Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde-Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die rechtlichen Folgen fehlerhafter Aufnahme von Rechtsbeschwerden durch Rechtspfleger. Die Beschwerdeführer sind Strafgefangene.
I.
1. a) Der Beschwerdeführer des Verfahrens 2 BvR 172/04 legte gegen einen Beschluss des Landgerichts Lüneburg zur Niederschrift der Geschäftsstelle Rechtsbeschwerde ein. Der Beschluss sei fehlerhaft; weitere Erklärungen des Beschwerdeführers wurden nicht aufgenommen. Der Beschwerdeführer trägt vor, die Rechtspflegerin habe ihm erklärt, sie könne sein umfangreiches mündliches Vorbringen nicht aufnehmen, das sei „zu viel”. Der Beschwerdeführer solle die Begründung selbst schreiben und ihr zuschicken. Sie werde die Begründung dann „noch mal formulieren und unterzeichnen”.
Daraufhin erstellte der Beschwerdeführer selbst eine Begründung seiner Rechtsbeschwerde. Diese richtete er nicht direkt an das Gericht, sondern an „die Rechtspflegerin, wegen der korrekten Formulierung der Rechtsbeschwerde”. Die Rechtspflegerin leitete diese Begründung ohne weitere Prüfung unverändert als Anlage zu der Niederschrift an das Gericht weiter.
b) Das Oberlandesgericht Celle verwarf die Rechtsbeschwerde als unzulässig. Die Niederschrift der Geschäftsstelle erfülle die Form des § 118 Abs. 2 StVollzG nicht, da sie keine eigene Begründung enthalte. Der Hinweis auf die dem Protokoll als Anlage beigefügte Privatschrift des Beschwerdeführers reiche nicht aus, weil der Rechtspfleger zumindest gestaltend an der Abfassung der Rechtsmittelschrift mitwirken müsse. Eine Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfrist von Amts wegen komme nicht in Betracht, da die versäumte Handlung nicht nachgeholt worden sei.
c) Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle. Er fühlt sich unfair behandelt und rügt eine Verletzung seines Grundrechtes auf gerichtlichen Rechtsschutz.
2. a) Im Ausgangsverfahren zur Verfassungsbeschwerde 2 BvR 834/04 lehnte die Justizvollzugsanstalt Anträge des Beschwerdeführers auf Ausgang bzw. Ausführung ab. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung wies das Landgericht Halle als unbegründet zurück. Das Oberlandesgericht Naumburg verwarf die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers als unzulässig. Die Aufnahme der Begründung entspreche nicht § 345 Abs. 2 StPO.
Die Rechtspflegerin habe die Begründung nicht inhaltlich geprüft, sondern im Protokoll der Niederschrift lediglich auf die als Anlage beigefügte, privatschriftliche Begründung des Beschwerdeführers verwiesen. Für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen bestehe keine Veranlassung.
b) Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechtes auf ein faires Verfahren. Fehler des Rechtspflegers könnten ihm, dem Beschwerdeführer, nicht angelastet werden.
3. a) Der Beschwerdeführer des Verfahrens 2 BvR 907/04 beantragte die gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Belegung und Ausgestaltung seines Haftraumes. Das Landgericht Mannheim verwarf seinen Antrag. Mit der Rechtsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seines Grundrechtes auf rechtliches Gehör. Er habe von der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt, deren Wahrheitsgehalt er bestreite, erst durch den Beschluss des Landgerichts erfahren.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe verwarf die Rechtsbeschwerde als unzulässig, weil es die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG als nicht erfüllt ansah. Zu der vom Beschwerdeführer erhobenen Gehörsrüge äußerte sich das Oberlandesgericht nicht.
b) Darauf erhob der Beschwerdeführer in einem früheren Verfahren Verfassungsbeschwerde und berief sich auf eine Verletzung seines Grundrechtes auf rechtliches Gehör durch das Oberlandesgericht. Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig war. Der Beschwerdeführer hatte den Rechtsweg nicht erschöpft, weil er eine Gegenvorstellung gemäß § 33 a StPO in Verbindung mit § 120 Abs. 1 StVollzG nicht erhoben hatte. Darauf wurde der Beschwerdeführer in einem begründeten Kammerbeschluss hingewiesen.
c) Der Beschwerdeführer erhob daraufhin Gegenvorstellung, die das Oberlandesgericht Karlsruhe mit dem hier angegriffenen Beschluss zurückwies. Zur Begründung führte das Oberlandesgericht aus, eine Versagung rechtlichen Gehörs habe nicht vorgelegen. Der Beschwerdeführer habe die entsprechende Rüge nicht zulässig erhoben, weil seine Rechtsbeschwerde der Formvorschrift des § 118 Abs. 2 StVollzG nicht genügt habe. In der Rechtsbeschwerde sei lediglich auf eine dem Protokoll beigefügte, vom Beschwerdeführer selbst verfasste Schrift Bezug genommen worden. Dies habe nicht genügt, weil der Rechtspfleger die Begründung der Rechtsbeschwerde nicht erkennbar geprüft und gebilligt habe.
