Verfahrensgang
OLG Celle (Beschluss vom 17.12.2004; Aktenzeichen 6 W 123/04) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Erbscheinsverfahren.
1. Der Beschwerdeführer wurde am 7. März 1948 in Leipzig als außereheliches Kind geboren. Sein Vater erkannte die Vaterschaft an und verstarb im Februar 1954 in Leipzig, seinem gewöhnlichen Aufenthalt. Bis Ende Januar 1990 hatte auch der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet, dann siedelte er in die alten Bundesländer über.
Am 9. Juli 2001 verstarb die Erblasserin. Sie war die Schwester des Vaters des Beschwerdeführers und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt durchgehend in den alten Bundesländern. Die Erblasserin hinterließ ein Vermögen im Wert von rund 405.000 EUR, keine Verfügung von Todes wegen und – abgesehen vom Beschwerdeführer – keine Verwandten. Bei Verneinung der Erbenstellung des Beschwerdeführers würde daher der Landesfiskus erben.
Den Antrag des Beschwerdeführers vom 23. Juli 2001 auf Erbscheinserteilung des Inhalts, dass er Alleinerbe sei, wies das Amtsgericht – Nachlassgericht – mit Beschluss vom 15. November 2001 zurück. Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel des Beschwerdeführers blieben ohne Erfolg. Zuletzt wies das Oberlandesgericht seine weitere Beschwerde mit Beschluss vom 17. Dezember 2004 zurück. Dabei stellte es auf Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG als maßgebliche Norm ab, wonach vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindern kein Erbrecht nach dem Vater und dessen Verwandten zustehe. Der Beschwerdeführer sei trotz seines gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet bis Ende Januar 1990 ein nichteheliches Kind im Sinne dieser Norm. Denn nach Art. 234 § 1 EGBGB gelte für alle familienrechtlichen Verhältnisse mit dem Beitritt das Bürgerliche Gesetzbuch mit der Folge, dass außerhalb der Ehe geborenen Kindern, für die das Recht der Deutschen Demokratischen Republik galt, nunmehr die Rechtsstellung eines nichtehelichen Kindes zukomme. Die Anwendung des Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG werde auch nicht durch Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB ausgeschlossen. Diese Vorschrift habe den Zweck, dem vor dem Beitritt geborenen nichtehelichen Kind die durch das bessere Erbrecht der Deutschen Demokratischen Republik begründete Erberwartung auch für Erbfälle nach dem Beitritt zu erhalten. Nachdem die Erblasserin aber ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik hatte, habe das Erbrecht der Deutschen Demokratischen Republik für den Beschwerdeführer insoweit auch keine Erberwartung begründen können.
2. Mit seiner fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts. Er rügt die Verletzung von Art. 6 Abs. 5 und Art. 14 Abs. 1 GG. Außerdem greift er mittelbar Art. 234 § 1, § 12 EGBGB an.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫).
1. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig. Ihrer Zulässigkeit steht der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Dieser erfordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um die Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung durch die Fachgerichte zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 73, 322 ≪325≫; 81, 22 ≪27≫; 95, 163 ≪171≫; stRspr).
Eine derartige Möglichkeit besteht hier. Dem Beschwerdeführer geht es darum, als Alleinerbe festgestellt zu werden und sich gegen den Landesfiskus insoweit durchzusetzen. Dieses Rechtsschutzziel kann er trotz fehlender weiterer statthafter Rechtsmittel im Erbscheinsverfahren immer noch vor den Fachgerichten erreichen. Für den Streit um das Erbrecht zwischen den Erbprätendenten entfaltet der Ausgang des Erbscheinsverfahrens keine präjudizielle Wirkung, sondern hat allenfalls Einfluss auf die Beweisführung (vgl. dazu nur Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., 2005, Überbl v § 2353 Rn. 5 f. sowie § 2365 Rn. 4). Der Beschwerdeführer kann deshalb gegen den Landesfiskus auf Feststellung seines Erbrechts klagen, was im Übrigen bereits aus § 1965 Abs. 2 Satz 1 BGB folgt. Ein entsprechendes Feststellungsurteil erwüchse im Verhältnis zum Landesfiskus als dem einzigen anderweit in Frage kommenden Erben in Rechtskraft, die dem Erbschein nicht innewohnt, da er bei Unrichtigkeit von Amts wegen wieder einzuziehen ist (§ 2361 BGB).
