Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 18.06.2015; Aktenzeichen 62 PV 10.14) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg – Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes – vom 18. Juni 2015 wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Die auf den Zulassungsgrund der Divergenz gestützte Beschwerde nach § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Die Rechtsbeschwerde kann nicht wegen Divergenz zugelassen werden, weil die Beschwerdebegründung den Bezeichnungsanforderungen des § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG nicht gerecht wird.
Rz. 3
Nach den gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG entsprechend anzuwendenden § 92 Abs. 1 Satz 2 und § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn der angefochtene Beschluss von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, des Bundesverwaltungsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Oberverwaltungsgerichts bzw. Verwaltungsgerichtshofs oder eines anderen Oberverwaltungsgerichts bzw. Verwaltungsgerichtshofs abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Entscheidung, von der der angefochtene Beschluss abweicht, zu bezeichnen (§ 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG). Eine die Rechtsbeschwerde eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen abstrakten, inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. März 1994 – 6 PB 22.93 – AP Nr. 8 zu § 92a ArbGG 1979 und vom 28. Juli 2014 – 5 PB 1.14 – juris Rn. 9, jeweils m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.
Rz. 4
a) Soweit die Beschwerde geltend macht, die angefochtene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts weiche von dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 26. November 2013 – PB 15 S 1121/13 – ab, wird eine Rechtssatzdivergenz im oben genannten Sinne nicht schlüssig bezeichnet. An einer hinreichenden Darlegung mangelt es bereits, weil die von der Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 5) dem Oberverwaltungsgericht zugeschriebenen Rechtssätze, mit denen es von dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg abgewichen sein soll, von dem Oberverwaltungsgericht nicht in der von der Beschwerde formulierten Weise als Rechtssätze aufgestellt worden sind.
Rz. 5
Als rechtssatzmäßig formulierten Maßstab zur streitentscheidenden Frage der Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Beteiligten zu 1 wegen Unzumutbarkeit im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG hat das Oberverwaltungsgericht (BA S. 6) festgehalten: Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei insbesondere dann unzumutbar, wenn die Arbeitgeberin darlegt und im Zweifelsfall beweist, dass sie der Jugend- und Auszubildendenvertreterin zum Zeitpunkt der Beendigung ihrer Berufsausbildung und im Zeitraum der vorhergehenden drei Monate im Bereich der Ausbildungsdienststelle keinen ausbildungsadäquaten Dauerarbeitsplatz bereitstellen könne. Ob ein freier finanzierter Dauerarbeitsplatz bestehe, bestimme sich primär im Vergleich zwischen einer verbindlichen Festlegung des Haushaltsgesetzgebers und den tatsächlichen Stellenbesetzungen. Fehle es – wie hier – an verbindlichen Festlegungen im Haushaltsplan des Gesetzgebers, stehe es stattdessen der Dienststelle oder einer übergeordneten Stelle zu, die Mittelverwendung selbst festzulegen, dann sei sie nicht gezwungen, Arbeitsplätze zu schaffen, die auf die Qualifikation der Jugend- und Auszubildendenvertreterin zugeschnitten seien. Auf dieser Ebene der Entscheidungsfindung beschränke sich die Wirkung von § 9 BPersVG auf eine Missbrauchskontrolle. Erst nach der Entscheidung der zuständigen Stelle zur Einrichtung eines ausbildungsadäquaten Dauerarbeitsplatzes komme, auf der zweiten Ebene, der Diskriminierungsschutz des § 9 BPersVG zum Tragen.
Rz. 6
Entgegen dem Vorbringen der Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 5) hat das Oberverwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss keinen Rechtssatz aufgestellt, wonach „Priorisierungsverfahren bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, die der Anmeldung freizugebender Stellen beim zuständigen Bundesministerium vorgeschaltet sind, lediglich den Entscheidungsfindungsprozess des Arbeitgebers über die ihm zustehende Mittelverwendung selbst betreffen, wenn es an verbindlichen Festlegungen im Haushaltsplan des Gesetzgebers fehlt.” Es hat diese Formulierung weder ausdrücklich so gewählt noch sinngemäß als Rechtssatz formuliert. Soweit sich das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung mit der Prioritätenliste bzw. der Festlegung der Prioritäten nach dem Bedarf befasst, handelt es sich dabei – wie sich den Gründen des Beschlusses (BA S. 6 f.) deutlich entnehmen lässt – um die Subsumtion unter die von ihm zuvor beschriebenen, der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entnommenen Maßstäbe zu § 9 BPersVG, nicht aber um die Aufstellung eines im Wege der Auslegung dieser streitentscheidenden Norm entwickelten selbständigen Rechtssatzes.
Rz. 7
Ebenso wenig trifft das Vorbringen der Beschwerde zu, das Oberverwaltungsgericht habe in dem angefochtenen Beschluss „den Rechtssatz aufgestellt, dass nicht die Arbeitgeberin Tatsachen vortragen muss, aus denen sich ergibt, dass die Festlegung der Prioritäten nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt ist, sondern die Beteiligten bei der Durchführung von Priorisierungsverfahren Tatsachen vortragen müssen, aus denen sich ergibt, dass die Festlegung der Prioritäten rechtsmissbräuchlich erfolgt ist” (Beschwerdebegründung S. 5). Auch im Zusammenhang mit seiner Begründung zur Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf den Missbrauch von Arbeitsplatzentscheidungen stellen sich die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts (BA S. 7) nicht als Rechtssatz zum Priorisierungsverfahren dar, sondern als Subsumtion unter den von ihm als einschlägig erachteten Missbrauchsmaßstab. Dies ergibt sich deutlich aus der Würdigung des Oberverwaltungsgerichts (BA S. 6 f.), dass die Festlegung der Prioritäten nach dem Bedarf auf der ersten Ebene der Entscheidungsfindung erfolge, bei der sich die Wirkung des § 9 BPersVG auf eine Missbrauchskontrolle durch das Gericht beschränke, das gewählte Verfahren jedoch einen Missbrauch nicht erkennen lasse. Nach den vom Bundesverwaltungsgericht für die erste Ebene formulierten Maßstäben werde der Missbrauch von Arbeitsplatzentscheidungen nicht etwa vermutet, sondern die Feststellung des Missbrauchs setze voraus, dass entsprechende Tatsachen behauptet und bewiesen werden müssten. Die materielle Beweislast trage derjenige, der aus dem Missbrauch einen rechtlichen Vorteil herleiten wolle.
Rz. 8
Soweit das Oberverwaltungsgericht mit der Formulierung zur materiellen Beweislast im Rahmen der Missbrauchskontrolle einen – von der Beschwerde so nicht bezeichneten – Rechtssatz aufgestellt hat, ist es damit jedenfalls nicht von dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 26. November 2013 – PB 15 S 1121/13 – abgewichen. Denn die Frage der Darlegungsund Beweislast bei Anwendung des Missbrauchsmaßstabs hat sich dem Verwaltungsgerichtshof nicht entscheidungserheblich gestellt. Er hat weder ausdrückliche noch sinngemäße rechtssatzmäßige Ausführungen zur Missbrauchskontrolle gemacht.
Rz. 9
Einer die Zulassung der Rechtsbeschwerde begründenden Divergenz steht überdies entgegen, dass sich der angefochtene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts und der von der Beschwerde genannte Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in einem wesentlichen Punkt unterscheiden. Während das Oberverwaltungsgericht ausführt, nach den von ihm rechtssatzmäßig zu § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG aufgestellten Maßstäben stehe fest, „dass in den letzten drei Monaten bis zum Abschluss der Ausbildung der Beteiligten zu 1 kein ausbildungsadäquater Dauerarbeitsplatz frei stand” (BA S. 6), geht der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Beschluss vom 26. November 2013 – PB 15 S 1121/13 – (BA S. 18) davon aus, dass nach den von ihm genannten (und vom Oberverwaltungsgericht nicht divergierenden) Maßstäben zu § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG „im maßgeblichen Zeitpunkt bzw. -raum ein freier, ausbildungsadäquater Dauerarbeitsplatz zur Verfügung gestanden hat”. Da sich die von der Beschwerde gegenüber gestellten Entscheidungen mithin nicht entscheidungserheblich durch die jeweils aufgestellten Maßstäbe, sondern durch die Rechtsanwendung im Einzelfall unterscheiden, lässt sich damit eine die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigende Divergenz nicht begründen.
Rz. 10
b) Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht mit Blick auf die Annahme der Beschwerde zuzulassen, die angefochtene Entscheidung weiche von Rechtssätzen ab, die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 1994 – 6 P 39.93 – BVerwGE 97, 68 ff. und vom 9. Dezember 2009 – 6 PB 35.09 – Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 40) aufgestellt worden seien. Zwar listet die Beschwerde Rechtssätze auf, die sie den genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zuordnet. Unabhängig davon, ob diese Rechtssätze den zitierten Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts in dieser Weise zu entnehmen sind, genügt die Beschwerde insoweit jedenfalls deshalb nicht den Anforderungen an die Darlegung einer Rechtssatzdivergenz, weil sie dem keinen vom Oberverwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung formulierten Rechtssatz entgegenstellt, mit dem dieses von einem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz abgewichen sein soll.
Rz. 11
Eine Abweichung von dem Rechtssatz zum Schutzgedanken des § 9 BPersVG bei Wiederbesetzungssperren, den die Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 8) dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2009 (– 6 PB 35.09 – Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 40) zuschreibt, scheidet dabei auch schon deshalb aus, weil sich das Oberverwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss weder mit der Frage von Wiederbesetzungssperren befasst noch hierzu Rechtssätze aufgestellt hat. Gleiches gilt im Hinblick auf die von der Beschwerde in Bezug genommenen Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 2. November 1994 (– 6 P 39.93 – BVerwGE 97, 68 ≪77 f.≫), die sich zu der Frage verhalten, welche Bedeutung einem behördlich verfügten Einstellungsstopp im Zusammenhang mit § 9 BPersVG zukommt. Auch diese Frage hat das Oberverwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss weder als entscheidungserheblich erachtet, noch hat es – weil es auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen nicht von einem Einstellungsstopp ausgegangen ist – dazu Rechtssätze formuliert. Die Beschwerde macht auch insoweit der Sache nach geltend, dass die Rechtsanwendung des Oberverwaltungsgerichts im vorliegenden Einzelfall nicht mit den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssätzen in Einklang stehe. Das genügt jedoch zur Bezeichnung einer die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigenden Rechtssatzdivergenz gerade nicht.
Rz. 12
2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen.
Unterschriften
Vormeier, Dr. Störmer, Dr. Fleuß
Fundstellen