Entscheidungsstichwort (Thema)

Beleidigung

 

Verfahrensgang

AG Bad Säckingen (Beschluss vom 22.12.2003; Aktenzeichen 13 Gs 156/03)

AG Bad Säckingen (Beschluss vom 23.09.2003)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 27.07.2005; Aktenzeichen 2 BvR 2428/04)

 

Tenor

  • Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen wird der Beschluss des Amtsgerichts Bad Säckingen vom 22.12.2003 aufgehoben.
  • Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Säckingen vom 23.09.2003 wird verworfen.
  • Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschuldigte.
 

Tatbestand

I.

1. Die (Anschluss-)Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die der Beschwerde des Beschuldigten gegen den Durchsuchungsbeschluss vom 23.09.2003 abhelfende Entscheidung vom 22.12.2003 ist zulässig. Wenn das Amtsgericht – zu Recht – auch nach Vollziehung des vom Beschuldigten angefochtenen Durchsuchungsbeschlusses eine inhaltliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser – faktisch bei Einlegung der Beschwerde allerdings bereits erledigten – strafprozessualen Zwangsmaßnahme vornimmt, muss auch die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit haben, die Abhilfeentscheidung des Amtsgerichts, durch die für den Beschuldigten eine weitere Überprüfung des Durchsuchungsbeschlusses durch das Beschwerdegericht obsolet wird, ihrerseits einer Rechtmäßigkeitsüberprüfung durch die Beschwerdekammer unterziehen zu lassen, zumal für Rechtmittel der Staatsanwaltschaft ohnehin nicht die Zulässigkeitsvoraussetzung einer Beschwer (d.h. des möglichen Betroffenseins in eigenen Rechten) gilt, da die Staatsanwaltschaft im Strafverfahren nicht Partei ist, sondern Aufgaben der staatlichen Rechtspflege erfüllt und deshalb berechtigt ist, nach pflichtgemäßem Ermessen gerichtliche Entscheidungen im dafür gesetzlich vorgesehenen Instanzenzug anzufechten, wenn sie der Auffassung ist, dass diese den Geboten der Rechtspflege nicht entsprechen.

2. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die amtsgerichtliche Abhilfeentscheidung ist auch begründet. Das Amtsgericht hätte der Beschwerde des Beschuldigten gegen den Durchsuchungsbeschluss vom 23.09.2003 nicht abhelfen dürfen, denn die Durchsuchungsanordnung erging zumindest im Ergebnis zu Recht und durfte auch am 27.10.2003 noch vollzogen werden, ohne dass Polizei und Staatsanwaltschaft verpflichtet gewesen wären, die Akten zuvor für eine erneute Überprüfung der Durchsuchungsvoraussetzungen dem Amtsgericht vorzulegen.

a) Die in § 102 StPO bezeichneten Voraussetzungen einer Durchsuchungsanordnung für die Wohnung des Beschuldigten waren bei Erlass des Beschlusses vom 23.09.2003 erfüllt. Zu diesem Zeitpunkt lagen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschuldigte durch Versendung des am 17.09.2003 im Briefkasten der Zeugin … aufgefundenen Briefs eine Straftat begangen haben könnte. Dass sich dieser Verdacht – auch durch die Ergebnisse der am 27.10.2003 durchgeführten Durchsuchung – letztlich nicht bestätigt hat (weshalb das gegen den Beschuldigten eingeleitete Ermittlungsverfahren mittlerweile auch nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde) steht der Rechtsmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung, für die es ausschließlich auf den Verdachtsgrad im Zeitpunkt ihres Erlasses ankommt, nicht entgegen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass entgegen der in der Beschwerdebegründung des Verteidigers gebrauchten Terminologie eine Durchsuchungsanordnung nach § 102 StPO nicht nur beim Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts (d.h. der in § 203 StPO als Voraussetzung für die Eröffnung des Hauptverfahrens geforderten Wahrscheinlichkeit, dass der von der Durchsuchung Betroffene wegen der ihm zur Last gelegten Straftat verurteilt werden wird) ergehen darf. Vielmehr muss zwar die Wahrscheinlichkeit (im Sinne des Vorliegens ausreichender tatsächlicher Anhaltspunkte) bestehen, dass eine bestimmte Straftat begangen wurde. Als Verdächtiger im Sinne des § 102 StPO ist jedoch bereits derjenige anzusehen, bei dem gewisse tatsächliche Anhaltspunkte und kriminalistische Erfahrungen die nicht völlig vage Vermutung begründen, dass er diese Straftat begangen haben könnte. Bereits dieser Anfangsverdacht einer Strafbarkeit des Durchsuchungsadressaten rechtfertigt die Anordnung einer Maßnahme nach § 102 StPO.

Die Tat, deretwegen der Durchsuchungsbeschluss vom 23.09.2003 erging, liegt in der Zusendung des am 17.09.2003 aufgefundenen Briefes an die Zeugin …. Insoweit teilt die Kammer zwar im Ergebnis die Bedenken des Amtsgerichts, ob dieses Verhalten dem Straftatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB) unterfällt, wobei die Staatsanwaltschaft allerdings zu Recht darauf hinweist, dass die vom Verteidiger aufgeworfene Frage, ob die in diesem Brief geschilderten sexuellen Handlungen die Erheblichkeitsschwelle des § 184 f Nr. 1 StGB (= §184c Nr. 1 StGB in der bis zum 31.03.2004 geltenden Gesetzesfassung) überschreiten, für die Verwirklichung des Beleidigungstatbestands ohne jede Bedeutung ist, und die Auffassung des Verteidigers, insoweit sei auch zu beachten, dass es si...

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