft des Königreichs Marokko unter Bezugnahme auf vom marokkanischen Justizministerium am 10. November 1998 abgegebene Erklärungen zum konkreten Fall versichert, daß die Taten, wegen derer die Auslieferung begehrt werde, nicht unter Todesstrafe gestellt seien. Die Glaubhaftigkeit dieser Zusagen werde durch Fernschreiben der Deutschen Botschaft aus Rabat vom 22. Juni und 7. Dezember 1998 ebenso bestätigt wie durch die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17. März 1999 an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im Verwaltungsstreitverfahren des Beschwerdeführers gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Asylrechts bzw. Abschiebungsschutzes.
- Aus der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes ergebe sich auch, daß in Marokko Mißhandlung und Folter von Gefangenen nicht geduldet und einzelne Fälle dieser Art verfolgt und geahndet würden. Da Vorgänge dieser Art auch in Rechtsstaaten nicht grundsätzlich auszuschließen seien, sei darauf abzustellen, ob solche Geschehnisse Ausnahmecharakter trügen und ob der zuständige Staat sie mißbillige und gegen sie vorgehe. Beides sei für das Königreich Marokko zu bejahen. Die Auskunft des Deutschen Orient-Instituts vom 15. Februar 1999, welches von Todesfällen „wegen Herzversagens” in Gefängnissen berichte, vermöge die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 17. März 1999 insoweit nicht in Frage zu stellen. Das Auswärtige Amt verfüge erkennbar über weiterreichende und aktuellere Informationen. Das Gericht sehe daher den Beschwerdeführer im Falle seiner Auslieferung weder mit Tod noch mit Folter bedroht, so daß auch § 8 IRG der Zulässigkeitserklärung der Auslieferung nicht entgegenstehe.
- Die Dauer des Verfahrens lasse die Auslieferung des Beschwerdeführers nicht als unzulässig erscheinen. Das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen selbst kenne keine (Ausschluß-) Fristen für die nach § 30 Abs. 1 IRG erbetenen Ergänzungen von Unterlagen und für die Abgabe von Zusicherungen. Gegen eine vom Gericht ausdrücklich nach § 30 Abs. 1 Satz 2 IRG gesetzte Frist sei nicht verstoßen worden. Es verbleibe daher lediglich eine Überprüfung des Verfahrens unter Beachtung des auch im Auslieferungsverfahren geltenden Beschleunigungsgebotes. Dabei seien die sich aus den Gegensätzlichkeiten der verschiedenen Kulturkreise der beteiligten Länder ergebenden Schwierigkeiten ebenso zu beachten wie die Zeiten, die verbraucht wurden, um zugunsten des Beschwerdeführers und weitgehend auf dessen Betreiben hin mehr Klarheit zu erlangen. Auch könne vorliegend nicht übergangen werden, daß es sich bei den gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfen um höchst gravierende handele. Eine Gesamtabwägung all dieser Umstände erbringe auch vom Gesichtspunkt der Beschleunigung her keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Auslieferung.
17. Mit Beschluß vom 28. Juni 1999, den der Beschwerdeführer ebenfalls zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht hat, ordnete das Oberlandesgericht mit der Begründung, daß sich weder zum Haftgrund noch zur Unverzichtbarkeit des Vollzugs der Auslieferungshaft neue dem Verfolgten günstige Erkenntnisse ergeben hätten, erneut die Fortdauer der Auslieferungshaft an.
18. Mit Schriftsatz vom 6. Juli 1999 teilte der Beschwerdeführer mit, er habe unter Vorlage einer Auskunft von amnesty international vom 29. April 1999 an das Verwaltungsgericht Ansbach einen Antrag auf erneute Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung nach § 33 IRG gestellt.
II.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip geltend:
1. Dem Beschwerdeführer drohten in Marokko zumindest Folter und unmenschliche Haft. Dies zeige ein Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 07. Februar 1996, welches unter Hinweis auf einen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 06. Oktober 1995 betone, daß nach glaubhaften Berichten von Gefangenen im marokkanischen Polizeigewahrsam jede Art von Mißhandlung denkbar sei. Insbesondere im Bereich des Polizeiwesens und des Strafvollzugs seien Foltermaßnahmen an der Tagesordnung.
Darüber hinaus verweist der Beschwerdeführer auf das für das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erstellte Gutachten des Deutschen Orient-Instituts vom 15. Februar 1999, in dem darauf hingewiesen werde, daß auch 1998 erneut Todesfälle in marokkanischen Gefängnissen aufgetreten seien, die auf ein angebliches Herzversagen zurückgeführt worden seien. Außerdem gälten 112 Personen als „verschwunden”, von denen 56 Personen tot seien. Im übrigen stelle der sexuelle Mißbrauch von Gefangenen „ein relativ weit verbreitetes Verhalten” dar. Darüber hinaus führt der Beschwerdeführer noch weitere Gesichtspunkte an, die eine Gefahr der Mißhandlung begründeten.
Schließlich stelle die Tatsache, daß die mutmaßlichen Tatopfer keine Privatpersonen, sondern Polizisten in einem islamisch geprägten Königreich seien, einen begründeten Anhaltspunkt für drohende schwere Menschenrechtsverletzungen dar.
2. Darüber hinaus bestehe die Unklarheit, ob die Tat, die dem Beschwerdeführer zur Last gelegt werde, der Todesstrafe unterliege oder nicht, da die marokkanischen Behörden – entgegen einer Auflage in dem Beschluß des Oberlandesgerichts Bamberg vom 31. März 1998 – eine vollständige Abschrift des Art. 392 des marokkanischen Strafgesetzbuches noch immer nicht vorgelegt hätten. Eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts sei unverzichtbar, so daß aufgeklärt werden müsse, ob das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Delikt nach der Rechtsordnung Marokkos „todeswürdig” sei oder nicht.
3. Zu einer rechtlich verbindlichen Zusicherung, daß es keine Todesstrafe geben werde, sei es nicht gekommen. Dies ergebe sich aus einer Mitteilung der Deutschen Botschaft aus Rabat vom 7. Dezember 1998; es dränge sich daher die Frage auf, welche „rechtliche Zusicherung” durch die Verbalnote vom 8. Dezember 1998 eigentlich „bestätigt” werden solle.
4. Die fortwährende Vollstreckung des Auslieferungshaftbefehls verstoße gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Dauer des Verfahrens mache die Auslieferung unzulässig. Für die Beurteilung der Dauer der Auslieferungshaft und ihrer Vollstreckung könne es nicht allein auf das Gewicht des Tatvorwurfs ankommen. Die Auslieferungshaft unterliege von Verfassungs wegen dem Gebot größtmöglicher Verfahrensbeschleunigung. Dies bedeute, daß ab einer gewissen, für die verfahrensmäßige und technische Abwicklung der notwendigen Entscheidungen unabdingbaren Mindestdauer des Verfahrens besondere, das Auslieferungsverfahren selbst betreffende Gründe vorliegen müßten, um die weitere Aufrechterhaltung der Auslieferungshaft zu rechtfertigen. Derartige besondere Umstände, wie sie das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung BVerfGE 61, 28 fordere, lägen nicht vor. Die für eine verfahrensmäßige und technische Abwicklung unabdingbare Mindestdauer sei nach rund 15 Monaten Auslieferungshaft jedenfalls abgelaufen. Die in dem angegriffenen Beschluß vom 29. April 1999 angeführten „Gegensätzlichkeiten der verschiedenen Kulturkreise der beteiligten Länder” änderten nichts an den modernen Kommunikationsmöglichkeiten, über die auch ein Land wie Marokko verfüge.
5. Der Beschwerdeführer beantragt, im Wege einer einstweiligen Anordnung die Vollziehung seiner Auslieferung vorläufig auszusetzen und den Auslieferungshaftbefehl aufzuheben.
III.
Den Äußerungsberechtigten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Entscheidungsgründe
B.
I.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung eines in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechts des Beschwerdeführers angezeigt ist (§§ 93a Abs. 2 Buchstabe b, 93b Satz 1 BVerfGG), und gibt ihr in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange statt.
Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 28); hiernach ist die Verfassungsbeschwerde im Sinne einer Entscheidungskompetenz der Kammer offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die angegriffenen Beschlüsse des Oberlandesgerichts Bamberg vom 29. April 1999 und vom 28. Juni 1999 verletzen den Beschwerdeführer, soweit sie die Anordnung der Fortdauer der Auslieferungshaft betreffen. Hingegen ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Zulässigkeit der Auslieferung des Beschwerdeführers nach Marokko von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden; insoweit wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
1. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts, die Auslieferung des Beschwerdeführers nach Marokko für zulässig zu erklären, begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Gefahr von Folter und unmenschlicher Haft, insbesondere wegen des Tatvorwurfs (u.a. Polizistenmord) ist nicht in der gebotenen Weise substantiiert dargelegt. Der Beschwerdeführer hat es versäumt, innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG die von ihm zur Begründung seiner Verfassungsrügen in Bezug genommenen Schriftstücke vorzulegen (vgl. § 93 Abs. 1 i.V.m. §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG; vgl. BVerfGE 78, 320 ≪327≫; 88, 40 ≪45≫).
b) Darüber hinaus vermag die – möglicherweise – bestehende Unsicherheit, ob die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Handlung nach Art. 392 des marokkanischen Strafgesetzbuches mit der Todesstrafe bedroht ist, eine Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht hinreichend zu begründen. Das Oberlandesgericht hat in seiner Entscheidung festgestellt, daß Marokko jedenfalls ausweislich der vorgelegten Verbalnote vom 8. Dezember 1998 sowohl eine Verurteilung zum Tode als auch eine Vollstreckung der Todesstrafe ausgeschlossen habe, so daß bereits einfachrechtlich § 8 IRG der Zulässigkeit der Auslieferung nicht entgegenstehe. Die Einschätzungen des Oberlandesgerichts hinsichtlich der Verläßlichkeit der Zusagen Marokkos und zu der Frage einer möglicherweise drohenden Folter beruhen im wesentlichen auf Lageberichten und Auskünften des Auswärtigen Amtes und des Deutschen Orient-Instituts. Inwieweit das Oberlandesgericht bei seiner Würdigung spezifisches Verfassungsrecht verletzt haben soll, ist weder substantiiert dargelegt noch ersichtlich.
c) Soweit der Beschwerdeführer in seinen Schriftsätzen vom 2. Juli und vom 6. Juli 1999 auf die Stellungnahme von amnesty international an das Verwaltungsgericht Ansbach verweist, in der der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, in Marokko gebe es keine Folter, mit deutlichen Worten widersprochen wird, kann dieser Vortrag aus dem Gesichtspunkt der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) keine Berücksichtigung finden, da hierüber zunächst das Fachgericht zu befinden hat. Der Beschwerdeführer hat die Möglichkeit, diesen neuen Sachvortrag zunächst dem Fachgericht im Rahmen eines Antrags auf erneute Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung gemäß § 33 IRG zu unterbreiten, und hat diese inzwischen nach eigenen Angaben auch wahrgenommen.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet, soweit das Oberlandesgericht in den angegriffenen Beschlüssen die Fortdauer der Auslieferungshaft angeordnet hat.
a) Die Anordnung der Auslieferungshaft stellt ebenso wie die von Untersuchungshaft einen staatlichen Eingriff in das Grundrecht auf persönliche Freiheit dar, der nur aufgrund eines Gesetzes erfolgen darf und nur dann, wenn überwiegende Belange des Gemeinwohls dies zwingend gebieten (vgl. BVerfGE 53, 152 ≪158≫; 61, 28 ≪32≫). Die erforderliche gesetzliche Grundlage bietet § 15 Abs. 1 IRG. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG kann nach dem Eingang des Auslieferungsersuchens gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft dann angeordnet werden, wenn die Gefahr besteht, daß er sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung entziehen werde.
Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, daß verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine solche Norm nicht bestehen (vgl. BVerfGE 61, 28 ≪32 f.≫ zu der entsprechenden Vorschrift des § 10 des zur Zeit der Entscheidung noch einschlägigen Deutschen Auslieferungsgesetzes DAG). Durch die verfahrensmäßige Ausgestaltung des Auslieferungsverfahrens, insbesondere die nach § 26 IRG vorgesehene Haftprüfung in zweimonatigen Abständen, durch die Möglichkeit des Verfolgten, gemäß § 23 IRG jederzeit eine Entscheidung über Einwendungen gegen den Haftbefehl zu erwirken, und durch die in § 25 IRG gegebene Möglichkeit der Anordnung, daß der Vollzug des Haftbefehls durch weniger einschneidende Maßnahmen ersetzt wird, liegt für die Auslieferungshaft eine verfahrensmäßige Ausgestaltung vor, durch welche den verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere den in der Auslieferungshaft liegenden Eingriff in die persönliche Freiheit des Verfolgten zeitlich auf das Notwendige und Erforderliche zu begrenzen, hinreichend Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 61, 28 ≪32 f.≫).
aa) Die Dauer des Auslieferungsverfahrens kann von vielen verschiedenen Faktoren abhängen. Für die Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer bestimmten Verfahrensdauer ist neben anderen Gesichtspunkten auch der Tatvorwurf von Bedeutung.
Dies gilt jedoch nur in bestimmten Grenzen. Für die Beurteilung der Dauer der Auslieferungshaft und der Vollstreckung kann es, ebenso wie bei der Untersuchungshaft (vgl. BVerfGE 20, 45 ≪49 f.≫; 36, 264 ≪269 ff.≫), nicht allein auf das Gewicht des Tatvorwurfs ankommen. Die Auslieferungshaft ist als Maßnahme der internationalen Rechts- und Amtshilfe Teil der gegen den Verfolgten durchgeführten Strafverfolgung insgesamt. Sie ist im Zusammenhang mit dem Gewicht des Tatvorwurfs und der verwirkten Sanktion zu sehen, unterliegt jedoch von Verfassungs wegen – ebenso wie das gesamte Strafverfahren – dem Gebot größtmöglicher Verfahrensbeschleunigung. Dies bedeutet, daß ab einer gewissen, für die verfahrensmäßige und technische Abwicklung der notwendigen Entscheidungen unabdingbaren Mindestdauer des Verfahrens besondere, das Auslieferungsverfahren selbst betreffende Gründe vorliegen müssen, um die weitere Aufrechterhaltung, jedenfalls aber die weitere Vollstreckung der Auslieferungshaft zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 61, 28 ≪34≫). Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit setzt der Dauer der Auslieferungshaft Grenzen (vgl. BVerfGE 61, 28 ≪35≫).
bb) Die im vorliegenden Verfahren weit über die Mindestdauer des Verfahrens hinausgehenden erheblichen Verzögerungen sind nicht auf besondere, das Auslieferungsverfahren selbst betreffende Gründe zurückzuführen. In der zögerlichen Behandlung der Angelegenheit durch Marokko und der Nichterfüllung der Auflagen seitens des Auswärtigen Amtes liegt ein Verstoß gegen das von Verfassungs wegen bestehende Gebot größtmöglicher Verfahrensbeschleunigung.
Grundsätzlich waren die Ermittlungen und Klarstellungen, die von seiten der Staatsanwaltschaft bzw. des Oberlandesgerichts angestrengt wurden, durch die gesetzlichen Voraussetzungen des Auslieferungsverfahrens, wie sie insbesondere in §§ 8 und 11 IRG niedergelegt sind, veranlaßt. Auch stellte der Verdacht, daß dem Beschwerdeführer in Marokko möglicherweise Folter und die Todesstrafe drohte, einen hinreichenden Grund für intensive Ermittlungen dar.
Die verbrauchte Zeit ist aber nicht auf die erforderlichen intensiven Ermittlungen zurückzuführen, sondern auf die zögerliche Haltung Marokkos, die fehlende Auflagenerfüllung durch die Bundesregierung und die großzügige Handhabung durch das Oberlandesgericht. Der Beschwerdeführer selbst hat keinen Anlaß für eine überlange Verfahrensdauer geboten. Er hat sich erstmals im September 1998 mit Einwendungen zu Wort gemeldet; dabei hat er keine Aspekte angeführt, die nicht schon zuvor im Rahmen des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 31. März 1998 berücksichtigt worden waren. Es ist außerdem nicht ersichtlich, daß die marokkanische Regierung – etwa aufgrund technischer oder institutioneller Schwierigkeiten – an einer rascheren Erteilung der erforderlichen Zusagen gehindert war. Denn einerseits sind die technischen Möglichkeiten hierfür offenbar vorhanden, und andererseits benötigte die marokkanische Botschaft nach dem Besuch des deutschen Botschafters bei dem Justizministerium in Rabat am 2. Dezember 1998 nur sechs Tage, um die Zusagen in Form einer Verbalnote abzugeben. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, warum die Bundesregierung bzw. das Auswärtige Amt mit Blick auf das von Verfassungs wegen bestehende Beschleunigungsgebot nicht schon früher darauf hingewirkt haben, die Auflagen aus dem Beschluß des Oberlandesgerichts vom 31. März 1998 zu erfüllen und gemäß der Aufforderung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 14. Juli 1998 eine abschließende Stellungnahme zu dem Problem der Folter vorzulegen. Erst die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vom 17. März 1999 stellte für das Oberlandesgericht eine verläßliche Grundlage für seine Entscheidung über die Frage einer möglicherweise drohenden Folter dar.
