Verfahrensgang
VG Cottbus (Urteil vom 14.03.2012; Aktenzeichen 1 K 28/09) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 14. März 2012 wird verworfen.
Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 460,17 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Verwaltungsgericht ist unzulässig. Sie ist zwar rechtzeitig eingelegt, aber nicht innerhalb der gesetzlichen Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet worden (1.). Ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand besteht nicht (2.).
Rz. 2
1. Nach § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Hierüber ist die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils zutreffend belehrt worden. Die Klägerin hat diese Frist nicht gewahrt.
Rz. 3
Das angefochtene Urteil ist ihrem Betreuer – ausweislich der bei den Gerichtsakten befindlichen Zustellungsurkunde – am 27. März 2012 zugestellt worden. Die Beschwerdebegründungsfrist endete demzufolge mit Ablauf des 29. Mai 2012 (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist indessen erst am 25. Juni 2012 beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht worden.
Rz. 4
2. Die Klägerin hat wegen ihrer Säumnis keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Wiedereinsetzung ist nach § 60 Abs. 1 und 2 VwGO zu gewähren, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Beteiligte ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Das ist hier nicht der Fall. Selbst wenn man davon absieht, dass die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages vorgebrachten Tatsachen nicht im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO glaubhaft gemacht worden sind, wofür in der Regel die eidesstattliche Versicherung eines Rechtsanwalts genügt (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 294 Satz 1 ZPO), ist ihnen ein unverschuldetes Hindernis nicht zu entnehmen.
Rz. 5
Die Versäumung einer Frist ist grundsätzlich dann im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO verschuldet, wenn der Beteiligte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war. Dabei ist ihm ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zuzurechnen (stRspr, z.B. Beschluss vom 25. Mai 2010 – BVerwG 7 B 18.10 – juris Rn. 4 m.w.N.). Ein derartiges Verschulden liegt hier vor.
Rz. 6
Wenn ein Rechtsanwalt die Prozessvertretung übernimmt, ist die Wahrung der prozessualen Fristen eine seiner Aufgaben, der er besondere Aufmerksamkeit widmen muss. Diese besondere Sorgfaltspflicht macht es erforderlich, dass er insbesondere den Ablauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO anhand des Gesetzes und der dazu ergangenen Rechtsprechung eigenverantwortlich prüft. Daher ist ein Irrtum des Prozessbevollmächtigten über das Wesen dieser Frist, insbesondere darüber, dass sie nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (z.B. Beschlüsse vom 30. April 2010 – BVerwG 8 PKH 5.09 – juris Rn. 7; vom 30. Juli 2008 – BVerwG 5 B 42.08 – juris Rn. 3; vom 22. Januar 2002 – BVerwG 5 B 105.01 – juris Rn. 1; vom 28. März 2001 – BVerwG 8 B 52.01 – Buchholz 310 § 133 VwGO ≪n.F.≫ Nr. 61 und vom 10. Oktober 1989 – BVerwG 9 B 268.89 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 276 S. 17) nicht verlängert werden kann, grundsätzlich nicht entschuldbar (stRspr, z.B. Beschlüsse vom 19. Januar 2010 – BVerwG 8 B 124.09 – juris Rn. 4; vom 5. Juni 2009 – BVerwG 5 B 28.09 – juris Rn. 4 f.; vom 22. Januar 2002 a.a.O. Rn. 3; vom 27. Dezember 1999 – BVerwG 7 B 188.99 – und vom 22. Januar 1998 – BVerwG 8 B 9.98 –). Gründe für die Annahme des Ausnahmefalls eines entschuldbaren Rechtsirrtums liegen hier nicht vor.
Rz. 7
Der Rechtsirrtum lässt sich angesichts der prozessualen Sorgfaltspflicht, die der Prozessbevollmächtigten als Rechtsanwältin obliegt, insbesondere nicht damit entschuldigen, dass die Rechtsmittelbelehrung keinen besonderen Hinweis auf die fehlende Verlängerbarkeit der Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO enthält. Unabhängig davon schreibt § 58 Abs. 1 VwGO eine derartige Belehrung nicht vor. Entsprechendes gilt, soweit geltend gemacht wird, dass der mit Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 29. Mai 2012 erteilte Hinweis auf die Rechtslage erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist bei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin einging (vgl. Beschlüsse vom 5. Juni 2009 – BVerwG 5 B 28.09 – juris Rn. 4 und vom 22. Januar 1998 – BVerwG 8 B 9.98 –). Im Übrigen gilt auch insoweit, dass das Verwaltungsgericht zu einem derartigen rechtlichen Hinweis weder generell (vgl. Beschluss vom 5. Juni 2009 a.a.O. Rn. 5) noch aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls verpflichtet war. Ebenso wenig lässt sich ein fehlendes Verschulden mit dem zeitlichen Aufwand für die Durchführung der Akteneinsicht begründen. Denn die Beschwerdebegründungsfrist kann selbst mit Rücksicht auf eine beantragte und gewährte Akteneinsicht durch richterliche Verfügung nicht verlängert werden (vgl. Beschlüsse vom 25. Juli 2000 – BVerwG 5 B 64.00 –; vom 10. Oktober 1989 a.a.O.; vom 26. Mai 1975 – BVerwG 3 B 117.74 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 131 S. 5).
Rz. 8
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Rz. 9
4. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 47 Abs. 1 und Abs. 3 und 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Vormeier, Stengelhofen, Dr. Störmer
Fundstellen