Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 05.02.2010; Aktenzeichen 6 S 18/09) |
AG Karlsruhe (Urteil vom 09.06.2009; Aktenzeichen 2 C 112/09) |
Tenor
1. Das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 5. Februar 2010 – 6 S 18/09 – und das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 9. Juni 2009 – 2 C 112/09 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes.
2. Das Urteil des Landgerichts Karlsruhe wird aufgehoben und die Sache an das Landgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
4. Das Land Baden-Württemberg hat der Beschwerdeführerin die ihr im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Nichtberücksichtigung von Zeiten des gesetzlichen Mutterschutzes als Umlagemonate im Rahmen der betrieblichen Zusatzversorgung nach der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL).
I.
1. Die VBL hat als Zusatzversorgungseinrichtung für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes die Aufgabe, den Arbeitnehmern der an ihr beteiligten Arbeitgeber im Wege privatrechtlicher Versicherung eine Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Diese ergänzt die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Zusatzversorgungseinrichtung, der Arbeitgeber sowie dessen Arbeitnehmer befinden sich in einer rechtlichen Dreiecksbeziehung. Die Arbeitnehmer besitzen gegenüber ihrem Arbeitgeber einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung der Zusatzversorgung. Um diesem zu genügen, schließt der Arbeitgeber zugunsten seiner Arbeitnehmer mit der VBL einen privatrechtlichen Gruppenversicherungsvertrag ab. Aus diesem Vertrag erwächst den Arbeitnehmern gegenüber der VBL ein unmittelbarer versicherungsrechtlicher Anspruch auf eine Zusatzversorgungsrente.
Dem System der Zusatzversorgung der VBL lag bis zum 31. Dezember 2000 der „Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe” vom 4. November 1966 (Versorgungs-TV) zugrunde. Dieser sah eine Versicherungspflicht bei der VBL vor und traf dazu einige grundlegende Regelungen. Die konkrete Ausgestaltung der Zusatzversicherung ergab sich aus der Satzung der VBL in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (VBLS a.F.).
a) Die vom Arbeitnehmer im Rahmen der Zusatzversorgung im Normalfall zu erreichende Versorgungsrente (§§ 37 ff. VBLS a.F.) beruhte nach dem alten System auf dem so genannten Gesamtversorgungsprinzip. Damit sollte dem Versicherten ein bestimmtes Gesamtniveau seiner Versorgung gewährt werden, das sich an der Beamtenversorgung orientierte. Einen Anspruch auf Versorgungsrente hatte der Versicherte allerdings nur, wenn er zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls – insbesondere bei Erreichen der Regelaltersgrenze – weiter in der Zusatzversicherung pflichtversichert war (§ 37 Abs. 1 Buchstabe a VBLS a.F.). Andernfalls hatten Versicherte nach Erfüllung der Wartezeit Anspruch auf eine Versicherungsrente (§ 37 Abs. 1 Buchstabe b VBLS a.F.). Die Versicherungsrente war der versicherungsmathematische Gegenwert einer für jeden Versicherten zum Rentenbeginn feststehenden Beitragssumme.
b) Mit der Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 (VBLS) hat die VBL ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) grundlegend umgestellt und das frühere Gesamtversorgungssystem durch ein auf einem Punktemodell beruhendes, beitragsorientiertes Betriebsrentensystem ersetzt. Den Systemwechsel hatten zuvor die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes vereinbart.
2. Die Finanzierung der Zusatzversorgung für die öffentlich Beschäftigten erfolgte seit 1978 und erfolgt auch nach der Neuregelung im Jahr 2002 grundsätzlich durch ein Umlagesystem.
a) Der jeweilige Umlagesatz entspricht einem bestimmten Prozentsatz des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts des versicherten Arbeitnehmers. Diese Umlage wird nicht zur Finanzierung der späteren Rente des versicherten Arbeitnehmers benutzt, sondern dient nach der Art eines „Generationenvertrags” der Finanzierung der bereits vorhandenen Renten, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums, des so genannten Deckungsabschnitts, neu entstehen.
b) Für den Erwerb von Anwartschaften auf eine Versorgungs- oder Versicherungsrente nach der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Satzung der VBL muss der Versicherte nach § 37 Abs. 1, § 38 Abs. 1 VBLS a.F. eine Wartezeit von 60 Umlagemonaten erfüllt haben. Die Vorschriften lauten:
§ 37
(1) Tritt bei dem Versicherten, der die Wartezeit (§ 38) erfüllt hat, der Versicherungsfall (§ 39) ein und ist er in diesem Zeitpunkt
- pflichtversichert, hat er einen Anspruch auf Versorgungsrente für Versicherte (§§ 40 bis 43b) (Versorgungsrentenberechtigter),
- freiwillig weiterversichert oder beitragsfrei versichert, hat er einen Anspruch auf Versicherungsrente für Versicherte (§§ 44, 44a) (Versicherungsrentenberechtigter).
…
§ 38
(1) Die Wartezeit beträgt 60 Umlagemonate (§ 29 Abs. 10).
