Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 26.02.1997; Aktenzeichen 13 L 2946/95) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. Februar 1997 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 320 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Beklagten ist unbegründet. Der Sache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch weicht das Berufungsurteil von den angegebenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
1. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
“welche Anforderungen an Besonderheiten bei Eigenvermietung einer Wohnung durch den Inhaber an wechselnde Urlaubsgäste zu stellen (sind), um die für die Frage der Erhebung der Zweitwohnungssteuer erforderliche – aber auch ausreichende – objektive Möglichkeit der Eigennutzung auszuschließen,”
ist nicht klärungsbedürftig. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 10. Oktober 1995 – BVerwG 8 C 40.93 – (BVerwGE 99, 303 ff.) entschieden, daß für die zur Abgrenzung einer zweitwohnungssteuerfreien reinen Kapitalanlage gebotene, im Ausgangspunkt subjektive Bestimmung des Verwendungszwecks einer Zweitwohnung nicht die unüberprüfbare innere Absicht des Wohnungsinhabers, sondern nur eine auf die umfassende Würdigung des gesamten Sachverhalts abstellende Beurteilung maßgeblich ist, die sich auf objektive, nach außen in Erscheinung tretende, verfestigte und von Dritten nachprüfbare Umstände gründet. Dabei können einerseits für künftige Veranlagungszeiträume Anhaltspunkte aus vergangenen Veranlagungszeiträumen gewürdigt werden; andererseits reicht es für die Begründung der Steuerpflicht aus, wenn sich der Zweitwohnungsinhaber nach den objektiven Gesamtumständen des konkreten Sachverhalts die Möglichkeit der Eigennutzung offen hält. Das Berufungsurteil geht von dieser Rechtsprechung aus. Ob das Oberverwaltungsgericht die danach gebotene umfassende Würdigung des Sachverhalts hinreichend vorgenommen und überzeugend begründet oder – wie die Beklagte meint – dem Umstand der Eigenvermietung der Zweitwohnung durch den Inhaber nicht die hinreichende Bedeutung beigemessen hat, verleiht der Rechtssache keine weiter klärungsbedürftige grundsätzliche Bedeutung. Denn insoweit handelt es sich lediglich um die einer Verallgemeinerung entzogene zutreffende oder unzutreffende Sachverhaltswürdigung im Einzelfall. Immerhin ist darauf hinzuweisen, daß das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) der Eigenvermietung bzw. der Zwischenschaltung einer Vermittlungsagentur jeweils nur indizielle Bedeutung im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung zuerkannt hat.
Nach den Einzelfallumständen im Rahmen der gebotenen Gesamtwüdigung ist im übrigen auch die ergänzende Frage zu beantworten, ob eine Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf vorgehalten wird, wenn der Inhaber in vermietungsfreien Zeiten die tatsächliche Verfügungsgewalt und die rechtliche Verfügungsbefugnis innehat.
2. Das Berufungsurteil weicht auch nicht im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Oktober 1995 – BVerwG 8 C 40.93 – (BVerwGE 99, 303 ff.) ab.
Eine die Revisionszulassung eröffnende Divergenz setzt voraus, daß das Berufungsurteil einem in der bezeichnenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten inhaltlich bestimmten, entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widerspricht (stRspr, vgl. Beschluß vom 7. Dezember 1990 – BVerwG 7 B 160.90 – Buchholz 408.2 Friedhofsbenutzung Nr. 14 S. 4 ≪6≫). Die Beschwerde muß also die angeblich widersprüchlichen abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn lediglich vorgebracht wird, das Berufungsgericht hätte bei Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu einem anderen Ergebnis kommen müssen. Eine solche Folgerung belegt nämlich allenfalls, daß das Berufungsgericht den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz im konkreten Fall nicht richtig angewandt hat; darin liegt jedoch keine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (Beschluß vom 31. März 1988 – BVerwG 7 B 46.88 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 260 S. 7). So liegt der Fall hier.
Zwar ist richtig, daß das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 10. Oktober 1995 (a.a.O.) davon ausgegangen ist, daß die Gemeinde grundsätzlich von der Vermutung der Vorhaltung einer Zweitwohnung auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung ausgehen darf, solange der Inhaber keine Umstände vorgetragen hat, die diese Vermutung erschüttern. Dieser rechtliche Ansatz liegt – entgegen der Beschwerde – aber auch dem Berufungsurteil zugrunde, das aufgrund der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände diese tatsächliche Vermutung für “widerlegt” hält (Berufungsurteil S. 6) und damit ersichtlich sinngemäß zum Ausdruck bringt, der nach den objektiven äußeren Umständen zu beurteilende subjektive Verwendungszweck sei im Falle des Klägers auf eine reine Kapitalanlage gerichtet gewesen.
Das Berufungsurteil weicht auch nicht von dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 1994 – BVerwG 8 B 22.94 – (Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 7 S. 1) ab. Die Beschwerde sieht die Divergenz darin, daß das Bundesverwaltungsgericht eine reine Kapitalanlage dann nicht mehr anerkannt habe, wenn die Zweitwohnung unter Umständen gehalten werde, die – wie regelmäßig die Eigenvermietung durch den Inhaber selbst – darauf schließen lassen, daß die Wohnung auch für Zwecke der eigenen Erholung vorgehalten werde. Eine Abweichung im oben dargestellten Rechtssinne wird mit diesem Vorbringen schon deshalb nicht bezeichnet, weil das Bundesverwaltungsgericht mit dem Hinweis auf die “Regel” auch in jenem Beschluß ersichtlich Ausnahmen aufgrund der konkreten Sachverhaltswürdigung zugelassen hat. Außerdem hat das Bundesverwaltungsgericht durch das bereits erwähnte Urteil vom 10. Oktober 1995 (a.a.O., S. 307 f.) die Abgrenzung zwischen reiner Kapitalanlage und zweitwohnungssteuerflichtiger Vorhaltung zu Zwecken eigener Lebensführung näher präzisiert und der Art der Vermietung weiterhin – aber auch nur – indiziellen Charakter im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung des Einzelfalls beigemessen. Ist aber – wie hier – die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts später klargestellt worden (das gleiche gilt für die Modifizierung oder Aufgabe einer früheren Rechtsprechung) und stützt sich das Berufungsurteil entscheidungstragend auf diese spätere präzisierte Rechtsprechung, so liegt eine die Revisionszulassung eröffnende Divergenz nur dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung auch von der aktuellen, präzisierten oder modifizierten höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht. Denn Sinn und Zweck der Revisionszulassung wegen Divergenz ist – wie bei der Grundsatzrüge – die Gewährleistung der Rechtseinheit. Hat aber das Bundesverwaltungsgericht früher aufgestellte Rechtsgrundsätze später klargestellt, modifiziert oder sogar gänzlich aufgegeben und folgt das Berufungsgericht dieser neueren Rechtsprechung, so besteht zwischen dem Berufungsurteil und der aktuellen Rechtsprechung des Revisionsgerichts Übereinstimmung; für die Revisionszulassung zur Gewährleistung einer einheitlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung besteht unter diesen Umständen ersichtlich kein Bedarf (vgl. Beschluß vom 18. Dezember 1990 – BVerwG 5 ER 625.90 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 294 S. 28; BFH, Beschluß vom 5. Juni 1996 – I B 105/95 – BFH/NV 1996, S. 932 f.). Um einen derartigen Fall der späteren Präzisierung handelt es sich hier. Von der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weicht das Berufungsurteil – wie dargelegt – nicht ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Kleinvogel, Sailer, Golze
Fundstellen