Verfahrensgang
Tenor
Die Beschlüsse des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 24. November 2004 und vom 17. Januar 2005 – 4 Qs 19/04 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Waldshut-Tiengen zurückverwiesen.
Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Verhältnis des Eingriffszwecks einer strafprozessualen Wohnungsdurchsuchung zur Stärke des Tatverdachts und zur Schwere der verfolgten Straftat.
1. Gegen den Beschwerdeführer wurde ein – zwischenzeitlich gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestelltes – Ermittlungsverfahren geführt. Anlass hierfür war ein an die minderjährige Geschädigte gerichtetes, am 17. September 2003 in den Hausbriefkasten eingeworfenes handschriftliches, mit dem Namen „Alex” unterzeichnetes Schreiben, in welchem der Geschädigten vom Verfasser oralsexuelle Handlungen angesonnen werden. Das Schreiben enthält neben einem Vorschlag für einen Treffpunkt um 17.00 Uhr an einer Bushaltestelle auch die Telefonnummer des Beschwerdeführers.
2. a) Am 23. September 2003 ordnete das Amtsgericht Bad Säckingen die Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers nach Schriftproben, einer Durchschrift oder einen Entwurf des versandten Briefes sowie nach Unterlagen an, die auf weitere anonyme Schreiben schließen ließen. Der Beschwerdeführer sei verdächtig, das Schreiben in den Briefkasten eingeworfen zu haben. Die Geschädigte habe sich hierdurch in ihrer Ehre verletzt gefühlt. Dies sei strafbar als Beleidigung.
b) Der Durchsuchungsbeschluss wurde am 27. Oktober 2003 vollzogen.
3. Gegen die Durchsuchungsanordnung und gegen deren Vollzug erhob der Beschwerdeführer Beschwerde.
a) Der geschilderte Sachverhalt begründe tatbestandlich keine Beleidigung. Mit dem Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung der Geschädigten sei nicht deren herabsetzende Bewertung einhergegangen. Zudem sei kein „hinreichender Tatverdacht” gegeben gewesen. Es entspreche der Lebenserfahrung, dass ein Täter nicht seine eigene, sondern eine fremde Telefonnummer angebe. Die Beschreibung des von der Geschädigten an der Bushaltestelle gesehenen angeblichen Täters habe nicht dem Aussehen des Beschwerdeführers entsprochen. Dies hätte durch eine Gegenüberstellung ermittelt werden können. Eine Schriftprobe hätte auch beim Einwohnermeldeamt beschafft werden können. Der Durchsuchungsbeschluss sei daher auch unverhältnismäßig.
b) Der erst am 27. Oktober 2003 vorgenommene Vollzug der Durchsuchungsanordnung sei willkürlich gewesen, da die Geschädigte am 3. Oktober 2003 Hinweise auf einen anderen Täter gegeben habe. Auch insoweit hätte zunächst eine Gegenüberstellung vorgenommen werden müssen. Der zwischenzeitliche Hinweis auf einen anderen Täter habe eine geänderte Sachlage begründet. Die legitimierende Kraft des ursprünglichen Beschlusses sei damit entfallen.
4. Das Amtsgericht Bad Säckingen stellte mit Beschluss vom 22. Dezember 2003 fest, dass die Durchsuchung vom 27. Oktober 2003 rechtswidrig gewesen sei. Aufgrund des von der Geschädigten geschilderten Wiedererkennens des Täters am 3. Oktober 2003 hätte die ursprüngliche Durchsuchungsanordnung einer Prüfung unterzogen werden müssen, ob sie noch in der bewilligten Form hätte vollzogen werden dürfen. Dies sei wegen des hohen Beweiswerts der Wiedererkennung zu verneinen. Es hätten zunächst die wieder erkannte Person sowie das Aussehen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Beschreibung der Geschädigten überprüft werden müssen.