Als ein Umlagemonat gilt dabei gemäß § 29 Abs. 10 Satz 1 VBLS a.F. ein Kalendermonat, für den eine Umlage für mindestens einen Tag für laufendes, zusatzversorgungspflichtiges Entgelt entrichtet wurde. Was als zusatzversorgungspflichtiges Entgelt anzusehen ist, bestimmt § 29 Abs. 7 VBLS a.F., der auf der Regelung des § 8 Abs. 5 Versorgungs-TV beruht und diese inhaltlich übernommen hat. Er definiert als zusatzversorgungspflichtiges Entgelt den steuerpflichtigen Arbeitslohn und regelt die zeitliche Zuordnung des zusatzversorgungsrechtlichen Entgelts nach den Bestimmungen der gesetzlichen Rentenversicherung (Bauer, Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, 1998, S. 20). Die Regelungen des § 29 Abs. 1 und Abs. 7 Satz 1 VBLS a.F. in der hier maßgeblichen bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung lautet:
§ 29
(1) Der Arbeitgeber hat eine monatliche Umlage in Höhe des nach § 76 festgesetzten Satzes des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts (Absatz 7) des Versicherten einschließlich eines vom Pflichtversicherten erhobenen Beitrags nach § 76 Abs. 1a zu zahlen.
…
(7) Zusatzversorgungspflichtiges Entgelt ist, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist, der entsprechend den Bestimmungen über die Beitragsentrichtung in der gesetzlichen Rentenversicherung zeitlich zugeordnete steuerpflichtige Arbeitslohn. …
§ 29 Abs. 7 Satz 3 VBLS a.F. legt bestimmte Leistungen des Arbeitgebers fest, die nicht als zusatzversorgungspflichtiges Entgelt anzusehen sind, darunter etwa geldwerte Vorteile, vermögenswirksame Leistungen oder Krankengeldzuschüsse. Für Krankheitszeiten, in denen ein versicherter Arbeitnehmer einen Zuschuss zum Krankengeld erhält, sieht § 29 Abs. 7 Satz 5 VBLS a.F. eine spezielle Anrechungsregel vor. Damit wird gewährleistet, dass sämtliche Krankheitszeiten, in denen ein Arbeitnehmer gesetzliche Lohnfortzahlung oder einen Krankengeldzuschuss nach den tarifvertraglichen Regelungen des öffentlichen Dienstes erhalten hat, als Umlagezeiten berücksichtigt werden. Die Bestimmung lautet:
(7) … Hat der Arbeitnehmer für einen Zahlungszeitraum/Abrechnungszeitraum oder für einen Teil eines Zahlungszeitraums/Abrechnungszeitraums Anspruch auf Krankengeldzuschuss, gilt – auch wenn der Krankengeldzuschuss wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers nicht gezahlt wird – für diesen Zahlungszeitraum/Abrechnungszeitraum als zusatzversorgungspflichtiges Entgelt der Urlaubslohn (zuzüglich eines etwaigen Sozialzuschlags, es sei denn, dass dieser durch Tarifvertrag ausdrücklich als nicht gesamtversorgungsfähig bezeichnet ist) bzw. die Urlaubsvergütung für die Tage, für die der Arbeitnehmer Anspruch auf Lohn, Vergütung, Urlaubslohn, Urlaubsvergütung, Krankenbezüge oder Krankengeldzuschuss hat.
In diesem Zahlungszeitraum/Abrechnungszeitraum geleistete einmalige Zahlungen sind neben dem Urlaubslohn bzw. der Urlaubsvergütung nach Maßgabe der Sätze 1 bis 3 zusatzversorgungspflichtiges Entgelt.
c) Nach der Regelung des § 29 Abs. 7 Satz 1 VBLS a.F. gelten hingegen Zuschüsse des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld während der Zeiten eines Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG – in der Regel sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt – nicht als zusatzversorgungspflichtiges Entgelt, da sie als Lohnersatzleistungen gemäß § 3 Nr. 1 Buchstabe d EStG steuerfrei gestellt sind und damit keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen (vgl. Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, Satzung der VBL, § 29 B ≪Dezember 2001≫, Rn. 17). Dementsprechend wurden im Rahmen der Zusatzversorgung nach der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Regelung während der Mutterschutzzeiten keine Umlagen durch den jeweiligen Arbeitgeber erbracht.
3. Die Zahl der Umlagemonate spielt sowohl bei der Erfüllung der Wartezeit als auch bei der Berechnung von Leistungen aus der Zusatzversorgung eine entscheidende Rolle. So richtet sich die Höhe der mit Erfüllung der Wartezeit erworbenen Rentenanwartschaft im Fall einer Versorgungsrente entsprechend der alten Satzungsregelung nach dem gesamtversorgungsfähigen Entgelt sowie der gesamtversorgungsfähigen Zeit (§§ 40 ff. VBLS a.F.). Gesamtversorgungsfähige Zeit sind die bis zum Beginn der Versorgungsrente zurückgelegten Umlagemonate (§ 42 Abs. 1 VBLS a.F.).
