Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine Stimmrechtsentscheidung im Insolvenzverfahren.
Der von einer Abwicklungsanordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht betroffene Beschwerdeführer zu 1) stellte, vertreten durch den Beschwerdeführer zu 2), wegen drohender Zahlungsunfähigkeit beim Insolvenzgericht einen Insolvenzeigenantrag und reichte den Entwurf eines Insolvenzplans ein. Im Termin zur Erörterung und Abstimmung über den Insolvenzplan trat ein Rechtsanwalt auf, dem mehrere Insolvenzgläubiger gebundene Stimmrechtsvollmachten erteilt hatten und der aus der Sozietät des Beschwerdeführers zu 2) stammte. Zu Beginn des Termins stellte die den Termin leitende Rechtspflegerin des Insolvenzgerichts fest, dass die Stimmrechtsvollmachten wegen eines Verstoßes gegen das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43a Abs. 4 BRAO), gemäß §§ 134, 139 BGB unwirksam seien. Einen Antrag auf Stimmrechtsfestsetzung für diese Gläubiger lehnte die Rechtspflegerin deshalb ab und setzte zudem das bestrittene Stimmrecht eines anderen Gläubigers fest. Im Anschluss stimmten die nach der Auffassung der Rechtspflegerin allein stimmberechtigten Gläubiger über den Insolvenzplan ab, für den es in zwei der drei Gruppen nicht die erforderliche Mehrheit gab. Mit Rücksicht auf das Ergebnis der Abstimmung versagte die Rechtspflegerin die Bestätigung des Insolvenzplans. Einen Antrag auf richterliche Festsetzung der Stimmrechte nach § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG lehnte der zuständige Insolvenzrichter ab. Die auf eine fehlerhafte Stimmrechtsfestsetzung gestützte Beschwerde gegen die Versagung der Bestätigung wurde zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 23. Oktober 2008 – IX ZB 235/06 – (u.a. veröffentlicht in NZI 2009, S. 106) mit der Begründung, die Feststellung der Abstimmungsberechtigung gehöre als Vorfrage zur gerichtlichen Stimmrechtsentscheidung, über die das Insolvenzgericht abschließend zu entscheiden habe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung des aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Anspruchs auf Justizgewährung und effektiven Rechtsschutz. Im Übrigen rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 103 Abs. 1 GG, aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot und aus Art. 14 Abs. 1 GG.
Der Bundesgerichtshof habe den aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Anspruch auf Justizgewährung und effektiven Rechtsschutz verletzt, indem er die Anfechtbarkeit der Stimmrechtsentscheidung verneint habe. Es müsse klaglos hingenommen werden, dass ein einzelner Gläubiger einen Insolvenzplan zu Fall bringen könne. Dies widerspreche auch den Rechten der Mehrheit der Gläubiger aus Art. 14 Abs. 1 GG.
Das Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG sowie das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG seien verletzt, weil die Stimmrechtsentscheidungen des Insolvenzgerichts nicht hinreichend begründet und in der Sache unzutreffend seien. Die willkürliche Stimmrechtsfestsetzung verkürze zudem die Rechte der Gläubiger aus Art. 14 Abs. 1 GG
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist die Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte angezeigt. Vielmehr hat die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg.
1. Es kann dahin stehen, ob die Beschwerdeführer die von ihnen gerügte Verletzung des aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Anspruchs auf Justizgewährung und effektiven Rechtsschutz in einer den Substantiierungsanforderungen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügenden Weise dargetan haben. Jedenfalls hat die Verfassungsbeschwerde in der Sache keine Aussicht auf Erfolg, soweit die Beschwerdeführer beanstanden, dass ihnen durch die Auslegung und Anwendung der §§ 253, 6 InsO durch den Bundesgerichtshof ein Rechtsmittel gegen die Stimmrechtsentscheidungen des Insolvenzgerichts versagt sei. Dass eine durch den Rechtspfleger getroffene Stimmrechtsentscheidung gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 InsO mit Rücksicht auf §§ 6, 253 InsO nur einer einmaligen richterlichen Kontrolle nach § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG unterzogen werden und diese richterliche Entscheidung nicht mehr angefochten werden kann, verletzt weder den aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Anspruch auf Justizgewährung und effektiven Rechtsschutz noch Art. 14 Abs. 1 GG.
a) Das Grundgesetz garantiert im Rahmen des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs ebenso wie nach Art. 19 Abs. 4 GG nur das Offenstehen des Rechtswegs, also die Öffnung des Zugangs zum Gericht. Insofern reicht es grundsätzlich aus, dass die Rechtsordnung eine einmalige Möglichkeit zur Einholung einer gerichtlichen Entscheidung eröffnet (vgl. BVerfGE 54, 277 ≪291≫; 107, 395 ≪402≫; 112, 185 ≪207≫). Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll oder ob mehrere Instanzen bereitgestellt werden und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden können (vgl. BVerfGE 54, 277 ≪291 f.≫; 107, 395 ≪402≫). Ein Instanzenzug ist von Verfassungs wegen nicht garantiert (vgl. BVerfGE 54, 277 ≪291≫; 107, 395 ≪402≫). Das Rechtsstaatsprinzip fordert für gerichtliche Verfahren einen wirkungsvollen Rechtsschutz des einzelnen Rechtsuchenden, andererseits aber auch die Herstellung von Rechtssicherheit, die voraussetzt, dass strittige Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit geklärt werden (vgl. BVerfGE 60, 253 ≪269≫; 88, 118 ≪124≫). Es ist Sache des Gesetzgebers, bei der Ausgestaltung des Verfahrens die einander widerstreitenden Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen und zu entscheiden, welchem von ihnen jeweils der Vorzug zu geben ist. In sachlicher Hinsicht muss der Gesetzgeber die betroffenen Belange angemessen gewichten und in Bezug auf die Auswirkung der Regelung auf den einzelnen Rechtsuchenden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten (BVerfGE 88, 118 ≪124 f.≫; 116, 1 ≪18 f.≫). Auch der Richter muss die Tragweite des Grundrechts auf wirkungsvollen Rechtsschutz berücksichtigen (vgl. BVerfGE 77, 275 ≪284≫; 88, 118 ≪125≫).
b) Mit diesen Grundsätzen steht die von den Beschwerdeführern beanstandete Rechtslage der nur begrenzten Anfechtbarkeit der Stimmrechtsentscheidung durch den Rechtspfleger in der Auslegung, die sie durch die angegriffene Entscheidung des Bundesgerichtshofs erhalten hat, in Einklang. Auch soweit eigentumsrechtlich geschützte Rechtspositionen der Gläubiger betroffen sind, verleiht die den Eigentümern aus Artikel 14 Abs. 1 GG zufließende Rechtsschutzgewährleistung (vgl. BVerfGE 49, 220 ≪225≫; 49, 252 ≪257≫) keine weitergehenden Rechtsschutzansprüche.
aa) Es ist eine zunächst den Fachgerichten vorbehaltene Auslegung des einfachen Verfahrensrechts, wenn der Bundesgerichtsgerichtshof die Entscheidung des Insolvenzrichters nach § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG über die Stimmrechtsneufestsetzung in Auslegung der §§ 253, 6 InsO sowie des § 77 InsO für mit Rechtmitteln nicht weiter angreifbar deutet und die vorgelagerte Entscheidung über die Feststellung der Stimmberechtigung in den Ausschluss von weiteren Rechtsmitteln mit einbezieht. Diese Auslegung der Insolvenzordnung ist Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫; 113, 88 ≪103≫). Welcher Auslegung nach einfachem Recht der Vorzug gebührt, hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden (vgl. BVerfGE 42, 64 ≪74≫). Nur bei einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der einschlägigen Grundrechtsverbürgungen kann das Bundesverfassungsgericht auf eine Verfassungsbeschwerde hin eingreifen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪93≫).
