Entscheidungsstichwort (Thema)
verfassungsrechtliche Prüfung, ob die §§ 59 bis 61 des Bremischen Personalvertretungsgesetzes vom 3. Dezember 1957 (BremGBl. S. 161) mit dem Grundgesetz und mit sonstigem Bundesrecht vereinbar sind. Antragsteller: Der Senat der Freien Hansestadt Bremen, vertreten durch den Präsidenten des Senats
Leitsatz (amtlich)
1. Die Nichtigkeit landesrechtlicher Vorschriften wegen Verletzung der Prinzipien des Art. 28 Abs. 1 und 2 GG kann im Verfahren des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG auch von einer Landesregierung geltend gemacht werden.
2.
- Die verfassungsmäßige Ordnung im demokratischen Rechtsstaat (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) setzt eine funktionsfähige und verantwortliche Regierung voraus.
- Zu den Regierungsaufgaben, die wegen ihrer politischen Tragweite nicht generell der Regierungsverantwortung entzogen und auf von Regierung und Parlament unabhängige Stellen übertragen werden dürfen, gehört die Entscheidung über die personellen Angelegenheiten der Beamten.
3. Es entspricht hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG), daß über Personalangelegenheiten eines Beamten in der Regel allein die ihm vorgesetzten Dienstbehörden entscheiden.
Tatbestand
A.–I.
Nach dem Bremischen Personalvertretungsgesetz (BremPVG) vom 3. Dezember 1957 (GBl. S. 161) bedürfen die Dienststellenleiter zu allen Maßnahmen in sozialen und personellen Angelegenheiten der Angehörigen des öffentlichen Dienstes der Zustimmung einer Vertretung der Bediensteten, des Personalrats. Der Personalrat kann auch von sich aus soziale oder personelle Maßnahmen vorschlagen (Initiativrecht). Einigen sich der Dienststellenleiter und der Personalrat nicht, so entscheiden Einigungsstellen, die beim Senat der Freien Hansestadt Bremen und bei den Stadtverwaltungen Bremen und Bremerhaven gebildet werden. Vorsitzender der Einigungsstellen ist grundsätzlich der Präsident der Bremischen Bürgerschaft; je drei Beisitzer werden vom Dienstherrn und vom Gesamtpersonalrat benannt (§ 60 BremPVG).
Nicht der Mitbestimmung unterliegen die Einleitung dienststrafrechtlicher Maßnahmen und die personellen Angelegenheiten der Dienststellenleiter und ihrer ständigen Vertreter, Bediensteter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in Personalangelegenheiten, der Richter, Staatsanwälte und leitenden Angestellten der öffentlich-rechtlichen Kreditanstalten (§§ 54 Abs. 1 Buchst. e, 66 mit § 10 Abs. 3 BremPVG).
Die Vorschriften über die Einigungsstellen beruhen auf einem während der Gesetzesberatungen gestellten Änderungsantrag der SPD-Fraktion der Bürgerschaft. Dagegen hatte die Senatsvorlage vorgesehen, daß die letzte Entscheidung in personellen Angelegenheiten beim Senat als oberster Dienstbehörde liegen solle. Der von der Bürgerschaft zur Klärung dieser Meinungsverschiedenheit angerufene Bremische Staatsgerichtshof hat am 3. Mai 1957 mit vier gegen drei Stimmen festgestellt, der Änderungsantrag der SPD-Fraktion verstoße nicht gegen die Bremische Verfassung. Diese gewähre in Art. 47 allen öffentlichen Bediensteten einschließlich der Beamten ausdrücklich ein Mitbestimmungsrecht. Diese Einschränkung der bisherigen Befugnisse des Senats sei mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem Wesen der parlamentarischen Demokratie vereinbar.
Demgegenüber hielten es drei Mitglieder des Staatsgerichtshofs in einem abweichenden Votum für verfassungswidrig, wenn die letzte Entscheidung in personellen Angelegenheiten nicht mehr beim Senat, sondern bei einer Einigungsstelle liege. Diese besitze keine vom Volk abgeleitete demokratische Legitimation und trage gegenüber dem Parlament keine politische Verantwortung. Das widerspreche sowohl der demokratischen Struktur der Verfassung wie dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Art. 47 BremVerf. gewähre in personellen Angelegenheiten der öffentlichen Bediensteten kein Mitbestimmungs-, sondern nur ein Anhörungsrecht. Er besage im letzten Satz ausdrücklich, daß die öffentlich-rechtlichen Befugnisse der zuständigen Stellen, also auch des Senats, zu wahren seien. Daß die Einigungsstelle auch für Angelegenheiten der Stadtgemeinde Bremerhaven zuständig sei, verstoße außerdem gegen die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung.
Das von der Bürgerschaft verabschiedete Gesetz weicht von der vom Staatsgerichtshof geprüften Fassung teilweise ab.
II.
Am 4. März 1958 hat der Senat der Freien Hansestadt Bremen beim Bundesverfassungsgericht beantragt, festzustellen:
„Die §§ 59 bis 61 des Bremischen Personalvertretungsgesetzes vom 3. Dezember 1957 – BremGesBl. S. 161 – sind nichtig.”
In der Begründung seines Antrags erklärt der Senat, möglicherweise seien auch die §§ 52 Abs. 1 Satz 1, 58 Abs. 3 und 65 BremPVG nichtig.
Die zuerst genannten Vorschriften (§§ 59 bis 61) betreffen die Einigungsstellen, während die weiteren Vorschriften die Mitbestimmung, die grundsätzliche Allzuständigkeit und das Initiativrecht des Personalrats vorsehen.
Diese Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:
§ 59
(1) Kommt es in einer Angelegenheit, die der Mitbestimmung unterliegt, zwischen dem Personalrat und dem Leiter der Dienststelle zu keiner Einigung, so ist die Einigungsstelle anzurufen.
(2) Sofern der zuständige Senator, der zuständige Dezernent des Magistrats der Stadt Bremerhaven oder der juristische Vertreter der in § 1 erwähnten Körperschaften, Anstalten und Stiftungen nicht beteiligt waren, ist vor Anrufung der Einigungsstelle mit diesen zu verhandeln.
§ 60
(1) Bei jedem der in § 1 genannten Dienstherren (öffentliche Arbeitgeber) wird eine ständige Einigungsstelle gebildet.
(2) Für die Einigungsstelle benennen die in Absatz 1 genannten Dienstherren (öffentliche Arbeitgeber) drei Beisitzer. Die Gesamtpersonalräte und die Personalräte der in § 1 genannten Körperschaften, Anstalten und Stiftungen benennen ebenfalls drei Beisitzer.
(3) Vorsitzender jeder Einigungsstelle ist der Präsident der Bremischen Bürgerschaft mit dem Recht, an seiner Stelle einen Vertreter aus dem Kreise des Vorstandes der Bremischen Bürgerschaft bzw. des Vorstandes der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bremerhaven zu bestellen.
(4) Die Einigungsstellen werden jeweils für die Dauer einer Wahlperiode gebildet.
§ 61
(1) Die Verhandlung vor der Einigungsstelle ist nicht öffentlich.
(2) Die Einigungsstelle entscheidet durch Beschluß mit Stimmenmehrheit.
(3) Der Beschluß ist bindend und den Beteiligten zuzustellen.
(4) Für die Mitglieder der Einigungsstelle gilt § 57 entsprechend.
(5) Die Kosten der Einigungsstelle hat die Verwaltung zu tragen.
§ 52 Abs. 1 Satz 1
Der Personalrat hat die Aufgabe, in allen sozialen und personellen Fragen gleichberechtigt mit dem jeweiligen Leiter der Dienststelle mitzubestimmen.
§ 58 Abs. 3
Beantragt der Personalrat eine Maßnahme, die seiner Mitbestimmung unterliegt, so hat er sie schriftlich dem Leiter der Dienststelle vorzuschlagen.
§ 65
(1) In personellen Angelegenheiten erstreckt sich das Recht der Mitbestimmung des Personalrates, soweit nicht die in § 63 Satz 1 angeführten Einschränkungen gegeben sind, insbesondere auf
- Einstellung, Anstellung und Beförderung von Beamten,
- Entlassung von Beamten auf Probe oder auf Widerruf,
- Einstellung, Höhergruppierung, Rückgruppierung und Kündigung von Angestellten und Arbeitern,
- Versetzung und Abordnung,
- Weiterbeschäftigung über die Altersgrenze hinaus.
(2) Der Personalrat kann seine Zustimmung zur Entlassung eines Beamten auf Probe oder auf Widerruf (Absatz 1 Buchstabe b) oder die Kündigung eines Angestellten oder Arbeiters (Absatz 1 Buchstabe c) nur verweigern,
- wenn für die Entlassung bzw. Kündigung keine hinreichenden sachlichen Gründe vorliegen,
- wenn der durch bestimmte Tatsachen begründete Verdacht vorliegt, daß die Entlassung oder Kündigung eine Benachteiligung wegen Abstammung, Religion, Nationalität, Geschlecht, politischer oder gewerkschaftlicher Einstellung oder Betätigung darstellt,
- aus sozialen Gründen, wenn bestimmte Tatsachen dafür sprechen, daß die Weiterbeschäftigung des Bediensteten für die Dienststelle zumutbar ist.
Nach Auffassung des Bremischen Senats verstoßen die genannten Bestimmungen gegen die Prinzipien der Gewaltenteilung, der Verantwortlichkeit im Rechtsstaat, der demokratischen Legitimation und der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 20, 28 GG), ferner gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 4 und 5 GG) sowie gegen die Rahmenvorschriften des Beamtenrechtsrahmengesetzes und des Personalvertretungsgesetzes des Bundes. Im einzelnen führt der Antragsteller aus:
1. Das Prinzip der Gewaltenteilung sei verletzt, weil das Bremische Personalvertretungsgesetz personalpolitische Entscheidungen dem Senat entziehe und „außerhalb der vollziehenden Gewalt stehenden Einigungsstellen” überlasse, in denen der Präsident der Bürgerschaft als Vertreter der Legislative den Stichentscheid habe. Dies taste den Wesenskern der Regierungsgewalt an, zumal die Personalräte durch ihre Allzuständigkeit (§ 52 Abs. 1 Satz 1) und ihr Initiativrecht (§ 58 Abs. 3) jede Personalangelegenheit zur nach freiem Ermessen zu treffenden und bindenden Entscheidung der Einigungsstelle bringen könnten.
Der Senat könne die Verantwortung für eine ordnungsmäßige Erledigung der Verwaltungsaufgaben nicht tragen, wenn ihm bei der Personalauswahl die letzte Entscheidung entzogen sei. Zudem seien die Einigungsstellen niemandem – auch nicht dem Parlament gegenüber – für ihre Tätigkeit verantwortlich. Beides verletze den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit.
Während die Senatsmitglieder von der Bürgerschaft gewählt seien, besäßen die drei von den Personalräten benannten Beisitzer der Einigungsstellen keine vergleichbare demokratische Legitimation. Es verstoße daher gegen das demokratische Prinzip, wenn der verfassungsmäßig zur Regierung berufene Senat in gesamtstaatlichen Angelegenheiten wie der Personalpolitik an die Entscheidung einer solchen Einigungsstelle gebunden werde.
2. Es gehöre zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, daß der Beamte in einer eindeutigen, ungeteilten Verantwortung gegenüber seinem Dienstvorgesetzten stehe. Dienstvorgesetzter aller im Dienst der Freien Hansestadt Bremen stehenden Personen sei nach Art. 118 Abs. 2 BremVerf. der Senat. Nach dem Bremischen Personalvertretungsgesetz hänge jedoch bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Dienstvorgesetzten und Personalrat die letzte Entscheidung über Einstellung, Anstellung, Beförderung, Versetzung und Abordnung von Beamten vom Stichentscheid des Präsidenten der Bürgerschaft ab, der dadurch zur „personalpolitischen Schlüsselfigur” und zu einem Nebenvorgesetzten aller Bediensteten werde. Dies verstoße gegen Art. 33 Abs. 5 GG; nur der eigentliche Dienstvorgesetzte, der Senat, der die Arbeit seiner Bediensteten ständig leite und überwache, sei in der Lage, deren Befähigung und fachliche Leistung richtig zu beurteilen.
3. Das Bremische Personalvertretungsgesetz sei mit §§ 4, 17, 18, 23, 56 des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) vom 1. Juli 1957 (BGBl. I S. 667) und § 41 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) unvereinbar. Die Einigungsstellen seien nicht in der Lage, das in diesen Bestimmungen für eine personelle Maßnahme geforderte „dienstliche Bedürfnis” oder sonstige Voraussetzungen (z.B. die demokratische Gesinnung des Bewerbers) zu beurteilen. Auch sei das Recht des Beamten auf vollständige Einsicht in seine Personalakten nicht gewährleistet, da die Vorgänge der Einigungsstellen einer besonderen Geheimhaltungspflicht unterlägen (§§ 61 Abs. 1 und 4, 57 BremPVG).
4. Nach § 90 des Personalvertretungsgesetzes (PVG) des Bundes vom 5. August 1955 (BGBl. I S. 477) solle hinsichtlich der Beteiligung der Personalvertretungen der Länder eine Regelung angestrebt werden, wie sie für die Bundesbehörden festgelegt sei. Gegen diese Rahmenvorschrift verstoße das Bremische Personalvertretungsgesetz. Das Personalvertretungsgesetz des Bundes sehe in personellen Angelegenheiten der Beamten keine Mitbestimmung vor. Es begrenze die Beteiligung der Personalvertretung auch auf bestimmte innerdienstliche soziale und personelle Angelegenheiten, während das Bremische Personalvertretungsgesetz die Mitbestimmung auf alle sozialen und personellen Fragen erstrecke (§ 52 Abs. 1) und deren Gegenstand nicht abschließend bestimme (§§ 63, 65 „insbesondere”).
5. Soweit die Einigungsstelle auch Personalangelegenheiten der Stadtgemeinde Bremerhaven entscheide, werde das den Gemeinden gewährleistete Recht der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) verletzt, zu deren wesentlichen Bestandteilen die Personalhoheit gehöre; es sei unzulässig, daß ein Landesorgan – der Bürgerschaftspräsident – den Stichentscheid in personellen Angelegenheiten der Gemeinde habe.
III.
Der Antrag des Bremischen Senats ist gemäß § 77 BVerfGG dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung und der Bremischen Bürgerschaft mitgeteilt worden. Nur die Bremische Bürgerschaft hat sich geäußert. Sie hält den Antrag für unzulässig, soweit Verletzung der Art. 20, 28 GG geltend gemacht wird. In dem vor dem Bremischen Staatsgerichtshof geführten Verfahren sei über denselben Streitgegenstand bereits unter den Gesichtspunkten der Gewaltenteilung, des Rechtsstaats und der Demokratie rechtskräftig entschieden worden. Insoweit könne das Bundesverfassungsgericht nicht mehr angerufen werden. Im übrigen sei der Antrag unbegründet.
1. Art. 20, 28 GG seien schon deshalb nicht verletzt, weil diese Bestimmungen den Ländern einen breiten Spielraum für die Ausgestaltung ihrer Verfassungen beließen. Nach Art. 118 Abs. 1 BremVerf. habe der Senat die Verwaltung nach den Gesetzen und den von der Bürgerschaft gegebenen Richtlinien zu führen. Dies gebe der Bürgerschaft ein deutliches Übergewicht über den Senat. Art. 47 Abs. 2 und 3 BremVerf. sehe, wie der Bremische Staatsgerichtshof allgemeinverbindlich entschieden habe, ein volles Mitbestimmungsrecht im öffentlichen Dienst ausdrücklich vor. Schon aus der Entscheidung des Staatsgerichtshofs ergebe sich, daß das Bremische Personalvertretungsgesetz nicht gegen fundamentale rechtsstaatliche Grundsätze verstoße. Der Grundsatz der Gewaltenteilung sei weder im Grundgesetz noch in den Verfassungen der deutschen Länder rein durchgeführt. Das Hineinwirkens des Parlaments in die Regierungsfunktion sei geradezu ein Kennzeichen der parlamentarischen Demokratie. Das Bremische Personalvertretungsgesetz greife nicht in den Wesenskern der Exekutive ein. Personalräte und Einigungsstellen seien Beschlußorgane der Verwaltung. Auch behalte der Senat weiterhin die Führung der Verwaltung. Leitende Beamte der Exekutive seien vom Mitbestimmungsrecht ausgenommen (§§ 66, 10 Abs. 3 BremPVG). In der Regel werde vorherige Einigung die Anrufung der Einigungsstelle entbehrlich machen. Das rechtsstaatliche Prinzip, die Verantwortlichkeit der Staatsorgane und das demokratische Prinzip seien nicht verletzt. Soweit der Senat an die Entscheidung der Einigungsstellen gebunden sei, entfalle seine Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament. Im übrigen sei das Mitbestimmungsrecht in Wirklichkeit eine Ergänzung der parlamentarischen Kontrolle. Das Parlament sei nur zu einer allgemeinen Überwachung der Exekutive in der Lage, während die Kontrolle im einzelnen durch die Personalvertretungen erfolgen solle. Mitbestimmung im öffentlichen Dienst und parlamentarische Verantwortlichkeit seien nur verschiedene Erscheinungsformen der Demokratie. Auf diesen Erwägungen beruhten auch die Einigungsstellen. Würde bei Meinungsverschiedenheiten die letzte Entscheidung beim Senat liegen, so würde dieser in Wirklichkeit in eigener Sache entscheiden. Daher sei es erforderlich gewesen, hier ein neutrales Kollegium, die Einigungsstelle, einzuschalten.
2. Ein Verstoß gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums liege nicht vor. Das Mitbestimmungsrecht der Personalräte und die Entscheidungsgewalt der Einigungsstellen dienten dem Schutz der Beamten. Darin liege eine demokratische Modifizierung der Auffassung vom öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis, die mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums vereinbar sei.
3. Die Vorschriften des Beamtenrechtsrahmengesetzes seien schon deshalb nicht verletzt, weil die Einigungsstelle die Möglichkeit habe, sich über die streitigen Fragen eingehend zu unterrichten, z.B. indem sie sich die beiderseitigen Standpunkte vortragen lasse und den Betroffenen höre. Das Recht des Beamten auf Einsicht in seine Personalakten sei selbst dann gewährleistet, wenn er die Akten der Einigungsstelle nicht einsehen könne.
4. Mit den Rahmenvorschriften des Personalvertretungsgesetzes des Bundes sei das Bremische Personalvertretungsgesetz vereinbar. § 90 PVG sei eine bloße Sollvorschrift. Aus ihrer Entstehungsgeschichte und der grundsätzlichen Landeszuständigkeit auf dem Gebiet des öffentlichen Dienstes (Art. 30, 70 GG) ergebe sich zudem, daß die Länder einen beträchtlichen Spielraum bei der Ausgestaltung der Beteiligung des Personalrats hätten und nicht an die Bundesregelung gebunden seien.
5. Die Bestellung des Präsidenten der Bürgerschaft zum Vorsitzenden der Einigungsstelle der Stadt Bremerhaven verstoße nicht gegen das Wesen der gemeindlichen Selbstverwaltung. Denn der Bürgerschaftspräsident sei im Stadtstaat Bremen weniger ein Vertreter der Legislative als ein neutraler, über den Parteien stehender Amtsträger, der gleichzeitig die höchste demokratische Legitimation als oberster Repräsentant der Volkssouveränität besitze.
