Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Abweisung einer presserechtlichen Auskunftsklage durch das Bundesverwaltungsgericht.
1. Der Beschwerdeführer ist Chefreporter der Tageszeitung „Bild”. Im November 2010 beantragte er beim Bundesnachrichtendienst Auskunft zu folgenden Fragen:
- Wie viele hauptamtliche Mitarbeiter hatte der BND bzw. die Organisation Gehlen in den Jahren 1950, 1955, 1960, 1970, 1980?
- Wie viele inoffizielle Mitarbeiter hatte der BND bzw. die Organisation Gehlen in den Jahren 1950, 1955, 1960, 1970, 1980?
Wie viele der hauptamtlichen Mitarbeiter in den genannten Jahren waren
- ehemalige Mitglieder der NSDAP?
- ehemalige Mitglieder der SS?
- ehemalige Mitglieder der Gestapo?
- ehemalige Mitglieder der Abteilung „Fremde Heere Ost”?
Wie viele der ehemaligen inoffiziellen Mitarbeiter in den genannten Jahren waren
- ehemalige Mitglieder der NSDAP?
- ehemalige Mitglieder der SS?
- ehemalige Mitglieder der Gestapo?
- ehemalige Angehörige der Abteilung „Fremde Heere Ost”?
Nachdem der Bundesnachrichtendienst im Dezember 2010 mitgeteilt hatte, die Bearbeitung der Anträge werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen, erhob der Beschwerdeführer Untätigkeitsklage. Er machte darin Ansprüche nach dem Bundesarchivgesetz, dem Bayerischen Landespressegesetz (BayPrG), dem Berliner Pressegesetz (BlnPrG) sowie gestützt auf Art. 5 GG geltend.
2. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage mit angegriffenem Urteil ab. Die Klage sei unbegründet. Der Beschwerdeführer könne aus Gründen der Gesetzgebungskompetenz seine Auskunftsansprüche nicht auf die Landespressegesetze stützen. Das konkrete Begehren des Beschwerdeführers erfülle auch nicht die Voraussetzungen eines grundsätzlich in Betracht kommenden Auskunftsanspruchs der Presse unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
a) Die Länder könnten durch ihre Pressegesetze den Bundesnachrichtendienst nicht zu Auskünften gegenüber der Presse verpflichten, da ihnen für eine solche Regelung die Gesetzgebungskompetenz fehle. Mangels einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Sachgebiet „Presserecht” könnten die Länder zwar presserechtliche Regelungen treffen. Diese Kompetenz stoße jedoch dort an Grenzen, wo sie auf vorrangige anderweitige Gesetzgebungskompetenzen treffe. Für den Bundesnachrichtendienst folge die Regelung von Auskunftsansprüchen der Presse aus anderen Kompetenztiteln, die ausschließlich dem Bund zustünden. Vorliegend handele es sich um ein Annex zu seiner ausschließlichen Kompetenz zur Regelung der Sachmaterie „Bundesnachrichtendienst” gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG. Landespressegesetzliche Auskunftsvorschriften wie § 4 BlnPrG beziehungsweise § 4 BayPrG seien vor diesem Hintergrund verfassungskonform so auszulegen, dass der Bundesnachrichtendienst nicht zu den von ihnen verpflichteten „Behörden” zähle. Ansonsten müsse der Ausgleich zwischen Transparenz- und Vertraulichkeitsinteressen von dem für die Sachmaterie zuständigen Gesetzgeber vorgenommen werden. Für Presseauskünfte gelte insoweit nichts prinzipiell anderes als für Regelungen über den Zugang zu Verwaltungsinformationen, wie sie der Bund mit dem Informationsfreiheitsgesetz geschaffen habe.
b) Zwar habe der Bund von der ihm zukommenden Gesetzgebungskompetenz mit Blick auf Auskünfte seiner Behörden an die Presse nicht Gebrauch gemacht. Dies schließe einen Auskunftsanspruch – unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG – allerdings nicht aus. Vorliegend erfülle das Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers aber die Voraussetzungen dieses Anspruchs nicht.
aa) Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleiste nicht nur ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern garantiere objektiv-rechtlich die institutionelle Eigenständigkeit der Presse. Daraus sei der Gesetzgeber in der Pflicht, der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung der Presse gerecht zu werden und dieser eine funktionsgemäße Betätigung zu ermöglichen. Hierzu zähle die Schaffung behördlicher Auskunftspflichten, die der Presse ermöglichten, ihre für die repräsentative Demokratie unerlässliche Kontroll- und Vermittlungsfunktion zu erfüllen. Wie in anderen Fällen der Umsetzung objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte stehe dem Gesetzgeber ein weiter Ausgestaltungsspielraum zu. Insbesondere könne er die bei der Auskunftserteilung entgegenstehenden privaten und öffentlichen Interessen gegenüber dem Auskunftsinteresse der Presse in Abwägung bringen. Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes begründe allgemeine Pflichten, ohne die informationsrechtliche Stellung der Presse spezifisch auszuformen; daher habe der Bundesgesetzgeber seinen aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erwachsenden Gestaltungsauftrag mit dem Informationsfreiheitsgesetz nicht erfüllt. Bleibe der Gesetzgeber untätig, müsse unmittelbar auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als Rechtsgrundlage für pressespezifische Auskunftspflichten zurückgegriffen werden.
Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch dürfe jedoch nicht die Ausgestaltungsprärogative des Gesetzgebers unterlaufen, indem Interessensgewichtungen erfolgten, die nach der Verfassungsordnung nur der Gesetzgeber vornehmen dürfe. Danach sei der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch auf das Niveau eines „Minimalstandards” begrenzt, den auch der Gesetzgeber nicht unterschreiten dürfe. Er ende dort, wo berechtigte schutzwürdige Interessen privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen entgegenstünden. Seien solche schutzwürdigen Interessen nicht erkennbar, sei auch eine gesetzliche Bestimmung, welche der Presse die Auskunft verwehrte, mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und den hierin angelegten Ausgestaltungdirektiven nicht vereinbar. Der demnach durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Informationszugang beschränke sich zudem auf die bei der informationspflichtigen Stelle tatsächlich vorhandenen Informationen. Weder aus Art. 10 EMRK noch aus Art. 19 IPbpR ergäben sich darüber hinausgehende Rechte.
bb) Die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG seien vorliegend nicht erfüllt, da die streitgegenständlichen Fragen nicht auf „Auskünfte” im Sinne von Minimalstandards von Informationen gerichtet seien. Vordergründig betrachtet habe die Beklagte die ersuchte Auskunft durch die Angabe erteilt, die gestellten Fragen nach personellen Kontinuitäten im Zeitpunkt der Fragestellungen nicht beantworten zu können. Diese Auskunft habe sie ohne weitergehende Nachforschungen erteilen können, weil der Mangel an entsprechenden Kenntnissen im Bundesnachrichtendienst Auslöser für die Einsetzung einer Unabhängigen Historikerkommission gewesen sei. Die Fragen nach personellen Kontinuitäten unter hauptamtlichen Mitarbeitern und nachrichtendienstlichen Verbindungen seien auf eine Informationsbeschaffung durch die Behörde gerichtet. Die begehrten Informationen lägen weder EDV-technisch aufbereitet vor noch könnten sie unter Zuhilfenahme eines Arbeitsberichts zur Tätigkeit von Angehörigen bestimmter nationalsozialistischer Organisationen im Bundesnachrichtendienst sowie der zugehörigen Unterlagen beantwortet werden. Deshalb verweise die Beklagte wegen der streitgegenständlichen Personalstrukturdaten ihrer hauptamtlich Beschäftigten zu Recht auf das noch ausstehende Ergebnis der von ihr eingesetzten Unabhängigen Historikerkommission. Vor Abschluss dieser Untersuchung handele es sich noch nicht um vorhandene Informationen.
3. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Grundrechte unter anderem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Rechten nach § 90 Abs. 1 BVerfGG geboten. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, da jedenfalls im Ergebnis eine Verletzung von Grundrechten nicht ersichtlich ist.
1. Dahinstehen kann die Frage, ob die Länder im Rahmen ihrer Kompetenzen zur Regelung des Presserechts auch Auskunftspflichten gegenüber Bundesbehörden begründen können und somit die Landespressegesetze für diesbezügliche presserechtliche Auskunftsansprüche eine geeignete Rechtsgrundlage bilden, oder ob und wenn, auf welcher Grundlage solche Regelungen dem Bundesgesetzgeber vorbehalten sind. Es kann auch offen bleiben, ob ein Auskunftsanspruch unter Rückgriff auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden kann und wie weit dieser gegebenenfalls reicht. Denn für eine Verletzung der Pressefreiheit ist jedenfalls dann nichts ersichtlich, solange die Fachgerichte den Presseangehörigen im Ergebnis einen Auskunftsanspruch einräumen, der hinter dem Gehalt der – untereinander im Wesentlichen inhaltsgleichen, auf einer Abwägung zielenden (vgl. § 4 PrG BW; Art. 4 BayPrG; § 4 BlnPrG; § 5 BbgPrG; § 4 BremPrG; § 4 HmbPrG; § 3 HessPrG; § 4 PrG MV; § 4 NdsPrG; § 4 PrG NRW; § 6 LMG RhPf; § 5 SMG; § 4 SächsPrG; § 4 PrG LSA; § 4 PrG SH; § 4 ThürPrG) – Auskunftsansprüche der Landespressegesetze, deren materielle Verfassungsmäßigkeit auch der Beschwerdeführer nicht in Frage zieht, nicht zurückbleibt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Fachgerichte einen solchen Auskunftsanspruch auf andere fachrechtliche Bestimmungen, auf eine Analogie zu den bisher als maßgeblich angesehenen landespresserechtlichen Auskunftsansprüchen oder auf einen – direkt oder indirekt aus der Verfassung hergeleiteten – neu geschaffenen richterrechtlichen Auskunftsanspruch stützen. Wenn es den Fachgerichten auf diese Weise gelingt, die Konsequenzen der nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht wirksam geregelten Auskunftsansprüche von Presseangehörigen gegenüber Bundesbehörden aufzufangen, kommt eine Verletzung von Grundrechten nicht in Betracht und ist eine Annahme des Verfahrens durch das Bundesverfassungsgericht nicht angezeigt.
