Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Klagausschluß nach Teil VI Art. 3 Abs. 1 und 3 des Überleitungsvertrages (Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen in der gemäß Liste IV zu dem am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichneten Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland geänderten Fassung; BGBl 1955 II, S. 405). Nach dieser Vorschrift können Klagen wegen bestimmter, im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland gerichteter Maßnahmen in Deutschland nicht erhoben werden.
I.
Nach dem Zweiten Weltkrieg enteignete die Tschechoslowakei auf ihrem Staatsgebiet belegenes Vermögen des Vaters des Beschwerdeführers, des damaligen Staatsoberhaupts von Liechtenstein. Die Maßnahme wurde damit begründet, daß der Vater des Beschwerdeführers unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit die deutsche Nationalität besitze. Die Enteignung betraf u.a. ein Bild im Wert von DM 500.000. Nachdem dieses als Leihgabe vorübergehend nach Deutschland gelangt war, klagte der Beschwerdeführer vor deutschen Gerichten auf Herausgabe. Die Zivilgerichte wiesen die Klage nach Teil VI Art. 3 Abs. 3 Überleitungsvertrag als unzulässig ab. Die Bestimmung sei nach Ziff. 3 der Vereinbarung vom 27./28. September 1990 zu dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (in der geänderten Fassung) sowie zu dem Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (in der geänderten Fassung) (BGBl 1990 II, S. 1386; im folgenden: Notenwechsel) weiterhin in Kraft. Zwar betreffe Teil VI Art. 3 Abs. 1 und 3 Überleitungsvertrag nur Maßnahmen gegen das deutsche Auslandsvermögen. Dazu genüge es aber, daß das Vermögen als deutsches Vermögen beschlagnahmt worden sei. Über die Rechtmäßigkeit der Einordnung als deutsches Vermögen hätten die deutschen Gerichte gerade nicht zu entscheiden.
II.
Gründe für die Annahme der Verfassungsbeschwerde nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Nach Ansicht des Beschwerdeführers verstoßen die Entscheidungen gegen drei allgemeine Regeln des Völkerrechts i.S. von Art. 25 GG, nach denen erstens das Vermögen von Angehörigen neutraler Staaten von den Siegern eines Krieges nicht konfisziert werden dürfe, zweitens völkerrechtliche Verträge zu Lasten dritter Staaten verboten seien, und drittens die Frage, welche Staatsangehörigkeit eine natürliche Person habe, sich ausschließlich nach dem Recht des die Staatsangehörigkeit vermittelnden Staates beantworte. Die Zivilgerichte hätten die nach Art. 100 Abs. 2 GG erforderliche Vorlage an das Bundesverfassungsgericht unterlassen und den Beschwerdeführer so in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.
Für die zivilgerichtlichen Entscheidungen kam es jedoch auf das Bestehen oder Nichtbestehen solcher völkergewohnheitsrechtlichen Regeln nicht an. Die behaupteten Regeln zur Konfiszierung neutralen Vermögens und zur Bestimmung der Staatsangehörigkeit betreffen die Frage nach der materiellen Rechtmäßigkeit der Enteignung durch die Tschechoslowakei, zu der die Zivilgerichte gerade nicht Stellung genommen haben. Hierzu waren nach Völkerrecht die Gerichte auch nicht verpflichtet (vgl. dazu Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 778; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 9. Aufl., 1997, S. 274; vgl. dazu auch BVerfGE 84, 90 ≪123 f.≫).
