Entscheidungsstichwort (Thema)

Stattgebender Kammerbeschluß: Verletzung rechtlichen Gehörs durch Zurückweisung von erheblichem Vorbringen - hier Zweifel am Eigennutzungswunsch des Räumungsklägers - grobe Nachlässigkeit gem ZPO § 296 Abs. 2

 

Orientierungssatz

1. Vorbringen des Berufungsbeklagten, das weder die Voraussetzungen von ZPO § 527 noch § 528 erfüllt, kann gem ZPO §§ 523, 296 Abs 2, 282 als verspätet zurückgewiesen werden, wenn die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht (vgl BGH, 1986-04-23, VIII ZR 128/85, NJW-RR 1986, 1317). Die Erfüllung dieser Voraussetzungen muß sich dem angegriffenen Urteil entnehmen lassen oder sonst ersichtlich sein.

2. Geht erheblicher Vortrag des Berufungsklägers (hier: des Mieters im Räumungsprozeß zur Ernsthaftigkeit des Selbstnutzungswunsches des Vermieters) außerhalb der Frist von ZPO § 520 Abs 2 S 1 und wenige Tage vor einem Verhandlungstermin bei Gericht ein, so läßt sich schwerlich eine grobe Nachlässigkeit herleiten, wenn der Zeitpunkt des Vorbringens damit gerechtfertigt ist, daß die zugrundeliegenden Tatsachen "erst jetzt" bekannt geworden seien.

3. Ist erheblicher Vortrag unberücksichtigt geblieben, ohne daß der präkludierten Partei ein rechtlich beachtliches Versäumnis anzulasten ist, muß das Gericht, will es einen Verstoß gegen GG Art 103 Abs 1 ausräumen, darlegen, daß sein Vorgehen gleichwohl mit verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar ist (vgl BVerfG, 1985-11-05, 2 BvR 1434/83, BVerfGE 71, 122 ≪135f≫).

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; ZPO §§ 527, 523, 296 Abs. 1-2, §§ 282, 520 Abs. 2 S. 1, § 528; BGB § 564b Abs. 2 Nr. 2; BVerfGG § 93b Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Entscheidung vom 02.05.1990; Aktenzeichen 2 S 425/89)

 

Fundstellen

Dokument-Index HI543689

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