Für den Fall, dass der Versicherte Anwartschaften auf eine Versicherungsrente erworben hat, die nach § 80 VBLS in das neue System übergeleitet wurden, bemisst sich die Höhe der Rente nach einem bestimmten Vomhundertsatz der zusatzversorgungspflichtigen Entgelte, von denen tatsächlich Umlagen entrichtet worden sind (§ 44 VBLS a.F.).
4. Die Vereinbarkeit der Nichtberücksichtigung von Mutterschutzzeiten im Rahmen der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes war Gegenstand einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Mit Urteil vom 13. Januar 2005 (Rs. C-356/03, Mayer) stellte der Gerichtshof fest, dass Art. 6 Abs. 1 Buchstabe g der Richtlinie 86/378/EWG in der durch die Richtlinie 96/97/EG geänderten Fassung nationalen Bestimmungen wie § 29 Abs. 7 VBLS a.F. entgegensteht, nach denen eine Arbeitnehmerin während des teilweise vom Arbeitgeber bezahlten gesetzlichen Mutterschaftsurlaubs keine Anwartschaften auf eine Versicherungsrente, die Teil eines Zusatzversorgungssystems ist, erwirbt, weil die Entstehung solcher Anwartschaften davon abhängt, dass die Arbeitnehmerin während des Mutterschaftsurlaubs steuerpflichtigen Arbeitslohn erhält. Der Bundesgerichtshof folgte in seinem Urteil vom 1. Juni 2005 (IV ZR 100/02, NJW-RR 2005, S. 1161) der bindenden Vorlageentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, stellte aber zugleich fest, dass er an seiner Auffassung, die Regelungen § 29 Abs. 1 und Abs. 7 VBLS a.F. verstießen nicht gegen nationales Recht und insbesondere nicht gegen Grundrechte der Versicherten, festhalte.
Diese Entscheidungen beziehen sich nur auf Beschäftigungszeiten, die nach dem 17. Mai 1990 liegen. Dies ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 96/97/EG, der die zeitliche Rückwirkung der einschlägigen Richtlinie entsprechend der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Barber (EuGH, Urteil vom 17. Mai 2001, Rs. – C-262/88, Barber, Slg. 1990 I-1889) begrenzt.
II.
Die am 22. März 1948 geborene Beschwerdeführerin stand in der Zeit vom 13. August 1986 bis 31. Dezember 1988 und vom 12. September 2005 bis 9. September 2007 in einem Arbeitsverhältnis zum Freistaat Bayern, in der Zeit vom 1. Juli 1992 bis 31. Januar 1993 arbeitete sie beim Deutschen Jugendinstitut. Sie war jeweils über ihren Arbeitgeber bei der VBL versichert. Vom 20. April 1988 bis 26. Juli 1988 befand sich die Beschwerdeführerin im Mutterschutz.
1. Die VBL teilte der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 16. Juni 2008 mit, dass sie insgesamt 59 Umlagemonate angesammelt habe, ein Anspruch auf Betriebsrente jedoch nicht bestehe, da die Wartezeit von 60 Monaten nicht erreicht sei. Die Mutterschutzzeiten wurden dabei nicht als umlagefähige Zeiten berücksichtigt.
2. Darauf erhob die Beschwerdeführerin Klage gegen die VBL vor dem Amtsgericht Karlsruhe mit dem Antrag, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, bei der Berechnung der der Beschwerdeführerin zustehenden Betriebsrentenanwartschaft die Zeiten des Mutterschutzes wie Umlagemonate zu berücksichtigen. Die Beschwerdeführerin berief sich dabei wegen der zeitlichen Begrenzung der Richtlinie 96/97/EG auf ihr Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 3 GG. Das Amtsgericht wies die Klage ab.
3. Die dagegen gerichtete Berufung wies das Landgericht Karlsruhe mit Urteil vom 5. Februar 2010 zurück. Prüfungsmaßstab für die Nichtberücksichtigung von Mutterschutzzeiten bei der Berechnung des versorgungspflichtigen Entgelts nach der VBLS a.F. sei das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, das hier in Verbindung mit dem Gebot der Familienförderung aus Art. 6 Abs. 1 GG gesehen werden müsse. Aus dieser Wertentscheidung der Verfassung zugunsten der Familie sei die allgemeine Pflicht des Staates und sonstiger Versorgungsträger zu einem Familienlastenausgleich zu entnehmen. Der Satzungsgeber müsse auch darauf achten, dass Kindererziehende in den bestehenden Altersversorgungssystemen gegenüber Erwerbstätigen benachteiligt seien. Eine sachwidrige Ungleichbehandlung liege indes nicht vor.
Die Beschwerdeführerin habe während des Mutterschutzes kein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt erhalten, da sie keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn gezahlt bekommen habe. Weil der Arbeitgeber beziehungsweise die Beschwerdeführerin nicht zur Zahlung von Umlagen verpflichtet gewesen sei, würden die Zeiten des Mutterschutzes konsequenterweise auch nicht als Umlagemonate berücksichtigt. Bei der Berechnung der Versorgungsrente blieben die Mutterschutzzeiten jedoch auch nicht gänzlich unberücksichtigt, sie würden vielmehr im Rahmen der Ermittlung der gesamtversorgungsfähigen Zeit zur Hälfte angerechnet (§ 42 Abs. 1, 2 VBLS a.F. i.V.m. § 54 Abs. 1 Nr. 1b, § 54 Abs. 3, § 58 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI).
Die Alterssicherung auf der Grundlage der VBLS erfolge nach dem Abschnittsdeckungsverfahren. Dieses bewirke, dass die Versorgungsleistungen grundsätzlich aus den von den Mitgliedern selbst angesammelten Beiträgen zu finanzieren seien. Der Satzungsgeber der Zusatzversorgung dürfe daher eher auf Beitragsleistungen während Mutterschutz- und Kinderbetreuungszeiten bestehen als derjenige der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beklagte erhalte insbesondere keine Bundes- oder Landeszuschüsse zum Ausgleich „versicherungsfremder” Leistungen wie Rentenanwartschaften für Mutterschutz- und Kinderbetreuungszeiten, wie dies in der gesetzlichen Rentenversicherung der Fall sei.
III.
Mit der unmittelbar gegen die Entscheidungen des Amts- und des Landgerichts und mittelbar gegen § 29 Abs. 7 Satz 1 VBLS a.F. sowie § 8 Abs. 5 Versorgungs-TV erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG und des allgemeinen Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Die Satzung der VBL sei ungeachtet ihres privatrechtlichen Charakters am Maßstab des Art. 3 GG zu messen, da die VBL als Anstalt des öffentlichen Rechts eine öffentliche Aufgabe wahrnehme.
Nach Art. 3 Abs. 3 GG dürfe das Geschlecht grundsätzlich nicht Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung sein. Dies gelte auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt sei, sondern in erster Linie andere Ziele verfolge. Die Beschwerdeführerin werde unmittelbar wegen ihres Geschlechts diskriminiert. Ausschließlich Frauen könnten Mutterschutz in Anspruch nehmen.
2. Es gebe keine zwingenden Gründe, die eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Der Verweis des Landgerichts darauf, dass die VBL ihre Leistungen nach den ihr zufließenden Umlagen auszurichten habe, was einer Berücksichtigung umlagefreier Zeiten wie Mutterschutzzeiten entgegenstehe, berücksichtige nicht, dass der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld ohne Not umlagefrei gestellt worden sei. Der Satzungsgeber wäre gehalten gewesen, die Satzung diskriminierungsfrei auszugestalten. Außerdem habe es das vom Landgericht und vom Bundesgerichtshof angenommene Prinzip, wonach VBL-Leistungen ausschließlich für durch Umlagen abgedeckte Zeiten gewährt worden seien, überhaupt nicht gegeben. Vielmehr seien in erheblichem Umfang versicherungsfremde Leistungen erbracht worden. Hierbei müsse insbesondere die Bestimmung des § 29 Abs. 7 Satz 5 VBLS a.F. beachtet werden. Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes hätten nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums Krankengeld seitens der gesetzlichen Krankenversicherung und einen Krankengeldzuschuss seitens des Arbeitgebers erhalten. Obwohl es sich nur bei letzterem um steuerpflichtiges Entgelt handele, hätten die Arbeitgeber Umlagen auf der Basis eines fiktiven Urlaubslohns, also auch für steuerfreie Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, abführen müssen. Die Ungleichbehandlung zwischen den längerfristig erkrankten Versicherten und den in Mutterschutz befindlichen versicherten Frauen sei augenscheinlich. Beide hätten steuerfreie Leistungen erhalten, die allerdings nur im Falle des Krankengeldes angerechnet würden.
3. Die Beschwerdeführerin sieht sich jedenfalls mittelbar diskriminiert. Der gewählte Anknüpfungspunkt des steuerpflichtigen Arbeitslohns in der Satzung der VBL wirke sich auf die Gruppe der Versicherten, die Mutterschutz in Anspruch genommen hätten, im Sinne einer faktischen Benachteiligung aus. Auch eine solche mittelbare Diskriminierung sei nach Art. 3 Abs. 3 GG verboten.
4. Sofern das Landgericht Karlsruhe darauf verweise, dass die vom Gerichtshof der Europäischen Union gewährte Übergangsfrist in das deutsche Verfassungsrecht übernommen werden könnte, sei dem die Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juni 2008 – 2 BvL 6/07 – (BVerfGE 121, 241 ff.) entgegenzuhalten. Auch im Fall des beamtenrechtlichen Versorgungsabschlags, der für teilzeitbeschäftigte Beamte eine überproportionale Kürzung von Versorgungsanwartschaften vorsah, habe das Bundesverfassungsgericht die zeitliche Begrenzung aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht übernommen.
IV.
Zur Verfassungsbeschwerde hat die VBL als Beklagte des Ausgangsverfahrens Stellung genommen. Nach ihrer Ansicht verstößt es weder gegen Art. 3 Abs. 3 noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Zeiten des Mutterschutzes nicht als Umlagemonate bei der Erfüllung der Wartezeit im Rahmen einer Versicherungsrente berücksichtigt werden.
