Verfahrensgang
Tenor
1. Die im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 1. Juli 2009 – L 11 B 8/09 KA ER – enthaltene Maßgabe, dass die vom Beschwerdeführer vertragsärztlich durchzuführenden Substitutionsbehandlungen auf 50 Fälle begrenzt werden, verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 19 Absatz 4 und Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen wird insoweit und hinsichtlich der Kostenentscheidung aufgehoben. Die Sache wird an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.
2. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Tatbestand
I.
Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen einen Beschluss des Landessozialgerichts, soweit mit diesem die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Widerruf einer vertragsarztrechtlichen Genehmigung zur Substitutionsbehandlung nur unter einer einschränkenden „Maßgabe” angeordnet wurde.
1. a) Der Beschwerdeführer ist als praktischer Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Juli 2003 wurde ihm von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung, der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Antragsgegnerin), eine unbefristete Genehmigung zur substitutionsgestützten Behandlung von bis zu 100 Opiatabhängigen erteilt. Neben den gesetzlich versicherten Patienten wurden von dem Beschwerdeführer bis zu 300 weitere drogenabhängige Patienten aufgrund privater Verträge substitutionsgestützt behandelt.
Bei einer Inspektion der Praxis des Beschwerdeführers im März 2008 stellte das Gesundheitsamt Mängel in der Dokumentation der Zugänge, Abgänge und Bestände der Betäubungsmittel fest und machte diesbezüglich im Oktober 2008 Auflagen zur Fortführung der Praxis.
b) Gestützt auf den Bericht des Gesundheitsamts widerrief die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 17. Dezember 2008 die dem Beschwerdeführer erteilte Genehmigung zur Substitution bei bis zu 100 Opiatabhängigen und ordnete die sofortige Vollziehung der Maßnahme an. Die nach erfolglosem Widerspruch hiergegen erhobene Klage ist beim Sozialgericht anhängig.
c) Nachdem das Sozialgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Widerruf der Substitutionsgenehmigung abgewiesen hatte, ordnete das Landessozialgericht die aufschiebende Wirkung mit der Maßgabe an, dass die vom Beschwerdeführer vertragsärztlich durchzuführenden Substitutionsbehandlungen auf 50 Fälle begrenzt wurden. Es ergebe sich nach kursorischer Prüfung, dass die Erfolgsaussichten der Hauptsache als offen zu bewerten seien, mithin der Sofortvollzug nicht aufrechterhalten werden könne. Zunächst habe die Antragsgegnerin den Beschwerdeführer vor Erlass des Widerrufsbescheids nicht angehört. Ob der Verfahrensverstoß im Widerspruchsverfahren geheilt worden sei, möge im Hauptsacheverfahren geprüft werden. Der Bescheid sei auch aus anderen Gründen rechtlich fragwürdig. So sei im Hauptsacheverfahren zu klären, auf welche Rechtsgrundlage der Widerruf gestützt werden könne, ob die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen nachweisbar vorlägen und ob gegebenenfalls Ermessen pflichtgemäß ausgeübt worden sei. Ferner erweise sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid vom 17. Dezember 2008 deshalb als fehlerhaft, weil die Voraussetzungen des § 86a Abs. 2 Nr. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht dargetan seien. Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung sei nicht den Anforderungen entsprechend schriftlich begründet worden. An die Begründung seien hohe Anforderungen zu stellen, insbesondere weil die Anordnung des Sofortvollzugs ihrerseits einen Eingriff in die Berufsfreiheit des Betroffenen darstelle. Die Begründung müsse erkennen lassen, aus welchen Gründen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im konkreten Fall das Interesse des Betroffenen überwiege. Dem werde die Begründung nicht gerecht. Dem Senat sei es verwehrt, eine unzureichende Begründung der Antragsgegnerin nachzubessern. Schließlich habe die Antragsgegnerin den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt, denn sie habe sich allein auf den Bericht des Gesundheitsamts gestützt. Sie habe aber nicht geprüft, ob der Beschwerdeführer die darin enthaltenen Feststellungen angegriffen oder gar widerlegt beziehungsweise die ihm gemachten Auflagen erfüllt habe. Ob die Annahmen der Antragsgegnerin haltbar seien, müsse im Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Nach alledem gehe der Senat davon aus, dass die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens offen und die Voraussetzungen für den Sofortvollzug auch aus formellen Gründen derzeit nicht dargetan seien. Ob eine erneute Anordnung der sofortigen Vollziehung in Betracht komme, sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Der Senat sehe es allerdings als geboten an, die Zahl der vom Beschwerdeführer im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchzuführenden Substitutionsbehandlungen vorerst auf 50 zu begrenzen. Zur Begründung dieser Einschränkung hat das Gericht auf § 10 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie über die substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger (in der Fassung der Bekanntmachung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 28. Oktober 2002 – Deutsches Ärzteblatt 2003, S. 87 –, nunmehr Anlage I Nr. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung; im Folgenden: Substitutionsrichtlinie) verwiesen.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die im Beschluss des Landessozialgerichts enthaltene Maßgabe der Begrenzung der vertragsärztlichen Substitutionsbehandlungen auf 50 Fälle und rügt eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1, von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 und von Art. 14 GG.
3. Dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. zu Art. 12 Abs. 1 GG: BVerfGE 44, 105 ≪117 ff.≫; vgl. zu Art. 19 Abs. 4 GG: BVerfGE 35, 263 ≪274 f.≫; 35, 382 ≪401 f.≫; 93, 1 ≪13≫). Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.
1. Die Entscheidung des Landessozialgerichts, die aufschiebende Wirkung der Klage des Beschwerdeführers gegen den Widerruf seiner Genehmigung zur Substitution von bis zu 100 Patienten nur mit der Maßgabe anzuordnen, dass die von ihm vertragsärztlich durchzuführenden Substitutionsbehandlungen auf 50 Fälle begrenzt werden, verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 1 GG. Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene beschränkende Maßgabe beruht auf einer Verkennung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes gegen eine hoheitliche Maßnahme, die in seine Berufsfreiheit eingreift.
a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährt nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes; der Grundrechtsträger hat einen substantiellen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 263 ≪274≫; 35, 382 ≪401 f.≫; 93, 1 ≪13≫; stRspr). Der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kommt daher nicht nur die Aufgabe zu, jeden Akt der Exekutive, der in Rechte des Grundrechtsträgers eingreift, vollständig der richterlichen Prüfung zu unterstellen, sondern auch irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit als möglich auszuschließen (vgl. BVerfGE 35, 263 ≪274≫). Allerdings können überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Dabei ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfGE 35, 382 ≪402≫). Es kommt hinzu, dass Art. 12 Abs. 1 GG einen Eingriff in die Berufsfreiheit schon vor Rechtskraft des Hauptverfahrens als Präventivmaßnahme nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässt (vgl. BVerfGE 44, 105 ≪117 ff.≫).
b) Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben wird der Beschluss des Landessozialgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht.
aa) Wie auch das Landessozialgericht zutreffend erkannt hat, greift die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Substitutionsgenehmigung durch die Antragsgegnerin in die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers ein. Die Abweichung von der im Gesetz grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die Grundverfügung (§ 86a Abs. 1 SGG) stellt einen selbständigen Eingriff in den Rechtskreis des Betroffenen dar (vgl. BVerfGE 35, 263 ≪275≫; BVerfGK 2, 89 ≪93≫). Durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG) wird die berufliche Betätigung des Beschwerdeführers schon vor einer Entscheidung in der Hauptsache beeinträchtigt. Zwar handelt es sich – anders als etwa beim Sofortvollzug des Widerrufs einer Approbation – nicht um einen Eingriff in die Berufswahl, weil der Beschwerdeführer weiterhin als Arzt tätig sein kann. Der Eingriff schränkt die Berufsfreiheit auch nicht in einem Maße ein, der – wie die sofortige Vollziehung der Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung (vgl. BVerfGE 69, 233 ≪244≫) – in seiner Wirkung der Beschränkung der Berufswahl nahe kommt. Der Status als Vertragsarzt bleibt vielmehr von dem Widerruf der Substitutionsgenehmigung unberührt. Es handelt sich aber um einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit. Der Beschwerdeführer, der auf der Grundlage der nun widerrufenen Genehmigung eine ausschließlich auf die Durchführung von Substitutionsbehandlungen spezialisierte Praxis betreibt, wird durch die sofortige Vollziehung des Widerrufs in der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit erheblich beeinträchtigt. Er verliert seinen Patientenstamm und ist gezwungen, seine Praxis auf die Behandlung anderer Patientengruppen auszurichten.
bb) Greift eine Behörde durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung in dieser Weise in die Berufsfreiheit eines Betroffenen ein, so muss dieser nach Art. 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit haben, eine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung herbeizuführen (vgl. BVerfGE 35, 263 ≪275≫). Dem dient das Verfahren nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Im Rahmen dieses Verfahrens hat das Gericht zu prüfen, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG den formellen Anforderungen entspricht und ob in materieller Hinsicht überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen gegen die Grundverfügung – ganz oder teilweise – einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten (vgl. BVerfGE 35, 382 ≪402≫; 44, 105 ≪120 f.≫). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und hier insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit des Beschwerdeführers aufgrund der Substitutionsgenehmigung während des laufenden Hauptsacheverfahrens konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (vgl. BVerfGE 44, 105 ≪118≫; BVerfGK 2, 89 ≪94≫).
Stellt das Gericht im Verfahren nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG fest, dass die genannten Voraussetzungen nicht vorliegen, so genügt es dem Anspruch des Betroffenen auf effektiven Rechtsschutz nicht, wenn es die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs oder der Klage nicht vollumfänglich anordnet. Soweit § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG die Möglichkeit einer nur teilweisen Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorsieht, kommt das im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG nur in Betracht, wenn der Sofortvollzug hinsichtlich des verbleibenden Teils formell rechtmäßig angeordnet und materiell jedenfalls in diesem Umfang nach den dargestellten Grundsätzen durch überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist. Stellt das Gericht kein Überwiegen öffentlicher Belange für die teilweise Aufrechterhaltung der angeordneten sofortigen Vollziehung fest und ordnet es die aufschiebende Wirkung dennoch nur eingeschränkt an, so hält es einen präventiven Eingriff in Grundrechte des Betroffenen ohne Rechtfertigung teilweise aufrecht und verwehrt so den grundgesetzlich garantierten effektiven Rechtsschutz.
Entsprechendes gilt für die Anordnung einer Auflage oder Befristung nach § 86b Abs. 1 Satz 3 SGG durch das Gericht. Hierbei handelt es sich um Nebenbestimmungen zur Schaffung eines Interessenausgleichs zwischen effektivem Rechtsschutz und staatlichem Vollzugsinteresse (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rn. 12h). Soweit solche vom Gericht verfügten Nebenbestimmungen ihrerseits den Betroffenen in grundrechtlich geschützten Belangen beeinträchtigen, bedarf es auch für ihre Anordnung eines öffentlichen Interesses, das die Belange des Betroffenen überwiegt. Stellt das Gericht ein entsprechendes Bedürfnis für die Nebenbestimmung im Rahmen der Abwägung nicht fest, so ist dem Begehren des Betroffenen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung umfassend zu entsprechen.
cc) Vorliegend stellt das Landessozialgericht seiner Entscheidung zwar einen Maßstab für die gerichtliche Überprüfung behördlicher Vollziehungsanordnungen von in die Berufsfreiheit eingreifenden Maßnahmen voran, der mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden ist. Auch die anschließende Prüfung der Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Ebenso wenig zu beanstanden ist die Prüfung, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung von der Antragsgegnerin in einer den Anforderungen des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG genügenden Weise begründet wurde. In diesem Zusammenhang wird zudem zutreffend betont, dass die Auswirkungen des Widerrufs auf die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers mit dem öffentlichen Interesse an dem Sofortvollzug hätten abgewogen werden müssen.
(1) Der angegriffene Beschluss verstößt gleichwohl gegen den Anspruch des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz, weil das Landessozialgericht bei seiner Prüfung zwar ausdrücklich zu dem Ergebnis kommt, dass der Sofortvollzug nicht aufrechterhalten werden kann und die Voraussetzungen für den Sofortvollzug auch aus formellen Gründen derzeit nicht dargetan sind, diese Feststellungen jedoch nicht durch die uneingeschränkte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Widerruf der Genehmigung umsetzt. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung kann dabei dahinstehen, ob das Landessozialgericht die Maßgabe, dass die vom Beschwerdeführer vertragsärztlich durchzuführenden Substitutionsbehandlungen auf 50 Behandlungsfälle begrenzt werden, als teilweise Aufrechterhaltung der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs oder als Nebenbestimmung zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage verstanden hat. Der Sache nach setzt sich in der Begrenzung auf 50 Behandlungsfälle der in der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungswiderrufs liegende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Beschwerdeführers teilweise fort. Wäre die aufschiebende Wirkung der Klage uneingeschränkt angeordnet worden, so dürfte der Beschwerdeführer von der widerrufenen Genehmigung während des Hauptsacheverfahrens weiterhin Gebrauch machen und bis zu 100 Patienten vertragsärztlich mit Substitutionsmitteln behandeln. Das ist ihm nach der gerichtlichen Maßgabe nicht möglich. Stellt ein Gericht wie hier ausdrücklich fest, dass die Voraussetzungen der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht vorliegen, so verwehrt es dem Betroffenen den grundgesetzlich garantierten effektiven Rechtsschutz, wenn es den präventiven Eingriff in seine Grundrechte dennoch teilweise aufrechterhält.