Entscheidungsgründe
B.–I.
Der Antrag des Bremischen Senats ist gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG und § 76 Nr. 1 BVerfGG zulässig. Der Antragsteller hält Bestimmungen des Bremischen Personalvertretungsgesetzes wegen sachlicher Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz und sonstigem Bundesrecht für nichtig.
1. Die Nichtigkeit landesrechtlicher Vorschriften wegen Verletzung der Prinzipien des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG kann im Verfahren des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG auch von einer Landesregierung geltend gemacht werden. Aus der gemeinsamen Verpflichtung von Bund und Ländern auf die Bundesverfassung ergibt sich, daß jedes Land und jedes Landesorgan für deren Einhaltung mitverantwortlich ist. Darum muß bei Verstößen des Landesgesetzgebers gegen die Grundsätze des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats im Sinn des Grundgesetzes neben der Bundesregierung auch die Landesregierung befugt sein, zur Wahrung dieser Verfassungsprinzipien das Bundesverfassungsgericht anzurufen.
Vgl. zur Feststellung der Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG BVerfGE 3, 45 [49], im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG BVerfGE 6, 104 [111] und zur Feststellung der Unvereinbarkeit mit Art. 28 Abs. 2 GG BVerfGE 7, 358 [364].
2. Die Entscheidung des Bremischen Staatsgerichtshofs vom 3. Mai 1957, nach welcher der Änderungsantrag der SPD-Fraktion der Bürgerschaft zu § 59 der Senatsvorlage eines Bremischen Personalvertretungsgesetzes nicht gegen die Bremische Landesverfassung verstieß, steht dem nunmehr durch den Antrag des Bremischen Senats veranlagten Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht entgegen. Der Prüfungsmaßstab in diesem Verfahren ist nicht derselbe wie im Verfahren vor dem Bremischen Staatsgerichtshof, auch nicht soweit ein Verstoß des Bremischen Personalvertretungsgesetzes gegen Art. 28 und 20 GG geltend gemacht wird.
Das Bundesverfassungsgericht hat die beanstandeten Bestimmungen des Bremischen Personalvertretungsgesetzes nicht wie der Landesstaatsgerichtshof auf ihre Vereinbarkeit mit der Bremischen Landesverfassung, sondern auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu prüfen. In der ihm obliegenden Auslegung des Grundgesetzes (Art. 28, 20) ist das Bundesverfassungsgericht nicht an die Auslegung gebunden, die der Bremische Staatsgerichtshof einer inhaltlich entsprechenden Bestimmung der Bremischen Landesverfassung (Art. 67) gegeben hat (vgl. BVerfGE 4, 375 [377]).
II.
Das Bremische Personalvertretungsgesetz überträgt den Personalvertretungen umfassende Befugnisse, die in ihrer Häufung und Ausgestaltung erheblich weiter gehen als diejenigen, die das Bundespersonalvertretungsgesetz und die Personalvertretungsgesetze anderer Bundesländer kennen. Nach dem Bremischen Personalvertretungsgesetz hat der Personalrat „in allen sozialen und personellen Fragen” der Beamten, Angestellten und Arbeiter „gleichberechtigt mit dem jeweiligen Leiter der Dienststelle mitzubestimmen” (§ 52 Abs. 1 Satz 1). Alle Maßnahmen auf diesem Gebiet können nur mit Zustimmung des Personalrats getroffen werden. Eine Begrenzung der Beteiligung des Personalrats auf die schwächere Form der „Mitwirkung” kennt das Bremische Personalvertretungsgesetz nicht. Auch die Personalangelegenheiten der Beamten (mit Ausnahme der in § 10 Abs. 3 und § 66 BremPVG genannten Gruppen) unterliegen der vollen Mitbestimmung (§ 65). Der grundsätzlich allzuständige Personalrat hat in allen der Mitbestimmung unterliegenden Angelegenheiten eigenes Initiativrecht (§ 58 Abs. 3) und weite Ermessensfreiheit. Kommt es nicht zu einer Einigung zwischen Personalrat und Dienststellenleiter, so trifft die unter Vorsitz des Präsidenten der Bürgerschaft stehende Einigungsstelle die endgültige Entscheidung (§§ 59 bis 61), und zwar auf Grund nichtöffentlicher Verhandlung, über welche die Mitglieder Stillschweigen bewahren müssen (§ 61 Abs. 4 i.V.m. §§ 57, 68).
1. In dieser Regelung des Bremischen Personalvertretungsgesetzes sieht der Antragsteller eine Verletzung der nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG für das Landesrecht maßgeblichen Prinzipien der Gewaltenteilung, des Rechtsstaats und der Demokratie.
Das Grundgesetz läßt den Ländern in der Gestaltung ihrer Verfassung im einzelnen Spielraum und will nicht Konformität oder Uniformität, sondern nur eine gewisse Homogenität durch Bindung an die leitenden Prinzipien herbeiführen.
a) Das gilt zumal für die Gewaltenteilung. Wie das Bundesverfassungsgericht schon wiederholt ausgeführt hat (BVerfGE 3, 225 [247]; 7, 183 [188]), liegt deren Sinn nicht darin, daß die Funktionen der Staatsgewalt scharf getrennt werden, sondern daß die Organe der Legislative, Exekutive und Justiz sich gegenseitig kontrollieren und begrenzen, damit die Staatsmacht gemäßigt und die Freiheit des Einzelnen geschützt wird. Die in der Verfassung vorgenommene Verteilung der Gewichte zwischen den drei Gewalten muß aufrechterhalten bleiben, keine Gewalt darf ein von der Verfassung nicht vorgesehenes Übergewicht über die andere Gewalt erhalten, und keine Gewalt darf der für die Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben erforderlichen Zuständigkeiten beraubt werden.
Nicht jede Einflußnahme des Parlaments auf die Verwaltung bedeutet schon einen Verstoß gegen die Gewaltenteilung. Selbst eine gewisse Gewichtsverlagerung auf Kosten der Exekutive zugunsten des Parlaments ist in der parlamentarischen Demokratie unbedenklich. Erst wenn zugunsten des Parlaments ein Einbruch in den Kernbereich der Exekutive erfolgt, ist das Gewaltenteilungsprinzip verletzt.
Unter diesen Gesichtspunkten verstößt es nicht gegen das Prinzip der Gewaltenteilung, daß die Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Parlamentspräsidenten oder eines von diesem bestellten Vertreters tätig wird. Die dem bremischen Verfassungsrecht bei ausdrücklicher Anerkennung der Gewaltenteilung (Art. 67 BremVerf.) eigentümliche Mitwirkung von Vertretern verschiedener Gewalten in gemeinsamen Ausschüssen beeinträchtigt die Homogenität von Bundes- und Landesverfassung nicht und ist – soweit ersichtlich – bisher auch nicht beanstandet worden. So sieht die Bremische Verfassung die Übertragung von Befugnissen der Bürgerschaft auf besondere von ihr eingesetzte Deputationen vor, die aus Mitgliedern der Bürgerschaft, des Senats und aus anderen Personen bestehen und weder reine Parlamentsausschüsse noch reine Verwaltungsorgane sind (Art. 129, 105 BremVerf.; Gesetz über die Deputationen vom 2. März 1948, BremGBl. S. 31).
Die Einigungsstellen des Bremischen Personalvertretungsgesetzes sind sowohl vom Parlament als auch von der Regierung unabhängig. Sie stehen aber nicht „außerhalb der Verwaltung”, wie der Antragsteller annimmt. Sie sind Stellen der Staats- oder Gemeindeverwaltung, die Aufgaben der Personalverwaltung wahrnehmen, also zum Bereich der Exekutive gehören. Wenn also bisher dem Senat zustehende Befugnisse auf eine solche Einigungsstelle in der Staatsverwaltung übergehen, so wird dadurch nicht Macht von einer Gewalt auf eine andere Gewalt übertragen. Es handelt sich somit nicht um eine Frage der Gewaltenteilung. Das Problem liegt vielmehr darin, ob wesentliche Kompetenzen der Regierung entzogen und – innerhalb der Exekutive – auf unabhängige Stellen, wie es die Einigungsstellen sind, übertragen werden dürfen.
b) Der demokratische Rechtsstaat im Sinn des Grundgesetzes (Art. 28 Abs. 1 Satz 1) setzt notwendig eine funktionsfähige und verantwortliche Regierung voraus. Die Abgrenzung der Regierungsbefugnisse und die Ausgestaltung der Verantwortlichkeit mag zwar im einzelnen verschieden sein. So wird durch Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG die Form des parlamentarischen Regierungssystems, in dem die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament im Mißtrauensvotum Ausdruck findet, für die Landesverfassungen nicht zwingend vorgeschrieben. Auch mögen in den Ländern einzelne Kompetenzen zwischen Parlament und Regierung in verschiedener Weise verteilt sein; in jedem Fall aber müssen der Regierung die Befugnisse erhalten bleiben, die erforderlich sind, damit sie selbständig und in eigener Verantwortung gegenüber Volk und Parlament ihre „Regierungs”-Funktion erfüllen kann.
Die demokratische und rechtsstaatliche Herrschaftsordnung des Grundgesetzes setzt erkennbare Verantwortlichkeit im Staat und im besonderen eine verantwortliche Regierung voraus. „Die Regierung hat die Aufgabe, in Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung und von ihr getragen, der gesamten Staatstätigkeit eine bestimmte Richtung zu geben und für die Einhaltung dieser Linie durch die ihr unterstellten Instanzen zu sorgen” (Erich Kaufmann, Die Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, VVDStRL, Heft 9, 1952, S. 7).
Die selbständige politische Entscheidungsgewalt der Regierung, ihre Funktionsfähigkeit zur Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben, ihre Sachverantwortung gegenüber Volk und Parlament sind zwingende Gebote der demokratischen rechtsstaatlichen Verfassung. Wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof ausgeführt hat, verlangt der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, „daß ein Staatsorgan, das eine Entscheidung zu treffen hat, dafür die Verantwortung trägt. Verantwortung kann nicht tragen, wer in seiner Entscheidung inhaltlich in vollem Umfang an die Willensentscheidung eines anderen gebunden ist” (BayVfGH N. F. Bd. 4, Teil II, S. 30 ff., 47).
Die Regierung ist das oberste Organ der vollziehenden Gewalt (vgl. Art. 67 Abs. 2 BremVerf. und die entsprechenden Bestimmungen der anderen Landesverfassungen). Damit ist nicht gesagt, daß es keinerlei „ministerialfreien Raum” auf dem Gebiet der Verwaltung geben dürfe und daß von der Regierung unabhängige Ausschüsse für bestimmte Verwaltungsaufgaben in jedem Fall unzulässig seien. Wohl aber gibt es Regierungsaufgaben, die wegen ihrer politischen Tragweite nicht generell der Regierungsverantwortung entzogen und auf Stellen übertragen werden dürfen, die von Regierung und Parlament unabhängig sind; andernfalls würde es der Regierung unmöglich gemacht, die von ihr geforderte Verantwortung zu tragen, da auf diese Weise unkontrollierte und niemand verantwortliche Stellen Einfluß auf die Staatsverwaltung gewinnen würden.
c) Welche Angelegenheiten von solchem politischem Gewicht sind, läßt sich nur von Fall zu Fall beurteilen. Hier genügt es festzustellen, daß im heutigen Verwaltungsstaat jedenfalls die Entscheidung über Einstellung, Beförderung, Versetzung und sonstige personelle Angelegenheiten der Beamten erhebliches politisches Gewicht hat. Denn die Zuverlässigkeit und Unparteilichkeit des öffentlichen Dienstes hängt nach wie vor in erster Linie von den Berufsbeamten ab. In der Regel sollen hoheitsrechtliche Aufgaben von Beamten erfüllt werden (Art. 33 Abs. 4 GG, § 2 BRRG, § 4 BBG, § 5 BremBG). Unter der Autorität des Volkes kann der Beamte „sozusagen als Staat Befehle geben, kann das Handeln des Staates realisieren und verfügt dadurch über eine Machtstellung, die mit dem ungeheuren Aufgabenzuwachs des modernen Staats ein großes Ausmaß angenommen hat” (Hans Peters, Das Berufsbeamtentum in der Bundesrepublik Deutschland, in: Deutsche Landesreferate zum IV. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in Paris 1954, S. 308). Personelle Maßnahmen haben häufig weitreichende Folgen und staatspolitische Bedeutung. Die Berufung eines fachlich wenig befähigten Beamten kann die Arbeit eines ganzen Verwaltungszweiges auf Jahre hinaus beeinträchtigen oder lähmen, ganz zu schweigen von den Gefahren, die dem Staatswesen durch die Berufung illoyaler oder ungetreuer Beamter entstehen können. Die Personalhoheit über die Beamten ist darum ein wesentlicher Teil der Regierungsgewalt, und die Entscheidung über Personalangelegenheiten der Beamten wird denn auch allgemein als Sache der Regierung betrachtet
– vgl. die Verfassungen von Bremen Art. 118 Abs. 2, Bayern Art. 55 Nr. 4, Württemberg-Baden Art. 75, Hessen Art. 108, Württemberg-Hohenzollern Art. 48, Baden Art. 84, Rheinland-Pfalz Art. 102, Hamburg 1946 Art. 15, 1952 Art. 45 – Sonderfall verstärkter parlamentarischer Kontrolle der Beamtenernennungen –, Schleswig-Holstein Art. 26, Nordrhein-Westfalen Art. 58, Berlin 1950 Art. 61, Niedersachsen Art. 29 Abs. 2, Saarland Art. 94, Baden-Württemberg Art. 51; für die Zeit der Weimarer Verfassung vgl. Entscheidung des vorläufigen Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich vom 14. Juni 1922, Lammers/Simons, Die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich, Bd. IV, 1932, S. 288 [292].
Müßte sich die Regierung im Konfliktsfall der Entscheidung einer unabhängigen Schiedsstelle beugen, so würde eine wesentliche Regierungsfunktion in Wirklichkeit von dieser anderen Instanz wahrgenommen und die Regierung der Entscheidungsgewalt und Verantwortlichkeit enthoben, die ihr im demokratischen Rechtsstaat zukommt (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG). Hiergegen kann nicht eingewandt werden, der formale Akt der Ernennung oder Beförderung ihrer Beamten bleibe der Regierung trotz der Bindung an die Entscheidung der Einigungsstelle unbenommen, da diese nur ein dem Verwaltungsakt vorausgehender interner Vorgang ohne öffentlich-rechtlichen Charakter sei. Es kommt nicht auf den Formalakt, sondern auf das im Rahmen der Gesetze freie Entscheidungsrecht der Regierung an. Die generelle Übertragung der Entscheidungsgewalt in allen personellen Fragen der Beamten an einen Ausschuß, dessen Mitglieder der Regierung nicht verantwortlich sind, ist daher mit dem Prinzip des demokratischen Rechtsstaats im Sinn des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar.
d) Die Erwägung liegt nahe, ob nicht auch die Entscheidungsgewalt über Personalangelegenheiten der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes zum politischen Bereich gehört und ob es nicht ebenfalls gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößt, solche Entscheidungen einem von Regierung und Parlament unabhängigen Ausschuß zu übertragen. Die öffentlichen Verwaltungen beschäftigen in zunehmendem Maß nichtbeamtete Bedienstete, von deren Befähigung und Zuverlässigkeit das reibungslose Funktionieren der Verwaltung auch abhängt. Immerhin hat trotz der Verflechtung von hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Verwaltung die Tätigkeit der Angestellten und Arbeiter regelmäßig ein geringeres politisches Gewicht als die der Beamten, denn die dauernde Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse soll in der Regel Beamten und nicht Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes übertragen werden. Soweit von dieser Regel abgewichen wird, ist die Tätigkeit des mit Hoheitsfunktionen betrauten Angestellten allerdings der des Beamten gleichzuachten. Es darf sich hier aber nach Art. 33 Abs. 4 GG nur um Ausnahmefälle handeln. Würde die ständige Ausübung hoheitlicher Befugnisse in größerem Umfang auf Nichtbeamte übertragen, so wäre dies mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Ein solcher Verfassungsverstoß braucht aber für die Entscheidung über das Bremische Personalvertretungsgesetz nicht unterstellt zu werden. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, daß Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes nur mit zeitlich beschränkten und nur ausnahmsweise mit ständigen hoheitlichen Aufgaben betraut werden. Wenn in solchen Einzelfällen die Regierung an personalpolitische Entscheidungen der Einigungsstelle gebunden ist, wird dadurch die Entscheidungsfreiheit und Verantwortlichkeit der Regierung nicht so erheblich beeinträchtigt, daß ein Verstoß gegen das Prinzip des demokratischen Rechtsstaats festgestellt werden müßte.
Damit steht in Einklang, daß nur die Beamten in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis mit seinen im Beamtenrecht geregelten besonderen Rechten und Pflichten stehen. Die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst stehen trotz einer gewissen Annäherung an das Beamtenrecht, z.B. in den Tarifordnungen des öffentlichen Dienstes, in einem durch das Arbeitsrecht geordneten Arbeitsverhältnis, und zwar auch dann, wenn sie Hoheitsbefugnisse ausüben.
e) Das Entscheidungsrecht der Einigungsstelle in sozialen Angelegenheiten hat der Antragsteller – jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG – nicht in Frage gestellt. Er hat in der Antragsbegründung vom 4. März 1958 hingewiesen auf den von ihm gebilligten Senatsentwurf zum Initiativrecht des Personalrats „in sozialen Angelegenheiten” und auf den in zweiter Lesung gestellten erfolglosen Antrag, die von der Bürgerschaft gestrichenen Worte „in sozialen Angelegenheiten” wieder einzufügen, da „die personellen Angelegenheiten nicht der Einigungsstelle unterliegen sollten”. Das Sondervotum der Minderheit des Bremischen Staatsgerichtshofs, das sich die Antragsschrift weitgehend zu eigen macht, stellt fest, daß die verfassungsrechtlichen Bedenken „nicht aus der vorgesehenen Regelung der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, sondern aus der Ausgestaltung der Mitbestimmungsordnung in personellen Angelegenheiten erwachsen”.
Die Grundsätze des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG werden durch das Mitbestimmungsrecht des Personalrats und die Entscheidungsbefugnis der Einigungsstelle in sozialen Angelegenheiten (§§ 63, 64 BremPVG) nicht verletzt. Es handelt sich dabei nicht um einen wesensmäßig politischen Bereich, der, wie die personalpolitischen Entscheidungen über Beamte, der Regierung Vorbehalten bleiben muß.
2. Das Grundgesetz hat den Fortbestand des Berufsbeamtentums in Form einer institutionellen Garantie gewährleistet: „Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln” (Art. 33 Abs. 4 und 5 GG). Art. 33 Abs. 5 GG ist nicht lediglich ein Programmsatz oder eine Anweisung an den Gesetzgeber, sondern unmittelbar geltendes Recht (BVerfGE 8, 1 [11 ff.]; BGHZ 9, 322 [325 ff.]; 13, 265 [317 ff.]).
Als hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums galten bereits unter der Weimarer Reichsverfassung u.a. die Pflicht zu Treue und Gehorsam gegenüber dem Dienstherrn und zu unparteiischer Amtsführung, fachliche Vorbildung, hauptberufliche Tätigkeit, lebenslängliche Anstellung, Rechtsanspruch auf Gehalt, Ruhegehalt, Witwen- und Waisenversorgung. Wie das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 11. Juni 1958 hervorgehoben hat, will das Grundgesetz nicht in erster Linie subjektive Rechte des Beamten schützen, sondern die Einrichtung des Berufsbeamtentums im Interesse der Allgemeinheit erhalten. Der Gesetzgeber hat einen weiten Ermessensspielraum, aber nicht etwa völlige Regelungsfreiheit. „Der einzelne hergebrachte Grundsatz ist vielmehr in seiner Bedeutung für die Institution des Berufsbeamtentums in der freiheitlichen rechts- und sozialstaatlichen Demokratie zu würdigen; davon hängt ab, in welcher Weise und in welchem Ausmaß er zu beachten ist” (BVerfGE 8, 1 [11 ff., 16 f.]).
Aus dem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis des Beamten zum Staat ergeben sich seit jeher besondere Berufspflichten, vor allem Treue und Gehorsam, die schon § 2 II 10 PreußALR gefordert hat. Im einzelnen sind die Beamtenpflichten aufgeführt in den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder (z.B. BRRG §§ 35 ff., BBG §§ 52 ff., BremBG §§ 53 ff.). Diesen Pflichten des Beamten entspricht sein Recht auf den Schutz und die Fürsorge seines Dienstherrn (z.B. BRRG §§ 48 ff., BBG §§ 79 ff., BremBG §§ 78 ff.). Treue, Pflichterfüllung, unparteiischer Dienst für die Gesamtheit und Gehorsam gegenüber den Gesetzen und den rechtmäßigen Anordnungen des Dienstvorgesetzten haben zur Voraussetzung, daß der Beamte nur Stellen seines Dienstherrn verantwortlich ist, die durch ein hierarchisches Über- und Unterordnungsverhältnis eine Einheit bilden, und daß auch nur diese Stellen zu seiner Beurteilung und zu den Maßnahmen befugt sind, die seine Laufbahn bestimmen.
Die Mitbestimmung des Personalrats in personellen Angelegenheiten der Beamten, sein Initiativrecht und die Entscheidungsbefugnis der Einigungsstelle, die auch gegen den Willen der vorgesetzten Dienstbehörden personelle Maßnahmen, also z.B. Anstellung, Beförderung und Versetzung verhindern oder durchsetzen kann, machen aber die Beamten von Personalrat und Einigungsstelle abhängig, die ihre Laufbahn günstig oder ungünstig beeinflussen können. Daraus können sich besonders dann Konflikte ergeben, wenn der Dienstvorgesetzte und die Personalvertretung in Grundsatzfragen verschiedene Auffassungen vertreten. Es besteht dann die Gefahr, daß der Beamte auf die Auffassung des Personalrats und der Einigungsstelle in stärkerem Maß Rücksicht nimmt, als dies im dienstlichen Interesse vertretbar ist (vgl. dazu Eschenburg, Herrschaft der Verbände?, 1955, S. 55 ff.).
Es entspricht hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, daß über Personalangelegenheiten eines Beamten in der Regel allein die ihm vorgesetzten Dienstbehörden entscheiden, die in einem hierarchischen Über- und Unterordnungsverhältnis stehen. Die Alleinzuständigkeit der Dienstbehörden in personellen Angelegenheiten der Beamten ist in allen Beamtengesetzen als Regel aufgestellt (vgl. z.B. § 3 BBG, § 4 BremBG).
Die Mitbestimmung des Personalrats und die Entscheidungsbefugnis der Einigungsstelle in personellen Angelegenheiten der Beamten würden das bisherige öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis des Beamten von Grund auf verändern. Soweit §§ 59 bis 61 BremPVG in den personellen Angelegenheiten der Berufsbeamten in den Fällen der Mitbestimmung des Personalrats die Entscheidung einer Einigungsstelle vorsehen, sind sie daher mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nicht vereinbar.
Bei diesem Ergebnis braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob das Bremische Personalvertretungsgesetz gegen einzelne Bestimmungen des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder des Bundesbeamtengesetzes verstößt.
3. Der Bremische Senat ist der Auffassung, das Bremische Personalvertretungsgesetz verstoße gegen die Rahmenvorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes. § 90 PVG lautet:
„Die Personalvertretungen sind in innerdienstlichen sozialen und personellen Angelegenheiten zu beteiligen; dabei soll eine Regelung angestrebt werden, wie sie für Personalvertretungen in Bundesbehörden in diesem Gesetz festgelegt ist.”
Schon aus dem Wortlaut geht hervor, daß hier nur die Beteiligung von Personalvertretungen bindend vorgeschrieben ist, nicht aber, ob und inwieweit diese mitbestimmen oder mitwirken. § 90 Halbs. 2 („angestrebt”) bedeutet „lediglich eine allgemeine Empfehlung an den Landesgesetzgeber, also weniger als einen allgemeinen Programmsatz” (Grabendorff/Windscheid, Personalvertretungsgesetz, 1955, Anm. 2 zu § 90, S. 313).
Der Landesgesetzgeber ist hierdurch nicht gehindert, den Personalvertretungen und Einigungsstellen größere Befugnisse einzuräumen als der Bundesgesetzgeber (z.B. Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten, Allzuständigkeit, Initiativrecht), sofern er damit nicht – wie es bei der Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten der Beamten der Fall ist – gegen Verfassungsrecht verstößt. Zudem kann der Bund hinsichtlich der Rechtsverhältnisse der öffentlichen Bediensteten der Länder nur Rahmenvorschriften erlassen (Art. 75 Nr. 1 GG). Nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen über die Rahmenkompetenz (BVerfGE 4, 115 ff. [129 f.]) wäre er nicht befugt, den Ländern den Umfang der Mitwirkung und Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten der öffentlichen Bediensteten im einzelnen vorzuschreiben.
Der Antragsteller befürchtet, nach dem Bremischen Personalvertretungsgesetz könne das Mitbestimmungsrecht in sozialen und personellen Angelegenheiten den vom Bundespersonalvertretungsgesetz gezogenen Rahmen sprengen. § 90 PVG sehe die Beteiligung der Personalvertretungen nur in innerdienstlichen sozialen und personellen Angelegenheiten vor, § 52 BremPVG stelle dagegen dem Personalrat die Aufgabe, in allen sozialen und personellen Fragen mitzubestimmen. Der Katalog der dem Mitbestimmungsrecht unterliegenden Gegenstände in den §§ 63 ff. BremPVG sei nicht abschließend. Der Personalrat könne in Bremen also auch entgegen § 90 PVG in außerdienstlichen sozialen und personellen Angelegenheiten mitbestimmen, und die Einigungsstelle könne über solche, auch die Allgemeinheit berührend Fragen bindende Beschlüsse fassen, z.B. über Verkehrstarife, Wohnungsbauzuschüsse, Fragen der Sozialversicherung, Preisgestaltung, Steuerpolitik u.a.m.
Das Bremische Personalvertretungsgesetz nötigt indessen nicht zu einer so weitgehenden Auslegung. Die in §§ 63, 64 BremPVG genannten sozialen Angelegenheiten sind innerdienstliche, sie entsprechen nämlich im wesentlichen den auch im Bundespersonalvertretungsgesetz und den anderen Landespersonalvertretungsgesetzen aufgezählten sozialen Angelegenheiten. Das Wort „insbesondere” vor den Katalogen der §§ 63 und 65 deutet die Richtung der möglichen Gegenstände der Beschlußfassung an. Wenn § 52 bestimmt, der Personalrat habe „in allen sozialen und personellen Fragen gleichberechtigt mit dem jeweiligen Leiter der Dienststelle mitzubestimmen”, so hat das offensichtlich den Sinn, daß der Personalrat in allen ihm obliegenden Fragen mit dem Dienststellenleiter gleichberechtigt ist, nicht aber, daß aus dem dienstlichen Bereich fallende Angelegenheiten von ihm behandelt werden dürfen. Bei solcher bundesrechtskonformer Auslegung erweisen sich die aus § 90 PVG hergeleiteten Bedenken wegen der Gegenstände der sozialen und personellen Mitbestimmung nach dem Bremischen Personalvertretungsgesetz nicht als begründet.
4. Auf Grund der institutionellen Garantie der Selbstverwaltung haben die Gemeinden das Recht, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln” (Art. 28 Abs. 2 GG). Zum Recht der Selbstverwaltung gehört auch die Personalhoheit. Gesetzliche Beschränkungen der Personalhoheit der Gemeinden sind aber mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar, wenn sie den Wesensgehalt der gemeindlichen Personalhoheit unangetastet lassen (vgl. BVerfGE 1, 167 [175]; 7, 358 [364]; BVerwGE 6, 19 ff. [24 ff.]). Die Einigungsstellen, die das Bremische Personalvertretungsgesetz für die Gemeindeverwaltungen von Bremen und Bremerhaven vorsieht, sind, ebenso wie die Personalräte, nicht Landesorgane, sondern Organe der Gemeinden. Soweit ein Eingriff in die Selbstverwaltung der Stadt Bremerhaven gerügt wird, ist zu beachten, daß die Personalräte in der Verwaltung der Stadtgemeinde Bremerhaven (§ 1 BremPVG), der Gesamtpersonalrat „für die Stadtgemeinde Bremerhaven” (§ 48 Abs. 1 Satz 2 BremPVG) gebildet werden. Auch die Einigungsstelle ist „bei” der Stadtgemeinde Bremerhaven errichtet, und die sechs Beisitzer sind Bedienstete der Stadt Bremerhaven (§ 60 Abs. 1 und 2 BremPVG).
Schon im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse des Bremer Stadtstaates verstößt es nicht gegen Art. 28 Abs. 2 GG, daß der Präsident der Bremer Bürgerschaft Vorsitzender der Einigungsstelle ist. Denn in Bremen ist die Verflechtung zwischen Staats- und Kommunalverwaltung enger als in großräumigeren Ländern. Die Freie Hansestadt Bremen bildet einen aus den Gemeinden Bremen und Bremerhaven zusammengesetzten „Gemeindeverband höherer Ordnung” (Art. 143 Abs. 2 BremVerf.). Die Bremische Verfassung (Art. 148, 149) und das Ortsgesetz für die Stadt Bremerhaven vom 14. November 1947 (BremGBl. S. 291) schalten Landesorgane auch in kommunalen Angelegenheiten ein; z.B. ist der Präsident der Bürgerschaft des Landes zugleich Bürgerschaftspräsident der Stadt Bremen. Auch kann sich das Land Bremen über dieallgemeine Aufsichthinaus „Einwirkungsmöglichkeiten vorbehalten, die die Inanspruchnahme der örtlichen Mittel und Dienstkräfte für überörtliche Aufgaben sichern und die einheitliche Verwaltungsdurchführung in den beiden Städten Bremen und Bremerhaven gewährleisten sowie die Berücksichtigung besonderer staatspolitischer Interessen bei der Aufgabenerfüllung wahren” (§ 91 Abs. 2 Buchst. b des Bremerhavener Ortsgesetzes).
Diese örtlichen Gegebenheiten sprechen dafür, daß der Bremer Bürgerschaftspräsident den Vorsitz in der städtischen Einigungsstelle als Repräsentant des ganzen Gemeinwesens führt und nicht etwa als Organ des Landes in die Kommunalverwaltung eingreift. Die Stadtgemeinde Bremerhaven selbst fühlt sich offenbar in ihren Rechten nicht verkürzt, und in der Tat wird durch das Bremische Personalvertretungsgesetz die durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährte institutionelle Garantie der Selbstverwaltung nicht verletzt. Soweit durch das angefochtene Gesetz Beamte der Stadt Bremerhaven betroffen sind, liegt daher nur ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG vor.
5. Demnach waren die §§ 59 bis 61 BremPVG wegen Verstoßes gegen Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und Art. 33 Abs. 5 GG für nichtig zu erklären, soweit sie in den Fällen der Mitbestimmung des Personalrats in personellen Angelegenheiten der Beamten die Entscheidung einer Einigungsstelle vorsehen. Dagegen sind mit dem Grundgesetz und sonstigem Bundesrecht vereinbar die Bestimmungen des Bremischen Personalvertretungsgesetzes über das Mitbestimmungsrecht des Personalrats und die Entscheidung einer Einigungsstelle in personellen Angelegenheiten der Angestellten und Arbeiter sowie in sozialen Angelegenheiten aller öffentlichen Bediensteten des Landes Bremen und der Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven.
Fundstellen
Haufe-Index 1240613 |
BVerfGE, 268 |
NJW 1959, 1171 |
JZ 1960, 19 |
MDR 1959, 907 |
DVBl. 1959, 620 |