Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Beschluss vom 15.05.1997; Aktenzeichen Ws 1494/96) |
LG Regensburg (Beschluss vom 14.11.1996; Aktenzeichen 1 StVK 92/96) |
Tenor
- Dem Beschwerdeführer wird nach Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 15. Mai 1997 – Ws 1494/96 – und gegen den Beschluß des Landgerichts Regensburg – Strafvollstreckungskammer Straubing – vom 14. November 1996 – 1 StVK 92/96 – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
- Die genannten Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3, Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 104 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen.
- Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerde-Verfahren zu erstatten.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Grenzen, die den Strafvollstreckungsgerichten bei der Bewertung der Schwere der Schuld im Sinne von § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB von Verfassungs wegen gesetzt sind.
A. – I.
1. Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Traunstein vom 22. Oktober 1985 wegen Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Selbstladewaffe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und darüber hinaus wegen tatmehrheitlichen Erwerbs und Besitzes einer vollautomatischen Selbstladewaffe zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Mit Beschluß vom 10. April 1986 entschied der Bundesgerichtshof, daß die von dem Beschwerdeführer begangenen Straftaten sämtlich in Tateinheit stünden. Dementsprechend entfiel die neben der lebenslangen Freiheitsstrafe verhängte zeitige Freiheitsstrafe.
Nach den Feststellungen der Schwurgerichtskammer traf der Beschwerdeführer auf das Mordopfer, eine junge Frau, am frühen Morgen – etwa kurz nach 1.oo Uhr –, als er mit seinem Kraftfahrzeug eine Nebenstraße von Tittmoning durchfuhr. Er hatte den vorangegangenen Nachmittag und den Abend bis in die späte Nacht hinein in verschiedenen Lokalen der Umgebung gezecht. Die Frau befand sich auf dem Heimweg, etwa 100 m von zu Hause entfernt. Sie war dem Beschwerdeführer vom Sehen her bekannt. Er hielt mit dem Wagen an, stieg aus und sprach sie an, um näheren Kontakt aufzunehmen. Sie widersetzte sich seinen Annäherungsversuchen und lief schreiend davon. Darüber ärgerte sich der Beschwerdeführer. Er verfolgte sie und suchte sie festzuhalten. Als sie noch lauter schrie, geriet er so in Wut, daß er sie mit der Faust schlug, wahrscheinlich ins Gesicht. Sie schrie weiter, woraufhin der Beschwerdeführer sich – als Vergeltung für die Ablehnung – entschloß, sie zu töten. Aus einer mitgeführten Pistole gab er deshalb einen tödlichen Schuß auf den Oberkörper des Opfers ab. Dabei ging er davon aus, daß dieser Schuß sofort den Tod bewirke. Als die Frau nicht unmittelbar zusammenbrach, sondern stehenblieb und weiterschrie, schlug er sie nochmals, warf sie zu Boden und schoß ihr sechsmal aus nächster Nähe in den Kopf, was ihren sofortigen Tod zur Folge hatte. Das Tatgericht würdigte das Verhalten des Beschwerdeführers als Mord aus niedrigen Beweggründen, da der Beschwerdeführer aus einer menschenverachtenden Einstellung heraus, die keinen Widerspruch dulde und sich in egozentrischer Weise um jeden Preis durchsetzen wolle, gehandelt habe. Gleichzeitig sah das Gericht davon ab, zwischen dem ersten nicht sogleich zum Tode führenden Schuß und den weiteren Schüssen, die den Tod sodann unmittelbar bewirkten, eine (rechtliche) Zäsur anzunehmen. Im Urteil ist dazu ausgeführt:
Eine rechtliche Differenzierung zwischen dem ersten Schuß, der bereits tödlich war, aber noch nicht sogleich zum Tode… führte, und den weiteren, die den Tod dann bewirkten, ist dabei nicht vorzunehmen. Zwischen dem ersten und den weiteren Schüssen liegt ein solcher unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang vor, daß sich das gesamte Tätigwerden an sich auch für einen Dritten als ein einheitlich zusammengefaßtes Tun bei natürlicher Betrachtungsweise erkennbar macht, es liegt also natürliche Handlungseinheit vor.
15 Jahre der lebenslangen Freiheitsstrafe werden am 16. August 2000 vollstreckt sein. Die Justizvollzugsanstalt hielt wegen der Schwere der Schuld eine Vollstreckungsdauer von 18 Jahren für angemessen.
2. Mit Beschluß vom 14. November 1996 lehnte die Strafvollstreckungskammer den Antrag des Beschwerdeführers, den Rest der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, ab. Seine Schuld sei als besonders schwer zu werten und gebiete – im Rahmen einer vollstreckungsrechlichen Gesamtwürdigung, die auch die für ihn sprechenden Gesichtspunkte berücksichtige – eine Mindestvollstreckungsdauer von 20 Jahren. Der Beschwerdeführer habe bei der Ausführung der Tat eine außerordentliche Brutalität an den Tag gelegt, als er dem Opfer nicht nur einen Faustschlag versetzt, sondern dieses auch kaltblütig durch mehrere Revolverschüsse niedergestreckt habe. Von besonderer Bedeutung sei, daß sich der Beschwerdeführer angemaßt habe, Vergeltung für ein Verhalten seines Opfers zu üben, das lediglich das ihm zustehende Recht auf Selbstbestimmung wahrgenommen habe. Daneben sei zu beachten, daß der Beschwerdeführer bereits zweimal wegen vorsätzlicher Körperverletzung bestraft worden sei. Auch im Strafvollzug seien körperliche Angriffe gegen Mitgefangene vorgefallen. Dies mache anschaulich, daß der Beschwerdeführer vor massiven Gewalthandlungen in keiner Weise zurückschrecke. Die Mordtat stelle eine weitere, nicht zu überbietende Steigerung der Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers dar.
3. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht durch Beschluß vom 15. Mai 1997. Zu Recht sei das Landgericht von einer besonderen Schwere der Schuld ausgegangen. Auf der Grundlage der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 86, 288 ≪324 f.≫) ergebe sie sich zunächst aus den äußeren Tatumständen und der Tatintensität der Tathandlung. Schuldsteigernd seien dabei nicht nur die der Tötung vorausgehenden körperlichen Mißhandlungen der jungen Frau zu berücksichtigen. Auch die Tötung eines bereits am Boden liegenden Menschen mit mehreren Kopfschüssen gehe weit über die zur Tatbestandserfüllung erforderliche Tötungshandlung hinaus. Zur Erhöhung der Tatschuld trage auch bei, daß der Beschwerdeführer durch die Verwendung der Tatwaffe sowie durch den weiteren Besitz einer Maschinenpistole zwei nicht unbedeutende Waffendelikte begangen habe. Schließlich seien auch die beiden einschlägigen Vorstrafen des Beschwerdeführers wegen Körperverletzung straferhöhend zu werten. Die letzte dieser Verurteilungen habe nur etwa vier Monate vor der Mordtat gelegen, die Verletzung der Warnfunktion der Vorstrafen sei offensichtlich. Diese Umstände zu berücksichtigen, sei nicht durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juni 1992 ausgeschlossen, denn es handele sich dabei um objektive (Begleit-) Umstände der Tat und ihrer Ausführung, die das Tatgericht ausdrücklich festgestellt habe. Es sei verfassungsrechtlich sogar geboten, die Mißachtung der Warnfunktion gerichtlicher Vorstrafen schulderschwerend zu werten. Im Rahmen einer vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung, in die auch solche Umstände einbezogen worden seien, die in der Persönlichkeit des Beschwerdeführers nach dem Straferkenntnis eingetreten seien und die bei der Gewichtung der Schuldschwere keine Berücksichtigung hätten finden können, sei eine kürzere als die von der Strafvollstreckungskammer angesetzte Mindestverbüßungsdauer nicht als angemessen anzusehen.
4. Der Beschluß des Oberlandesgerichts wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 22. Mai 1997 zugestellt. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde ging beim Bundesverfassungsgericht am 23. Juni 1997 per Telefax ein, ohne unterschrieben zu sein. Erst am 25. Juni 1997 gelangte der unterzeichnete Originalschriftsatz zu den Akten.
II.
1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3, Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer und des Oberlandesgerichts seien rechtswidrig und stellten eine elementare Grundrechtsbeeinträchtigung dar. Hätten die Gerichte sich an die aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juni 1992 ergebenden Vorgaben – insbesondere an den Grundsatz der strikten Bindung an die im Ausgangsurteil festgestellten Tatsachen – gehalten, wäre schon die Annahme einer besonderen Schwere der Schuld nicht in Betracht gekommen. Zu Unrecht seien Vorstrafen wegen Körperverletzung schulderhöhend gewertet worden; dabei handele es sich um subjektive, die Tatschuld prägende Kriterien, die von den Strafvollstreckungsgerichten bei der Begründung der besonderen Schuldschwere in sogenannten “Altfällen” nicht herangezogen werden dürften. Zur Erhöhung der Tatschuld könnten auch die vom Schwurgericht angenommenen Waffendelikte nicht beitragen; die Verwendung der Tatwaffe gehöre bereits zum Mordtatbestand, weshalb eine unzulässige Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen vorliege. Der Erwerb und Besitz einer Maschinenpistole habe mit dem eigentlichen Tatgeschehen nichts zu tun und dürfe deshalb nicht zu seinen Lasten in die Schuldschwereprüfung einfließen.
2. Hinsichtlich der Fristversäumnis hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. Juli 1997 unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Kanzleileiterin des Prozeßbevollmächtigten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Diese habe aufgrund eines von ihr allein zu vertretenden Versehens dem Bundesverfassungsgericht die nichtunterzeichnete Mandantenausfertigung, nicht aber – wie ihr von dem Prozeßbevollmächtigten ausdrücklich aufgegeben – den unterschriebenen Originalschriftsatz der Verfassungsbeschwerde per Telefax zugesandt.
3. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Es hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet, da die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Auslegung und Anwendung des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.
B. – I.
Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung von Grundrechten des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c BVerfGG), die für die Entscheidung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Zwar vermochten weder das am 23. Juli 1997 ohne Unterschrift per Telefax eingegangene Schreiben noch der zwei Tage später zu den Akten gelangte Originalschriftsatz die Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zu wahren. Doch war dem Beschwerdeführer auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu gewähren. Er hat rechtzeitig glaubhaft gemacht, daß er aufgrund eines alleinigen Versehens der Kanzleileiterin seines Prozeßbevollmächtigten und damit ohne eigenes oder ihm zurechenbares Verschulden dieses Prozeßbevollmächtigten an der Einhaltung der Frist gehindert war.
Die Verfassungsbeschwerde ist auch offensichtlich begründet, die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3, Art. 2 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG.
II.
1. Mit § 57a StGB hat der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Gebot entsprochen, in einem gesetzlich geregelten Verfahren dem rechtskräftig zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten eine konkrete und grundsätzlich auch realisierbare Chance zu erhalten, seine Freiheit zu einem späteren Zeitpunkt wiederzugewinnen (vgl. BVerfGE 45, 187 ≪246≫). Mit der Regelung des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB nimmt der Gesetzgeber das Prinzip der Schuldangemessenheit der Strafe über seine Geltung für die Zumessung der Strafe (§ 46 StGB) hinaus auch für die Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe zur Grundlage (vgl. BVerfGE 86, 288 ≪312 f.≫).
Bei Verurteilten, deren Schuldschwere noch nicht, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, durch das Schwurgericht gewichtet ist (vgl. BVerfGE 86, 288 ≪315 ff., 320≫), darf das Vollstreckungsgericht bei der Bewertung der Schuld nur das dem Urteil zugrundeliegende Tatgeschehen einschließlich der dazu festgestellten Umstände berücksichtigen. Diese Begrenzung ist rechtsstaatlich geboten, weil nach der bis zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juni 1992 geübten Praxis nur jene Umstände in einem auf lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes erkennenden Urteil festgestellt werden mußten und deshalb auch nur sie der revisionsrechtlichen Prüfung zugänglich waren. Demgegenüber waren Ausführungen etwa zu den Beweggründen und den Zielen des Täters, zu der aus seiner Tat sprechenden Gesinnung und weiteren subjektiven, die Tatschuld prägenden Kriterien, soweit sie nicht der Annahme eines Mordmerkmals dienten, nicht notwendig in den Urteilsgründen enthalten. Werden dazu Aussagen getroffen, so stehen diese Feststellungen regelmäßig in einem Begründungszusammenhang, der die Schuld des Täters nicht mit Blick auf die nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB zu treffende Entscheidung gewichtet. Ihre Übertragung auf eine Schuldbewertung durch das Vollstreckungsgericht im Hinblick auf die besondere Schwere der Schuld kommt daher nicht in Betracht. Das Vollstreckungsgericht darf darüber hinaus aber auch die zu den Umständen der Ausführung und Auswirkungen der Tat getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht in einer Weise bewerten, die über den Gehalt der unbezweifelbaren schwurgerichtlichen Wertung hinausgeht. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Umstände der Ausführung der Tat ganz oder teilweise mit Begriffen zu umschreiben, die im gesetzlichen Tatbestand eines nicht vom Schwurgericht bejahten Mordmerkmals genannt sind (BVerfGE 86, 288 ≪324 f.≫; Beschluß der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juli 1992 – 2 BvR 579/90 –, NJW 1993, S. 1124, 1125).
2. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht.
Soweit die Strafvollstreckungsgerichte bei der Bewertung der Schuldschwere die Geneigtheit des Beschwerdeführers zur Gewalt in Rechnung gestellt haben und die Mordtat als eine die Warnfunktion früherer Verurteilungen wegen Gewalttaten mißachtende weitere, nicht zu überbietende Steigerung der Gewaltbereitschaft als besonders schulderschwerend gewertet haben, ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ebensowenig zu beanstanden ist, daß das Oberlandesgericht über die Begründung des Landgerichts hinaus die tateinheitlich verwirklichten Waffendelikte als schulderhöhend angesehen hat. Insoweit handelt es sich um objektiv schuldsteigernde Merkmale, deren Verwertung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ohne weiteres zulässig ist (vgl. BVerfGE 86, 288 ≪333≫).
Die verfassungsrechtliche Begrenzung, der bei Altfällen die Beurteilung der Schuldschwere durch die Strafvollstreckungsgerichte unterliegt, wird überschritten, soweit das Oberlandesgericht und – vorausgehend – schon das Landgericht eine schuldsteigernde besondere Brutalität der Tat aus den Tatumständen ableiten. Dies steht nicht mehr im Einklang mit der Bewertung des Tatablaufs durch die Schwurgerichtskammer. Diese hat die Tat auf niedrige Beweggründe zurückgeführt, da der Beschwerdeführer aus einer menschenverachtenden Einstellung heraus, die keinen Widerspruch dulde und sich in egozentrischer Weise um jeden Preis durchsetzen wolle, gehandelt habe. Dem entspricht es, daß das Tatgericht zwischem dem ersten Schuß, und den weiteren Schüssen, die den Tod sodann unmittelbar bewirkten, keine (rechtliche) Zäsur angenommen, sondern das gesamte Tun angesichts des unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs als ein einheitlich zusammengefaßtes Geschehen begriffen hat. Die menschenverachtende Einstellung des Beschwerdeführers, die keinen Widerspruch dulde und sich in egozentrischer Weise um jeden Preis durchsetze, verwirklicht sich in der Sicht des Tatgerichts in der Gesamtheit der Gewaltanwendung, die schließlich den Tod des Opfers bewirkt. Es steht im Widerspruch hierzu, daß die Vollstreckungsgerichte das Tatgeschehen zergliedern und – gewissermaßen unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der einzelnen Handlungen zur Herbeiführung des Todes des Mordopfers – noch einmal schuldsteigernd bewerten. Das Landgericht unterzieht die Schläge und die einzelnen Schüsse einer besonderen Betrachtung, das Oberlandesgericht äußert die Ansicht, die Tötung eines bereits am Boden liegenden Menschen mit mehreren Kopfschüssen gehe weit über die zur Tatbestandserfüllung erforderliche Tötungshandlung hinaus, obwohl sich gerade darin die bereits berechtigterweise schuldsteigernd gewerteten Beweggründe verwirklichen. Die Vollstreckungsgerichte begeben sich damit auf einen Boden, auf den nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Schuldbewertung nicht mehr sicher gegründet werden kann.
3. Die angegriffenen Entscheidungen werden aufgehoben da zu besorgen ist, daß die festgelegte Vollstreckungsdauer von 20 Jahren – sie liegt um zwei Jahre über der von der Justizvollzugsanstalt für nötig erachteten Vollstreckungsdauer – auf den dargestellten fehlerhaften Erwägungen beruht. Die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.
III.
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Kruis, Winter
Fundstellen
Haufe-Index 1276286 |
NStZ 1999, 101 |