Entscheidungsstichwort (Thema)
Überschuldung. Ursächlichkeit nicht kostendeckender Mieten für Überschuldung. Modernisierungsmaßnahmen. Instandsetzungsmaßnahmen
Leitsatz (amtlich)
Nicht kostendeckende Mieten waren dann nicht ursächlich im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG für die Überschuldung eines bebauten Grundstücks, wenn die Überschuldung nicht eingetreten wäre, falls ein Kredit statt für – tatsächlich durchgeführte – Modernisierungsmaßnahmen für notwendige Instandsetzungen verwendet worden wäre.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
VG Gera (Entscheidung vom 04.05.2000; Aktenzeichen 6 K 447/96 GE) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.
Gründe
Die gewünschte Prozesskostenhilfe kann nicht gewährt werden, weil die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 4. Mai 2000 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 1.). Das verwaltungsgerichtliche Urteil weicht auch nicht von einer in der Beschwerde bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, vgl. 2.). Schließlich liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. 3.).
1. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss daher dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), das heißt näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr vgl. u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫). Soweit die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache mit Angriffen gegen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung zu begründen versucht, genügt sie dem Darlegungsgebot nicht. Im Übrigen hält die Beschwerde sinngemäß die Frage für klärungsbedürftig, ob nicht kostendeckende Mieten auch dann i.S.d. § 1 Abs. 2 VermG ursächlich für die Überschuldung eines bebauten Grundstücks waren, wenn die Überschuldung nicht eingetreten wäre, falls ein Kredit statt für – tatsächlich durchgeführte – Modernisierungsmaßnahmen für notwendige Instandsetzungen verwendet worden wäre.
Diese Frage ist zu verneinen, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Bei Prüfung der Frage, ob ein Gebäude überschuldet war, sind die diesem zuzuordnenden Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Hierzu gehören nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Kosten der zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts anstehenden Instandsetzungsarbeiten. Kosten für Modernisierungsmaßnahmen dagegen gehören grundsätzlich nicht zum notwendigen Instandsetzungsbedarf (vgl. Urteil vom 16. März 1995 – BVerwG 7 C 39.93 – BVerwGE 98, 87 ≪97≫ = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 39 S. 86 ≪95≫).
Maßnahmen, die dazu dienen, dass eine leer stehende Mietwohnung überhaupt wieder vermietbar wird, sind dagegen grundsätzlich Instandsetzungsmaßnahmen. Darum geht es aber im vorliegenden Fall nicht. Die beiden Erdgeschosswohnungen waren – nach den nicht mit erfolgreichen Verfahrensrügen angegriffenen (vgl. 3.) tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts – auch ohne die durch Kredit finanzierten Aus- und Umbaumaßnahmen vermietbar.
Die für die Prüfung der Überschuldung entwickelten Grundsätze können – wie es das Verwaltungsgericht zu Recht getan hat – im Wege des Umkehrschlusses bei der Prüfung der Kausalität der Niedrigmieten für die Überschuldung angewandt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fehlt es nämlich an der Kausalität, wenn ein Eigentümer eine Immobilie selbst noch unter Geltung der DDR-Verhältnisse zu anderen Zwecken als zum Erhalt ihres vertragsgemäßen Gebrauchs beliehen hat (vgl. Urteil vom 11. Februar 1999 – BVerwG 7 C 4.98 – BVerwGE 108, 281 ≪287 f.≫ = Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 1 S. 1 ≪6 f.≫ und vom 2. Februar 2000 – BVerwG 8 C 25.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 7). Die Modernisierung einer Wohnung ist aber nicht zum Erhalt des vertragsgemäßen Gebrauchs notwendig, solange die Wohnung auch ohne diese Arbeiten vermietbar ist.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 – BVerwG 8 B 144.97 – Buchholz 406.11, § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 ≪11≫). Die Beschwerde muss also die angeblich widersprüchlichen abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen. Daran fehlt es hier. Die Beschwerde benennt lediglich einen im Urteil vom 11. Februar 1999 – BVerwG 7 C 4.98 – (Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 1 S. 1) aufgestellten Rechtssatz. Einen davon abweichenden vom Verwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz bezeichnet die Beschwerde nicht. Im Übrigen liegt auch keine Divergenz vor. Das Verwaltungsgericht hat keinen von der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Rechtssatz aufgestellt.
3. Es liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
3.1. Das Verwaltungsgericht hat seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Der Prüfung, ob das angefochtene Urteil auf einem Verfahrensmangel – insbesondere einer Verletzung der Aufklärungspflicht – beruht, muss die materiellrechtliche Beurteilung der Vorinstanz selbst dann zugrunde gelegt werden, wenn diese sich als unzutreffend erweisen sollte (stRspr, vgl. etwa Urteil vom 4. November 1994 – BVerwG 8 C 28.93 – Buchholz 454.71, § 7 WoGG Nr. 1 S. 1 ≪2≫).
Eine Aufklärungsrüge setzt die Darlegung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen müssen.
Die Beschwerde genügt diesen Anforderungen nicht.
Nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts waren nicht kostendeckende Mieten dann i.S.d. § 1 Abs. 2 VermG nicht ursächlich für die Überschuldung eines Gebäudes, wenn die Überschuldung nicht eingetreten wäre, falls ein Kredit statt für – tatsächlich durchgeführte – Modernisierungsmaßnahmen für notwendige Instandsetzungen verwendet worden wäre (vgl. oben 1.). Davon ausgehend kam es allein darauf an, ob die Um- und Ausbauten im Erdgeschoss der Modernisierung oder der Instandsetzung des Gebäudes dienten. In diesem Zusammenhang war entscheidend, ob die Erdgeschosswohnungen auch ohne die Aus- und Umbaumaßnahmen vermietbar gewesen wären. Dies hat das Verwaltungsgericht festgestellt, ohne dabei seine Aufklärungspflicht zu verletzen. Ausweislich der Sitzungsniederschrift war die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 2000 anwaltlich vertreten. In dieser Verhandlung wurden u.a. die Zeugen Bernd und Gerhard L. vernommen. Die anwaltlich vertretene Klägerin hätte an diese Zeugen Fragen richten können, die sich auf die Vermietbarkeit der Erdgeschosswohnungen beziehen. Da sie dies nicht getan hat, kann sie dem Verwaltungsgericht nicht mit Erfolg vorhalten, die Zeugen hierzu nicht befragt zu haben.
Auch soweit die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht hätte aufklären müssen, in welchem Umfang die Mieteinnahmen aufgrund der Modernisierungsmaßnahmen stiegen, musste sich dem Verwaltungsgericht eine Beweisaufnahme ohne diesbezüglichen Beweisantrag der anwaltlich vertretenen Klägerin nicht aufdrängen. Im Übrigen legt die Beschwerde insoweit nicht dar, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts nach dessen materiellrechtlicher Auffassung auf dieser vermeintlichen Verletzung der Aufklärungspflicht beruhen kann.
Soweit die Aussagen der Zeugen zum Instandsetzungsbedarf für die Fenster des Wohnhauses differieren ist das Verwaltungsgericht – im Rahmen der ihm obliegenden tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung – den Aussagen des Zeugen S. und nicht denen des Zeugen Bernd L. gefolgt. Die Gründe hierfür hat es im Einzelnen in seinem Urteil ausgeführt (vgl. UA S. 17-19). Dabei hat es den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht verletzt. Auch musste es nicht – wie die Beschwerde meint – hierzu mangels eigener Sachkunde ein Sachverständigengutachten einholen. Dies hatte auch die in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretene Klägerin nicht beantragt.
Soweit die Beschwerde bezüglich der Schornsteinköpfe eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht rügt, genügt sie nicht dem Darlegungsgebot (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Es wird schon nicht ausgeführt, welche Tatsache insoweit ermittlungsbedürftig gewesen wäre.
Bei den Kosten für die äußere Instandhaltung der Wintergärten und Balkone handelt es sich nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts um Aufwendungen der laufenden Instandhaltung. Soweit die Beschwerde sich dagegen wendet, greift sie die materiellrechtliche Auffassung des Verwaltungsgerichts an, ohne eine Verletzung der Aufklärungspflicht prozessordnungsgemäß darzulegen.
Hinsichtlich der Abrisskosten für die Balkone übersieht die Beschwerde, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung insoweit doppelt begründet hat. Auch für den Fall, dass die Balkone notwendigerweise hätten abgerissen werden müssen, sind die Abrisskosten – nach Auffassung des Verwaltungsgerichts (vgl. UA S. 23 f.) – nicht als unmittelbar bevorstehende Instandsetzungskosten berücksichtigungsfähig. Vielmehr hätte es in diesem Fall genügt, die Balkone durch entsprechende Vorrichtungen bzw. Maßnahmen zu sperren oder zu sichern. Deshalb musste das Verwaltungsgericht nicht aufklären, ob die Balkone hätten abgerissen werden müssen. Die Ablehnung des klägerischen Beweisantrags ist jedenfalls deshalb zu Recht erfolgt, weil er – nach Auffassung des Verwaltungsgerichts – unerheblich war.
Bezüglich der Elektroleitungen ist das Verwaltungsgericht den Aussagen der Zeugen Gerhard und Bernd L. gefolgt und zu dem Ergebnis gelangt, dass diese häufig überlastet waren. Weiter hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Überlastung der Elektroleitungen eine übliche Erscheinung in DDR Mietshäusern war (vgl. UA S. 19 f.). Um Letzteres festzustellen, bedurfte es nicht einer besonderen Sachkunde. Die von der Beschwerde für notwendig erachtete Einholung eines Sachverständigengutachtens war daher entbehrlich. Außerdem hat die anwaltlich vertretene Klägerin dies in der mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Aufgrund dieser tatsächlichen Feststellungen ist das Verwaltungsgericht zu dem rechtlichen Ergebnis gelangt, dass eine Neuverlegung von Elektroleitungen der Modernisierung und nicht der Instandsetzung des Gebäudes gedient hätte. Diese rechtliche Würdigung kann nicht mit einer Aufklärungsrüge angegriffen werden.
Das Verwaltungsgericht ist hinsichtlich der Gasleitungen zu dem Ergebnis gelangt, dass Kosten für eine entsprechende Reparatur lediglich Instandhaltungs- und Modernisierungskosten, nicht aber Instandsetzungskosten darstellen. Dies hat es im Einzelnen begründet (UA S. 20 f.) Die Beschwerde legt nicht prozessordnungsgemäß dar (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) zur Beantwortung welcher Frage in diesem Zusammenhang die Einholung eines Sachverständigengutachtens notwendig gewesen wäre.
3.2. Das Verwaltungsgericht hat auch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt. Sein Urteil ist keine Überraschungsentscheidung. Zu Unrecht meint die Klägerin, die Kammer hätte die Einzelheiten ihrer tragenden Überlegungen zu der dann getroffenen Entscheidung, die bereits aufgrund des Votums der Berichterstatterin und der Vorberatung der Kammer diesem Gremium offen gelegen hätten, zur Kenntnis geben müssen. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht jedoch nicht, den Beteiligten vor der Entscheidung seine rechtliche Sicht darzulegen (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 30. Oktober 1987 – BVerwG 2 B 85.87 – Buchholz 310, § 104 VwGO Nr. 20 S. 1 ≪2≫).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl. § 133 Abs. 5, Satz 2, 2. Halbsatz VwGO).
Unterschriften
Dr. Müller, Krauß, Golze
Fundstellen
Haufe-Index 544057 |
BuW 2001, 562 |