Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 06.02.2008; Aktenzeichen 332 T 11/08) |
AG Hamburg (Beschluss vom 21.12.2007; Aktenzeichen 29 c M 948/07) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nicht gegeben ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu, und sie dient auch nicht der Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers; denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Der Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, durch eine eigene Aussage die Voraussetzung für eine strafgerichtliche Verurteilung zu liefern, ist vom Bundesverfassungsgericht als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG anerkannt worden (vgl. BVerfGE 56, 37 ≪41 f.≫; 95, 220 ≪241≫). Durch rechtlich vorgeschriebene Auskunftspflichten kann die Auskunftsperson in die Konfliktsituation geraten, sich entweder selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen oder durch eine Falschaussage gegebenenfalls ein neues Delikt zu begehen oder aber wegen ihres Schweigens Zwangsmitteln ausgesetzt zu werden. Wegen dieser Folgen ist die erzwingbare Auskunftspflicht als Eingriff in die Handlungsfreiheit sowie als Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Art. 2 Abs. 1 GG zu beurteilen. Ein Zwang zur Selbstbezichtigung berührt zugleich die Würde des Menschen, dessen Aussage als Mittel gegen ihn selbst verwendet wird (vgl. BVerfGE 56, 37 ≪41 f.≫).
Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz vor einer solchen Zwangslage schließt die Rechtmäßigkeit von gesetzlichen Auskunftspflichten nicht grundsätzlich aus, auch wenn damit der Zwang zur Offenbarung strafbarer Handlungen verbunden ist (vgl. BVerfGE 56, 37 ≪41 ff.≫). Die Zumutbarkeit einer solchen uneingeschränkten Auskunftspflicht rechtfertigt es aber nicht, dass der Auskunftspflichtige zugleich zu seiner strafrechtlichen Verurteilung beitragen muss. Das verfassungsrechtlich gebotene Schweigerecht im Strafverfahren wäre illusorisch, wenn eine außerhalb des Strafverfahrens erzwungene Selbstbezichtigung gegen seinen Willen strafrechtlich gegen ihn verwendet werden dürfte. Eine zwangsweise herbeigeführte Selbstbezichtigung ist daher verfassungsrechtlich nur dann zulässig, wenn sie mit einem strafrechtlichen Verwertungsverbot einhergeht (vgl. BVerfGE 56, 37 ≪50 f.≫).
2. Nach diesem Maßstab unterliegen die angegriffenen Entscheidungen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Das Bundesverfassungsgericht prüft gerichtliche Entscheidungen nur in einem eingeschränkten Umfang nach. Ihm obliegt keine umfassende Kontrolle daraufhin, ob die Gerichtsentscheidungen das jeweilige Fachrecht „richtig” im Sinne einer größtmöglichen Gewähr der Gerechtigkeit anwenden. Das Bundesverfassungsgericht greift vielmehr nur ein, wenn die Gerichte übersehen, dass ihre Entscheidung Grundrechte berührt, oder wenn sie die Bedeutung und Tragweite von Grundrechten nicht hinreichend berücksichtigen oder wenn sie sonst aus sachfremden und damit objektiv willkürlichen Gründen entscheiden (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f., 96≫).
Das Landgericht hat sich in dem angegriffenen Beschluss mit dem Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare” in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auseinandergesetzt und dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass die Auskunftspflicht des Schuldners aus § 807 ZPO nicht entfalle, wenn der Schuldner eine von ihm begangene Straftat zwar offenbaren müsse, aber die auf diese Weise gewonnenen Informationen einem strafprozessualen Verwertungsverbot unterlägen. Diese Auffassung wird auch in Rechtsprechung (vgl. BGHSt 37, 340 ≪342 f.≫) und Schrifttum vertreten (vgl. Schäfer, in: Festschrift für Hanns Dünnebier, 1982, S. 11 ≪40≫); Dingeldey, NStZ 1984, S. 529 ≪531 f.≫; Bärlein/Pananis/Rehmsmeier, NJW 2002, S. 1825 ≪1827≫).
Es unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Landgericht in der Verpflichtung des Beschwerdeführers, im Rahmen der eidesstattlichen Versicherung etwaige Bankkonten im Ausland anzugeben, keinen Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz gesehen hat. Der Schuldner ist bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht verpflichtet, die – gegebenenfalls aus einer Straftat resultierende – Herkunft der Gelder, die sich auf den Konten befinden, anzugeben. Die Frage, ob die Angaben über ausländische Konten des Beschwerdeführers von der Staatsanwaltschaft zum Anlass für die Einleitung von Ermittlungen und die Durchführung von Zwangsmaßnahmen genommen werden dürfen, betrifft die Reichweite des Verwertungsverbots und wäre zunächst von den Fachgerichten in einem gegebenenfalls durchzuführenden Strafverfahren zu beurteilen. Der vorliegende Sachverhalt gibt zu einer näheren Erörterung der Reichweite des Verwertungsverbots keinen Anlass.
Im Hinblick auf die Höhe des zu vollstreckenden Geldbetrages ist die Verpflichtung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nicht unverhältnismäßig.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 2055437 |
WM 2008, 989 |
WuB 2008, 865 |
PStR 2008, 201 |