Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Tatbestand
Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, das In-Kraft-Treten des Dritten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Schulgesetzes vom 10. Juli 2002 (GVBl S. 55) einstweilen „zu untersagen”, hilfsweise „auszusetzen”.
I.
Das genannte Änderungsgesetz setzt Vorschläge um, die der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts den Beteiligten der verfassungsgerichtlichen Verfahren betreffend den Religionsunterricht und das Unterrichtsfach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (1 BvF 1/96, 1 BvR 1412/97 und andere) in Brandenburg mit Beschluss vom 11. Dezember 2001 (BVerfGE 104, 305) unterbreitet hat, um eine einvernehmliche Verständigung über den Gegenstand dieser Verfahren und deren Beendigung zu ermöglichen (vgl. LTDrucks 3/4148 und 3/4498). Das Gesetz soll nach seinem Artikel 3 am 1. August 2002 in Kraft treten.
Das wollen die Antragsteller, evangelische Eltern und Schüler aus Brandenburg und zum Teil an dem Verfahren 1 BvR 1412/97 als Beschwerdeführer beteiligt, mit ihrem Eilantrag einstweilen verhindern. Sie begründen diesen Antrag mit Verfassungsverstößen, zu denen es nach ihrer Auffassung infolge des Änderungsgesetzes vom 10. Juli 2002 kommt. Im Wesentlichen führen sie dazu aus:
Das Änderungsgesetz sei nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Antragsteller hätten eine Erklärung zur einvernehmlichen Verständigung in dem Verfahren 1 BvR 1412/97 nie abgegeben. An den vom Bundesverfassungsgericht vorgeschlagenen Verhandlungen mit der Landesregierung Brandenburg seien sie nicht beteiligt worden. Auch unter den Beteiligten der Verfahren 1 BvF 1/96 und andere sei eine wirkliche Einigung nicht zustande gekommen. Eine Vereinbarung zwischen den Kirchen und dem brandenburgischen Bildungsministerium gebe es noch nicht. Außerdem weiche das Änderungsgesetz vom 10. Juli 2002 in wichtigen Punkten von den Vorschlägen des Bundesverfassungsgerichts ab.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei darüber hinaus erforderlich, um zu verhindern, dass durch das In-Kraft-Treten des Dritten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Schulgesetzes die im Verfahren 1 BvR 1412/97 angegriffenen Vorschriften bestätigt, ergänzt und gefestigt würden und dieses Verfahren beendet werde. Durch das vorliegende Gesetz würden die Präambel des Grundgesetzes mit der Anrufung Gottes verletzt, mit der allein die christliche Verantwortung vor dem Gott der Bibel betont werde, außerdem Art. 1 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 sowie Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 1 bis 3 GG. Die Verdrängung des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach an den öffentlichen Schulen sei mit diesen Gewährleistungen nicht vereinbar.
Das Schulgesetzänderungsgesetz verstoße aber auch gegen die Brandenburgische Landesverfassung. Die Antragsteller nennen dazu eine Reihe von Vorschriften, die sie für verletzt halten.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Wegen der meist weit tragenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren auslöst, ist bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ein strenger Maßstab anzulegen. Dies gilt besonders dann, wenn der Vollzug eines Parlamentsgesetzes ausgesetzt oder – wie hier – schon das In-Kraft-Treten gesetzlicher Regelungen aufgeschoben werden soll (vgl. BVerfGE 99, 57 ≪66≫; 104, 51 ≪55 f.≫; BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, VIZ 2000, S. 592). Ist – wie im Fall der Antragsteller, die gegen das Dritte Änderungsgesetz zum Brandenburgischen Schulgesetz Verfassungsbeschwerde bisher nicht erhoben haben – ein Hauptsacheverfahren noch nicht anhängig, ist ein Eilantrag nur zulässig, wenn der Streitfall als Hauptsache in zulässiger Weise vor das Bundesverfassungsgericht gebracht werden könnte (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. April 2002 – 1 BvR 1412/97 und 1 BvQ 14/02 –, DVBl 2002, S. 973 m.w.N.).
2. Nach diesen Maßstäben kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht. Die Antragsteller legen schon nicht in der nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BVerfGG gebotenen Weise dar, dass und inwieweit sie durch die geänderten Vorschriften des Brandenburgischen Schulgesetzes nach dessen In-Kraft-Treten in ihren im Grundgesetz garantierten Grundrechten beeinträchtigt sein werden; ihre Ausführungen erschöpfen sich insoweit in der pauschalen, nicht speziell auf die Situation der Antragsteller abstellenden Behauptung von Verfassungsverstößen, die sich darüber hinaus – wie die Rüge eines Verstoßes gegen die Grundgesetzpräambel – nicht durchweg auf Verfassungsnormen bezieht, deren Verletzung nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann. Erst recht ist dem Vortrag der Antragsteller nichts dafür zu entnehmen, dass das In-Kraft-Treten des Schulgesetzänderungsgesetzes für sie zu schweren Nachteilen führen wird, deren Abwehr den Erlass einer einstweiligen Anordnung als dringend geboten erscheinen lassen könnte. Soweit sie in diesem Zusammenhang ausführen, sie wollten verhindern, dass das Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen das Brandenburgische Schulgesetz in der Fassung, in der es derzeit noch gilt, beendet und dieses Gesetz nicht für verfassungswidrig erklärt wird, soweit sie also erreichen wollen, dass in jenem Verfahren der bisherige Verfahrensgegenstand erhalten bleibt, haben sie darauf keinen Anspruch (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 23. April 2002, a.a.O.).
Eine künftig noch einzulegende Verfassungsbeschwerde wäre im Übrigen, soweit sich dies aus heutiger Sicht schon beurteilen lässt, zumindest teilweise unzulässig. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Zustandekommen eines Landesgesetzes werden in erster Linie in der jeweiligen Landesverfassung bestimmt. Deren Verletzung kann nicht mit der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht geltend gemacht werden (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG). Das Gleiche gilt, soweit die Antragsteller Verstöße gegen materielles Landesverfassungsrecht rügen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Jaeger, Hömig, Steiner
Fundstellen
Haufe-Index 841097 |
NVwZ 2002, 1091 |
LKV 2002, 513 |
NJ 2002, 466 |
www.judicialis.de 2002 |