Nach alledem sind die Verzögerungen nicht in den zu erwartenden Verfahrensabläufen des vertragslosen Auslieferungsverkehrs mit Marokko begründet, sondern maßgeblich darin, daß die Auflagen des Oberlandesgerichts nicht erfüllt wurden und die Staatsanwaltschaft bzw. das Oberlandesgericht nicht mit dem erforderlichen Nachdruck die Erfüllung der Auflagen eingefordert haben. Es ist jedenfalls aus den Verfahrensakten nicht ersichtlich, warum es über eine gewisse Mindestdauer hinaus, die vorliegend mit sechs Monaten durchaus angemessen umschrieben werden kann, tatsächlich über 14 Monate (vom 19. Februar 1998 bis zum 29. April 1999) gedauert hat, bis die erforderlichen Unterlagen und Informationen vorlagen und das Oberlandesgericht über die Zulässigkeit der Auslieferung entschied.
Die zögerliche Behandlung des Vorgangs durch die marokkanische Regierung kann nicht dem Beschwerdeführer angelastet werden. Der ersuchende Staat ist gerade bei der Abwicklung des Auslieferungsverkehrs verpflichtet, erforderliche Unterlagen und Zusagen unverzüglich vorzulegen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluß vom 13. Mai 1991 - 4 Ausl (A) 326/90 -, NJW 1991, S. 3105).
cc) Die eingetretenen Verzögerungen haben auch die Schwelle der Verhältnismäßigkeit überschritten.
Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Dauer der Auslieferungshaft geben die gesetzlichen Vorschriften des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen keine absolute Grenze vor. Demnach muß auch eine Dauer von über 14 Monaten bis zur Zulässigkeitsentscheidung des Oberlandesgerichts und von über 17 Monaten bis zum heutigen Datum für sich genommen noch kein zwingender Anlaß sein, um die Unverhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung anzunehmen.
Unter Berücksichtigung des Umstandes jedoch, daß die unabdingbare Mindestdauer in dem vorliegenden Verfahren auf etwa sechs Monate zu begrenzen gewesen wäre, ist die Unverhältnismäßigkeit der Haftfortdauer anzunehmen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in seinem Beschluß vom 13. Mai 1991 - 4 Ausl (A) 326/90 -, NJW 1991, S. 3105 bereits nach zwei Monaten Untätigkeit des ersuchenden Staates eine Unverhältnismäßigkeit der Auslieferungshaft angenommen. Selbst wenn man vorliegend wegen der Schwere des Tatvorwurfs und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß es sich bei Marokko um einen außereuropäischen Staat handelt, einen zeitlichen Aufschlag vornimmt, so ist doch mangels erkennbarer zwingender Verzögerungsgründe bei einem Zeitraum von fast zehn Monaten bis zur Abgabe der erforderlichen Zusicherungen des ersuchenden Staates und von mehr als zwölf Monaten bis zum Vorliegen weiterer, für die Zulässigkeitsentscheidung erheblicher Informationen die Schwelle der Verhältnismäßigkeit überschritten.
II.
1. Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Bamberg vom 29. April 1999 und vom 28. Juni 1999 verletzen den Beschwerdeführer aus den dargelegten Gründen in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, soweit in ihnen die Fortdauer der Auslieferungshaft angeordnet wird. Sie werden insoweit aufgehoben. Die Sache wird insoweit an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (§§ 95 Abs. 2, 93c Abs. 2 BVerfGG).
2. Das Oberlandesgericht wird mit Blick auf § 25 IRG darüber zu entscheiden haben, ob es den Auslieferungshaftbefehl aufhebt oder lediglich – unter Auflagen – außer Vollzug setzt. Eine Aufhebung ist verfassungsrechtlich jedenfalls nicht geboten (vgl. BVerfGE 61, 28 ≪36 f.≫).
III.
Durch die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerfGE 7, 99 ≪109≫).
IV.
Dem Beschwerdeführer sind die durch das Verfassungsbeschwerde-Verfahren und das Verfahren betreffend den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung entstandenen notwendigen Auslagen zur Hälfte zu erstatten (§ 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG). Das Rechtsschutzbegehren des Beschwerdeführers war nur zum Teil erfolgreich.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Sommer, Broß, Osterloh
Fundstellen
Haufe-Index 543543 |
NJW 2000, 1252 |
ZAR 1999, 232 |
StV 2000, 87 |
StraFo 2000, 27 |
www.judicialis.de 1999 |