Entscheidungsstichwort (Thema)
Subsidiarität der Verfassunsbeschwerde
Beteiligte
Rechtsanwälte Walter Remmers und Koll. |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Der Beschwerdeführer, ein beamteter Schulleiter, wendet sich gegen die durch Art. 3 des Gesetzes zur besoldungsrechtlichen Gleichstellung der Lehrerinnen und Lehrer im Dienst des Landes Sachsen-Anhalt vom 27. Juli 1995 (GVBl S. 217) – künftig: LGG – eingeführte und vom ihm als zu niedrig beanstandete Ausgleichszulage.
Entscheidungsgründe
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫; 96, 245 ≪248≫) liegen nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25≫; 96, 245 ≪248≫).
1. Die unmittelbar gegen Art. 3 LGG gerichtete Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihr steht der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nach § 90 Abs. 2 BVerfGG entgegen. Dem Beschwerdeführer ist zwar kein fachgerichtlicher Rechtsweg gegen die Norm selbst eröffnet. Es ist ihm aber zuzumuten, gegen die behaupteten Eingriffe zunächst Abhilfe vor den Fachgerichten zu suchen (vgl. BVerfGE 68, 319 ≪325 f.≫; 70, 35 ≪53 f.≫; 71, 305 ≪335 f.≫; 74, 69 ≪74 f.≫).
2. Dem Beschwerdeführer ist es möglich und zumutbar, fachgerichtlichen Rechtsschutz gegen die von ihm beanstandete Ersetzung der Funktionszulage nach § 7 Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung durch eine abschmelzende Ausgleichszulage nach Art. 3 LGG zu erlangen. Zum einen kann er bei seinem Dienstherrn eine Erhöhung der Bezüge beantragen. Hat ein solcher Antrag im Verwaltungs- und im Vorverfahren keinen Erfolg, kann er vor dem zuständigen Verwaltungsgericht im Wege der Leistungsklage vorgehen (vgl. BVerfGE 81, 363 ≪369 f.≫; 99, 300 ≪306≫). Zum anderen kann er gegenüber dem Dienstherrn die Verleihung eines höheren, seiner Funktion als Schulleiter statusgerechten Amtes zunächst im Verwaltungs- und im Vorverfahren und dann im Verwaltungsprozess geltend machen.
Darüber hinaus hätte sich für den Beschwerdeführer, jedenfalls seinem Vortrag zufolge, noch eine dritte Möglichkeit geboten, sein Begehren fachgerichtlich zu verfolgen. Setzt die Durchführung der angegriffenen Vorschrift auch nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis einen besonderen Vollzugsakt – hier: in der Form der dem Beschwerdeführer durch seinen Dienstherrn wiederholt zugeleiteten schriftlichen Mitteilungen und Verfügungen – voraus, muss der Beschwerdeführer grundsätzlich zunächst diesen Akt angreifen und den gegen ihn eröffneten Rechtsweg ordnungsgemäß erschöpfen, bevor er Verfassungsbeschwerde erhebt.
In einem der vorgenannten möglichen Verfahren hätte der Beschwerdeführer die in der Verfassungsbeschwerdeschrift behaupteten Rechtsverletzungen vortragen können. Das Verwaltungsgericht hätte sodann fachgerichtlich klären können, wie sich die Einführung von Art. 3 LGG auf die Status-, Alimentations-, Fürsorge- und Gleichheitsrechte des Beschwerdeführers auswirkt. Wäre das Verwaltungsgericht anlässlich seiner Prüfung zu der Auffassung gelangt, die Ersetzung der bundesrechtlichen Funktionszulage durch eine landesrechtliche Ausgleichszulage verletze den Beschwerdeführer in seinen Rechten, hätte es hierzu nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen gehabt. Dass eine Anrufung der Fachgerichte nicht von vornherein aussichtslos gewesen wäre, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu besoldungsrechtlichen Amts-, Funktions- sowie Überleitungs- und Ausgleichszulagen (vgl. BVerfGE 36, 372 ≪380 f.≫; 70, 251 ≪269≫).
Auf diese Weise wird vermieden, dass eine Normenkontrolle unter Loslösung von der konkreten Anwendung der betreffenden Norm im Einzelfall und ohne Vorklärung der Tatsachen und Rechtsfragen durch die zuständigen Gerichte vorzunehmen ist (vgl. BVerfGE 74, 69 ≪74 f.≫; 90, 128 ≪136 f.≫). Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob der Verwaltung durch das Gesetz beim Erlass des Vollzugsaktes ein Entscheidungsspielraum eingeräumt ist (vgl. BVerfGE 58, 81 ≪104 f.≫; 71, 25 ≪35≫; 72, 39 ≪43 f.≫; 74, 69 ≪75≫; 79, 1 ≪20≫). Erreicht werden soll, dass das Bundesverfassungsgericht nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weit reichende Entscheidungen trifft. Bei der Rechtsanwendung durch die sachnäheren Fachgerichte können – auf Grund besonderen Sachverstands – möglicherweise für die verfassungsrechtliche Prüfung erhebliche Tatsachen zu Tage gefördert werden (vgl. BVerfGE 56, 54 ≪69≫; 79, 1 ≪20≫).
Dazu, warum er den aufgezeigten fachgerichtlichen Rechtsweg nicht beschritten hat, trägt der Beschwerdeführer pauschal vor, die betroffene Verwaltungsgerichtsbarkeit sei überlastet, dem entsprechend müsse mit einer für die betroffenen Schulleiter unzumutbar langen prozessualen Verfahrensdauer vor den Fachgerichten gerechnet werden. Darin liegt unter Berücksichtigung der aufgezeigten zumutbaren Möglichkeiten fachgerichtlicher Rechtsschutzgewährung zugleich ein Substantiierungsmangel i.S. §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG, der dazu führt, die Verfassungsbeschwerde auch aus diesem Grund als unzulässig zu beurteilen.
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Jentsch, Di Fabio
Fundstellen
Haufe-Index 565403 |
ZBR 2001, 208 |