2. So liegt es hier.
a) Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wirksam wahrzunehmen (vgl. BVerfGE 50, 234 ≪240≫; 91, 125 ≪134≫). Sinn und Zweck der daraus prinzipiell folgenden Auskunftspflichten (vgl. BVerfGE 20, 162 ≪175 f.≫) ist es, der Presse zu ermöglichen, umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse im staatlichen Bereich zu erhalten, und dadurch in die Lage versetzt zu werden, die Öffentlichkeit entsprechend zu unterrichten. Auf diese Weise können die Bürgerinnen und Bürger zutreffende und umfassende Informationen über tatsächliche Vorgänge und Verhältnisse, Missstände, Meinungen und Gefahren erhalten, die ihnen sonst verborgen bleiben würden, aber Bedeutung für eine abgewogene Beurteilung der für die Meinungsbildung essenziellen Fragen haben könnten (vgl. BayVGH, Urteil vom 7. August 2006 – 7 BV 05.2582 –, NVwZ-RR 2007, S. 767 ≪768≫).
Dieser bislang nur landesrechtlich geregelte Auskunftsanspruch der Presse verschafft aber nur den Zugang zu solchen Informationen, die bei öffentlichen Stellen vorhanden sind (so auch EGMR, Urteil vom 14. April 2009 – Nr. 37374/05 – Társaság a Szabadságjogokért c. Hongrie, § 36). Weder § 4 BlnPrG noch Art. 4 BayPrG, auf die sich der Beschwerdeführer ausgehend vom Dienstsitz des Bundesnachrichtendienstes in Berlin und Pullach stützt und gegen die er insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken vorträgt, beinhalten einen Anspruch auf Generierung und Verschaffung von Informationen und sonstigem Material, sondern gewähren lediglich Zugang zu den bei der jeweiligen Stelle vorhandenen amtlichen Informationen, also solchen Tatsachen, über die die Behörde tatsächlich verfügt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. März 2013 – OVG 6 S 4.13 –, ZD 2013, S. 634 ≪635≫; Beschluss vom 8. August 2013 – OVG 6 S 27.13 –, NJW 2013, S. 3386 ≪3386≫; allg. Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 4 Rn. 40). Dies gilt auch mit Blick auf die bei parallelen Vorschriften (§ 4 PrG BW; Art. 4 BayPrG; § 4 BlnPrG; § 5 BbgPrG; § 4 BremPrG; § 4 HmbPrG; § 3 HessPrG; § 4 PrG MV; § 4 NdsPrG; § 4 PrG NRW; § 6 LMG RhPf; § 5 SMG; § 4 SächsPrG; § 4 PrG LSA; § 4 PrG SH; § 4 ThürPrG) zum Teil eindeutig im Wortlaut verankerte (§ 1 Satz 1 VIG, § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG, § 4 Abs. 1 IFG NRW) Beschränkung. Auch das Informationsfreiheitsrecht ermöglicht im Rahmen seines Anwendungsbereichs nur diesen Zugang (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Januar 2013 – 5 B 1493/12 –, ZUM-RD 2013, S. 484 ≪485≫; Urteil vom 13. März 2013 – 5 A 1293/11 –, ZUM-RD 2013, S. 348 ≪353≫).
b) Demgegenüber richtete sich der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Auskunftsanspruch nach den verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen im fachgerichtlichen Verfahren auf eine Verschaffung von Informationen, über die der Bundesnachrichtendienst selbst noch nicht verfügte. Die angefragten Informationen sollten vielmehr zu einem wesentlichen Teil erst von einer eigens zur Aufklärung der in Rede stehenden Geschehnisse eingesetzten Unabhängigen Historikerkommission erarbeitet werden. Wird ein solcher, auf Informationsbeschaffung gerichteter Auskunftsanspruch von den Gerichten nicht zugesprochen, werden Grundrechte folglich nicht offensichtlich verkannt.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Gaier, Masing, Baer
Fundstellen
Haufe-Index 8621013 |
NJW 2016, 472 |
NVwZ 2015, 7 |
NVwZ 2016, 50 |
NZG 2015, 5 |
ZAP 2015, 1289 |
DÖV 2016, 83 |
JZ 2015, 625 |
JuS 2016, 85 |
ZUM-RD 2016, 4 |
DVBl. 2015, 3 |
K&R 2015, 794 |
RÜ 2016, 42 |
ZD 2016, 21 |