1. Die VBL habe Leistungen nur zu erbringen, soweit ihr Beiträge beziehungsweise Umlagen zugeflossen seien. Zuschüsse von dritter Seite würden in der Zusatzversorgung nicht gezahlt. Anders als die staatliche Sozialversicherung und insbesondere die gesetzliche Rentenversicherung sei sie nicht dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes unterworfen. Sie sei daher nicht verpflichtet, Zeiten, für die keine Beiträge beziehungsweise Umlagen entrichtet worden seien, zu berücksichtigen.
Die Versicherung der VBL sei Teil der betrieblichen Altersversorgung. Sie sei eine Gegenleistung aus dem Arbeitsvertrag und damit eine besondere Form der Vergütung. Es sei daher ein sachgerechtes Differenzierungskriterium, wenn Versicherungszeiten und die Leistungsberechnung an den Bezug von steuerpflichtigem Arbeitslohn anknüpften und steuerfreie Einnahmen eines Beschäftigten – wie der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld –, die vornehmlich sozialen Zwecken dienten, nicht in die Zusatzversorgung einbezogen würden.
2. Ein Vergleich zwischen der Gruppe der Beschäftigten während der Mutterschutzzeiten und den Beschäftigten, die einen Krankengeldzuschuss erhielten, sei nicht sachgerecht. Anders als der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, der nach § 3 Satz 1 Buchstabe d EStG steuerfrei und damit nicht zusatzversorgungspflichtig sei, sei der Zuschuss des Arbeitgebers zum Krankengeld nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung steuerpflichtig. Damit wäre der Zuschuss zum Krankengeld nach der Regelung in § 29 Abs. 7 Satz 1 VBLS a.F. an sich auch zusatzversorgungspflichtig. Die Berücksichtigung des Krankengeldzuschusses als zusatzversorgungspflichtiges Entgelt mindere eine Versorgung eines Leistungsberechtigten gegenüber der Versorgung eines Beschäftigten, der nicht länger krank gewesen sei, jedoch dann erheblich, wenn der Krankengeldzuschuss in den Dreijahreszeitraum für die Berechnung einer Versorgungsrente falle (§ 43 Abs. 1 VBLS a.F.). Deshalb würde der Zuschuss zum Krankengeld – trotz seiner Steuerpflichtigkeit – nach § 29 Abs. 7 Satz 3 Buchstabe d VBLS a.F. von der Zusatzversorgungspflicht ausgenommen, um stattdessen eine Sonderregelung in § 29 Abs. 7 Satz 5 VBLS a.F. zu treffen. Nach dieser Sonderregelung sei, wenn in einem Abrechnungszeitraum Anspruch auf Krankengeldzuschuss bestehe, die Urlaubsvergütung als zusatzversorgungspflichtiges Entgelt zugrunde zu legen. Auf diese Weise könne bei der Berechnung einer Versorgungsrente anstelle des Krankengeldzuschusses der regelmäßig höhere Urlaubslohn als zusatzversorgungspflichtiges Entgelt berücksichtigt werden, wenn die Krankheit in den letzten drei Jahren vor Rentenbeginn eingetreten sei. Eine vergleichbare Interessenlage bestehe beim Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nicht, da nur in Ausnahmefällen die Mutterschutzzeiten in den Dreijahreszeitraum vor Beginn einer Versorgungsrente fielen. Eine Sonderregelung wie beim Krankengeldzuschuss sei daher nicht erforderlich gewesen.
Entscheidungsgründe
B.
Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG liegen vor.
Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 115, 259; 121, 241; 124, 199; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. April 2010 – 1 BvL 8/08 –, juris).
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten der Beschwerdeführerin, hier des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Sie ist, soweit sie sich gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts wendet, zulässig und auch offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit sie sich gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts richtet. Dabei sind die Satzungsbestimmungen vom Bundesverfassungsgericht jedenfalls insoweit auf mögliche Grundrechtsverletzungen zu prüfen, als die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen auf ihrer Anwendung beruhen (vgl. BVerfGE 124, 199 ≪218≫). Soweit zugleich die Regelung des § 8 Abs. 5 Versorgungs-TV mittelbar angegriffen wird, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig und daher nicht zur Entscheidung anzunehmen. Tarifvertragliche Regelungen, die nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden sind (dazu BVerfGE 44, 322 ≪340 ff.≫), stellen keine Akte der öffentlichen Gewalt im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG dar und können daher mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffen werden.
II.
Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch offensichtlich begründet. Die angegriffenen Urteile verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG.