5. Hiergegen erhob die Staatsanwaltschaft Beschwerde. Eine gravierende Änderung der Beweislage sei nicht eingetreten. Die gegen den Beschwerdeführer sprechenden Verdachtsmomente wie die Angabe von dessen Telefonnummer, dessen Wohnanschrift in unmittelbarer Nachbarschaft zur Geschädigten sowie die Wiedererkennung auf einem Lichtbild hätten nach wie vor bestanden. Es sei vertretbar, dass vor einer etwaigen Wahlbildvorlage hinsichtlich der am 3. Oktober 2003 beschriebenen Person zur Vermeidung eines möglichen Beweisverlusts der Durchsuchungsbeschluss vollzogen worden sei. Eine Beleidigung sei im Übrigen deswegen anzunehmen, weil die Geschädigte als reines Lustobjekt für einen ihr völlig Unbekannten dargestellt worden sei.
6. Mit Beschluss vom 24. November 2004 verwarf das Landgericht Waldshut-Tiengen die Beschwerde des Beschwerdeführers und hob den Beschluss des Amtsgerichts Bad Säckingen vom 22. Dezember 2003 auf.
a) Zwar dürfte eine Strafbarkeit gemäß § 185 StGB daran scheitern, dass der verbale Angriff auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Geschädigten für sich genommen noch keine Herabwürdigung ihrer Person darstelle. Die unverlangte Zusendung des Briefes, welcher die Adressatin zum bloßen Objekt geschlechtlicher Begierde und Betätigung mache, sei jedenfalls nach § 184 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 StGB strafbar. Die fehlerhafte rechtliche Würdigung durch das Amtsgericht berühre die Rechtmäßigkeit des Beschlusses nicht.
b) Zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses hätten auch ausreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Brief vom Beschwerdeführer verfasst worden sei. Auf dem Brief habe sich dessen Rufnummer befunden. Das persönliche Einwerfen des Briefes sowie die örtliche Lage des beabsichtigten Treffpunktes hätten schwache Hinweise auf eine vergleichsweise enge räumliche Beziehung zwischen Täter und Opfer nahe gelegt. Die Wohnung des Beschwerdeführers befinde sich in der Nähe der Geschädigten, die den Beschwerdeführer anhand eines Passbildes als den Mann identifiziert habe, den sie zu der im Brief angegebenen Uhrzeit an dem Treffpunkt (Bushaltestelle) angetroffen habe.
c) Es sei auch nicht erkennbar, dass die Schriftproben auch außerhalb der Wohnung ohne weiteres hätten erlangt werden können. Alleine eine Unterschrift des Beschwerdeführers auf einem Meldeformular/Passantrag stelle kein ausreichendes Vergleichsmaterial dar. Eine vorherige Gegenüberstellung sei im Hinblick auf die Identifikation auf dem Passbild und wegen der Gefahr einer Beweismittelbeseitigung nicht geboten gewesen.
d) Die Durchführung der Durchsuchung sei auch am 27. Oktober 2003 noch rechtmäßig gewesen. Eine erneute richterliche Durchsuchungsermächtigung sei nicht erforderlich gewesen. Zwar begründe ein richterlicher Beschluss keine von der künftigen rechtlichen und tatsächlichen Entwicklung unabhängige Blankettermächtigung. Eine erneute richterliche Entscheidung müsse – ungeachtet der Vollzugsfrist von sechs Monaten – erst bei neuen Erkenntnissen eingeholt werden, die die tatsächlichen Grundlagen der richterlichen Durchsuchungsanordnung maßgeblich in Frage stellen würden. Die Mitteilung der Geschädigten vom 3. Oktober 2003 sei schon deswegen kein derartiger Umstand gewesen, weil hiermit nicht die Erklärung verbunden gewesen sei, dass es sich bei der gesehenen Person nicht um den anhand eines Passbildes identifizierten Beschwerdeführer gehandelt habe. Dass es sich bei der am 3. Oktober 2003 polizeilich kontrollierten Person um den Briefverfasser gehandelt habe, sei nicht belegt. Eine am 21. Januar 2004 durchgeführte Lichtbildvorlage habe auch ergeben, dass die kontrollierte Person nicht die von der Geschädigten beschriebene Person gewesen sei. Zudem sei die geringe Unterscheidungskraft der Personenbeschreibungen in Rechnung zu stellen.
