Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 19.09.2013; Aktenzeichen 4 L 106/11) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 19. September 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 992,48 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin, eine Stadtratsfraktion, begehrt von der beklagten Stadt die Übernahme von Gerichtskosten in Gesamthöhe von 2 811,98 EUR, die ihr aus insgesamt sechs Verwaltungsstreitverfahren entstanden sind, die sie – jeweils erfolglos – gegen den Rat der Stadt, gegen dessen Vorsitzenden sowie gegen den Oberbürgermeister der Stadt geführt hatte. Diese Verwaltungsstreitverfahren waren um die Zuteilung von Sitzen in den Ausschüssen des Rates der beklagten Stadt entstanden. Die abschließenden gerichtlichen Entscheidungen hatten die Klägerin jeweils zur Tragung der Verfahrenskosten verurteilt, die Justizbehörde des Prozessgerichts hatte gegen die Klägerin jeweils Gerichtskostenbescheide erlassen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage in Höhe von 1 651,16 EUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht der Klägerin insgesamt 1 819,10 EUR zugesprochen; die weitergehende Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die sie auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO stützt.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu (1.), noch weicht die angefochtene Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab (2.). Sie beruht auch nicht auf einem Verfahrensmangel (3.).
1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die der – ggf. erneuten oder weitergehenden – höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern mit dieser Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu rechnen ist und hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht. Dass diese Voraussetzungen gegeben wären, legt die Klägerin nicht schlüssig dar, obwohl das geboten gewesen wäre (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
a) Mit ihrer ersten Frage möchte die Klägerin sinngemäß geklärt wissen, ob die Kostenentscheidung in dem Urteil oder Beschluss eines Verwaltungsgerichts, die in einem Kommunalverfassungsstreitverfahren ergeht, das im Prozess unterlegene Organ oder den unterlegenen Organteil (hier: eine Stadtratsfraktion), belasten darf oder aber dessen Rechtsträger (hier: die Gemeinde) belasten muss.
Diese Frage würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Sie betrifft nicht das vorliegende Verfahren, sondern die diversen (insgesamt sechs) Vorprozesse, mit deren Kosten die Klägerin belastet wurde und deretwegen sie im vorliegenden Verfahren Erstattung von der beklagten Gemeinde begehrt. Nur weil die Kostenstellen der Gerichte, welche diese Vorprozesse geführt und entschieden hatten, die Klägerin selbst und nicht die Gemeinde als Kostenschuldnerin ansahen, wurde die Klägerin für die Gerichtskosten in Anspruch genommen (vgl. § 29 Nr. 1 GKG); nur deshalb hat sie sich überhaupt veranlasst gesehen, den vorliegenden Erstattungsprozess gegen die – nunmehr beklagte – Gemeinde zu führen. Im vorliegenden Verfahren ist deshalb davon auszugehen, dass die Kostenstellen Gerichtskosten für die Vorprozesse gegenüber der Klägerin geltend gemacht haben und dass die Klägerin diese auch bezahlt hat; andernfalls wäre die vorliegende Klage – mangels erstattungsfähiger Aufwendungen – von vornherein unbegründet. Ob der Klägerin die Kosten in den Vorprozessen mit Recht auferlegt wurden, ist hierfür unerheblich.
b) Die Klägerin wirft ferner sinngemäß die Frage auf, ob es mit dem Verbot der „reformatio in peius” vereinbar ist, wenn ein Gericht in einem Kostenerstattungsprozess die Rechtsverfolgung im Vorprozess, um dessen Kosten es nunmehr geht, erstmalig als treuwidrig ansieht.
Auch diese Frage rechtfertigt die Durchführung des angestrebten Revisionsverfahrens nicht. Sie ist ohne Weiteres zu bejahen. Das Oberverwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil die Rechtsverfolgung durch die Klägerin in den sechs Vorprozessen teilweise als treuwidrig angesehen und die Erstattungsklage deshalb teilweise abgewiesen. Das Verbot der Schlechterstellung („reformatio in peius”, § 129 VwGO) steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil es auf das Verhältnis zwischen zwei verschiedenen Verwaltungsstreitverfahren keine Anwendung findet. Es gilt nur innerhalb desselben Streitverfahrens; hier verbietet es dem Rechtsmittelgericht, das angefochtene Urteil der Vorinstanz zum Nachteil des Rechtsmittelführers zu ändern. Es bindet aber das Gericht nicht an eine rechtliche oder tatsächliche Beurteilung durch es selbst oder durch ein anderes Gericht in einem früheren Prozess mit anderem Streitgegenstand.
c) Schließlich wirft die Klägerin sinngemäß die Frage auf, ob die natürliche Person, welche die Befugnisse eines Organs wahrnimmt (sog. Organwalter, von der Klägerin auch als Prozessstandschafter bezeichnet), verpflichtet sein kann, die Kosten dieser Rechtsverfolgung – jedenfalls wenn sie „treuwidrig” ist – aus ihrem eigenen Vermögen zu tragen. Insofern bezeichnet sie jedoch keine klärungsfähige Frage des revisiblen Rechts.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass kommunale Funktionsträger von der Gemeinde die Erstattung solcher Kosten verlangen können, die ihnen gerichtlich oder außergerichtlich im Rahmen eines Streits um die ihnen nach dem Kommunalverfassungsrecht zugewiesenen Rechte entstanden sind. Es ist hierbei ersichtlich davon ausgegangen, dass dieser Anspruch auch einer Stadtratsfraktion zustehen kann, dass diese also namentlich nicht auf Mittel aus dem Gemeindehaushalt verwiesen werden kann, die ihr für die Fraktionsgeschäftsführung zugewiesen wurden (vgl. hierzu OVG Münster, Urteile vom 12. November 1991 – 15 A 1046/90 – NVwZ-RR 1993, 263 = juris Rn. 64 ff. und vom 24. April 2009 – 15 A 981/06 – NVwZ-RR 2009, 819 = juris Rn. 62). Schließlich hat es angenommen, dass der Erstattungsanspruch nur hinsichtlich solcher Kosten besteht, die aus der Wahrnehmung organschaftlicher Kompetenzen des Funktionsträgers entstanden sind, und weiter voraussetzt, dass der Funktionsträger bei deren Wahrnehmung die gebotene Rücksichtnahme und Treue gegenüber der Gemeinde hat walten lassen, den kostenverursachenden Rechtsstreit also namentlich nicht ohne vernünftigen Anlass geführt hat.
Diese Erwägungen bewegen sich allein im Landesrecht. Das Berufungsgericht hat zwar offen gelassen, ob der Erstattungsanspruch einen Anwendungsfall des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs darstellt (so namentlich OVG Münster, Urteil vom 12. November 1991 a.a.O. Rn. 44 ff.) oder aber unmittelbar in den dem Funktionsträger kommunalverfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgaben und Kompetenzen als Ausfluss seiner Organstellung gründet (so etwa OVG Saarlouis, Beschluss vom 26. Mai 2008 – 3 A 12/08 – juris Rn. 13; OVG Münster, Urteil vom 24. April 2009 a.a.O. Rn. 52). Im letzteren Falle wird der Anspruch zweifelsfrei aus dem Kommunalverfassungsrecht des jeweiligen Landes hergeleitet; nur so erklärt sich auch, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zu engeren Anspruchsvoraussetzungen gelangt als andere Oberverwaltungsgerichte (VGH München, Urteil vom 14. August 2006 – 4 B 05.939 – juris Rn. 28). Aber selbst dann, wenn der Anspruch ein Anwendungsfall des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs sein sollte, wäre er doch nicht bundesrechtlicher, sondern landesrechtlicher Natur. Er sucht zwar eine Vermögensverschiebung auszugleichen, die im bundesrechtlich geregelten Verwaltungsprozessrecht, nämlich darin begründet liegt, dass die §§ 154 ff. VwGO nicht erlauben, die Kosten eines Innenrechtsstreits zwischen zwei Gemeindeorganen der am Prozess nicht beteiligten Gemeinde selbst aufzuerlegen (vgl. OVG Münster, Urteil vom 12. November 1991 a.a.O. Rn. 50 ff.; a.A. OVG Bremen, Beschluss vom 31. Mai 1990 – 1 B 18/90 u.a. – NVwZ 1990, 1195). Jedoch gewinnt er seine näheren Voraussetzungen aus den Besonderheiten des Kommunalverfassungsrechts des jeweiligen Landes. Insbesondere bestimmen sich Umfang und Grenzen aus der Rücksichtnahme- und Treuepflicht des einzelnen Funktionsträgers. Diese kann nur aus dem organisationsrechtlichen Gefüge von Organen und den ihnen jeweils zugeordneten Aufgaben und Funktionen entwickelt werden. Dementsprechend unterliegt der Anspruch als Gegenstand des allgemeinen Rechts der Behörden eines Landes zweifelsfrei der Regelungsbefugnis des Landesgesetzgebers (vgl. Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG). Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen seine ursprüngliche Rechtsprechung, welche auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch verwiesen hatte, zwischenzeitlich im Sinne einer Begründung des Anspruchs unmittelbar aus der kommunalverfassungsrechtlichen Organstellung des Funktionsträgers fortentwickelt (OVG Münster, Urteil vom 24. April 2009 a.a.O. Rn. 52).
Einen bundesrechtlichen Bezug ihrer Frage zeigt auch die Klägerin nicht auf. Soweit sie Ausführungen zum Bundesrecht macht, verfehlt sie die Begründung des angefochtenen Urteils. Das gilt namentlich für ihre Ausführungen zur Geschäftsführung ohne Auftrag; das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Klaganspruch und seine Grenzen gerade nicht aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag hergeleitet.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht gegeben.
Eine Zulassung der Revision wegen Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts setzt voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in einer von der Beschwerde genau bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz, der sich auf dieselbe Rechtsvorschrift bezieht, widersprochen hat (stRspr, vgl. u. a. Beschluss vom 1. September 1997 – BVerwG 8 B 144.97 – Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50). Hingegen sind die Voraussetzungen einer Zulassung wegen Divergenz nicht erfüllt, wenn das Oberverwaltungsgericht einen abstrakten Rechtssatz, den das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, auf den Einzelfall fehlerhaft anwendet. Die Beschwerde zeigt keine voneinander abweichenden Rechtssätze im beschriebenen Sinne auf. Bei dem Kostenausspruch auf Seite 2 des Berufungsurteils handelt es sich nicht um einen Rechtssatz, den das Berufungsgericht aufgestellt hat, sondern um eine gesetzlich festgelegte Konsequenz, dass derjenige die Kosten des Verfahrens ganz oder zum Teil trägt, der in dem Rechtsstreit ganz oder zum Teil unterlegen ist. Eine in diesem Zusammenhang geltend gemachte Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 6. September 1988 – BVerwG 4 C 5.86 –BVerwGE 80, 170 ff.) scheitert schon daran, dass Gegenstand dieser Entscheidung kein kommunalrechtlicher Erstattungsanspruch eines Kommunalorgan(teil)s gegen die Gemeinde, sondern ein Aufwandsersatzanspruch des Bürgers gegen die Verwaltung war.
Eine Divergenz zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Februar 1974 (– BVerwG 7 C 16.71 – BVerwGE 44, 351) liegt ebenfalls nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat den von der Beschwerde behaupteten Rechtssatz: „Bei der Beteiligtenbezeichnung im Rubrum entfällt beim vollständigen Namen des am Rechtsstreit beteiligten Organs bzw. Unterorgans (Namenskonvention: Rechtsträgername – Innenrechtsname) einer juristischen Person der voranstehende Namensteil des Rechtsträgers” nicht aufgestellt. Um Fragen des Namensschutzes geht es in dem vorliegenden Verfahren nicht.
Im Übrigen würde die Berichtigung des Rubrums dahingehend, dass der Fraktionsbezeichnung der Klägerin der Zusatz „Stadt …” vorangestellt würde, nicht zu einer veränderten prozessrechtlichen Stellung der Klägerin im Verfahren führen, wie sie offensichtlich meint. Sie wird durch einen derartigen Zusatz weder zu einem „Unterorgan” noch zu einer Behörde der kommunalen Gebietskörperschaft (vgl. dazu im Einzelnen Gabler/Höhlein u. a., Kommunalverfassungsrecht Rheinland-Pfalz, Stand September 2013, § 30a Rn. 2 ff. mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen ebenfalls nicht vor.
a) Mit der Beschwerde wird gerügt, das Berufungsgericht habe gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verstoßen, weil es den Sachverhalt objektiv willkürlich gewürdigt und die Bindungswirkung der Verfahren 9 A 387/09 MD, 9 B 386/09 und 4 L 1/11 ignoriert habe.
Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist in der Regel revisionsrechtlich dem sachlichen Recht zuzurechnen. Ein Verfahrensfehler kann ausnahmsweise gegeben sein, wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen Denkgesetze verstößt oder die allgemeinen Erfahrungssätze missachtet. Derartiges hat die Beschwerdeführerin nicht dargetan. Soweit sie der Auffassung ist, das Oberverwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung die Bindungswirkung der vorangegangenen Entscheidungen nicht beachtet, war eine solche nicht gegeben. Gemäß § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Über das Klagebegehren der Klägerin auf Übernahme von Gerichtskosten ist in den genannten Verfahren nicht entschieden worden.
Die Ausführungen der Klägerin bezüglich einer unterlassenen Beweisantragsentscheidung im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (A 387/09 MD) und der Entscheidungsbegründung des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts zum „Los-Verfahren” sowie zur rechtsfehlerhaften Streitwertfestsetzung stehen in keinem Zusammenhang mit der erhobenen Rüge. Gegenstand des Revisionsverfahrens wäre weder die Überprüfung des „Los-Verfahrens” noch die Streitwertfestsetzung in diesen Verfahren. Das Oberverwaltungsgericht hatte auch, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, keine Veranlassung, diesbezüglich den Sachverhalt aufzuklären (§ 86 Abs. 1 VwGO), weil diese Fragen in dem vorliegenden Verfahren nicht streitgegenständlich waren.
Mit dem Vorwurf, die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts sei bezüglich der Aussagen zum Verhalten der Klägerin in den Verfahren 9 B 386/09 MD und 4 M 2/10 widersprüchlich, wendet sich die Klägerin gegen die richterliche Überzeugungsbildung. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die von der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts erhobene Beschwerde sei ohne vernünftigen Anlass geführt worden, weil sie nach der erforderlichen Prüfung und Wertung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren keinen Anspruch darauf habe, ohne vorheriges erneutes „Los-Verfahren” ihre Vertreter mit Stimmberechtigung in die vier beschließenden Ausschüsse des Stadtrates sowie in den Betriebsausschuss der Stadt zu senden, verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze, noch ist sie willkürlich.
b) Das Oberverwaltungsgericht hat auch nicht gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO), weil es nicht zu erkennen gegeben habe, dass es die Möglichkeit eines Zahlungsaufschubs durch Stundung zur Grundlage seiner Entscheidung machen wolle und deshalb zu einer Ablehnung des Antrags auf Kostenerstattung für das Eilverfahren komme.
Das rechtliche Gehör wird verletzt, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (BVerfG, stRspr., vgl. z.B. Beschluss vom 29. Mai 1991 – 1 BvR 1383/90 – BVerfGE 84, 188 ≪190≫). Das Gericht ist zwar nicht verpflichtet, zur rechtlichen Würdigung des Sachverhalts die Beteiligten schon vorab darauf hinzuweisen, auf welchen von mehreren denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten es seine Entscheidung stützen und wie es sie im Einzelnen begründen will (stRspr., vgl. z.B. Beschlüsse vom 30. Oktober 1987 – BVerwG 2 B 85.87 – Buchholz 310, § 104 VwGO Nr. 20 m.w.N. und vom 27. Mai 2003 – BVerwG 9 BN 3.03 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 98). Das Gericht darf seine Entscheidung aber nicht auf neue Gesichtspunkte stützen, ohne dass die Beteiligten damit rechnen konnten. Ein unzulässiges „Überraschungsurteil” liegt deshalb dann vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (stRspr., vgl. Beschluss vom 23. Dezember 1991 – BVerwG 5 B 80.91 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 241 m.w.N.).
Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich. Die Klägerin musste damit rechnen, dass ihr Anspruch auf Erstattung der aus dem Eilverfahren auf vorläufige Kostenübernahme entstandenen Kosten auch im Berufungsverfahren nicht erfolgreich sein könnte, weil sie sich vor Anstrengung des Eilverfahrens um keine außergerichtliche Klärung bemüht hatte. Auf diesen Gesichtspunkt hat bereits das Verwaltungsgericht in seiner ablehnenden Eilentscheidung abgestellt. Von einer überraschenden Entscheidung kann daher keine Rede sein.
Im Übrigen setzt die Klägerin ihre eigene rechtliche Bewertung bezüglich der Frage des „treuwidrigen” Verhaltens an die Stelle der Würdigung durch das Berufungsgericht, ohne einen konkreten Verfahrensfehler darzulegen. Der Vortrag bezüglich der Unzuständigkeit der Verwaltungsgerichte unterstellt einen Sachverhalt, den das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat. Aufgabe eines Revisionsverfahrens ist es nicht, hypothetische Rechtsfragen zu klären, die mit der vorliegenden Sachverhaltskonstellation in keinem Zusammenhang stehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, Dr. Hauser, Dr. Held-Daab
Fundstellen