Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 06.03.2007; Aktenzeichen 12 K 1803/03) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 6. März 2007 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Die Beschwerde ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen (1.); auch liegt der geltend gemachte Aufklärungsmangel nicht vor (2.).
1. Die Beschwerde ist nicht zur (weiteren) Klärung der Fragen zuzulassen,
“unter welchen Voraussetzungen die Wahrnehmung von Parteiämtern und -funktionen auf mittlerer Ebene als erhebliches Vorschubleisten im Sinne des § 1 Abs. 4 AusglLeistG anzusehen ist”, oder
“inwieweit bei nachweislich aktiv ausgeübten Parteiämtern – hier eines Kreisbauernführers, Kreisamtsleiters für Agrarpolitik und Anerbenrichters –, der sich nachweislich eigener Äußerungen als frühes NSDAP- und SA-Mitglied sowie als SA-Scharführer und Bauernführer ‘tatkräftig’ für ‘seinen’ ‘Führer Adolf Hitler’ eingesetzt hat, in einer Gesamtschau von der Innehabung der Funktionen auf ein erhebliches Vorschubleisten zu Gunsten des NS-Systems i.d. 3. Alt. des § 1 Abs. 4 AusglLeistG geschlossen werden kann”.
Soweit die von der Beschwerde ausdrücklich aufgeworfenen bzw. sinngemäß angeschnittenen Fragen nicht schon durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind, betreffen sie die einzelfallbezogene Anwendung dieser rechtsgrundsätzlich geklärten Grundsätze, hinsichtlich derer die Beschwerde weiteren oder neuerlichen Klärungsbedarf nicht aufzeigt.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (s. etwa Urteile vom 17. März 2005 – BVerwG 3 C 20.04 – BVerwGE 123, 142, vom 23. Februar 2006 – BVerwG 3 C 22.05 – Buchholz 428.4 § 1 AusglLeistG Nr. 6, vom 19. Oktober 2006 – BVerwG 3 C 39.05 – BVerwGE 127, 56 und vom 14. Dezember 2006 – BVerwG 3 C 36.05 – NJW 2007, 1607; s.a. Beschluss vom 20. März 2007 – BVerwG 5 B 88.06 – juris) sind abstrakt-generelle Fragen zur Auslegung und Anwendung des hier allein in Frage stehenden Ausschlussgrundes des § 1 Abs. 4 Alt. 3 AusglLeistG (erhebliches Vorschubleisten für den Nationalsozialismus) dahin geklärt, dass ein “erhebliches Vorschubleisten” in objektiver Hinsicht voraussetzt, dass nicht nur gelegentlich oder beiläufig, sondern mit einer gewissen Stetigkeit Handlungen vorgenommen wurden, die dazu geeignet waren, die Bedingungen für die Errichtung, die Entwicklung oder die Ausbreitung des nationalsozialistischen Systems zu verbessern oder Widerstand gegen dieses System zu unterdrücken, und dies auch zum Ergebnis hatten. Der Nutzen, den das Regime aus dem Handeln gezogen hat, darf nicht nur ganz unbedeutend gewesen sein. Die subjektiven Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes sind erfüllt, wenn die betreffende Person dabei in dem Bewusstsein gehandelt hat, ihr Verhalten könne diesen Erfolg haben. Weiterhin ist geklärt, dass eine einschränkende Auslegung dieses Ausschlussgrundes dahin, dass gezielt die Gewalttätigkeit der nationalsozialistischen Herrschaft unterstützt worden sein muss, nicht geboten ist, weil eine Unterstützung des NS-Regimes, selbst wenn sie an einer scheinbar weniger verfänglichen Stelle erfolgte, zugleich zumindest indirekt ein Vorschubleisten zugunsten der mit dem nationalsozialistischen System untrennbar verbundenen Gewaltherrschaft zur Folge hatte. Die unterstützende Tätigkeit muss sich allerdings auf spezifische Ziele des nationalsozialistischen Systems bezogen haben. Eine Unterstützung nicht spezifisch von der nationalsozialistischen Ideologie geprägter Bestrebungen, wie etwa des Zieles, den 2. Weltkrieg zu gewinnen, genügt nicht. Ein erhebliches Vorschubleisten im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG ist bereits in der Phase der Errichtung und nicht erst nach der Etablierung des nationalsozialistischen Systems möglich, und der von § 1 Abs. 4 AusglLeistG geforderte qualifizierte Nutzen für das nationalsozialistische System kann nicht allein aus der bloßen Mitgliedschaft in der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen, die zudem für ein Vorschubleisten nicht erforderlich ist, hergeleitet werden. Der Wahrnehmung herausgehobener Funktionen in der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen, zumal wenn sie über einen längeren Zeitraum und im Sinne der Partei beanstandungsfrei ausgeübt worden sind, kommt regelmäßig eine Indizwirkung für ein erhebliches Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen Systems im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG zu, hierfür reichen aber ehrenamtliche oder nachgeordnete Parteifunktionen auf Kreisebene nicht aus.
Das Verwaltungsgericht hat in Anwendung dieser Grundsätze die Funktionen und Ämter des Geschädigten und – soweit bekannt – dessen Tätigkeiten einzelfallbezogen gewürdigt und dahin erkannt, dass sie hier den Ausschlusstatbestand nicht ausfüllen; dabei hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt, dass auch Ämter und Funktionen auf der mittleren Ebene den Ausschlusstatbestand erfüllen können. Die hiergegen gerichteten Ausführungen des Beklagten zu den hier von dem Geschädigten eingenommenen Funktionen insbesondere eines Kreisbauernführers und Anerbenrichters, nach denen diese Ausdruck und systemimmanenter Bestandteil des nationalsozialistischen Unrechtsregimes gewesen seien, machen der Sache nach eine unrichtige Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht herausgearbeiteten Grundsätze geltend. Die Funktionen belegen zudem weder für sich allein noch in Verbund mit der Mitgliedschaft in der NSDAP (seit 1. März 1931) und in der SA (1. Januar 1931 bis 30. März 1933) notwendig die nach der Rechtsprechung erforderliche qualifizierte Unterstützung des nationalsozialistische Regimes. Insoweit setzt die Beschwerde die eigene Bewertung des Beklagten gegen die tatrichterliche Würdigung und Gewichtung der verschiedenen Funktionen des Geschädigten und der Informationen, die zu der Ausübung dieser Funktionen durch diesen festgestellt worden sind, durch das Verwaltungsgericht. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht keine Feststellungen zur Frage treffen können, an welchen Verfahren zur Feststellung der sog. Bauernfähigkeit der Geschädigte mitgewirkt habe und in welchem Umfange er in der Organisation des Einsatzes von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen tätig geworden sei; dass der Geschädigte nach eigenem Bekunden überzeugter Nationalsozialist gewesen ist und die subjektiven Voraussetzungen eines Ausschlusstatbestandes erfüllt sein mögen, ersetzt nicht die erforderliche Feststellung, dass auch die objektiven Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes des “erheblichen Vorschubleistens” erfüllt sind. Dass der Geschädigte selbst Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene beschäftigt hat, ist von dem Verwaltungsgericht nicht festgestellt und steht nicht im Raum. Soweit die Beschwerde eine Herausarbeitung einer Kasuistik von Sachverhalten, Funktionen oder Ämtern anstreben sollte, die nach den Umständen des Einzelfalls und den einzelnen Handlungen des Geschädigten stets oder doch im Regelfall die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 AusglLeistG erfüllten, führte dies nicht auf eine Fragestellung, die einer revisionsgerichtlichen Klärung zugänglich wäre, weil für den mit der Beschwerde angesprochenen Amts- und Funktionsbereich die Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 4 AusglLeistG auch eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls voraussetzt (s. zu § 5 Nr. 2 Buchst. b BVFG, Beschlüsse vom 21. Januar 2004 – BVerwG 5 B 96.03 und BVerwG 5 B 42.03 – juris).
2. Die Revision ist auch nicht deswegen zuzulassen, weil das Verwaltungsgericht verfahrensfehlerhaft dahin erkannt habe, dass “über Umfang und Art und Weise der Tätigkeiten und Betätigungen des Geschädigten insbesondere als Kreisbauernführer und Anerbenrichter ‘keinerlei Erkenntnisse’ vorliegen”, ohne weitere Sachaufklärung zu betreiben, und es insbesondere “die Bestände der Landesbauernschaft aus den Sächsischen Staatsarchiven [hätte] beiziehen müssen, um in protokollierten Dienstbesprechungen, Monatsberichten etc. Hinweise auf die Art und Weise der Amtsausführung durch den Geschädigten zu ermitteln”. Die von dem Beklagten der Sache nach erhobene Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) scheitert bereits daran, dass sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt. Wer die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht erhebt, obwohl er – in der mündlichen Verhandlung durch einen zur Vertretung befugten, sachkundigen Vertreter vertreten – vor dem Verwaltungsgericht keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO), muss, um den gerügten Verfahrensmangel prozessordnungsgemäß zu bezeichnen, substantiiert darlegen, warum sich dem Tatsachengericht trotzdem aus seiner für den Umfang der verfahrensrechtlichen Sachaufklärung maßgebenden materiellrechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung in der aufgezeigten Richtung hätte aufdrängen müssen (vgl. Beschlüsse vom 2. März 1978 – BVerwG 6 B 24.78 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 164 S. 43 f., vom 1. April 1997 – BVerwG 4 B 206.96 – NVwZ 1997, 890, 893 sowie vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328).
Daran lässt es die Beschwerdebegründung fehlen. Aus dem Vorbringen des Beklagten erschließt sich nicht, aus welchen Gründen sich nach den ausweislich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge bereits von dem Beklagten durchgeführten Recherchen dem Verwaltungsgericht hätte aufdrängen sollen, dass bzw. welche weiteren entscheidungserheblichen Tatsachen sich aus welchen vorhandenen und archivmäßig erschlossenen Beständen zur Sächsischen Landesbauernschaft hätten ergeben können und daher Anlass zu weiterer Sachaufklärung hätten sein sollen. Dies gilt umso mehr, als dem Beklagten selbst – spätestens nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2006 (BVerwG 3 C 39.05 a.a.O.) – bekannt sein musste, welche Bedeutung bei Amts- und Funktionsträgern der mittleren und unteren Ebene der konkreten Funktionsausübung bzw. Amtsführung beizumessen war.
Der Verweis des Beklagten auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 1997 (– BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328) rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil in jenem Beschluss zwar die Maßstäbe für die Darlegung bei einer Aufklärungsrüge bezeichnet sind, sich hieraus aber nichts dazu ergibt, dass das Beschwerdevorbringen diesen zutreffend bezeichneten Anforderungen auch genügt.
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, 3 GKG und folgt der von den Beteiligten nicht angegriffenen Wertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht.
Unterschriften
Schmidt, Dr. Franke, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen