Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 27.04.2010; Aktenzeichen 12 A 1.09) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. April 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 40 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Rz. 1
Mit Bescheid vom 16. September 1993 ordnete der Beklagte mit Wirkung vom 1. November 1993 Beschränkungen des Nachtflugverkehrs durch eine bis zum 31. Oktober 2003 befristete Änderung der für den Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld maßgeblichen luftrechtlichen Genehmigung vom 20. September 1990 an, mit welcher der Betrieb des Flughafens unbefristet und uneingeschränkt gestattet worden war. Durch Verfügung vom 27. Oktober 2003 verlängerte der Beklagte die Befristung auf den 31. Oktober 2008. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2008 änderte und verlängerte er die den Nachtflugverkehr betreffenden Beschränkungen bis zur Inbetriebnahme des Verkehrsflughafens Berlin-Brandenburg International, längstens bis zum 31. Oktober 2013.
Rz. 2
Die Klägerin, eine brandenburgische Gemeinde, hat Klage erhoben und beantragt, den Bescheid vom 28. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, eine befristete Verlängerung und Änderung der Flugbeschränkungen nur mit einem bestimmten, den Nachtflugverkehr stärker beschränkenden Inhalt zu erlassen, hilfsweise, den Beklagten zur Neubescheidung zu verpflichten.
Rz. 3
Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Eine isolierte Aufhebung des Bescheides vom 28. Oktober 2008 komme nicht in Betracht, da der Klägerin hierfür das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Bescheid begünstige die Klägerin, weil er den nach der ursprünglichen Genehmigungslage uneingeschränkten Nachtflugbetrieb begrenze. Der auf eine Verschärfung der Nachtflugbeschränkungen gerichtete Verpflichtungsantrag sei ebenso wie der hilfsweise gestellte Bescheidungsantrag unzulässig, weil es die Klägerin versäumt habe, vor Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes beim Beklagten einen Antrag auf Erlass eines entsprechenden Verwaltungsakts zu stellen, und die Klägerin außerdem nicht klagebefugt sei.
Rz. 4
Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die auf sämtliche Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde der Klägerin.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 5
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 6
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
Rz. 7
a) Die auf den Anfechtungsantrag bezogenen Fragen:
1. Ist eine Entscheidung einer luftrechtlichen Genehmigungsbehörde über die “Änderung und Verlängerung örtlicher Flugbeschränkungen”, die die Behörde aufgrund einer Prüfung, “ob weitergehende Regelungen erforderlich sind”, getroffen hat, eine dem fachplanerischen Abwägungsgebot unterliegende Planungsentscheidung?
2. Liegt eine dem fachplanerischen Abwägungsgebot unterliegende Planungsentscheidung im Sinne der vorherigen Frage nur dann vor, wenn die luftrechtliche Genehmigung oder Planfeststellung durch Erlass einer neuen Betriebsregelung zu Lasten der Anwohner geändert wird, oder immer bereits dann, wenn die Erforderlichkeit weitergehender Regelungen zu Gunsten der Lärmbetroffenen geprüft wird?
3. Kann die Änderung einer luftrechtlichen Genehmigung mit einer neuen Betriebsregelung für den nächtlichen Flugverkehr, die diesen nur geringfügig einschränkt, von den betroffenen Anwohnern und Kommunen als Eigentümerinnen fluglärmbetroffener Wohnungen mit der Begründung angefochten werden, ihr Recht auf sachgerechte Abwägung ihrer Belange sei dadurch verletzt, dass die neue Betriebsregelung nicht einen für sie günstigeren Inhalt erhalten habe?
4. Können sich die von nächtlichem Fluglärm betroffenen Anwohner und die Kommunen als Eigentümerinnen fluglärmbetroffener Wohnungen hinsichtlich der Entscheidung der luftrechtlichen Genehmigungsbehörde über eine Änderung von Nachtflugregelungen nur dann auf ihren Anspruch auf fehlerfreie Abwägung und auf Abwägungsfehler berufen, wenn es um eine Erweiterung der genehmigten Nachtflugbewegungen geht, oder auch bei deren Beschränkung?
führen nicht zur Zulassung der Revision, weil sie an der vorinstanzlichen Entscheidung vorbeigehen. Das Oberverwaltungsgericht hat der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis für den Anfechtungsantrag abgesprochen, weil eine isolierte Aufhebung des Bescheides vom 28. Oktober 2008 zur Folge hätte, dass auf der Grundlage der unanfechtbaren Genehmigung vom 20. September 1990 ein unbeschränkter Nachtflugbetrieb möglich wäre. Die Vorinstanz hat sich von dem Rechtssatz leiten lassen, dass für Klagen, die im Erfolgsfall die Rechtsstellung des Klägers verschlechterten, das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Dieser Rechtssatz ist richtig, weil das Bundesverwaltungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis bereits für Klagen verneint, deren Erfolg die Rechtsstellung des Klägers nicht verbessern würde (vgl. Urteil vom 29. April 2004 – BVerwG 3 C 25.03 – BVerwGE 121, 1 ≪3≫). Er wird auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Auf das Abwägungsgebot und die Frage, ob sich die Klägerin hierauf berufen kann, kommt es insoweit nicht an.
Rz. 8
b) Die auf das Verpflichtungsbegehren zugeschnittenen Fragen:
5. Bedarf es in dem Fall, dass die luftrechtliche Genehmigungsbehörde in einem Verwaltungsverfahren “in Ansehung von § 29b Abs. 2 LuftVG” die Erforderlichkeit von Änderungen der Nachtflugregelungen an einem Flughafen prüft, für die Berücksichtigung der Belange einer mit ihren Wohnungen lärmbetroffenen Kommune deren förmlichen Antrags?
6. Ist im Rahmen einer Prüfung der luftrechtlichen Genehmigungsbehörde, ob “in Ansehung von § 29b Abs. 2 LuftVG” weitergehende Regelungen erforderlich sind, das Gebot der Rücksichtnahme in besonderem Maße auf die Nachtruhe der Bevölkerung gemäß § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG in der Ermittlung und Abwägung der Belange zu beachten?
7. Hat eine Gemeinde in einem von der Genehmigungsbehörde eröffneten Verwaltungsverfahren zur Prüfung, ob “in Ansehung von § 29b Abs. 2 LuftVG” weitergehende Regelungen erforderlich und Veränderungen bei den Flugbetriebseinschränkungen notwendig sind, einen Anspruch darauf, dass ihre Belange als Eigentümerin von Wohnungen, die nächtlichem Fluglärm ausgesetzt sind, angemessen in die Abwägung für die von der Genehmigungsbehörde intendierte Entscheidung mit einfließen?
8. Hat die Gemeinde als Eigentümerin von durch Fluglärm betroffenen Wohnungen im Rahmen einer Nachprüfung der Erforderlichkeit zusätzlicher lärmschützender Flugbetriebsregelungen durch die Genehmigungsbehörde einen Anspruch auf gerechte Abwägung auch ihrer Lärmschutzbelange im Sinne von § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG hinsichtlich der in ihrem Eigentum stehenden lärmbetroffenen Wohnungen?
9. Hat die Gemeinde diesen Anspruch auf gerechte Abwägung ihrer Lärmschutzbelange hinsichtlich ihrer Wohnungen auch dann, wenn sie nicht zugleich geltend machen kann und geltend macht, dass hiermit eine nachhaltige Störung ihrer Planungshoheit verbunden ist?
10. Trifft es zu, dass eine Gemeinde, die Eigentümerin von durch nächtlichen Fluglärm beeinträchtigten Wohnungen ist, in einem Verfahren der Genehmigungsbehörde zur Prüfung der Frage der Erforderlichkeit weitergehender Nachtflugregelungen erst dann einen Anspruch auf fehlerfreie Abwägung auch ihrer Belange hat, wenn geltend gemacht wird, dass der derzeit zugelassene Nachtflug ursächlich für eine nachhaltige Störung der Planungshoheit ist, die gerade durch die von ihr begehrten Maßnahmen beseitigt werden kann?
11. Ist es mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 GG vereinbar, wenn einerseits bei einem neuen Flughafen nachts nicht geflogen werden darf, solange nicht eine dem Abwägungsgebot unter Berücksichtigung von § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG genügende Betriebsregelung erlassen worden ist, andererseits aber bei einem Flughafen mit nach § 71 Abs. 1 Satz 1 LuftVG fingierter Genehmigung und Planfeststellung der Flugbetrieb auch nachts uneingeschränkt als genehmigt gilt mit der Folge, dass die Einführung einer noch so geringfügigen nächtlichen Flugbeschränkung und deren spätere noch so geringfügige Verbesserung niemals dem Erfordernis des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG genügen muss und deshalb niemals irgendwelche Rechte der vom nächtlichen Fluglärm Betroffenen verletzen kann, solange der nächtliche Fluglärm nicht die Grenzen der schweren und unerträglichen Beeinträchtigung und der Gesundheitsgefährdung überschritten hat?
12. Gilt der Grundsatz, dass Nachtflugbetrieb in der Nachtkernzeit (00.00 bis 05.00 Uhr) einen standortspezifischen Nachtflugbedarf voraussetzt, nur bei der “Zulassung von Nachtflugbetrieb” im Zusammenhang mit dem Bau oder der wesentlichen Änderung eines Flughafens oder grundsätzlich bei Entscheidungen über Nachtbetriebsregelungen?
13. Gilt der Grundsatz, dass Nachtflugbetrieb in der Nachtkernzeit (00.00 bis 05.00 Uhr) einen standortspezifischen Nachtflugbedarf voraussetzt, nur bei der “Zulassung von Nachtflugbetrieb” im Zusammenhang mit dem Bau oder der wesentlichen Änderung eines Flughafens oder auch bei Entscheidungen von Genehmigungsbehörden über eine Änderung einer Nachtbetriebsregelung auf einem fingiert planfestgestellten Flughafen?
rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Den Verpflichtungsantrag hat das Oberverwaltungsgericht mit einer doppelten, seine Entscheidung jeweils selbständig tragenden Begründung als unzulässig abgelehnt. In einem solchen Fall kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder Begründung ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (vgl. Beschluss vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4; stRspr). Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert.
Rz. 9
Die allein auf die erste Begründung – das Fehlen eines erforderlichen Verwaltungsverfahrens – gemünzte Frage, ob es in dem Fall, dass die luftrechtliche Genehmigungsbehörde in einem Verwaltungsverfahren “in Ansehung von § 29b Abs. 2 LuftVG” die Erforderlichkeit von Änderungen der Nachtflugregelungen an einem Flughafen prüft, für die Berücksichtigung der Belange einer mit ihren Wohnungen lärmbetroffenen Kommune deren förmlichen Antrags bedarf, würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entschieden (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2009 – BVerwG 6 C 40.07 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 409 m.w.N.), dass die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage grundsätzlich von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts abhängt. Die Klägerin zeigt nicht auf, dass die Rechtsprechung der Korrektur bedarf. Schon deshalb muss ihre Beschwerde scheitern, sofern sie das Verpflichtungsbegehren betrifft.
Rz. 10
c) Die Klägerin hält ihre Fragen für entscheidungserheblich, weil sie sich ihrer Ansicht nach stellen würden, wenn das Oberverwaltungsgericht ihre Klageanträge zutreffend erfasst hätte. Ihrem Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht habe ihr Klagebegehren falsch bestimmt, entnimmt der Senat, dass sie einen Verstoß gegen § 88 VwGO rügen will, der im Falle seines Vorliegens einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO darstellt (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 88 Rn. 13). Die Klägerin macht geltend, mit dem Verpflichtungsantrag nicht den Erlass eines Verwaltungsakts anzustreben (Beschwerdebegründung S. 23). Der Antrag sei nicht auf die Anordnung verschärfter Nachtflugbeschränkungen, sondern darauf gerichtet, den Beklagten zu verpflichten, dann, wenn er – wie hier – abwägend über Betriebsregelungen am Flughafen Schönefeld entscheide, bei dieser Entscheidung ihre Belange als Eigentümerin fluglärmbetroffener Wohnungen mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen und eine Entscheidung mit einem bestimmten Mindestinhalt zu treffen. Komme die Genehmigungsbehörde zu dem Ergebnis, dass weitere Regelungen anzuordnen seien, müsse sie die bisherige Regelung zumindest teilweise aufheben – darauf ziele der Anfechtungsantrag – und für diesen Regelungsbereich eine neue Regelung erlassen, da sie selbstverständlich die Betroffenen nicht einem ungeregelten Zustand totaler Nachtflugfreiheit aussetzen dürfe. Darauf sei der Verpflichtungsantrag gerichtet, der insoweit mit dem Anfechtungsantrag eine gedankliche Einheit bilde (Beschwerdebegründung S. 23 – 24).
Rz. 11
Die Einhaltung des § 88 VwGO ist vom Senat in vollem Umfang nachzuprüfen (vgl. Urteil vom 15. Dezember 1966 – BVerwG 8 C 30.66 – BVerwGE 25, 357 ≪359≫). Hierzu hat er den wahren Willen der Klägerin selbst zu ermitteln (vgl. Beschluss vom 16. Januar 1968 – BVerwG 2 B 65.67 – Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 2; Urteil vom 15. November 2007 – BVerwG 2 C 29.06 – NVwZ 2008, 324, ≪325≫ Rn. 14).
Rz. 12
Die Klägerin will weder einen uneingeschränkten Nachtflugbetrieb hinnehmen, wie er nach der Genehmigung vom 20. September 1990 zulässig wäre, noch einen beschränkten Nachtflugbetrieb in dem Umfang, den der Bescheid vom 28. Oktober 2008 ermöglicht. Ihr geht es darum, dass der Beklagte den Bescheid vom 28. Oktober 2008, in dem das Oberverwaltungsgericht einen Teilwiderruf der Genehmigung vom 20. September 1990 gesehen hat, durch einen Bescheid ersetzt, der Regelungen enthält, die die Beigeladene stärker belasten (Beschwerdebegründung S. 23 f.). Da ihr Klagebegehren auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet ist, erfüllt es die Voraussetzungen, die § 42 Abs. 1 VwGO an eine Verpflichtungsklage stellt. Das hat das Oberverwaltungsgericht richtig erkannt und deshalb zu Recht als Voraussetzung für die Zulässigkeit des Verpflichtungsantrags verlangt, dass die Klägerin zuvor in einem Verwaltungsverfahren erfolglos einen Antrag auf Erlass des eingeklagten Verwaltungsakts gestellt hat. Der Vortrag der Klägerin, sie habe mit dem Verpflichtungsantrag – in Ergänzung des Anfechtungsantrags – lediglich verdeutlichen wollen, mit welchem Gewicht ihre Belange in die neue, nach Aufhebung des Bescheides vom 28. Oktober 2008 notwendig werdende Entscheidung des Beklagten eingestellt werden müssten (Beschwerdebegründung S. 24), hilft ihr nicht weiter. Er vermag ebenso wie die Behauptung der Klägerin, sie habe nur einen Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Belange geltend gemacht (Beschwerdebegründung S. 27, 32), nicht darüber hinwegzutäuschen, dass das wahre Klageziel auf die Verpflichtung der Beklagten zum Erlass eines Bescheides mit verschärften Nachtflugbeschränkungen gerichtet ist. Ob die Klägerin dieses Ziel statt mit einer Verpflichtungsklage – ausnahmsweise – auch mit einer isolierten, auf die Aufhebung des Bescheides vom 28. Oktober 2008 gerichteten Anfechtungsklage erreichen könnte (zu den Voraussetzungen für eine isolierte Anfechtungsklage: Urteil vom 30. April 1971 – BVerwG 6 C 35.68 – BVerwGE 38, 99), braucht nicht entschieden zu werden; denn die isolierte Anfechtungsklage wäre ebenfalls nur zulässig, wenn die Klägerin vorher beim Beklagten ohne Erfolg beantragt hätte, den Nachtflug nach ihren (Mindest-)Vorstellungen zu beschränken.
Rz. 13
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen der gerügten Abweichungen des angefochtenen Urteils von den Entscheidungen des Senats vom 20. April 2005 – BVerwG 4 C 18.03 – (BVerwGE 123, 261) und 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1001.04 – (BRS 70 Nr. 28) zuzulassen.
Rz. 14
a) Die Klägerin zitiert das Urteil vom 20. April 2005 mit dem Rechtssatz, Betriebsregelungen zum Schutz vor nächtlichem Fluglärm seien Gegenstand der planerischen Gestaltungsfreiheit der Genehmigungsbehörde, die bei der Ausübung dieser Gestaltungsfreiheit den Bindungen des fachplanerischen Abwägungsgebots unterliege, und dem weiteren Rechtssatz, dass den lärmbetroffenen (Anwohnern und kommunalen Gebietskörperschaften) in der Flughafenumgebung bei der Entscheidung der Genehmigungsbehörde über eine neue Nachtbetriebsregelung ein subjektiv-öffentliches Recht auf gerechte Abwägung ihrer eigenen Belange zustehe, das auch den Schutz vor nächtlichem Fluglärm umfasse, und dass die Lärmbetroffenen grundsätzlich geltend machen könnten, die Genehmigungsbehörde habe das den Betroffenen zukommende subjektive Recht auf gerechte Abwägung verletzt (Beschwerdebegründung S. 42 f.). Im Widerspruch dazu habe das Oberverwaltungsgericht die Rechtssätze aufgestellt, dass Betriebsregelungen zum Schutz vor nächtlichem Fluglärm nur dann dem fachplanerischen Abwägungsgebot unterlägen, wenn die Genehmigungsbehörde eine neue Betriebsregelung zu Lasten der Anwohner treffe oder in diesem Zusammenhang Schutzvorkehrungen anordne, und dass sich Lärmbetroffene bei der Entscheidung der Genehmigungsbehörde über eine neue Nachtbetriebsregelung nur dann auf Abwägungsfehler berufen könnten, wenn die neue Nachtbetriebsregelung im Vergleich zur alten zu einer stärkeren Lärmbelastung führe.
Rz. 15
Die einander gegenübergestellten Rechtssätze sind nur vordergründig nicht miteinander vereinbar. Tatsächlich liegt eine Divergenz nicht vor. Die Aussagen des Senats müssen auf den Sachverhalt bezogen werden, der dem Urteil vom 20. April 2005 zugrunde lag. In dem damaligen Fall ging es um die Anfechtung eines Bescheides, mit welchem dem Flughafenbetreiber die Ausdehnung des Nachtflugbetriebs genehmigt worden war. Der Senat hat eine Rechtsanspruch auf Fortbestand der bisherigen, d.h. für die Lärmbetroffenen günstigeren, Nachtflugregelung verneint, ihnen aber – gleichsam als Minus – ein subjektiv-öffentliches Recht auf gerechte Abwägung ihrer eigenen Belange zuerkannt (a.a.O. S. 267). Vorliegend greift die Klägerin einen Bescheid an, mit dem der Nachtflugbetrieb gegenüber einer früheren Genehmigung beschränkt worden ist. Während der Bescheid, der im Verfahren BVerwG 4 C 18.03 umstritten war, die Genehmigungslage zu Ungunsten der Kläger verändert hatte, verbessert der angefochtene Bescheid vom 28. Oktober 2006 die Genehmigungslage für die Klägerin, auch wenn die Verbesserung nicht so weit reicht, wie die Klägerin dies für geboten hält.
Rz. 16
b) Den Fragen, ob das Oberverwaltungsgericht dem ebenfalls im Urteil vom 20. April 2005 formulierten Rechtssatz widersprochen hat, dass lärmbetroffenen kommunalen Gebietskörperschaften in der Flughafenumgebung aufgrund des ihnen zukommenden Rechts auf gerechte Abwägung bereits dann ein gerichtliches Abwehrrecht gegen die Entscheidung über eine neue Nachtbetriebsregelung zustehen könne, wenn sie nicht nur geringfügig von nächtlichem Fluglärm betroffen seien, sowie vom Urteil des Senats vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1001.04 – abgewichen ist, braucht nicht nachgegangen zu werden. Insoweit beziehen sich die Divergenzrügen auf das zweite, im Beschwerdeverfahren irrelevante Begründungselement, mit dem der Verpflichtungsantrag auch mangels Klagebefugnis als unzulässig verworfen worden ist.
Rz. 17
3. Die Revision ist schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen.
Rz. 18
a) Die Rüge der Aktenwidrigkeit (Beschwerdebegründung S. 17) genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Rz. 19
Erhebt ein Beteiligter die Verfahrensrüge, das Gericht habe den Sachverhalt “aktenwidrig” festgestellt, muss er schlüssig vortragen, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss dieser Widerspruch offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf (vgl. Beschluss vom 19. November 1997 – BVerwG 4 B 182.97 – Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1; Urteil vom 2. Februar 1984 – BVerwG 6 C 134.81 – BVerwGE 68, 338 ≪349≫). Die Verfahrensrüge der “Aktenwidrigkeit” verlangt zudem eine genaue Darstellung des Verstoßes, und zwar durch konkrete Angaben von Textstellen aus den vorinstanzlichen Verfahrensvorgängen, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll. Diese Voraussetzungen müssen erfüllt werden, da eine Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung als solche nicht als Verfahrenmangel rügefähig ist (Beschluss vom 2. November 1999 – BVerwG 4 BN 41.99 – ≪insoweit nicht veröffentlicht in UPR 2000, 226≫). Das Beschwerdevorbringen entspricht diesen Anforderungen nicht.
Rz. 20
b) Die Gehörsrüge (Beschwerdebegründung S. 30 f.) geht ins Leere, weil sie das zweite, im Beschwerdeverfahren auszublendende Begründungselement betrifft, mit dem der Verpflichtungsantrag mangels Klagebefugnis als unzulässig verworfen worden ist.
Rz. 21
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Rz. 22
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Gatz, Petz
Fundstellen