1. Die Zusatzversorgung der im öffentlichen Dienst Beschäftigten nach der Satzung der VBL ist am Grundrecht auf Gleichbehandlung zu messen. Sie ist zwar privatrechtlich ausgestaltet und findet Anwendung auf die Gruppenversicherungsverträge, die die an der VBL beteiligten öffentlichen Arbeitgeber mit der VBL zugunsten ihrer Arbeitnehmer abschließen. Die Einordnung der Satzungsbestimmungen als privatrechtliche Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Form Allgemeiner Versicherungsbedingungen ist verfassungsrechtlich auch unbedenklich (vgl. BVerfGE 124, 199 ≪218≫; BVerfGK 11, 130 ≪140≫; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. April 2008 – 1 BvR 759/05 –, DVBl 2008, S. 780). Jedoch nimmt die VBL als Anstalt des öffentlichen Rechts eine öffentliche Aufgabe lediglich in privatrechtlicher Form wahr (vgl. BVerfGE 124, 199 ≪218≫; siehe auch BVerfGE 98, 365 ≪393≫; 116, 135 ≪153≫). Daher ist die Satzung der VBL an die Beachtung des Gleichheitsgrundrechts gebunden.
2. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG konkretisiert und verstärkt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Geschlecht darf grundsätzlich nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden. Das gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie andere Ziele verfolgt (vgl. BVerfGE 85, 191 ≪206≫; 97, 35 ≪43≫). Es kommt auch nicht darauf an, dass neben dem Geschlecht weitere Gründe für die Ungleichbehandlung maßgeblich waren (vgl. BVerfGE 89, 276 ≪289≫).
An das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelungen sind mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nur vereinbar, soweit sie zur Lösung von Problemen, die nur entweder bei Männern oder Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind. Fehlt es an zwingenden Gründen für eine Ungleichbehandlung, lässt sich diese einzig im Wege einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimieren (vgl. BVerfGE 85, 191 ≪207≫; 92, 91 ≪109≫).
a) Soweit eine Regelung an Schwangerschaft oder Mutterschaft anknüpft, differenziert sie unmittelbar nach dem Geschlecht. Es handelt sich nicht etwa um eine neutrale Vorschrift, die sich eventuell mittelbar ganz überwiegend auf Frauen oder ganz überwiegend auf Männer nachteilig auswirkt. Vielmehr trifft eine solche Regelung normativ kategorial ausschließlich Frauen (vgl. klarstellend § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG; für das Recht der EU Art. 2 Abs. 2 Buchstabe c der Richtlinie 2006/54/EG; EuGH, Urteil vom 11. November 2010, Rs. C-232/09, Danosa; Urteil vom 8. November 1990, Rs. C-177/88, Dekker, Slg. I-1990, 3941 ≪3973≫; Urteil vom 27. Februar 2003, Rs. C-320/01, Busch, Slg. I-2003, 2041 ≪2075≫; Urteil vom 29. Oktober 2009, Rs. C-63/08, Alabaster). Eine solche Regelung berührt zwar auch Art. 6 Abs. 4 GG als Grundrecht auf Schutz und Fürsorge von Müttern durch den Staat. Art. 6 Abs. 4 GG enthält allerdings in erster Linie einen positiven Regelungsauftrag, der Eingriffe in Rechte Dritter legitimiert (vgl. BVerfGE 109, 64 ≪84 ff.≫). Der Schutz von Müttern vor geschlechtsbezogener Diskriminierung ist im besonderen Gleichheitsrecht des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verankert.
b) Die Anrechnung von Mutterschutzzeiten als Umlagemonate für die Zusatzversorgung der VBL bestimmt sich gemäß § 29 Abs. 10 VBLS a.F. nach der Regelung des § 29 Abs. 7 VBLS a.F., die durch § 8 Abs. 5 Versorgungs-TV inhaltsgleich vorgegeben wird. § 29 Abs. 7 VBLS a.F. statuiert eine Ungleichbehandlung von Müttern in zweifacher Hinsicht.
In § 29 Abs. 7 Satz 1 VBLS a.F. wird als zusatzversorgungspflichtiges Entgelt der steuerpflichtige Arbeitslohn definiert; Mutterschaftsgeld ist als Lohnersatzleistung nach § 3 Nr. 1 Buchstabe d EStG jedoch steuerfrei gestellt. Der Ausschluss von Zeiten des Mutterschutzes aus der Wartezeitberechnung nach § 29 Abs. 7 Satz 1 VBLS a.F. stellt folglich eine Ungleichbehandlung von Frauen mit Mutterschutzzeiten gegenüber männlichen Arbeitnehmern dar, deren Erwerbsbiografien im öffentlichen Angestelltenverhältnis nicht durch die gesetzlich zwingend vorgegebenen Mutterschutzzeiten unterbrochen wurden und auch nicht werden können. Frauen, die Mutterschutz in Anspruch genommen haben und den Beschäftigungsverboten der § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 MuSchG unterfallen, erwerben, wenn sie – wie die Beschwerdeführerin – aufgrund ihrer Mutterschutzzeiten die Wartezeit des § 38 Abs. 1 VBLS a.F. nicht erreichen, keinen Anspruch auf Versicherungsrente.