Es ist dem Beschwerdeführer auch nicht unzumutbar, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Eine derartige Unzumutbarkeit ergibt sich weder aus der Dauer des Erbscheinsverfahrens noch war bereits der bei einer Feststellungsklage letztinstanzlich zuständige Bundesgerichtshof mit der Sache befasst. Tatsächlich erscheint zumindest nicht ausgeschlossen, dass ein streitiges Verfahren zu einer weiteren – eventuell auch höchstrichterlichen – Klärung der relativ komplexen einfachrechtlichen Lage führt. Die Fachgerichte haben nämlich eine (fiktive) Erbenstellung des Beschwerdeführers bei unterstelltem Versterben der Erblasserin vor dem Beitritt ohne Prüfung der kollisionsrechtlichen Vorschriften mit dem Hinweis auf Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG abgelehnt. Die Vorfrage, ob der Beschwerdeführer vor dem Beitritt als nichteheliches Kind im Sinne des Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG einzustufen war, haben sie dabei nicht näher – etwa mit Blick auf die möglicherweise anwendbaren Art. 220 Abs. 1 EGBGB, Art. 22 EGBGB (in der bis 31. August 1986 gültigen Fassung), § 8 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Familiengesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik (vom 20. Dezember 1965, GBl I 1966 S. 19) – untersucht. Daher blieb auch die (sich bei Verneinung der Nichtehelichkeit stellende) Folgefrage unerörtert, ob dem Beschwerdeführer durch die Anwendung des BGB-Familienrechts eine Erberwartung einigungsbedingt genommen wurde. Die Fachgerichte ließen deshalb weiter offen, ob insoweit eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes vorliegt und – bejahendenfalls – die Fallkonstellationen derartig vergleichbar sind, dass eine Analogie zu Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB gerechtfertigt ist.
2. Die Verfassungsbeschwerde wird darüber hinaus auch dem Begründungserfordernis der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht gerecht.
Zwar ist die einfachrechtliche Problematik umfassend und gründlich aufgearbeitet. Inwiefern aber die möglicherweise unrichtige rechtliche Behandlung durch die Fachgerichte zu verfassungsrechtlichen Bedenken Anlass geben soll, teilt der Beschwerdeführer nicht mit. Er rügt lediglich das Übergehen von seiner Meinung nach einschlägigen IPR-Kollisionsnormen durch das Oberlandesgericht und die deswegen unterbliebene Prüfung einer analogen Anwendung des Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB – mithin einen einfachrechtlichen Fehler, jedoch keine Verkennung der Maßstäbe von Art. 6 Abs. 5 und Art. 14 Abs. 1 GG. Ein verfassungsrechtlicher Bezug erschließt sich auch nicht anderweitig. Denn allein der Umstand, dass die Fachgerichte aufgrund einfachrechtlicher Fehler dem Beschwerdeführer zu Unrecht die Erbenstellung abgesprochen haben könnten, lässt trotz des nicht unbeträchtlichen Nachlasswertes keinen zwingenden Rückschluss auf die gerügten Grundrechtsverletzungen zu.
Mit der Verfassungsbeschwerde wird darüber hinaus nicht mitgeteilt, weshalb Art. 234 § 1, § 12 EGBGB verfassungswidrig sein sollen. Im Gegenteil: Nach Auffassung des Beschwerdeführers kann seiner mit der Anwendung des BGB-Familienrechts verbundenen Benachteiligung ohne weiteres mit einer analogen Anwendung des Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB begegnet werden. Eine substanziierte Begründung fehlt daher auch insoweit.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen
NJW-RR 2005, 1600 |
ZEV 2006, 74 |