(2) Überdies wird der angegriffene Beschluss noch aus einem weiteren Grund weder den aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Voraussetzungen für Maßnahmen, die die Berufsfreiheit präventiv beschränken, noch den aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anforderungen an deren gerichtliche Überprüfung gerecht. Es lassen sich dem Beschluss keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Maßgabe einer Beschränkung auf 50 Behandlungsfälle das Ergebnis der gebotenen Gesamtwürdigung der konkreten Umstände unter Abwägung zwischen dem grundrechtlich geschützten Interesse des Beschwerdeführers an einer weiteren Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im genehmigten Umfang und dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des verfügten Widerrufs der Genehmigung ist (vgl. BVerfGK 2, 89 ≪94≫). Das Gericht hat hierzu lediglich ausgeführt, die Begrenzung erscheine vorerst geboten, und dabei auf § 10 Abs. 4 Satz 2 der Substitutionsrichtlinie verwiesen. Jede weitere Begründung fehlt. Es wurde weder dargelegt, ob und gegebenenfalls welche Gefahren durch die vertragsärztliche Substitutionsbehandlung von mehr als 50 Patienten durch den Beschwerdeführer während des Hauptsacheverfahrens drohen, noch wurde erörtert, wie sich der in der Begrenzung liegende Eingriff auf die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers auswirkt. Für eine Interessenabwägung lässt sich dem Beschluss nichts entnehmen.
Der bloße Hinweis auf § 10 Abs. 4 Satz 2 der Substitutionsrichtlinie genügt als Begründung nicht. Das gilt schon deshalb, weil die Substitutionsrichtlinie eine Erweiterung des Genehmigungsumfangs in § 10 Abs. 4 Satz 3 selbst vorsieht. Demgemäß war dem Beschwerdeführer die Substitution von bis zu 100 Patienten durch die Antragsgegnerin unbefristet genehmigt worden. In Anbetracht dieser Erweiterungsmöglichkeit kann aus § 10 Abs. 4 Satz 2 der Substitutionsrichtlinie nicht gefolgert werden, dass der Richtlinie die Überlegung zugrunde liegt, jede vertragsärztliche Substitutionsbehandlung von mehr als 50 Patienten werde unabhängig von den Umständen des Einzelfalls konkrete Gefahren für öffentliche Belange hervorrufen. Scheidet diese Folgerung aus, so erübrigt sich die verfassungsrechtliche Prüfung, ob unter Berücksichtigung der Grundrechte des Beschwerdeführers eine entsprechende Gefahreneinschätzung ausreichend wäre, um die durch das Gericht angeordnete Begrenzung der Substitutionsbehandlungen auf 50 Fälle auch ohne Abwägung der gegenläufigen Interessen zu rechtfertigen. Lässt der Beschluss des Landessozialgerichts somit nicht erkennen, ob öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Beschwerdeführers gegen den in seine Berufsfreiheit eingreifenden Widerruf der Substitutionsgenehmigung einstweilen durch die Maßgabe einer Beschränkung auf 50 Substitutionsbehandlungen teilweise zurückzustellen (vgl. BVerfGE 35, 382 ≪402≫; 44, 105 ≪120 f.≫), so verletzt dies den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 1 GG.
2. Die im Beschluss des Landessozialgerichts enthaltene Maßgabe einer Beschränkung auf 50 Fälle vertragsärztlicher Substitutionsbehandlungen beruht auf den festgestellten Grundrechtsverletzungen. Es kann daher offen bleiben, ob auch die weiteren vom Beschwerdeführer erhobenen Grundrechtsrügen durchgreifen.
3. Der Beschluss ist im angegriffenen Umfang gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist insoweit an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Kirchhof
Fundstellen