Verfahrensgang

Niedersächsisches OVG (Beschluss vom 28.02.1996; Aktenzeichen 11 L 7129/95)

VG Stade (Urteil vom 12.09.1995; Aktenzeichen 4 A 2011/94)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

I.

Gegenstand der Verfassungbeschwerden sind Rügen der Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG durch die Behandlung von Asylanträgen als Folgeanträge auch insoweit, als sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG betreffen, obwohl in vorausgegangenen Asylverfahren zum Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 51 Abs. 1 AuslG keine Feststellungen getroffen worden waren. Ferner wird die Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gerügt, weil die Zulassung der Berufung zur Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG zu Unrecht mangels erforderlichen Rechtsschutzinteresses mit der Begründung abgelehnt worden ist, die Beschwerdeführer besäßen Aufenthaltsbefugnisse bereits aufgrund der Aufnahmebefugnis der obersten Landesbehörden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht gegeben (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫).

  • Die angegriffenen Urteile des Verwaltungsgerichts verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG.

    a) Die Beschwerdeführer rügen als objektiv willkürlich, daß das Verwaltungsgericht ihre im April 1994 gestellten Asylanträge auch insoweit als Folgeanträge gewertet hat, als diese die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG zum Gegenstand hatten. Über ein Abschiebungsverbot sei in ihren vorangegangenen Asylverfahren nach damaliger Rechtslage noch nicht entschieden worden.

    b) Die Begründung der Verfassungsbeschwerden läßt jedoch nicht erkennen, daß die angegriffenen Urteile auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruhen könnten (vgl. BVerfGE 80, 48 ≪51≫).

    Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seinem von den Beschwerdeführern angeführten Urteil vom 22. März 1994 – 9 C 529.93 – (NVwZ 1994, S. 1117) mit der Frage befaßt, ob auch nach Aufhebung des durch Art. 3 Nr. 20 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl I S. 1354) in das Gesetz über das Asylverfahren vom 16. Juli 1982 (BGBl I S. 946) als “Übergangsvorschrift für Folgeanträge” eingefügten § 43a durch Art. 7 des Gesetzes zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 (BGBl I S. 1126) Asylanträge insoweit als Folgeanträge anzusehen sein könnten, als sie ein Abschiebungsschutzbegehren umfassen, das nicht im Rahmen eines der Feststellung der Asylberechtigung dienenden Verfahrens geprüft worden ist. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit aufgezeigt, daß es bei der Regelung des jetzigen § 71 AsylVfG bleibe, wenn der “Asylantrag alten Rechts wegen fehlender politischer Verfolgung abgelehnt worden ist” (a.a.O., S. 1119).

    So liegen die Fälle hier. Ausweislich der in den Tatbeständen der angegriffenen Urteile getroffenen Feststellungen haben die Beschwerdeführer ihre Klagen zurückgenommen, um die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen aufgrund der Aufnahmebefugnis der obersten Landesbehörden zu schaffen. Damit sind die Ablehnungen ihrer Asylanträge durch Entscheidungen des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bestandskräftig geworden. Daß das Bundesamt die Asylanträge aus Gründen abgelehnt haben könnte, die nur der Gewährung von Asyl, nicht aber der Gewährung von Abschiebungsschutz entgegengestanden hätten, zeigen die Verfassungsbeschwerden nicht auf und ist auch sonst nicht ersichtlich.

    Die von dem Verwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung kann die Beschwerdeführer schon deshalb nicht “überrascht” haben (vgl. BVerfGE 86, 133 ≪144 f.≫), weil das genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlungen im September 1995 bereits veröffentlicht war (vgl. NVwZ 1994, Heft 11).

  • Dem vom Oberverwaltungsgericht für die Ablehnung der Berufungszulassung angeführten Gesichtspunkt des fehlenden Rechtsschutzinteresses halten die Beschwerdeführer entgegen, daß durch die Feststellung eines Verbots der Abschiebung politisch Verfolgter nach § 51 Abs. 1 AuslG weitergehende Rechtsansprüche begründet würden als im Rahmen der Aufnahmebefugnis der obersten Landesbehörden; deshalb dürfe nicht allein darauf abgestellt werden, in beiden Fällen werde eine Aufenthaltsbefugnis erteilt (vgl. § 70 Abs. 1 AsylVfG und § 32 AuslG, jeweils i.V.m. §§ 5 Nr. 4, 30 AuslG). Ob hierdurch der Zugang zu einem vom Gesetz eröffneten Rechtsmittel in aus Sachgründen nicht gerechtfertigter Weise unzumutbar erschwert worden ist (vgl. BVerfGE 49, 329 ≪341≫; 78, 7 ≪18≫), bedarf keiner Entscheidung. Denn die Beschwerdeführer haben nicht aufgezeigt, daß nunmehr die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gegeben sind. In den Verfassungsbeschwerden wird ausdrücklich betont, die Beschwerdeführer nähmen die Urteile hin, “soweit der Asylanspruch betroffen ist”. Warum dessen ungeachtet ein Verbot der Abschiebung politisch Verfolgter bestehen soll, wird nicht hinreichend substantiiert begründet. Damit ist deutlich abzusehen, daß die Beschwerdeführer auch bei einer Aufhebung der angegriffenen Beschlüsse und Zurückverweisung ihrer Verfahren im Ergebnis keinen Erfolg haben würden (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪26≫).

    Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Sommer, Jentsch, Hassemer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1276533

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