Soweit nach Auffassung der Zivilgerichte die Enteignung eine Maßnahme gegen das deutsche Auslandsvermögen i.S. von Teil VI Art. 3 Abs. 1 Überleitungsvertrag darstellt, liegt darin ausdrücklich keine eigenständige Bewertung der Staatsangehörigkeit des Vaters des Beschwerdeführers. Vielmehr werden aufgrund einer zweckorientierten Auslegung unter “Maßnahmen gegen das deutsche Auslandsvermögen” alle Maßnahmen verstanden, die nach der Intention des handelnden Staates gegen deutsches Vermögen gerichtet waren (vgl. BGHZ 32, 170 ≪172 f.≫). Diese Auslegung der Zivilgerichte ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
Die Klagsperre stellt auch keinen Vertrag zu Lasten Liechtensteins dar, da sie nur für die Bundesrepublik Deutschland und ihre Gerichte, nicht aber für Liechtenstein eine vertragliche Pflicht begründet.
2. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, daß der Klagverzicht im Überleitungsvertrag nicht gegen Art. 14 GG verstößt. Eine Bindung der Bundesrepublik Deutschland an Art. 14 GG entfällt jedenfalls, weil die vertraglichen Klauseln und der Vertragsabschluß im ganzen der Abwicklung von Vorgängen aus der Zeit vor der Entstehung des Grundgesetzes dienen (BVerfGE 41, 126 ≪168≫; vgl. dazu auch BVerfGE 84, 90 ≪122≫).
3. Daß die Entscheidungen der Zivilgerichte schlechterdings unvertretbar wären und deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstießen (vgl. BVerfGE 4, 1 ≪7≫), ist nicht ersichtlich.
4. Ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil Teil VI Art. 3 Abs. 1 und 3 Überleitungsvertrag innerstaatlich gültig ist. Ziff. 3 des Notenwechsels bedurfte entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keines Zustimmungsgesetzes gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG. Der Notenwechsel bekräftigt in Ziff. 3 lediglich klarstellend, daß eine bereits geltende, völkerrechtliche Regelung fortbesteht.
Teil VI Art. 3 Abs. 1 und 3 Überleitungsvertrag wurde nicht bereits durch Art. 7 Zwei-plus-Vier-Vertrag aufgehoben. Art. 7 Abs. 1 Zwei-plus-Vier-Vertrag betrifft nur Vereinbarungen der vier Mächte, nicht solche der drei Westmächte, wie den Überleitungsvertrag. Art. 7 Abs. 2 Zwei-plus-Vier-Vertrag zieht nur die sich “demgemäß” ergebende Konsequenz. Deutschland hat durch den Wegfall der Verantwortung der vier Mächte in bezug auf Berlin und Deutschland als ganzes sowie der damit zusammenhängenden Vereinbarungen, Beschlüsse und Praktiken die volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten wiedererlangt. Seine Bindung an völkerrechtliche Verträge mit den drei Westmächten ist dadurch nicht betroffen.
Dies entspricht auch der Rechtsauffassung der Bundesrepublik Deutschland und der drei Westmächte selbst, die anderenfalls den Wegfall von Teilen des Überleitungsvertrages nicht eigenständig im Notenwechsel hätten vereinbaren müssen. Dem engen historisch-politischen, inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang von Notenwechsel und Zwei-plus-Vier-Vertrag würde die Annahme nicht gerecht, daß die drei Mächte und die Bundesrepublik Deutschland einerseits mit ihrer Beteiligung am Zwei-plus-Vier-Vertrag die uneingeschränkte Aufhebung des Überleitungsvertrages vereinbaren wollten, sich andererseits aber im unmittelbaren zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang dazu in Widerspruch setzten und über Ziff. 3 des Notenwechsels Teile des Überleitungsvertrages wieder aufleben ließen. Ziff. 3 des Notenwechsels begründete somit auch im Hinblick auf Art. 7 Abs. 2 Zwei-plus-Vier-Vertrag keine neue völkervertragsrechtliche Bindung der Bundesrepublik Deutschland.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Graßhof, Kirchhof
Fundstellen
Haufe-Index 1276463 |
NJW 1998, 1700 |
EuGRZ 1998, 408 |
VIZ 1998, 202 |
IPRax 1998, 482 |
AVR 1998, 198 |