Leitsatz (amtlich)

Weder der Schutz von Ehe und Familie noch die Fürsorgepflicht gebieten es, einem Berufssoldaten Sonderurlaub unter Wegfall der Geldund Sachbezüge für die Dauer von zwei Jahren zu gewähren, um ihm das Zusammenleben mit seiner in den USA beruflich gebundenen Ehefrau zu ermöglichen, wenn dienstliche Gründe der Beurlaubung entgegenstehen.

 

Normenkette

GG Art. 6; SG § 10 Abs. 3; SUV § 9; SUrlV § 13 Abs. 1

 

Tenor

Der Antragsteller begehrt die Gewährung von zwei Jahren Sonderurlaub unter Wegfall der Geldund Sachbezüge, um mit seiner in den Streitkräften der USA Dienst leistenden Ehefrau zusammenleben zu können. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieb erfolglos.

 

Gründe

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Gewährung des von ihm beantragten Sonderurlaubs. Nach § 9 der Verordnung über den Urlaub von Soldaten (Soldatenurlaubsverordnung – SUV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 1997 (BGBl I S. 1134) i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Sonderurlaub für Bundesbeamte und Richter im Bundesdienst (Sonderurlaubsverordnung – SUrlV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. April 1997 (BGBl I S. 978) kann Urlaub unter Wegfall der Besoldung nur gewährt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und der Beurlaubung dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Eine entsprechende Regelung ist in Nr. 83 Abs. 1 Satz 1 der Ausführungsbestimmungen zur SUV (AusfBestSUV) (ZDv 14/5 F 511) enthalten. Soweit Urlaub unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge für mehr als drei Monate beantragt wird, kann er nur in besonders begründeten Fällen gewährt werden (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 SUrlV i.V.m. Nr. 83 Abs. 1 Satz 2 AusfBestSUV).

Die Frage, ob ein wichtiger Grund für die Gewährung von Sonderurlaub anzunehmen ist, unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung (vgl. Beschlüsse vom 26. Oktober 1973 – BVerwG 1 WB 85.73 – ≪BVerwGE 46, 173 [f.], vom 19. Mai 1992 – BVerwG 1 WB 137.91 – ≪ZBR 1992, 310 = DÖV 1992, 928≫ und vom 30. Januar 1996 – BVerwG 1 WB 46.95 – ≪Buchholz 236.12 § 9 Nr. 1 = NZWehrr 1996, 162≫ m.w.N.). Der Verteidigungsauftrag der Bundeswehr erfordert es grundsätzlich, daß Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit die selbst übernommene Verpflichtung zur Dienstleistung voll erfüllen. Daraus folgt, daß eine Beurlaubung aus wichtigem Grund nicht schon dann in Betracht kommt, wenn der Soldat seine Belange selbst für wichtig erachtet, sondern nur, wenn sie bei objektiver Betrachtung gewichtig und schutzwürdig sind (vgl. Beschlüsse vom 7. September 1988 – BVerwG 1 WB 104.87 – ≪BVerwGE 86, 65≫, vom 24. August 1993 – BVerwG 1 WB 56.93 – ≪a.a.O.≫ und vom 15. Dezember 1998 – BVerwG 1 WB 58.98 –). Je länger der beantragte Sonderurlaub dauern soll, um so stärker wird das öffentliche Interesse an der vollen Dienstleistung des Soldaten berührt und um so höhere Anforderungen sind an die Gewichtigkeit und Schutzwürdigkeit des geltend gemachten Beurlaubungsgrundes zu stellen. Handelt es sich wie im vorliegenden Fall um einen besonders langen, sich über einen Zeitraum von zwei Jahren erstreckenden Sonderurlaub, können die persönlichen Belange des Soldaten als wichtiger Grund nur dann anerkannt werden, wenn er sich in einer Ausnahmesituation befindet, die sich als eine wirkliche Zwangslage darstellt (vgl. Beschlüsse vom 15. März 1989 – BVerwG 1 WB 161.88 – ≪DokBer B 1989, 241≫, vom 19. Mai 1992 – BVerwG 1 WB 137.91 – ≪a.a.O.≫, vom 30. Januar 1996 – BVerwG 1 WB 46.95 – ≪a.a.O.≫ und vom 15. Dezember 1998 – BVerwG 1 WB 58.98–).

Der vom Antragsteller geltend gemachte Grund der Familienzusammenführung mit seiner Ehefrau stellt keinen wichtigen Grund im vorgenannten Sinne dar. Da der Antragsteller bei seiner Eheschließung 1996 bereits Berufssoldat war, wußte er, welchen damit verbundenen Pflichten er unterlag und daß sein Einsatzbereich überwiegend in Deutschland liegen würde. Er konnte nicht darauf vertrauen, daß er in die USA versetzt und ihm damit das Zusammenleben mit seiner ebenfalls ortsgebundenen Ehefrau ermöglicht würde. Dies ist auch weder von Art. 6 GG noch von § 10 Abs. 3 SG gefordert. Der staatliche Schutz von Ehe und Familie entbindet den Antragsteller nicht von seinen freiwillig mit der Begründung des Wehrdienstverhältnisses übernommenen Verpflichtungen. Art. 6 GG verpflichtet den Staat zwar, Ehe und Familie zu schützen, nicht aber dazu, das Zusammenleben von Ehegatten in tatsächlicher Hinsicht zu ermöglichen. Auch die dem Soldaten gegenüber bestehende Fürsorgepflicht gebietet dem Vorgesetzten nicht, ihn wenn auch nur zeitlich begrenzt in vollem Umfang von der Dienstleistungspflicht zu entbinden.

Schließlich stehen der vom Antragsteller begehrten Beurlaubung unter Wegfall der Geldund Sachbezüge dienstliche Gründe entgegen. Nach dem Vorbringen des Bundesministers der Verteidigung (BMVg) fehlt es an Luftfahrzeugführern in der Laufbahn der Offiziere des Militärfachlichen Dienstes. Aus diesen Gründen würden auch generell alle Anträge auf Umwandlung des Dienstverhältnisses oder Dienstzeitverkürzung nach den §§ 3 und 4 des Personalstärkegesetzes abgelehnt. Dem kann der Antragsteller nicht entgegenhalten, daß seines Wissens in seinem Regiment die Besetzung über 100 v.H. liege und seine unmittelbaren Vorgesetzten seine Beurlaubung befürwortet hätten. Bei der Frage, welchen Bedarf die Bundeswehr in den einzelnen Bereichen hat, handelt es sich nicht um einen gerichtlich überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff. Derartige Bedarfsermittlungen dienen vornehmlich der Verwirklichung planerischer Vorstellungen und stellen deshalb organisatorische Maßnahmen dar, mit deren Hilfe der BMVg den Auftrag der Bundeswehr realisieren will. Sie stehen damit grundsätzlich außerhalb der Kriterien von Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit. Es handelt sich dabei vielmehr in erster Linie um Zweckmäßigkeitsfragen, die wenn sie ein dienstliches Bedürfnis für eine bestimmte Verwendung eines Soldaten begründen oder ausschließen bei der richterlichen Kontrolle einzelner Personalmaßnahmen, außer bei Rechtsverstößen, als gegeben hingenommen werden müssen (Beschlüsse vom 11. November 1975 – BVerwG 1 WB 24.75 – ≪BVerwGE 53, 95 [97]≫, vom 29. November 1988 – BVerwG 1 WB 7.88 – ≪DokBer B 1989, 73≫, vom 21. September 1993 – BVerwG 1 WB 82.92 – und vom 13. Oktober 1998 – BVerwG 1 WB 16.98 –). Es gehört nicht zu den Aufgaben der Wehrdienstgerichte, ihre Vorstellungen über die Organisation der Bundeswehr an die Stelle derjenigen der dazu berufenen Vorgesetzten zu setzen. Das ist hier der BMVg, nicht aber der unmittelbare Vorgesetzte des Antragstellers. Der BMVg darf einen längerfristigen Sonderurlaub nicht nur dann ablehnen, wenn die Leistungsfähigkeit eines militärischen Verbandes oder einer militärischen Ausbildungsstätte dadurch ernsthaft beeinträchtigt würde; vielmehr genügt für eine ablehnende Entscheidung, daß in dem betreffenden militärischen Bereich auf Grund der Beurlaubung erkennbare Schwierigkeiten überwunden werden müßten (Beschluß vom 15. Dezember 1998 BVerwG 1 WB 58.98 – m.w.N.).

 

Fundstellen

ZBR 1999, 391

RiA 2000, 33

DVBl. 1999, 1444

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