Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer, ein Oberstleutnant der Bundeswehr, wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Verletzung seines Grundrechts der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG.
1. a) Der Beschwerdeführer veröffentlichte in der Zeitschrift Ossietzky unter dem Titel “Geist und Ungeist der Generalität” einen Beitrag, in dem er sich kritisch mit dem Verhalten der deutschen Generalität auch im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg auseinandersetzte. In dem Beitrag heißt es unter anderem, “dass die Generalität auf Grund intellektueller Insuffizienz nicht hätte erkennen können, was da vor sich ging, wird man mit Fug und Recht ausschließen dürfen. […] Da Dummheit ergo auszuschließen ist, bleibt nur noch die zweite Alternative zur Erklärung – und die lautet: Opportunismus, Feigheit, Skrupellosigkeit. […] Hätte die deutsche Generalität auch nur einen Funken Ehrgefühl sowie Rechts- und Moralbewusstsein im Leibe, so hätte der Generalinspekteur im Verein mit seinen Teilstreitkraftinspekteuren sich geweigert, den völkerrechts- und verfassungswidrigen Ordres der rot-grünen Bundesregierung Folge zu leisten.”
b) Wegen des Beitrags wurde gegen den Beschwerdeführer vom Wehrbereichskommando IV in München eine Disziplinarbuße von 750 € verhängt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Äußerungen des Beschwerdeführers geeignet seien, die von ihm angesprochenen Adressaten als Vorgesetzte in ehrverletzender Weise herabzuwürdigen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde beim Streitkräfteunterstützungskommando wurde mit Bescheid vom 18. August 2006 zurückgewiesen.
c) Das Truppendienstgericht Süd hat die hierauf eingelegte weitere Beschwerde am 12. Dezember 2006 zurückgewiesen. Die Äußerungen des Beschwerdeführers seien nicht vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt; denn die Meinungsfreiheit müsse stets zurücktreten, wenn eine Äußerung die Menschenwürde eines anderen antaste. Dies sei hier der Fall, da die Aussage, die Generalität habe überhaupt kein Ehrgefühl, dazu führe, dass den betroffenen Personen jegliche Würde abgesprochen und ihre Subjektqualität in Frage gestellt werde. Auch eine andere Deutung der Aussagen des Beschwerdeführers sei nicht möglich. Darüber hinaus handele es sich bei den Aussagen des Beschwerdeführers auch um Schmähkritik, jedenfalls gegenüber dem Generalinspekteur und den Teilstreitkraftinspekteuren. Die Äußerungen des Beschwerdeführers zur völker- und verfassungsrechtlichen Lage träten in den Hintergrund, in Erinnerung des Lesers bliebe im Wesentlichen nur die Herabwürdigung der Generäle.
Im Ergebnis lägen die bereits vom Streitkräfteunterstützungskommando festgestellten Verstöße gegen das Soldatengesetz vor. Diese habe der Beschwerdeführer auch mit Wissen und Wollen und damit vorsätzlich begangen. Selbst wenn er davon ausging, dass seine Äußerungen von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt seien und er sich insofern in einem Verbotsirrtum befunden habe, so sei dieser vermeidbar gewesen. Damit habe der Beschwerdeführer seine Dienstpflichten verletzt und gemäß § 23 Abs. 1 SG ein Dienstvergehen begangen.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Bei seinen Äußerungen handele es sich um Werturteile in Form einer Glosse, die in den “besonderen, gesteigerten” Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fielen. Die Beurteilung durch die Vorinstanzen habe die Äußerung aus dem Zusammenhang gerissen und verkannt, dass es sich nicht um eine pauschale Bewertung, sondern viel mehr um ein auf den konkreten Sachverhalt bezogenes Unwerturteil handele. Diese Beurteilung sei insofern rechtswidrig.
Insbesondere würden die Grenzen, die die Menschenwürde der Meinungsfreiheit zögen, im vorliegenden Fall nicht überschritten. Da es sich um polemische Kritik seitens des Beschwerdeführers gehandelt habe, sei die Ehre der Betroffenen gar nicht angegriffen worden. Auch sei die Polemik nicht auf bestimmte Personen, sondern auf die Generalität als solche gemünzt gewesen, diese könne sich aber nicht auf Art. 1 Abs. 1 GG berufen, was das Truppendienstgericht verkenne.
Es liege auch keine Schmähkritik vor. Dieser Begriff sei eng auszulegen und dürfe nicht dazu führen, dass politische Kritik ausgeschlossen sei. Insbesondere liege bereits deshalb keine Schmähkritik vor, weil es sich um eine institutionen- und nicht personenbezogene Kritik handele.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nicht gegeben ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Ihr kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu, und sie dient auch nicht der Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers; denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Es hat allein darüber zu befinden, ob das Truppendienstgericht die Vorschrift so ausgelegt und angewendet hat, dass der für die freiheitliche Ordnung schlechthin konstituierenden Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit angemessen Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 28, 36 ≪47≫; 28, 55 ≪63≫; 44, 197 ≪202≫). Die angefochtene Disziplinarmaßnahme lässt keinen Verfassungsverstoß erkennen.
Die Meinungsfreiheit schützt Werturteile und Tatsachenbehauptungen jedenfalls dann, wenn sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind (vgl. BVerfGE 61, 1 ≪8 f.≫). Eine solche Meinung hat der Beschwerdeführer durch seinen Beitrag in der Zeitung Ossietzky geäußert. Deutlich tritt aus seinen Ausführungen ein Element der Stellungnahme im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung hervor.
Allerdings gilt dieser Schutz der Meinungsfreiheit nicht grenzenlos, ihm sind durch die allgemeinen Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG Grenzen gesetzt. Allgemeine Gesetze sind solche, die nicht eine Meinung als solche verbieten, sondern dem Schutz eines schlechthin zu schützenden Rechtsguts zu dienen bestimmt sind (vgl. BVerfGE 62, 230 ≪243 f.≫; 97, 125 ≪146≫). Als solche Gesetze kommen hier die § 10 Abs. 6, § 12 Satz 2, § 17 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 SG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 SG in Betracht. Diese verbieten nicht eine Meinung als solche, sondern setzen dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung in Ausfüllung des Art. 17a GG Schranken.
2. Die Anwendung und Auslegung dieser Normen in den angegriffenen Entscheidungen ist von Verfassungs wegen im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die dem Beschluss des Truppendienstgerichts zugrunde liegende Auslegung der einschlägigen Normen des Soldatengesetzes schränkt das Grundrecht der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht über das nach der Verfassung zulässige Maß ein.
a) Zwar liegt ein – einer Abwägung mit der Meinungsfreiheit entzogener – Verstoß gegen die Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vor; denn die Menschenwürde ist als herausragender Verfassungswert nicht bereits dann angetastet, wenn eine bestimmte Behandlung wenig würdige Umstände hervorruft. Vielmehr muss es, auch bei Ehrverletzungen, wie sie im vorliegenden Fall vorliegen könnten, darum gehen, dass die angesprochenen Personen nicht mehr als Subjekt, sondern als reines Objekt betrachtet werden (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. September 2000 – 1 BvR 1056/95 –, NJW 2001, S. 61). Den Betroffenen muss der “Achtungsanspruch als Mensch” abgesprochen werden (vgl. BVerfGE 107, 275 ≪284≫). Eine solche Wirkung ist den Äußerungen des Beschwerdeführers nicht beizumessen; denn selbst wenn man seine Auffassung so auslegt, dass er jedes Mitglied der Gruppe der Generalität individuell anspricht, so wird hiermit nicht, wie vom Truppendienstgericht angenommen, die Subjektqualität der Angesprochenen prinzipiell in Frage gestellt. Die Aussagen des Beschwerdeführers sprechen den Mitgliedern der Generalität bestimmte subjektive Merkmale (Moralbewusstsein, Ehrgefühl) ab, nicht jedoch den Achtungsanspruch als Mensch als solchen. Sie werden nicht als bloßes Objekt, mit dem nach Belieben verfahren werden kann, behandelt (vgl. BVerfGE 87, 209 ≪228≫).
b) Auch handelt es sich bei den Äußerungen des Beschwerdeführers nicht um Schmähkritik. Merkmal der Schmähkritik ist die das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung (vgl. BVerfGE 93, 266 ≪303≫). Bei der diesbezüglichen Beurteilung der Äußerung ist auch die gewählte Form in den Blick zu nehmen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen kurzen Beitrag in einer politischen Zeitschrift, der in einem pointierten, polemischen Stil gehalten ist. Bei einer so gewählten Ausdrucksform dürfen an die Bedeutung und das Hervortreten der Sachargumente keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, um die Wahl des Ausdrucks als Teil der freien Meinungsäußerung nicht unzulässigerweise zu beschränken. Der Beschwerdeführer setzt sich in dem Beitrag zu weiten Teilen mit der Geschichtsaufarbeitung der Bundeswehr auseinander. Erst im zweiten Teil des Beitrags erfolgen die gerügten Meinungsäußerungen. Wegen der stark auf die Generalität als Gruppe zugeschnittenen Kritik können die Aussagen auch dergestalt gedeutet werden, dass es dem Beschwerdeführer nicht um eine persönliche Ehrverletzung der Mitglieder der Generalität, sondern um eine Kritik in der Sache am fehlenden Wertebewusstsein im Umgang mit dem Irak-Krieg ging.
c) Damit hatte das Truppendienstgericht die zwischen einschränkender Norm und Grundrecht bestehende Wechselwirkung zu beachten, d.h., die allgemeinen Gesetze sind aus der Erkenntnis der Bedeutung der Grundrechte im freiheitlichen demokratischen Staat auszulegen und so in ihrer diese Grundrechte beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪208 f.≫; 66, 116 ≪150≫; 71, 206 ≪214≫). Hierbei ist der Zweck des Soldatengesetzes zu beachten. Die einschlägigen Normen dieses Gesetzes dienen der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr, wie auch den Art. 12a, Art. 73 Nr. 1, Art. 87a und Art. 115b GG eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine wirksame militärische Landesverteidigung entnommen werden kann, kraft deren die Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr verfassungsrechtlichen Rang haben (vgl. BVerfGE 69, 1 ≪21≫). Die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr ist von den Angehörigen der Streitkräfte im inner- und außerdienstlichen Verhalten zu wahren. Sie gerät innerdienstlich dann in Gefahr, wenn Angehörige der Streitkräfte ihre Grundrechte ohne Rücksicht auf die besonderen Belange der Streitkräfte dergestalt ausüben, dass einzelne Befehle nicht mehr zeitnah ausgeführt werden. Bei außerdienstlichen Äußerungen kann die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr durch eine Untergrabung der Moral und der Disziplin innerhalb der Streitkräfte in Gefahr geraten. Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung tritt hier dem mit Verfassungsrang ausgestatteten Interesse der Bundeswehr an der Wahrung ihrer Funktionsfähigkeit gegenüber.
d) Diesen Maßstab hat das Truppendienstgericht bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts auf den konkreten Fall nicht verkannt. Das Soldatengesetz fordert von Offizieren der Bundeswehr, die Führungsaufgaben wahrnehmen, gemäß § 10 Abs. 6 SG auch “außerhalb des Dienstes bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten.” Gleichzeitig sind gemäß § 12 Satz 2 SG “die Würde, die Ehre und die Rechte der Kameraden zu achten”, dies gilt gemäß § 17 Abs. 1 SG innerhalb und außerhalb des Dienstes, insbesondere ist die dienstliche Stellung des Vorgesetzten zu achten. Schließlich hat sich ein Soldat “so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt” (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG), als Vorgesetzter soll er “in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben” (§ 10 Abs. 1 SG).
Das Truppendienstgericht hat diese Regelungen, die die Meinungsfreiheit in dem durch Art. 17a Abs. 1 GG erfassten Sonderstatusverhältnis einschränken, mit Blick auf die Sicherung und Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr ausgelegt. Das Gericht ist davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer gegen seine Pflicht zur Zurückhaltung bei seinen Äußerungen verstoßen habe und dass dies dazu führen könne, seine Autorität zu untergraben und seine Loyalität in Frage zu stellen. Die Äußerungen des Beschwerdeführers, in denen er den deutschen Generälen jegliches Ehrgefühl, Rechts- und Moralbewusstsein abspreche, würden die Würde der Kameraden, zu denen auch die Generäle zählten, herabsetzen. Dies sei geeignet, den Betroffenen dem Spott anderer auszusetzen und ihn zum Objekt des Vergnügens anderer werden zu lassen; der militärische Zusammenhalt, mithin das gegenseitige Vertrauen und die Bereitschaft zum gegenseitigen Einstehen, könnten dadurch gefährdet werden. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer gegen seine gesetzliche Verpflichtung, die dienstliche Autorität seiner Vorgesetzten zu wahren, verstoßen, da die gewählten Formulierungen jegliche sachliche Kritik überschritten. Der Schutz der Autorität der Vorgesetzten sei für die innere Ordnung der Bundeswehr erforderlich. Diese Abwägung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Es ist nicht zu verkennen, dass die gewählte Form der Meinungsäußerung, insbesondere mit ihren persönlichen Angriffen, geeignet war, die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr empfindlich zu stören. Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung wird in seiner grundsätzlichen Bedeutung offensichtlich nicht verletzt, wenn derartiges Vorgehen nicht zugelassen, sondern als Dienstvergehen bewertet wird.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 1768191 |
NVwZ-RR 2008, 330 |
NZWehrr 2007, 157 |