7. a) Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2004 rügte der Beschwerdeführer im Rahmen eines Nachverfahrens gemäß § 33a StPO die Verletzung seines rechtlichen Gehörs. Das Beschwerdegericht habe – ohne den Beschwerdeführer vorher angehört zu haben – den ursprünglichen Tatvorwurf (§ 185 StGB) durch einen neuen Tatbestand (§ 184 StGB) ersetzt. Zudem seien der Entscheidung dem Beschwerdeführer bis dahin unbekannte Erkenntnisse aus Nachermittlungen zugrunde gelegt worden.
b) Mit Beschluss vom 17. Januar 2005 lehnte das Landgericht Waldshut-Tiengen eine Abänderung des Kammerbeschlusses vom 24. November 2004 ab. Soweit der Beschwerdeführer über weitere Ermittlungsergebnisse in Unkenntnis gelassen worden sei, sei dieses Versäumnis durch eine zwischenzeitliche Akteneinsicht geheilt worden. Im Übrigen sei die Korrektur eines den Tatvorwurf betreffenden Rechtsanwendungsfehlers originäre Aufgabe des Beschwerdegerichts. Da die tatsächlichen Grundlagen des Durchsuchungsbeschlusses unverändert geblieben seien, sei die Begrenzungsfunktion der Durchsuchungsanordnung auch nicht durch die Beschwerdeentscheidung beeinträchtigt worden.
II.
1. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 13 Abs. 1 GG, Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 103 Abs. 1 GG.
Das Landgericht sei nicht dazu legitimiert gewesen, den verdachtbegründenden Tatbestand durch eine andere Vorschrift zu ersetzen und einen als verfassungswidrig erkannten Beschluss nachzubessern.
Infolge der neuen Erkenntnisse insbesondere vom 3. Oktober 2003 hätte der Durchsuchungsbeschluss nicht mehr vollzogen werden dürfen. Ändere sich die Sachlage – wie hier – grundlegend, hätte es einer erneuten richterlichen Überprüfung bedurft. Die ursprüngliche richterliche Durchsuchungsanordnung begründe keine „Blankettermächtigung”. Da seit dem 3. Oktober 2003 festgestanden habe, dass der Beschwerdeführer nicht der Urheber des Schriftstückes gewesen sei, hätte der Beschluss nicht mehr vollzogen werden dürfen. Die hierauf bezogenen Ausführungen des Landgerichts erschöpften sich in Behauptungen und rechtlich unzureichenden Vermutungen. Der Vollzug der Durchsuchung sei – zumal ein Beweismittelverlust niemals zu befürchten gewesen sei – willkürlich gewesen. Das Landgericht habe nicht mitgeteilt, weswegen eine gemäß § 22 PassG einzuholende Unterschrift für ein Schriftvergleichsgutachten nicht tauglich gewesen wäre. Auch durch eine Gegenüberstellung hätte ohne weiteres geklärt werden können, dass der Beschwerdeführer nicht die Person ist, welche die Geschädigte persönlich wahrgenommen habe. Der Beschwerdeführer sei auch nicht zu einer Schriftprobe aufgefordert worden. Hierzu sei er, wie das weitere Verfahren ergeben habe, ohne weiteres bereit gewesen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei daher nicht gewahrt worden.
Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, entspricht sein Vorbringen dem Sachvortrag im fachgerichtlichen Nachtragsverfahren.
2. Das Justizministerium Baden-Württemberg hatte Gelegenheit zur Stellungnahme; es hat hiervon keinen Gebrauch gemacht.
Entscheidungsgründe
B.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 13 Abs. 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. I.). Danach ist die Verfassungsbeschwerde in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer begründenden Sinne offensichtlich begründet (vgl. II.).
I.
1. Damit die Unverletzlichkeit der Wohnung durch eine vorbeugende richterliche Kontrolle gewahrt werden kann, hat der Ermittlungsrichter die Durchsuchungsvoraussetzungen eigenverantwortlich zu prüfen. Erforderlich ist eine konkret formulierte, formelhafte Wendungen vermeidende Anordnung, die zugleich den Rahmen der Durchsuchung abstecken und eine Kontrolle durch ein Rechtsmittelgericht ermöglichen kann (vgl. BVerfGE 42, 212 ≪220 f.≫; 103, 142 ≪151 f.≫). Das Gewicht des Eingriffs verlangt als Durchsuchungsvoraussetzung Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht finden lassen (vgl. BVerfGE 44, 353 ≪371 f.≫; 59, 95 ≪97≫).
2. Die Durchsuchung bedarf vor allem einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Durchsuchung muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck Erfolg versprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein; dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen. Der Richter darf die Durchsuchung nur anordnen, wenn er sich aufgrund eigenverantwortlicher Prüfung der Ermittlungen überzeugt hat, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist (vgl. BVerfGE 96, 44 ≪51≫).
II.
Das Landgericht Waldshut-Tiengen hat diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht Rechnung getragen. Die Beschlüsse vom 24. November 2004 und vom 17. Januar 2005 verletzen daher den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG (vgl. II. 5.).
1. Ohne Erfolg bleibt aber die Gehörsrüge des Beschwerdeführers. Eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs kann schon im Hinblick auf das gemäß § 33a StPO durchgeführte Nachverfahren nicht festgestellt werden. Es wird nicht ersichtlich, welchen entscheidungserheblichen Sachvortrag das Landgericht Waldshut-Tiengen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen haben soll (vgl. hierzu BVerfGE 60, 250 ≪252≫; stRspr).
2. Es ist von Verfassungs wegen auch nicht zu beanstanden, wenn die rechtliche Bewertung des in den amtsgerichtlichen Beschlussgründen umschriebenen tatsächlichen und den Anfangsverdacht begründenden Verhaltens im Beschwerdeverfahren ergänzt oder berichtigt wird. Die Umgrenzung des Tatvorwurfs soll den Betroffenen in den Stand versetzen, die Durchsuchung zu kontrollieren und Rechtsschutz zu suchen (vgl. BVerfGE 42, 212 ≪220 f.≫; 103, 142 ≪151 f.≫). Das schließt es nicht aus, die Begründung des Beschlusses des Amtsgerichts in den Grenzen zu ergänzen, die die Funktion der präventiven Kontrolle wahren, oder eine andere rechtliche Beurteilung an die damals vorliegenden tatsächlichen Erkenntnisse knüpfen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2005 – 2 BvR 1108/03 – ≪zur Veröffentlichung in BVerfGK vorgesehen≫).
3. Wegen der nach Auffassung des Landgerichts Waldshut-Tiengen lediglich geringen Beweisbedeutung der Personenbeschreibung der Geschädigten vom 3. Oktober 2003 ist es von Verfassungs wegen fraglich, ob der Durchsuchungsbeschluss vom 23. September 2003 hierdurch seine die Durchführung der Maßnahme rechtfertigende Wirkung verloren hat. Zwar kann sich ein zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegender Verdacht durch neu hinzugetretene Umstände zerstreuen und damit die Maßnahme erübrigen. Eine richterliche Durchsuchungsanordnung ist auch keine Blankettermächtigung für die Exekutive. Dies bedeutet aber nicht, dass die für den weiteren Gang der Ermittlungen und den Vollzug der richterlichen Anordnung zuständige Staatsanwaltschaft dem Ermittlungsrichter bei jeder neuen Erkenntnis die Akten übersenden muss, damit dieser prüfe, ob er in ihrem Lichte seine Anordnung aufrechterhalten müsse (vgl. BVerfGE 96, 44 ≪52 ff.≫).
4. Es bestehen schon erhebliche Bedenken, ob ein für den Eingriff vorausgesetzter, auf konkreten Anhaltspunkten beruhender Tatverdacht angenommen werden durfte.
a) Der Verdacht der Täterschaft des Beschwerdeführers lässt sich nicht ohne weiteres alleine dem Umstand entnehmen, dass auf dem inkriminierten Schreiben dessen Telefonnummer enthalten war. Diese auf einer Zuordnung der Telefonnummer zum Täter beruhende Verdachtannahme setzte die Überlegung voraus, dass der Täter nicht anonym habe bleiben wollen. In einem Widerspruch zu der daraus folgenden, auf den Beschwerdeführer bezogenen Täterhypothese steht der Umstand, wonach das Schreiben nicht mit dem Vornamen des Beschwerdeführers, sondern mit „Alex” unterzeichnet war.
b) Die Wohnnähe des Beschwerdeführers zur Geschädigten hat auch das Landgericht Waldshut-Tiengen als lediglich „eher schwachen” Täterhinweis gewürdigt. Nichts anderes kann – ungeachtet einer weiteren Personenbeschreibung vom 3. Oktober 2003 – für die angebliche Wiedererkennung des Beschwerdeführers durch die Geschädigte gelten, da der Täter beim Einwerfen des Briefes nicht beobachtet wurde.
5. Die Beschlüsse des Landsgerichts Waldshut-Tiengen genügen jedenfalls nicht den Anforderungen, die der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an die Wohnungsdurchsuchung stellt.
a) aa) Ungeachtet dessen, dass ein Beschuldigter sich nicht selbst bezichtigen muss (nemo tenetur se ipsum accusare, vgl. hierzu BVerfGE 56, 37 ≪43≫), hätte zunächst als milderes und damit erforderliches Mittel zur Verifizierung der Urheberschaft des Briefes die Aufforderung des Beschwerdeführers zu einer Schriftprobe bestanden. Dem hätte auch nicht die lediglich hypothetische Gefahr eines Beweismittelverlusts, beispielsweise durch Vernichtung weiterer anonymer Schreiben oder sämtlicher für einen Schriftvergleich relevanter handschriftlicher Unterlagen, entgegengestanden. Soweit der Durchsuchungsbeschluss das Auffinden weiterer auf anonyme Schreiben bezogener Unterlagen bezweckte, beruhte eine hierauf bezogene Annahme weiterer Straftaten zudem ersichtlich auf einer bloßen, für die Maßnahme nicht ausreichenden Vermutung.
bb) Sofern dem Wiedererkennen einer am Treffpunkt befindlichen Person überhaupt ein verfahrenserheblicher Beweiswert zukommen sollte, wäre insoweit als milderes Mittel der Sachverhaltserforschung zunächst eine Wahllichtbildvorlage oder eine Gegenüberstellung in Betracht zu ziehen gewesen. Dies gilt auch deswegen, weil die Geschädigte am 3. Oktober 2003 eine weitere Personenbeschreibung abgegeben hat.
b) Der Eingriff in die durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützte Privatsphäre der Wohnung stand auch außer Verhältnis zu dem damit verbunden Zweck. Der Eingriffszweck muss in ein angemessenes Verhältnis sowohl zur Stärke des Tatverdachts als auch zur Schwere der Straftat gesetzt werden.
aa) Der Tatverdacht war hier allenfalls schwach ausgeprägt. Die Verdachtsgründe bewegten sich im Grenzbereich zu vagen Anhaltspunkten oder bloßen Vermutungen, die eine Wohnungsdurchsuchung unter keinen Umständen rechtfertigen könnten. Hinsichtlich der Schwere der vorliegenden Straftat ist von Bedeutung, dass die in Betracht zu ziehenden Straftatbestände neben einer Geldstrafe lediglich eine Freiheitsstrafe im Höchstmaß von jeweils einem Jahr androhen. Auch der konkrete Sachverhalt lässt – im Rahmen des Deliktsbereichs – keine schwere Tat oder den Eintritt schwerer Tatfolgen erkennen.
bb) Auf dieser Grundlage konnte das staatliche Interesse an der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, welchem nach dem Grundgesetz eine hohe Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGE 100, 313 ≪388≫), den schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Beschwerdeführers (vgl. BVerfGE 42, 212 ≪219 f.≫; 59, 95 ≪97≫; 96, 27 ≪40≫; 103, 142 ≪150 f.≫) nicht rechtfertigen. Es hätten zunächst den Beschwerdeführer weniger belastende Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung erschöpft werden müssen.
III.
Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG; gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG ist die Sache an das zuständige Gericht zurück zu verweisen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen