Entscheidungsstichwort (Thema)
Erschließungsbeitrag. Erschließungsaufwand. Erforderlichkeit. Angemessenheit der Kosten. Herstellungsmerkmal. technisches Ausbauprogramm. frostsicherer Unterbau. allgemein anerkannte Regeln der Technik. Entscheidungsgründe. Begründungspflicht. rechtliches Gehör. Beweisantrag
Leitsatz (amtlich)
Zum Erschließungsaufwand im Sinne des § 128 Abs. 1 BauGB gehört nur derjenige Aufwand der Gemeinde, den sie im Zusammenhang mit ihrer Aufgabe als Erschließungsträger aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtungen machen mußte (wie Urteile vom 4. Mai 1979 – BVerwG 4 C 16.76 – Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 24 und vom 23. Mai 1980 – BVerwG 4 C 69 und 70.77 – Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 27).
Zu den Anforderungen an die Begründungspflicht nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
Normenkette
BauGB § 128 Abs. 1, § 129 Abs. 1 S. 1, § 132 Nr. 4; VwGO § 108 Abs. 1 S. 2, Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Entscheidung vom 29.11.1996; Aktenzeichen 3 A 2373/93) |
VG Düsseldorf (Entscheidung vom 11.05.1993; Aktenzeichen 17 K 4349/88) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. November 1996 wird dieses Urteil aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 274,14 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Zwar kommt der Rechtssache weder die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (I.), noch ist die erhobene Divergenzrüge begründet (II.), es liegen aber von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmängel vor, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen kann (III.). Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das Berufungsgericht (§ 133 Abs. 6 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
I.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Derartige Rechtsfragen hat die Beschwerde nicht aufgezeigt.
1. Die Beschwerde hält zunächst die Fragen für grundsätzlich bedeutsam,
ob die Gemeinden berechtigt sind, solche Kosten in die Abrechnung einzubeziehen, zu deren Zahlung sie weder kraft Gesetzes noch aufgrund der mit den Unternehmern geschlossenen Verträgen verpflichtet sind,
und
ob Aufwendungen erschließungsbeitragsfähig sind, die durch Mängel im Vergabeverfahren verursacht oder die für technisch nicht erforderliche, nicht mängelfrei hergestellte, auf der Grundlage der Vertragsbeziehungen zwischen Gemeinden und Unternehmern nicht abrechnungsfähige oder überhaupt nicht erbrachte Leistungen getätigt worden sind.
Die erste Frage ist nicht grundsätzlich bedeutsam, weil sie bereits geklärt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehört zum Erschließungsaufwand im Sinne des § 128 Abs. 1 BBauG/BauGB nur derjenige Aufwand der Gemeinde, den sie im Zusammenhang mit ihrer Aufgabe als Erschließungsträger aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtungen machen mußte (Urteile vom 4. Mai 1979 – BVerwG 4 C 16.76 – Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 24 S. 16 ≪18≫ und vom 23. Mai 1980 – BVerwG 4 C 69 und 70.77 – Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 27 S. 24 ≪26≫). Ob das Berufungsgericht diese Rechtsprechung seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt hat oder ob es abweichend davon – wofür Teile des letzten Satzes auf S. 16 des Urteilsabdrucks sprechen könnten – die Auffassung vertritt, unter Umständen könnten auch ohne Rechtsgrund erbrachte Leistungen zum abrechnungsfähigen Erschließungsaufwand gehören, bedarf keiner Entscheidung, weil dies jedenfalls nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache führen könnte und weil eine Divergenzrüge insoweit von den Klägern nicht erhoben worden ist (vgl. Beschlüsse vom 31. August 1988 – BVerwG 3 B 13.88 – Buchholz 427.6 § 3 BFG Nr. 26 S. 8 ≪13≫ und vom 10. November 1995 – BVerwG 9 B 431.95 – Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 82 S. 75 ≪76 f.≫). Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache erhobene Beschwerde zur Zulassung der Revision wegen Divergenz führen kann (vgl. dazu Beschlüsse vom 20. März 1985 – BVerwG 3 B 83.84 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 230 S. 18, vom 11. Februar 1986 – BVerwG 8 B 7.85 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 240 S. 23 ≪24≫ und vom 31. August 1988, a.a.O.) liegen hier nicht vor.
Allerdings kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die von der Beschwerde in der zweiten Frage angeführten Arten von Aufwendungen regelmäßig ohne Rechtsgrund erbracht wurden. Dies gilt etwa für Aufwendungen, die durch Mängel im Vergabeverfahren verursacht oder für technisch nicht erforderliche Leistungen erbracht wurden, weil dies eine vertragliche Verpflichtung zur Erbringung der Leistung keineswegs ausschließt. Auch bei mängelbehafteten Leistungen wird der Auftraggeber nur unter bestimmten Voraussetzungen von der Gegenleistung befreit. Aber auch im Zusammenhang mit diesen Fragen kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung in dem dargestellten Sinne zu. Das Berufungsgericht hat nämlich insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts festgestellt (vgl. Urteile vom 14. Dezember 1979 – BVerwG 4 C 28.76 – BVerwGE 59, 249 ≪252 f.≫ und vom 10. November 1989 – BVerwG 8 C 50.88 – Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 81 S. 42 ≪47≫), daß die Vorschrift des § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB entsprechende Anwendung findet, wenn nicht die Erforderlichkeit der Erschließungsanlage, sondern die Angemessenheit der für die erstmalige Herstellung aufgewandten Kosten zu beurteilen ist. Weiter ist durch die genannte Rechtsprechung geklärt, daß die dadurch gesetzte Grenze erst überschritten ist, wenn sich die Gemeinde ohne Rechtfertigung nicht an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gehalten hat und dadurch augenfällige Mehrkosten entstanden sind, d.h., wenn die Kosten in für die Gemeinde erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreicht haben, also sachlich schlechthin unvertretbar sind. Über diese Grundsätze hinaus könnte ein Revisionsverfahren keine weitere Klärung bringen, weil die Abgrenzung zwischen einem danach noch vertretbaren Aufwand und solchen Kosten, die die so markierte Grenze überschreiten, nicht verallgemeinerungsfähig ist, sondern nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles beurteilt werden muß.
Der Hinweis der Beschwerde (S. 35 f. der Beschwerdebegründung), daß etwa in der Rechtsprechung des Berufungsgerichts zum Gebührenrecht ein abweichender Maßstab angelegt werde und daß die angestrebte Revision deswegen dazu dienen könne, „homogene Maßstäbe in verwandten Bereichen des Rechts öffentlicher Abgaben” herzustellen, vermag ebenfalls die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen. Die Beschwerde übersieht, daß das kommunale Gebühren- und Beitragsrecht weitgehend auf irrevisiblem Landesrecht beruht, so daß eine Vereinheitlichung der Maßstäbe durch ein Revisionsverfahren von vornherein nicht erreichbar ist.
2. Auch die weitere von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage,
ob eine Gemeinde im technischen Ausbauprogramm ihrer Erschließungsbeitragssatzung die unterhalb der sichtbaren Abschlußdecke einer Erschließungsanlage hergestellten Tragschichten – als „Unterbau” bezeichnet – zu satzungsrechtlichen Herstellungsmerkmalen bestimmen kann, von deren Verwirklichung die endgültige Herstellung der Straße im Sinne des § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB abhängt,
führt nicht zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Dabei ist zunächst davon auszugehen, daß sich die Auslegung der jeweiligen Erschließungsbeitragssatzung nach irrevisiblem Landesrecht richtet (vgl. Urteil vom 25. Februar 1981 – BVerwG 8 C 7.81 – Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 32 S. 1 ≪3≫). Die Auslegung der Satzung durch das Berufungsgericht führt daher nur dann zu einer bundesrechtlichen Frage, die gegebenenfalls im Revisionsverfahren geklärt werden könnte, wenn die Satzung mit dem Inhalt, den sie durch die Auslegung des Berufungsgerichts erhalten hat, gegen Bundesrecht verstößt (vgl. dazu Urteil vom 19. November 1982 – BVerwG 8 C 39/41.81 – Buchholz 406.11 § 127 BBauG Nr. 38 S. 6 ≪11≫) oder die Auslegung auf einer vermeintlichen Bindung durch Bundesrecht beruht (vgl. Urteil vom 25. Februar 1981, a.a.O.). Da es aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Erwähnung des Unterbaues, dessen Ausführung sich aus rein technischen Erwägungen ergibt, nach Bundesrecht in der Satzung nicht bedarf (vgl. Urteil vom 29. Oktober 1969 – BVerwG IV C 78.68 – Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 6 S. 7 ≪8≫), ist es bundesrechtlich auch nicht zu beanstanden, wenn das Oberverwaltungsgericht die hier einschlägige Satzungsbestimmung dahin gehend auslegt, dem Merkmal „Unterbau” komme keine selbständige Bedeutung zu. Diese Auslegung beruht auch nicht auf einer vermeintlichen Bindung durch Bundesrecht. Vielmehr hat das Berufungsgericht lediglich ausgeführt, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 132 Nr. 4 BauGB spreche gegen eine andere Auslegung.
3. Grundsätzliche Bedeutung kommt auch der weiteren von der Beschwerde angeführten Frage,
ob die endgültige Herstellung einer Anliegerstraße notwendig voraussetzt, daß diese einen an den Verkehrsbedürfnissen der Straße ausgerichteten, frostsicheren Unterbau erhält,
nicht zu, weil die Frage, welche Anforderungen an die technische Ausführung des Straßenbaues zu stellen sind, und damit auch die Frage nach den Anforderungen an die Frostsicherheit nicht verallgemeinerungsfähig sind. Vielmehr hängt dies von einer Vielzahl örtlicher Umstände ab, die nur im Einzelfall beurteilt werden können. Die Frage kann daher die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht rechtfertigen, weil eine über den Einzelfall hinausgehende, auf eine Vielzahl vergleichbarer Fälle anwendbare Entscheidung nicht zu erwarten ist.
4. Schließlich ist hinsichtlich der letzten von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Frage,
ob die Gemeinden verpflichtet sind, neue Erschließungsanlagen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik herstellen zu lassen,
deren Entscheidungserheblichkeit nicht dargetan, weil im Berufungsurteil nicht festgestellt worden ist, daß die Erschließungsanlage nicht nach den allgemeinen Regeln der Technik hergestellt wurde. Insoweit führt das Berufungsgericht nur aus, die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts sei irrig, daß es im Zusammenhang mit Herstellungsmerkmalen auf die Regeln der Technik ankomme. Hat aber das Berufungsgericht Tatsachen, die vorliegen müßten, damit die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochene Rechtsfrage sich in einem Revisionsverfahren stellen könnte, nicht getroffen, kann die Revision nicht im Hinblick auf diese Rechtsfrage wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden (Beschluß vom 30. Juni 1992 – BVerwG 5 B 99.92 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 309 S. 43).
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde kann auch nicht mit der Begründung Erfolg haben, das Berufungsurteil weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 1979 – BVerwG 4 C 28.76 – (BVerwGE 59, 249) im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ab. Die Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes setzt voraus, daß die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz, der sich auf dieselbe Rechtsvorschrift bezieht, widersprochen hat (stRspr, vgl. Beschluß vom 21. Juli 1988 – BVerwG 1 B 44.88 – Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32 S. 4 ≪5≫).
Derartige voneinander abweichende Rechtssätze zeigt die Beschwerde nicht auf. Vielmehr führt sie aus (S. 30 und 31 der Beschwerdebegründung), das Berufungsgericht wende die Rechtssätze im Kern unvollständig und verkürzt an bzw. zitiere bestimmte Passagen nicht und wende sie auch nicht an. Mit der Begründung, das Berufungsgericht habe bestimmte Rechtssätze aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht oder fehlerhaft angewandt, kann aber die Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht erreicht werden. Dafür ist es nämlich unerheblich, ob das Berufungsgericht im konkreten Einzelfall eine den Maßstäben der höchstrichterlichen Rechtsprechung durchweg entsprechende Entscheidung getroffen hat (Beschluß vom 31. März 1988 – BVerwG 7 B 46.88 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 260 S. 7).
III.
Die Beschwerde hat aber Erfolg, weil von ihr geltend gemachte Verfahrensmängel vorliegen und die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Beschwerde rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht seiner Pflicht nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht nachgekommen ist, in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Es hat damit zugleich den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet der Anspruch der Prozeßbeteiligten auf rechtliches Gehör das Gericht, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Davon ist zwar grundsätzlich auszugehen, dies setzt aber voraus, daß die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen jedenfalls in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (BVerfGE 47, 182 ≪188 f.≫; 54, 43 ≪46≫; 86, 133 ≪146≫; Beschlüsse vom 10. Mai 1990 – 2 BvR 1236/89 – InfAuslR 1990, 280 ≪281≫, vom 29. Januar 1991 – 2 BvR 513/90 – InfAuslR 1991, 179 ≪180≫, vom 14. Januar 1992 – 2 BvR 472/91 – InfAuslR 1992, 222 ≪225≫ und vom 13. November 1992 – 1 BvR 708/92 – NJW 1993, 1461). Dementsprechend verlangt die Begründungspflicht des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, daß in den Urteilsgründen die tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen wiedergegeben werden, die das Gericht bestimmt haben, die Voraussetzungen für seine Entscheidung als erfüllt anzusehen. Das Urteil muß erkennen lassen, daß das Gericht den ermittelten Tatsachenstoff wertend gesichtet hat und in welchen konkreten Bezug es ihn zu den angewandten Rechtsnormen gesetzt hat (Urteil vom 18. Februar 1981 – BVerwG 6 C 159.80 – BVerwGE 61, 365 ≪368≫).
Diesen Anforderungen entspricht das angefochtene Urteil nicht. Es genügt nämlich nicht, daß das Berufungsgericht zur Frage der Angemessenheit der geltend gemachten Erschließungskosten – zutreffende – Rechtssätze aufgestellt hat. Vielmehr gehört zu den Mindestanforderungen an die Entscheidungsgründe auch die Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes unter die herangezogenen Rechtssätze (vgl. Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 1. April 1996, § 117 Rn. 18). Das Oberverwaltungsgericht hätte sich dazu mit dem sehr umfangreichen Sachvortrag der Kläger und den 14 in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gestellten, vom Gericht aber nicht berücksichtigten Beweisanträgen im einzelnen auseinandersetzen müssen. Statt dessen hat es zu dem umfangreichen Vortrag der Kläger lediglich ausgeführt (S. 19 des Berufungsurteils): „Weder auf der Grundlage des Vortrags der Kläger noch sonst nach Aktenlage bestehen greifbare Anhaltspunkte dafür, daß die Stadt sich bei der Auftragsvergabe in unvertretbarer Weise unwirtschaftlich verhalten hat und daß sie ihr offensichtlich zustehende Gewährleistungsansprüche gegenüber den Bauunternehmen zum wirtschaftlichen Nachteil der Beitragspflichtigen nicht durchgesetzt hat.” Im weiteren geht das Berufungsgericht zwar auf einzelne Passagen aus den vielen vorliegenden Gutachten ein, ohne aber dabei das detaillierte Vorbringen der Kläger u.a. auch zur Verwertbarkeit der Gutachten zu berücksichtigen. Zwar verlangt weder die Begründungspflicht des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO noch der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, daß das Gericht in seiner Entscheidung auf jeden noch so entfernt liegenden Gesichtspunkt, den die Beteiligten vorgetragen haben, ausdrücklich eingeht. Dies gilt insbesondere für ein Vorbringen, das nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich ist. Aus den Entscheidungsgründen muß aber sowohl für die Beteiligten als auch für das Rechtsmittelgericht nachvollziehbar sein, warum das Vorbringen nach Meinung des Gerichts unerheblich war. Da es hier nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichts entscheidend darauf ankam, ob die Kosten für die Erschließungsanlage in für die Gemeinde erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreicht haben, also sachlich schlechthin unvertretbar sind, hätte im einzelnen dargelegt werden müssen, warum die von den Klägern dafür vorgebrachten Tatsachenbehauptungen weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit einen derartigen Schluß rechtfertigten. Gerade weil die Entscheidung von der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe „grob unangemessene Höhe”, „sachlich schlechthin unvertretbar”) und damit von einer wertenden Würdigung des Sachverhalts abhängig war, hätte das Gericht darlegen müssen, wann es die danach gesetzte Grenze für die Berücksichtigung von Mehrkosten für überschritten hält und warum das Vorbringen der Kläger – seine Richtigkeit unterstellt – nicht geeignet ist, die Unangemessenheit der aufgewandten Kosten darzutun. Andernfalls hätte es nämlich die insoweit von den Klägern gestellten förmlichen Beweisanträge nicht als unerheblich zurückweisen können.
Das Urteil des Berufungsgerichts kann auch auf dem dargelegten Verfahrensmangel beruhen; denn es ist nicht ausgeschlossen, daß das Oberverwaltungsgericht, sofern es sich im einzelnen mit dem Vorbringen der Kläger auseinandergesetzt hätte, zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.
Unter diesen Umständen bedarf es keiner Entscheidung, ob die vom Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung gegebene Begründung für die Zurückweisung der Beweisanträge den Anforderungen des § 86 Abs. 2 VwGO genügte. Auch auf die weiteren von der Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen – die im übrigen teilweise (S. 22 bis 24 der Beschwerdebegründung unter Nrn. 2 bis 4) offensichtlich unbegründet sind, weil die Beschwerde die übliche und rechtlich nicht zu beanstandende Praxis der Rechtsmittelgerichte verkennt, jeweils nur beglaubigte Abschriften der Rechtsmittelentscheidungen in den letztlich beim Gericht erster Instanz verbleibenden Prozeßakten abzuheften und die Originale der Entscheidung mit den handschriftlichen Unterschriften der Richter in gesonderten Akten des Rechtsmittelgerichts aufzubewahren – kommt es für die Entscheidung nicht an.
Der Senat hat im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens von der Möglichkeit des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch gemacht, das angefochtene Urteil ohne vorherige Zulassung der Revision aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Kleinvogel, Sailer, Golze
Fundstellen
ZfBR 1998, 215 |
BayVBl. 1998, 470 |
DVBl. 1998, 54 |