bb) Der Insolvenzrichter übt bei der Entscheidung nach § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG rechtsprechende Gewalt im Sinne des Art. 92 GG aus. Dies ist der Fall, wenn der Gesetzgeber für einen Sachbereich eine Ausgestaltung wählt, die bei funktioneller Betrachtung nur der rechtsprechenden Gewalt zukommen kann. Es handelt sich um materielle Rechtsprechung, wenn der Gesetzgeber ein gerichtsförmiges Verfahren hoheitlicher Streitbeilegung vorsieht und den dort zu treffenden Entscheidungen eine Rechtswirkung verleiht, die nur unabhängige Gerichte herbeiführen können (vgl. BVerfGE 103, 111 ≪137≫). Kennzeichen rechtsprechender Tätigkeit ist daher typischerweise die letztverbindliche Klärung der Rechtslage in einem Streitfall im Rahmen besonders geregelter Verfahren (vgl. BVerfGE 103, 111 ≪138≫). Im Verfahren der Stimmrechtsneufestsetzung nach § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG entscheidet der Insolvenzrichter in diesem Sinne abschließend über das vor dem Rechtspfleger umstrittene Stimmrecht eines Gläubigers und legt den diesbezüglichen Streit der betroffenen Verfahrensbeteiligten bei.
cc) Die Beschränkung der Kontrolle der Stimmrechtsentscheidung des Rechtspflegers einschließlich seiner vorangehenden Beurteilung der Gültigkeit der Gläubigervollmachten auf die Entscheidung des Insolvenzrichters nach § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG ist mit den dargelegten Anforderungen eines verfassungsgemäßen Rechtsschutzes vereinbar. Die dementsprechende Auslegung der §§ 253, 6 InsO in Verbindung mit § 77 InsO durch den Bundesgerichtshof ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden: Vorrangiger Zweck des Insolvenzverfahrens ist unter Berücksichtigung der Lage des Schuldners die bestmögliche Befriedigung der Forderungen der Gläubiger, die auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung als private vermögenswerte Rechte von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sind (vgl. BVerfGE 116, 1 ≪13≫). Gerade der Schutz der Rechte der Gläubiger verlangt einen zügigen und reibungslosen Ablauf des Insolvenzverfahrens als Teil des Zwangsvollstreckungsrechts (vgl. BVerfG 116, 1 ≪13 f., 22≫). Nur dann kann das grundsätzlich eilbedürftige Insolvenzverfahren im Sinne des verfassungsrechtlichen Rechtschutzgebots effizient sein. Eine rückwirkende Beseitigung von Beschlüssen der Gläubigerversammlung im Wege einer Anfechtung der Stimmrechtsfestsetzung würde dagegen die Verfahrensabwicklung verkomplizieren und verlangsamen. Zudem bestünde die Gefahr eines Missbrauchs zum Zwecke der Verfahrensverzögerung. Im Unterschied zur früheren Rechtslage – vgl. § 95 Abs. 3 KO – ist die Stimmrechtsfestsetzung auch nicht gänzlich unanfechtbar. Die Möglichkeit der nachträglichen Korrektur einer Stimmrechtsentscheidung des Rechtspflegers nach § 77 Abs. 2 Satz 2 InsO durch den Richter hat der Gesetzgeber in dem zeitgleich mit der Insolvenzordnung zum 1. Januar 1999 eingeführten § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG gerade wegen der zuvor geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken vorgesehen (vgl. BTDrucks 12/3803, S. 65 f.). Dass der Gesetzgeber sich in besonderer Weise von dem das Insolvenzverfahren beherrschenden Beschleunigungsgebot hat leiten lassen, wird durch seine in der Gesetzesbegründung angefügte Erwägung deutlich, wonach die Entscheidung des Insolvenzrichters nach § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG häufig noch in dem selben Termin erreicht werden könne, weil der Antrag nur bis zum Ende des Termins gestellt werden dürfe. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zudem ermöglicht § 77 Abs. 2 Satz 3 InsO eine nachträgliche Änderung der Stimmrechtsentscheidung durch das Insolvenzgericht.
2. Soweit die Beschwerdeführer im Übrigen hinsichtlich der Stimmrechtsentscheidungen des Insolvenzgerichts eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 103 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG rügen, ist eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts nicht ersichtlich. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Eichberger, Masing
Fundstellen