Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Gewährung des Freibetrags gemäß § 19 Abs. 3 EStG 1977 ausschließlich an Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit läßt keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz erkennen.
2. Der Arbeitnehmer-Freibetrag in Höhe von 480,– DM gem. § 19 Abs. 4 EStG soll Nachteile zu Lasten der Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit infolge frühzeitiger und bisweilen zu hoher steuerlicher Erfassung beim Lohnsteuerabzug ausgleichen.
3. Der ursprünglich als echter Weihnachts-Freibetrag ausgestaltete Freibetrag gemäß § 19 Abs. 3 EStG 1977 ist durch die völlige Abänderung seiner Voraussetzungen zu einem Arbeitnehmer-Freibetrag umgestaltet worden.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; EStG 1977 § 19 Abs. 3-4
Verfahrensgang
Gründe
Die Gewährung des Freibetrags gemäß § 19 Abs. 3 EStG 1977 ausschließlich an Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit läßt keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) erkennen. Der Gleichheitssatz wird verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 43, 231 ≪240≫) hat bereits die Gewährung des allgemeinen Arbeitnehmer-Freibetrags in Höhe von 480,– DM gemäß § 19 Abs. 4 EStG verfassungsrechtlich nicht beanstandet, weil damit Nachteile zu Lasten der Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit infolge frühzeitiger und bisweilen zu hoher steuerlicher Erfassung beim Lohnsteuerabzug ausgeglichen werden sollen.
In verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise ist der Bundesfinanzhof in Übereinstimmung mit Rechtsprechung und einer weit verbreiteten Auffassung im Schrifttum zu dem Ergebnis gelangt, daß der ursprünglich als echter Weihnachts-Freibetrag ausgestaltete Freibetrag gemäß § 19 Abs. 3 EStG 1977 durch die völlige Abänderung seiner Voraussetzungen (vgl. Steueränderungsgesetz vom 27. Dezember 1960, BGBl. I 1960 S. 1077) zu einem Arbeitnehmer-Freibetrag umgestaltet worden ist. Zwar enthält § 19 Abs. 3 EStG noch den Begriff des Weihnachts-Freibetrags. Der Freibetrag wird jedoch tatsächlich unabhängig davon gewährt, ob der Steuerpflichtige eine Weihnachtszuwendung oder ob er überhaupt Arbeitslohn in dem nach § 19 Abs. 3 Satz 1 EStG maßgebenden Zeitraum erhält. Der Freibetrag wird gemäß § 19 Abs. 3 Satz 2 EStG auf jeden Fall bei der Veranlagung zur Einkommensteuer bzw. beim Lohnsteuer-Jahresausgleich als Jahresfreibetrag berücksichtigt.
Hat der Freibetrag nach seinen gesetzlichen Voraussetzungen und seiner inhaltlichen Ausgestaltung die Funktion eines Arbeitnehmer-Freibetrags erlangt, so ist es von Verfassungs wegen unbedenklich, wenn der Bundesfinanzhof den Materialien im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers keine entscheidende Bedeutung beimißt. Die Entstehungsgeschichte einer gesetzlichen Norm kann ohnehin nur mit Vorsicht herangezogen werden. Sie kann nicht dazu führen, die Motive der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen. Der Wille des Gesetzgebers kann bei der Auslegung des Gesetzes nur insoweit berücksichtigt werden, als er in dem Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat (vgl. BVerfGE 11, 126 ≪129 f.≫; 62, 1 ≪44 f.≫ m.w.N.; 64, 261 ≪275≫; 69, 1 ≪29≫).
Zu Recht hat der Bundesfinanzhof beim Vergleich der Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einerseits und von Einkünften aus selbständiger Arbeit andererseits Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht angenommen, daß eine bezüglich der Gewährung der Freibeträge nach § 19 Abs. 3 und Abs. 4 EStG gegebene ungleiche steuerliche Behandlung von Arbeitnehmern und Freiberuflern hinreichend sachlich gerechtfertigt ist. Zum einen wird der Arbeitnehmer durch die sofortige und vollständige Steuererhebung durch Einbehaltung der Lohnsteuer beim Arbeitgeber gegenüber sonstigen einkommensteuerpflichtigen Steuerbürgern benachteiligt. Zum anderen bieten die Gewinnermittlungsvorschriften veranlagten Steuerpflichtigen in größerem Umfange legale Gestaltungsmöglichkeiten, als sie Arbeitnehmern zur Verfügung stehen (vgl. u.a. den schriftlichen Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks. VI/75, S. 1).
Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die Gewährung der Freibeträge nicht über die erwähnten Besonderheiten hinaus zusätzlich aus sozialpolitischen Erwägungen rechtfertigt (vgl. BVerfGE 13, 181 ≪203≫; 65, 325 ≪354≫ m.w.N.).
Schließlich läßt der Beschwerdeführer außer acht, daß ihm ein Freibetrag bis zu 1 200,– DM im Streitjahr gemäß § 18 Abs. 4 EStG steuermindernd zur Verfügung stand, dessen Zweck keineswegs gesicherter Erkenntnis unterliegt (vgl. Tipke, Steuer und Wirtschaft 1980, S. 1, 3 f. m.w.N.; Buciek, FR 1987, S. 3, 4 insbesondere Fn. 14).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 34 Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen