Verfahrensgang
VG Dessau (Urteil vom 04.03.2003; Aktenzeichen 3 A 172/01 DE) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dessau vom 4. März 2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 119 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 1.). Eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) wird nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, vgl. 2.). Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen teils nicht vor, teils werden sie nicht prozessordnungsgemäß bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, vgl. 3.).
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde hält für näher klärungsbedürftig die Frage,
wann bei Prüfung der Frage, ob ein Grundstück im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG überschuldet war oder dessen Überschuldung unmittelbar bevorstand, auf den Einheitswert des Grundstücks zurückgegriffen werden darf.
Insbesondere hält sie für klärungsbedürftig, wann im Sinne der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Grundstücksbelastungen und Kosten für unaufschiebbar notwendige Instandsetzungsarbeiten “deutlich” unter- oder oberhalb des Einheitswerts liegen. Soweit diese Frage von fallübergreifender Bedeutung ist, ist sie durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Im Übrigen kann sie nur einzelfallbezogen beantwortet werden:
Der für die Feststellung einer Überschuldung maßgebliche Zeitwert einer Immobilie ist der Beleihungswert. Steht fest, dass valutierende Grundstücksbelastungen und die Kosten für unaufschiebbar notwendige Instandsetzungsarbeiten deutlich unter- oder oberhalb des Einheitswerts liegen, so bedarf es zur Ermittlung der Überschuldung in der Regel nicht des Rückgriffs auf das so genannte Mittelwertverfahren zur Feststellung des Grundstückswerts. Vielmehr kann dann der Einheitswert als Zeitwert der Immobilie angesetzt werden (stRspr; vgl. u.a. Urteil vom 16. März 1995 – BVerwG 7 C 39.93 – BVerwGE 98, 87 ≪98≫ = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 39 S. 86 ≪95≫ und Beschluss vom 19. Januar 2000 – BVerwG 8 B 349.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 5 S. 11 ≪13≫). Erfahrungsgemäß lag nämlich der Zeitwert von Mietwohngrundstücken in der DDR meist etwas über dem Einheitswert. Kredite wurden daher üblicherweise höchstens bis zum Einheitswert bewilligt. Es darf daher angenommen werden, dass Verbindlichkeiten, die deutlich unterhalb des Einheitswerts lagen, keine Überschuldung des Vermögenswerts begründen konnten, es sei denn der bauliche Zustand des Grundstücks war derart schlecht, dass der Zeitwert den Einheitswert wesentlich unterschritt (vgl. u.a. Beschluss vom 19. Januar 2000 – BVerwG 8 B 349.99 – a.a.O).
Wann Verbindlichkeiten im Sinne dieser Rechtsprechung “deutlich” unterhalb des Einheitswerts lagen, lässt sich nicht generalisierend beantworten. Entscheidend ist, ob es aufgrund der Umstände des Einzelfalls möglich oder nicht möglich ist, dass der Zeitwert soweit unter dem Einheitswert liegt, dass eine Überschuldung vorliegt. Falls dies – aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls – möglich erscheint, muss das Verwaltungsgericht dies näher prüfen und kann sich nicht mit der Feststellung des Einheitswerts begnügen. Fehlt es dagegen an solchen Anhaltspunkten im Einzelfall muss die Abweichung des Einheitswerts von den Verbindlichkeiten nicht – wie von der Beschwerde angenommen – 18 % oder mehr betragen. So hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 19. Januar 2000 (BVerwG 8 B 349.99 – a.a.O) es nicht beanstandet, dass das Verwaltungsgericht auf den Einheitswert zurückgegriffen hat, obwohl die Differenz zwischen Einheitswert und Verbindlichkeiten nur ca. 6 % des Einheitswerts betragen hat.
Von dieser Rechtslage geht auch das Verwaltungsgericht aus. Es geht von dem Einheitswert aus, weil im Verzichtszeitpunkt die unabweisbar notwendigen Reparaturen ca. 18 % unter dem Einheitswert lagen und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Zeitwert darunter gelegen haben könnte.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 – BVerwG 8 B 144.97 – Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 ≪11≫). Die Beschwerde muss also die angeblich widersprüchlichen abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen. Daran fehlt es hier. Die Beschwerde benennt weder ausdrücklich noch sinngemäß einen Rechtssatz, mit dem das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen sein könnte. Vielmehr rügt sie allein die unrichtige Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall und meint insbesondere das Verwaltungsgericht habe verschiedene Umstände unberücksichtigt gelassen.
3. Geltend gemachte Verfahrensmängel liegen teils nicht vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), teils werden sie nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
a) Das Verwaltungsgericht hat seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Ohne Beweisantrag des im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretenen Klägers musste es sich dem Gericht nicht aufdrängen, Beweis zu erheben zu der Frage, ob Bedienstete des Rates des Kreises Z.… den Verwalter zum Verzicht auf unbebaute Grundstücke genötigt haben. Der Kläger hatte geltend gemacht, der Verwalter sei bei Abgabe seiner Verzichtserklärung über deren Umfang getäuscht worden. Er habe gemeint, er verzichte lediglich auf die an das Wohngrundstück angrenzenden Flächen, somit auf den Hausgarten, und nicht auf die übrigen unbebauten Grundstücke. Das Verwaltungsgericht ist daraufhin zum Ergebnis gelangt, dass der Verwalter nicht getäuscht wurde, hält es aber für möglich, dass der Verwalter sich tatsächlich getäuscht hat (vgl. Urteilsabdruck S. 14). Angesichts dessen und des Umstands, dass sich insoweit Täuschung und Nötigung gegenseitig ausschließen, musste es sich dem Verwaltungsgericht – ohne jeglichen diesbezüglichen Vortrag des Klägers – nicht aufdrängen, näher aufzuklären, ob eine Nötigung vorlag.
b) Soweit die Beschwerde Ausführungen macht zur Todeserklärung (Beschwerdebegründung S. 7 ff.), zum Verzichtsantrag (Beschwerdebegründung S. 8 f.), zum Rechtsträgernachweis (Beschwerdebegründung S. 9) und zur Bestimmtheit des Verzichtsantrags (Beschwerdebegründung S. 10) erfolgt seitens der Beschwerde ein Sachvortrag zu Umständen des Einzelfalls, ohne dass überhaupt dargelegt wird, wieso das Verwaltungsgericht insoweit einen Verfahrensfehler begangen haben könnte.
c) Die Beschwerde befasst sich weiter mit der Feststellung des Grundstückswertes und rügt insoweit eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO, Beschwerdebegründung S. 10). Insoweit wird erneut eine – wie oben dargelegt nicht vorliegende – Verletzung der Aufklärungspflicht hinsichtlich der Prüfung der Frage, ob der Verzicht auf die unbebauten Grundstücke abgenötigt wurde, behauptet. Im Übrigen wird eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht prozessordnungsgemäß dargelegt. Es wird nicht einmal angegeben, welche Beweisaufnahme der Beschwerdeführer zu der damaligen Feststellung des Grundstückswerts vermisst.
d) Schließlich hat das Verwaltungsgericht seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht dadurch verletzt, dass es – entgegen der Anregung im Schriftsatz des Klägers vom 20. Februar 2003 – (VG-Akte Bd. I Bl. 168) kein Sachverständigengutachten zur Höhe des Instandsetzungsaufwands eingeholt hat. Zu dieser Frage hat das Verwaltungsgericht Beweise erhoben und diese in den Gründen seiner Entscheidung gewürdigt. Ohne förmlichen Beweisantrag des Klägers musste es sich ihm nicht aufdrängen, zusätzlich auch noch ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13 und 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Pagenkopf, Krauß, Golze
Fundstellen