d) Mit seiner erneuten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechtes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG. Zur Begründung führt er aus, der Rechtspfleger habe bei der Niederschrift der Rechtsbeschwerde trotz seines Hinweises auf die Formvorschrift des § 118 StVollzG erklärt, er müsse lediglich die Anträge selbst formulieren. Die Begründung hingegen könne auch von dem Beschwerdeführer stammen, wenn er sie seiner Rechtsbeschwerde beifüge. Auf diese Auskunft des Rechtspflegers habe er sich verlassen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung an, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Den Verfassungsbeschwerden kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist die Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫). Sie sind unzulässig; es fehlt an der Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
1. Kann ein Beschwerdeführer mit einem Rechtsmittel, für das ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, erreichen, dass seine Rechte im Wege des fachgerichtlichen Rechtsschutzes gewahrt werden, so ist regelmäßig von ihm zu verlangen, dass er diesen Weg beschreitet, bevor er Verfassungsbeschwerde einlegt (vgl. BVerfGE 10, 274 ≪281≫; 42, 252 ≪256 f.≫; 77, 275 ≪282≫). Diese Möglichkeit besteht im vorliegenden Fall.
Eine durch Fehler der aufnehmenden Justizbediensteten bedingte Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde beruht nicht auf einem Verschulden des Beschwerdeführers, sondern auf einem Fehler der Justiz. In derartigen Fällen besteht die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21. März 2005 – 2 BvR 975/03 –, JURIS; BGH, NJW 1952, S. 1386). Bei rechtzeitiger Nachholung der nicht rechtzeitig wirksam eingelegten Rechtsbeschwerde ist die Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gewähren (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Entscheidung vom 8. November 1982 – 1 Ws 484/82 und 1 Ws 519/82 –, JURIS).
2. Eine Wiedereinsetzung scheidet in den vorliegenden Fällen nicht wegen Fristablaufs aus.
Jedenfalls dann, wenn der Wiedereinsetzungsgrund, wie hier, in einem den Gerichten zuzurechnenden Fehler liegt, fordert der Grundsatz fairer Verfahrensführung eine ausdrückliche Belehrung des Betroffenen über die Möglichkeit der Wiedereinsetzung (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21. März 2005 – 2 BvR 975/03 –, JURIS; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 11. November 2001 – 2 BvR 1471/01 – JURIS; Maul, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 45 Rn. 18; Wendisch, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 1999, § 44 Rn. 63; Geppert, Die „qualifizierte” Belehrung, in: FS Karlheinz Meyer, Berlin 1990, S. 105; Schünemann, MDR 1969, S. 101 ≪103≫). Diese Belehrung ist hier unterblieben.
Es ist Sache der Fachgerichte, zu entscheiden, ob wegen der unterbliebenen Belehrung der Beschwerdeführer bereits die Frist zur Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung einer zulässigen Rechtsbeschwerde nicht zu laufen begonnen hat oder ob davon auszugehen ist, dass diese Frist in dem Zeitpunkt zu laufen begann, in dem die Beschwerdeführer Kenntnis von der Unzulässigkeit ihrer Rechtsbeschwerden und den Gründen dieser Unzulässigkeit erhielten. Im letzteren Fall wäre auch die Wiedereinsetzungsfrist inzwischen abgelaufen. Da die Beschwerdeführer jedoch über die Möglichkeit, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, erst durch den vorliegenden Beschluss in der notwendigen Weise informiert werden, beginnt jedenfalls die Frist zur Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist erst mit der Zustellung dieses Beschlusses zu laufen (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21. März 2005 – 2 BvR 975/03 –, JURIS; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 11. November 2001 – 2 BvR 1471/01 –, JURIS).
3. Die Beschwerdeführer können daher innerhalb einer Woche ab Zustellung dieses Beschlusses durch eine von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle bei dem jeweils zuständigen Landgericht eine unverfristete Rechtsbeschwerde einlegen, indem sie gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 120 Abs. 1 StVollzG, § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO), und zwar sowohl hinsichtlich der versäumten Rechtsbeschwerdefrist als auch vorsorglich im Hinblick auf die Wiedereinsetzungsfrist. Hierzu ist ihnen rechtzeitig Gelegenheit zu geben.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Di Fabio, Lübbe-Wolff
Fundstellen