Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtannahmebeschluss: Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde in einer sorgerechtlichen Sache. Begründungsmangel bei unterbliebener Vorlage entscheidungserheblicher Unterlagen (hier: Vermerk über Anhörung der Verfahrensbeiständin und des Jugendamtes)
Normenkette
GG Art 6 Abs. 2 S. 1; BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2, § 92; BGB § 1666 Abs. 1, 3 Nr. 6
Verfahrensgang
OLG Rostock (Beschluss vom 20.04.2020; Aktenzeichen 10 UF 50/20) |
AG Schwerin (Beschluss vom 17.02.2020; Aktenzeichen 22 F 329/19) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Rz. 1
1. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist.
Rz. 2
Entgegen den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG hat es die Beschwerdeführerin versäumt, mit dem Vermerk über die am 4. Februar 2020 vor dem Amtsgericht erfolgte Anhörung der Verfahrensbeiständin und des Jugendamts für die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erforderliche Unterlagen beizufügen. Auf die dort offenbar erfolgten, auch im angegriffenen Beschluss vom 17. Februar 2020 inhaltlich nicht näher ausgeführten Angaben stützt das Amtsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des Sorgerechtsentzugs neben den Erkenntnissen eines Sachverständigengutachtens maßgeblich. Die Beschwerdeführerin hat auch den wesentlichen Inhalt des Anhörungsvermerks nicht vorgetragen. Da das Oberlandesgericht in seinem Beschluss vom 20. April 2020 weitgehend auf den amtsgerichtlichen Beschluss Bezug nimmt, erfasst der Begründungsmangel auch die gegen die Beschwerdeentscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde.
Rz. 3
2. Wegen der unterbliebenen Vorlage entscheidungserheblicher Unterlagen wird dem Bundesverfassungsgericht nicht die Prüfung ermöglicht, ob die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen den strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen mit der Trennung der Eltern von ihren Kindern einhergehenden Sorgerechtsentzug (dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. April 2018 - 1 BvR 383/18 -, Rn. 16 m.w.N.) standhielten. Insoweit müssen die Fachgerichte auch feststellen und beurteilen, ob unter Berücksichtigung der negativen Folgen einer Trennung des Kindes von den Eltern eine hinreichende Aussicht auf Beseitigung der drohenden Kindeswohlgefährdung besteht und sich seine Situation in der Gesamtbetrachtung verbessert (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. April 2018 - 1 BvR 383/18 -, Rn. 18 m.w.N., stRspr). Zudem ist es verfassungsrechtlich geboten, die dem Kind drohenden Schäden ihrer Art, Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit nach konkret zu benennen und sie vor dem Hintergrund des grundrechtlichen Schutzes vor der Trennung des Kindes von seinen Eltern zu bewerten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. November 2014 - 1 BvR 1178/14 -, Rn. 37 m.w.N.). Dem werden die Fachgerichte regelmäßig nicht allein durch Bezugnahmen auf in ihren Entscheidungen inhaltlich nicht oder allenfalls rudimentär wiedergegebene Erkenntnisquellen entsprechen können.
Rz. 4
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Rz. 5
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
Dokument-Index HI13927468 |