Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Beschluss vom 04.12.2006; Aktenzeichen 3 MB 48/06) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes in einem beamtenrechtlichen Konkurrentenverfahren. Er hält die Beschränkung des Bewerberkreises auf Beförderungsbewerber sowie auf landeseigene Richter für fehlerhaft.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist auf Lebenszeit ernannter Richter an einem Amtsgericht in Niedersachsen. Er bewarb sich auf eine vom Ministerium für Justiz, Arbeit und Europa des Landes Schleswig-Holstein ausgeschriebene Stelle eines Richters am Amtsgericht in diesem Bundesland. Die Ausschreibung enthielt den Vorbehalt, das durch die unbeschränkte Ausschreibung eingeleitete Auswahlverfahren könne im Hinblick auf die aktuelle Personalsituation im Lande auf Bewerbungen von Richtern aus dem eigenen Land beschränkt werden. Eine erste Auswahlentscheidung zugunsten einer Mitbewerberin wurde durch den zuständigen Minister aufgehoben, nachdem der Beschwerdeführer erfolgreich Eilrechtsschutz erlangt hatte. Im Fortgang des Stellenbesetzungsverfahrens erfolgte keine Vorlage der Bewerbung des Beschwerdeführers an den Richterwahlausschuss. Begründet wurde dies mit einer zwischenzeitlich erfolgten Beschränkung des Bewerberfeldes auf landeseigene Proberichter. Das Ministerium teilte dem Beschwerdeführer als maßgebliche Erwägungen für diese Organisationsgrundentscheidung mit, die Beschränkung des Bewerberfeldes erfolge, um Sinn und Zweck des § 12 Abs. 2 Deutsches Richtergesetz zu genügen. Dieser bezwecke, das Richterverhältnis auf Probe im Interesse der Unabhängigkeit der Rechtsprechung zeitlich nicht unangemessen auszudehnen. Der Richter solle nicht länger als unbedingt notwendig in dem Probestatus verbleiben. Weiter sei die Beschränkung vor dem Hintergrund der aktuellen Stellensituation auch erforderlich.
Die neue Auswahl fiel sodann wiederum auf die bereits zuvor ausgewählte Mitbewerberin. Die vom Beschwerdeführer hiergegen erhobenen Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieben ohne Erfolg.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 2 GG; er beantragt zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫; 96, 245 ≪248≫). Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil die hier vom Dienstherrn vorgenommene Beschränkung des Bewerberfeldes in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden ist.
1. a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht es im organisatorischen Ermessen des Dienstherrn, ob er eine Stelle im Wege der Beförderung oder der Versetzung vergeben will. Entschließt er sich jedoch für ein Auswahlverfahren, an dem sowohl Beförderungsbewerber als auch Versetzungsbewerber unterschiedslos teilnehmen, legt er sich durch diese Organisationsgrundentscheidung auf ein an den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG ausgerichtetes Auswahlverfahren fest. Entscheidet sich der Dienstherr bei der konkreten Stellenbesetzung für eine Gleichbehandlung von Versetzungs- und Beförderungsbewerbern und schreibt er die Stelle entsprechend aus, so hat er seine Organisationsfreiheit durch Wahl und Ausgestaltung des Besetzungsverfahrens beschränkt, so dass auch Versetzungsbewerber am Leistungsgrundsatz zu messen sind (vgl. BVerwGE 122, 237 ≪240≫; insoweit ohne Abweichung auch BAGE 103, 212 ≪216≫). An dem gewählten Modell der Bestenauslese unter Einschluss aller Versetzungsbewerber muss sich der Dienstherr “festhalten lassen” (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 2003 – 1 WB 23.03 –, RiA 2004, S. 35 ≪37≫; vgl. auch BVerwGE 115, 58 ≪61≫ zur Verbindlichkeit der Dienstpostenbeschreibung). Ein unter diesen Bedingungen in Gang gesetztes Auswahlverfahren darf nachträglichen Einschränkungen daher nur aus Gründen unterworfen werden, die den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG gerecht werden (vgl. BVerwGE 122, 237 ≪242≫).
b) Diese Maßstäbe werden den verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht. Dies gilt auch im Hinblick auf die besondere Verfahrensabhängigkeit des Bewerbungsverfahrensanspruchs (vgl. BVerfGK 1, 292 ≪295 f.≫), die eine angemessene Gestaltung des Auswahlverfahrens erfordert, um eine Durchsetzung der in Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Rechte sicherstellen zu können (vgl. BVerfGE 73, 280 ≪296≫). Denn durch die Gestaltung des Auswahlverfahrens wird unmittelbar Einfluss auf den Bewerberkreis und damit auf das Ergebnis der Auswahlentscheidung genommen. Die konkrete Stellenausschreibung darf daher nicht nur als “Probe-Ausschreibung” zur Sichtung von Bewerbern verwendet werden; sie dient vielmehr der verfahrensmäßigen Absicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs potenzieller Bewerber (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. September 2002 – 1 BvR 819/01 u.a. –, DVBl 2002, S. 1629 ≪1630≫). Aus diesem Grund ist es auch unzulässig, die Auswahlkriterien nachträglich dergestalt zu ändern, dass sich der Bewerberkreis erweitern würde, ohne dass mögliche Interessenten hiervon Kenntnis erhielten. Der Abbruch des Auswahlverfahrens kommt demgemäß nur aus sachlichen Gründen in Betracht (vgl. BVerwGE 101, 112 ≪115≫).
c) Die angefochtenen Gerichtsentscheidungen sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.
aa) Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht verkannt, dass die “Nachbesserung” der Organisationsgrundentscheidung durch den Dienstherrn nicht voraussetzungslos zulässig war. Denn das Auswahlverfahren für die streitbefangene Stelle war unterschiedslos für Beförderungs- und Versetzungsbewerber ausgeschrieben und der Beschwerdeführer zunächst auch in das Auswahlverfahren einbezogen worden. Eine nachträgliche Abkehr von der damit festgelegten Gleichbehandlung der Beförderungs- und Versetzungsbewerber und dem so gewählten Modell der Bestenauslese war dem Dienstherrn nach dem zur Maßstabsbildung Ausgeführten im laufenden Auswahlverfahren daher nicht mehr möglich.
bb) Hierauf beruhen die Beschlüsse jedoch nicht, weil die nachträgliche Einschränkung des Bewerberfeldes durch den Dienstherrn aus Gründen erfolgte, die den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG gerecht werden. Auf die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Änderung der Vorgaben des Auswahlverfahrens kommt es daher nicht an.
Nach ständiger, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist die öffentliche Verwaltung im Rahmen der ihr zustehenden Personal- und Organisationshoheit nicht gehindert, den Kreis der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergleichenden Bewerber um ein öffentliches Amt aufgrund sachlicher Erwägungen einzuengen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 11. November 1999 – 2 BvR 1992/99 –, ZBR 2000, S. 377). Derartige Erwägungen liegen hier entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers vor, weil sich der Dienstherr auf die Erfordernisse der verfassungsrechtlich verankerten Unabhängigkeit der Rechtsprechung berufen hat.
Das Grundgesetz geht davon aus, dass die Gerichte grundsätzlich mit hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richtern besetzt sind und dass die Heranziehung von Richtern auf Probe nur in den Grenzen erfolgt, die sich nach verständigem Ermessen aus der Notwendigkeit, Nachwuchs heranzubilden, oder aus anderen zwingenden Gründen ergeben (vgl. BVerfGE 4, 331 ≪345≫; 14, 156 ≪162≫). Dies folgt aus der durch Art. 97 Abs. 1 GG geschützten sachlichen richterlichen Unabhängigkeit, die durch die den hauptamtlich und planmäßig angestellten Richtern in Art. 97 Abs. 2 GG garantierte persönliche Unabhängigkeit gesichert wird. Die Verwendung von Richtern ohne diese Garantie der persönlichen Unabhängigkeit muss daher die Ausnahme bleiben (vgl. BVerfGE 14, 156 ≪162≫). Auch Art. 92 GG setzt als Normalfall den Richter voraus, der unversetzbar und unabsetzbar ist. Der nicht auf diese Weise gesicherte Hilfsrichter ist nur aus zwingenden Gründen zur Mitwirkung an der Rechtsprechung zuzulassen (vgl. BVerfGE 14, 156 ≪163≫). Ein Verstoß gegen diese Grundsätze kann Auswirkung auf die Gerichtsbesetzung und damit auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) sowie gegebenenfalls auf das Recht auf persönliche Freiheit (Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG; vgl. BVerfGE 14, 156 ≪162≫) entfalten.
Soweit ein Proberichter die Voraussetzungen für eine Ernennung auf Lebenszeit erfüllt und daher ernennungsreif ist, entfällt die Erforderlichkeit der Aufrechterhaltung des Richterverhältnisses auf Probe zur Nachwuchsheranbildung. Der ohne zwingenden Grund erfolgende Einsatz eines Richters auf Probe, der nicht über die Garantie der persönlichen Unabhängigkeit verfügt, entspricht nicht dem Bild der Art. 97 Abs. 1 und 2 sowie Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. In Konstellationen, in denen sich – wie hier – auf ausgeschriebene Stellen für richterliche Eingangsämter mehr ernennungsreife Richter auf Probe bewerben als Stellen vorhanden sind, ist es daher nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr das Bewerberfeld entsprechend beschränkt und Versetzungsbewerber vom Auswahlverfahren ausschließt (vgl. auch BVerfGK 5, 205 ≪211≫ zur Beschränkung im Interesse einer geordneten Rechtspflege). Im Falle des Beschwerdeführers kommt hinzu, dass eine Auswahl zu seinen Gunsten in der Sache zu einer Versetzung von einem anderen Dienstherrn führen würde, die von anderen Rechtsnormen bestimmt wird und grundsätzlich im Ermessen der aufnehmenden Behörde steht.
cc) Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht gegeben, da aus diesem keine Ansprüche des Beschwerdeführers folgen, die über diejenigen aus Art. 33 Abs. 2 GG hinausgingen (vgl. BVerfGE 7, 377 ≪398≫; 17, 371 ≪377≫; 73, 301 ≪315≫). Das grundrechtsgleiche Recht des Art. 33 Abs. 2 GG gewährleistet das Maß an Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG), das angesichts der von der jeweils zuständigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft zulässigerweise begrenzten Zahl von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst möglich ist (vgl. BVerfGE 108, 282 ≪295≫).
Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Besetzung von Notarstellen (vgl. BVerfGK 5, 205 ≪211 ff.≫ m.w.N.) ergibt sich nichts anderes, weil die Argumentation dort nicht auf dem Prinzip der Unabhängigkeit des Richters beruht, sondern auf der Notwendigkeit des Aufbaus eines geordneten Anwärterdienstes mit einer hinreichenden Zahl qualifizierter Notarassessoren und damit einer vorausschauenden Personalplanung.
2. Auf die vom Beschwerdeführer weiterhin erhobene Rüge, auch die Beschränkung des Auswahlverfahrens auf landeseigene Bewerber und der entsprechende Vorbehalt in der Ausschreibung seien unzulässig gewesen, kommt es daher nicht mehr an.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen