Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde bzgl der Anrechnung der Abgeordnetenentschädigung auf die gesetzliche Altersrente gem § 29 Abs 2 S 2 AbgG
Normenkette
AbgG § 29 Abs. 2 S. 1, § 11 Abs. 1, § 29 Abs. 2 S. 2, § 11 Abs. 3; GG Art. 14 Abs. 1 S. 1, Art. 48 Abs. 3 S. 1; SGB VI § 4 Abs. 3, § 35
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen das aus der mittelbar angegriffenen Vorschrift folgende hälftige Ruhen seines Anspruches auf Altersrente nach dem SGB VI neben seiner Entschädigung als Abgeordneter des Deutschen Bundestages.
Rz. 2
1. Der 1954 geborene Beschwerdeführer war im Zeitraum von 1970 bis 2012 rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Seit 2005 ist er Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Die damit unter anderem verbundene Entschädigung nach § 11 Abs. 1 AbgG orientiert sich an den Bezügen eines Richters an einem obersten Gerichtshof des Bundes und beträgt monatlich rund 10.000 Euro brutto.
Rz. 3
2. Mit dem angegriffenen Bescheid gewährte ihm die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Regelaltersrente nach dem SGB VI ab dem 1. November 2019. Sie verringerte dabei den ermittelten Monatsbetrag der Rente in Höhe von zunächst 1.936,05 Euro aufgrund der hier mittelbar angegriffenen Vorschrift des § 29 Abs. 2 Satz 2 AbgG um 50 %. Der Widerspruch des Beschwerdeführers gegen die Kürzung blieb erfolglos.
Rz. 4
3. Mit dem angegriffenen Urteil hat das Sozialgericht die Klage des Beschwerdeführers auf Auszahlung der vollen Rente abgewiesen. Mit dem ebenfalls angegriffenen Urteil hat das Bundessozialgericht die Sprungrevision des Beschwerdeführers zurückgewiesen. § 29 Abs. 2 Satz 2 AbgG sei zutreffend angewendet worden; insbesondere sei im Hinblick auf die Norm keine Aussetzung des Verfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG geboten. Der Senat habe nicht die hierfür notwendige Überzeugung gewinnen können, dass diese Regelung verfassungswidrig sei. Der Senat hat sodann ausführlich begründet, weshalb die Regelung eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 GG darstelle und daneben auch kein gleichheitsrechtlicher Grundrechtsverstoß vorliege.
II.
Rz. 5
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer einen Verstoß der mittelbar angegriffenen Regelung und der darauf beruhenden angegriffenen Entscheidungen gegen Art. 14 Abs. 1 GG, weil der Eingriff in das Eigentum an seinem Rentenanspruch weder erforderlich noch im engeren Sinne verhältnismäßig sei.
III.
Rz. 6
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Annahme ist insbesondere nicht nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt.
Rz. 7
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie die Anrechnung von Rente und Abgeordnetenentschädigung nach § 29 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 AbgG als solche angreift. Soweit sie rügt, diese Vorschrift sei verfassungswidrig, weil die Anrechnung bei der Rente und nicht bei der Abgeordnetenentschädigung ansetze, ist sie zulässig. Sie trägt substantiiert vor, der Eingriff sei nicht erforderlich, um das gesetzgeberische Ziel zu erreichen, da eine Anrechnung der Rente auf die Abgeordnetenentschädigung gleich geeignet, aber grundrechtsmilder sei.
Rz. 8
2. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie aber unbegründet.
Rz. 9
a) Eine Regelung ist nicht erforderlich, wenn ein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Gemeinwohlziels zur Verfügung steht, das den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet (vgl. BVerfGE 77, 84 ≪109 ff.≫; 81, 70 ≪91 f.≫; 103, 172 ≪183 f.≫; 113, 167 ≪259≫; 148, 40 ≪57 Rn. 47≫; 159, 223 ≪314 Rn. 203≫; stRspr). Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen (vgl. BVerfGE 81, 70 ≪91≫; 159, 223 ≪314 Rn. 203≫). Die Frage der Erforderlichkeit bezieht sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die jeweilige Einwirkung der alternativ betrachteten Mittel auf grundrechtlich geschützte Interessen (vgl. BVerfGE 164, 76 ≪126 Rn. 152≫; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. November 2023 - 1 BvL 6/21 -, Rn. 143 m.w.N.).
Rz. 10
b) aa) Diesen Maßstab zugrunde gelegt, genügt die angegriffene Norm den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Der alternativ betroffene Anspruch auf Abgeordnetenentschädigung beruht auf Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG und gehört damit zu dem verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten. Die mit diesem Status verbundenen Fragen sind in einem staatsorganisatorischen Zusammenhang geregelt und entziehen sich daher grundrechtlichen Argumentationsfiguren (vgl. BVerfGE 118, 277 ≪327 f.≫; vgl. zur fehlenden Vergleichbarkeit in Bezug auf das grundrechtsgleiche Recht aus Art. 33 Abs. 5 GG auch BVerfGE 76, 256 ≪342≫). Aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit mit einem Eingriff in einen grundrechtlich geschützten Anspruch kann die Beeinträchtigung des in einem anderen Sach- und Regelungszusammenhang stehenden Anspruchs auf Abgeordnetenentschädigung nicht als ein den Beschwerdeführer weniger belastendes Mittel angesehen werden.
Rz. 11
bb) Der Gesetzgeber verfügt zudem über eine Gestaltungsfreiheit bei der Frage, wie er einen von ihm als unerwünscht angesehenen Doppelbezug vermeiden oder beseitigen möchte (vgl. BVerfGE 31, 185 ≪191 f.≫; 76, 256 ≪321≫; 79, 87 ≪98≫). Dem obiter dictum in dem Beschluss vom 30. September 1987 (vgl. BVerfGE 76, 256 ≪343≫) kann nichts Gegenteiliges entnommen werden. Der Gesetzgeber war daher aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gehalten, dem von ihm für unerwünscht gehaltenen Doppelbezug aus öffentlichen Kassen nur mit einer Kürzung der Abgeordnetenentschädigung zu begegnen, anstatt die Beschränkung des Doppelbezuges mit einer Entlastung der Rentenkassen zu verbinden.
Rz. 12
cc) Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb eine Kürzung der Abgeordnetenentschädigung den Beschwerdeführer weniger belastete, wenn sich dadurch der Gesamtbetrag der Bezüge nicht erhöhte (vgl. BVerfGE 31, 185 ≪191≫; 128, 138 ≪152≫; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. November 2023 - 1 BvL 6/21 -, Rn. 144).
Rz. 13
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Rz. 14
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
Dokument-Index HI16658816 |