Zudem liegt eine Ungleichbehandlung von Frauen in Mutterschutz hier auch gegenüber denjenigen männlichen und weiblichen Versicherten vor, die Krankengeld und einen (im Verhältnis deutlich geringeren) Krankengeldzuschuss des Arbeitgebers erhalten. Zwar ist das von der Krankenversicherung gezahlte Krankengeld wie das Mutterschaftsgeld nach § 3 Nr. 1 EStG steuerfrei. Doch sind die Krankheitszeiten gemäß § 29 Abs. 7 Satz 5 VBLS a.F., der auf dem wortgleichen § 5 Abs. 5 Satz 5 Versorgungs-TV beruht, auf Basis des (fiktiven) Urlaubslohns, also praktisch in Höhe des normalen Arbeitsverdienstes als versorgungspflichtiges Entgelt anzurechnen (vgl. Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, Satzung der VBL, § 29 B ≪Dezember 2001≫, Rn. 39); in den Zeiten der Entgeltfortzahlung sowie des Bezugs eines Krankengeldzuschusses werden auch Umlagen entrichtet, die Krankheitszeiten bei der Berechnung der Zusatzversorgungsrente also voll als umlagefähige Monate angerechnet. Für den Mutterschutz findet sich keine entsprechende Regel.
c) An das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelungen sind nach bisheriger Rechtsprechung mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nur vereinbar, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind. Fehlt es an zwingenden Gründen für solche Differenzierungen, lassen sie sich nur noch im Wege einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimieren (BVerfGE 85, 191 ≪207 ff.≫; 92, 91 ≪109≫).
Die Regelung der VBLS zur Berücksichtigung von Mutterschutzzeiten aus der Wartezeitberechnung für den Erwerb einer Rentenanwartschaft gilt zwar einer geschlechtsspezifischen Problemstellung, stellt jedoch eine Ungleichbehandlung dar, die nicht zwingend erforderlich ist. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in der Leitentscheidung zum Mutterschutz ausgeführt, dass dessen Ausgestaltung sich an der Gleichberechtigung orientieren muss (vgl. BVerfGE 109, 64 ≪89≫ m.w.N.; auch BVerfGE 87, 1 ≪42≫). Auf eine tatsächliche Gleichstellung zielt die Freistellung der Arbeitgeber von der Umlage für Mutterschutzzeiten. So wird versucht, eine mögliche negative Steuerungswirkung der Belastung mit den Kosten des Mutterschutzes für Unternehmen durch ein Ausgleichs- und Umlageverfahren zu verhindern (vgl. BVerfGE 109, 64 ≪90≫). Der Gesetzgeber verfolgt also ein verfassungsrechtlich vorgegebenes Ziel, wenn er den Mutterschutz umlagefrei stellt, denn täte er dies nicht, wäre ein Anreiz für Arbeitgeber vorhanden, Frauen in gebärfähigem Alter nicht zu beschäftigen. Diese Systementscheidung darf aber nicht über daran anknüpfende Regeln wie die der VBLS a.F. zu Lasten von Müttern gehen (vgl. auch EuGH, Urteil vom 1. Juli 2010, Rs. C-194/08, Gassmayr; Urteil vom 13. Januar 2005, Rs. C-356/03, Mayer). Zwar steht es dem Gesetzgeber ebenso wie der VBL frei zu entscheiden, wie genau die Lasten des Mutterschutzes verteilt werden. Jedoch rechtfertigt dies keine Diskriminierung von Müttern durch die Hintertür.
Für die hier entscheidungserhebliche Regelung der VBLS a.F. zum Mutterschutz sind auch sonst keine sachlichen Gründe erkennbar, die eine Benachteiligung von Müttern rechtfertigen könnten. Insbesondere ist die Anrechnung von Mutterschaftszeiten bei Bezug einer Versorgungsrente im Rahmen der Ermittlung der gesamtversorgungsfähigen Zeit nach § 42 Abs. 2 Buchstabe a VBLS a.F. in Verbindung mit § 54 Abs. 1 und 3, § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI zur Hälfte nicht geeignet, die Nichtberücksichtigung für die Wartezeit zu legitimieren. Vielmehr stellt auch diese Halbanrechnung Mütter schlechter als diejenigen, die einen Krankengeldzuschuss des Arbeitgebers beziehen, da deren Zeiten voll als Umlagemonate angerechnet werden. Zudem gilt die hälftige Anrechnung auch nur für die Versorgungsrente, käme also von vornherein für die Beschwerdeführerin nicht in Betracht, die lediglich einen Anspruch auf Versicherungsrente geltend macht.
3. Der Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG führt dazu, dass die Beschwerdeführerin die Berücksichtigung ihrer Mutterschutzzeiten im Rahmen der Berechnung ihres versorgungspflichtigen Entgelts und der zurückgelegten Umlagemonate nach § 29 Abs. 7 und Abs. 10 VBLS a.F. verlangen kann. Entsprechend sind diese Zeiten auf die Wartezeit nach § 38 Abs. 1 VBLS a.F. anzurechnen.
a) Verstoßen Allgemeine Versicherungsbedingungen – wie hier in Form der Satzung der VBL – gegen Art. 3 GG, so bewirkt dies nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsprechung der Zivilgerichte die (teilweise) Unwirksamkeit der betroffenen Klausel. Hierdurch entstehende Regelungslücken können im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden (vgl. BVerfGE 124, 199 ≪233 f.≫; BGHZ 174, 127 ≪175 ff.≫). Zwar führt der gleichheitswidrige Ausschluss von einer Vergünstigung dann nicht notwendigerweise dazu, dass dem Betroffenen ein Anspruch auf Gewährung der Vergünstigung zusteht. Das gilt insbesondere, wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, um eine verfassungsgemäße Regelung zu erzielen. Insofern können die für Gleichheitsverstöße des Gesetzgebers entwickelten Grundsätze entsprechend herangezogen werden (vgl. BVerfGE 82, 126 ≪154 f.≫; 103, 225 ≪240≫; 107, 27 ≪57≫; 120, 125 ≪167≫). Etwas anderes gilt aber, wenn der Gleichheitsverstoß nur durch eine Ausdehnung der begünstigenden Regelung auf die ausgeschlossene Gruppe beseitigt werden kann (vgl. BVerfGE 29, 283 ≪303≫; 55, 100 ≪113 f.≫; 92, 91 ≪121≫). So liegt der Fall hier. Eine Gleichbehandlung der Versicherten, die während ihrer Versicherungszeiten Mutterschutz in Anspruch genommen haben, und denjenigen, für die während ihrer Krankheit gemäß § 29 Abs. 1 und Abs. 7 Satz 5 VBLS a.F. von ihren Arbeitgebern Umlagen entrichtet worden sind, lässt sich nachträglich nur dadurch erreichen, dass die Mutterschutzzeiten als Umlagezeiten angerechnet werden.
b) Bei einem Verstoß gegen das Gleichheitsgrundrecht stellt sich grundsätzlich die Frage nach einer zeitlichen Begrenzung (vgl. BVerfGE 121, 241 ≪266≫). So kann das Bundesverfassungsgericht die Fortgeltung einer verfassungswidrigen Norm zum Beispiel anordnen, wenn dies aus Gründen einer geordneten Finanz- und Haushaltsplanung geboten ist oder wenn die Verfassungslage bisher nicht hinreichend geklärt war und dem Gesetzgeber aus diesem Grund eine angemessene Frist zur Schaffung einer Neuregelung – auch für Tatbestände in der Vergangenheit – zu gewähren ist (vgl. BVerfGE 120, 125 ≪168≫ m.w.N.). Entsprechend kann auch bei einem Grundrechtsverstoß durch die Ausgestaltung von Versicherungsbedingungen im Rahmen einer Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, die auf der Satzung einer öffentlichen Anstalt beruht, eine zeitliche und sachliche Beschränkung der Folgewirkungen zulässig und geboten sein, wenn ansonsten eine schwerwiegende Störung des finanziellen Gleichgewichts im Versicherungssystem zu befürchten wäre (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Mai 2001, Rs. C-262/88, Barber, Slg. 1990 I-1889 ≪1955≫). Dies folgt bereits aus der Schutzpflicht gegenüber den Grundrechtspositionen anderer Versicherter aus Art. 14 Abs. 1 GG.
Von der Gefahr einer derartigen Störung kann aber vorliegend nicht ausgegangen werden. Eine Anrechnung von Mutterschutzzeiten, die auch schon vor dem 17. Mai 1990 in Anspruch genommen wurden, stellt jedenfalls dann keine echte rückwirkende Regelung dar, wenn der Versicherungsfall wie bei der Beschwerdeführerin bislang noch nicht eingetreten ist und Ausschlussfristen der Geltendmachung ihres Anspruchs nicht entgegenstehen. Denn die ausgezahlte Rente wird erst mit Eintritt des Versicherungsfalls berechnet (vgl. §§ 33 ff. VBLS). Auch sonst ist die Gefahr einer Störung des finanziellen Gleichgewichts der Zusatzversorgung durch die Berücksichtigung von Mutterschutzzeiten der Versicherten nicht ersichtlich. Das gilt auch, weil wegen der Ausschlussfristen in der Satzung der VBL eine rückwirkende Berücksichtigung von Mutterschutzzeiten nur sehr begrenzt in Betracht kommen dürfte.
Unterschriften
Kirchhof, Schluckebier, Baer
Fundstellen
DB 2011, 25 |
DStR 2011, 13 |
NJW 2011, 2639 |
NWB 2011, 1768 |
FamRZ 2011, 1134 |
FuR 2011, 451 |
NVwZ 2011, 6 |
NZA 2011, 857 |
ZAP 2011, 554 |
ZTR 2011, 352 |
ZTR 2011, 434 |
AP 2012 |
DÖV 2011, 654 |
EzA-SD 2011, 12 |
EzA 2011 |
JuS 2011, 948 |
NJ 2011, 3 |
Streit 2011, 78 |
öAT 2011, 133 |
ArbRB 2011, 174 |
DVBl. 2011, 3 |
GV/RP 2011, 559 |
FuBW 2011, 895 |
FuHe 2011, 680 |
FuNds 2012, 5 |
V&S 2011, 11 |