Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 14.12.1998; Aktenzeichen 7 A 1468/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Dezember 1998 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheids für den Neubau eines zweigeschossigen Wohnhauses mit einer Wohneinheit und einer Doppelgarage. Der Antrag wurde – auch im Widerspruchsverfahren – unter anderem mit der Begründung abgelehnt, das Vorhaben solle im Außenbereich verwirklicht werden und lasse die Erweiterung und Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten. Klage und Berufung blieben erfolglos. Mit der auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützten Beschwerde erstrebt die Klägerin die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe ohne zureichende Sachverhaltsaufklärung angenommen, auf dem Grundstück A.-D.-Weg 7 könnten – als zu befürchtende Verfestigung einer Splittersiedlung – zwei weitere Wohnhäuser errichtet werden. Die Frage von Bebauungsmöglichkeiten auf diesem Grundstück seien erstmals am Ende der mündlichen Verhandlung vom Vorsitzenden angesprochen worden. Bei dem Ortstermin sei dieses Grundstück nicht besichtigt worden.
Die Rüge ist unbegründet. Sie könnte schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die anwaltlich vertretene Klägerin sie bereits in der mündlichen Verhandlung hätte erheben können, als, wie sie selbst vorträgt, der Vorsitzende auf die Bebauungsmöglichkeiten auf dem Grundstück Nr. 7 hingewiesen hat. Abgesehen davon treffen die zur Begründung der Rüge erhobenen Behauptungen in der Beschwerdeschrift nicht zu. Aus dem Protokoll über die Ortsbesichtigung ergibt sich, daß die Örtlichkeit anhand der in den Beiakten befindlichen Flurkarten im Maßstab 1:500 in Augenschein genommen worden sind, ferner, daß Luftbilder übergeben worden sind und daß über die Größe der Wohnfläche des Gebäudes auf dem Nachbargrundstück, nämlich dem Grundstück A.-D.-Weg 7, gesprochen worden ist. Ferner sind beim Ortstermin Fotos vom Grundstück und vom Haus Nr. 7 (Fotos Nr. 10 und 12 in den Akten) angefertigt worden. Aus den Flurkarten und den Luftbildern ergibt sich die auf dem Grundstück A.-D.-Weg 7 vorhandene Bebauung. Die Beschwerde bemängelt allerdings, das Berufungsgericht habe ohne Sachverständigengutachten nicht von zwei weiteren Gebäuden auf dem Grundstück ausgehen dürfen, weil die Standsicherheit wegen des nordwestlichen Hangs gefährdet sei und die Möglichkeit technischer Maßnahmen zur Herstellung der Standsicherheit vom Gericht nicht aus eigener Sachkunde beurteilt werden könne. Dabei unterstellt die Beschwerde jedoch, das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, die beiden weiteren Gebäude könnten nur im hinteren, abrutschgefährdeten Bereich des Grundstücks errichtet werden. Das trifft nicht zu. Das Gericht hat festgestellt, daß die weitere Bebauung – ebenso wie die schon bestehenden Häuser – mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand zum Hang errichtet werden könne. Die zusätzliche Bemerkung, selbst bei einer Bebauung jenseits dieses Abstands kämen auch technische Verfestigungen in Betracht, ist nicht entscheidungstragend, bedurfte also keiner sachverständigen Bewertung. Der Einwand der Beschwerde, eine Bebauung innerhalb des Sicherheitsabstandes sei nicht möglich, weil dort bereits ein Schwimmbecken und zwei Pferdeställe vorhanden seien, geht fehl. Bei der Frage, ob im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB die Verfestigung einer Splittersiedlung zu befürchten ist, darf die Möglichkeit, daß auf dem Grundstück zwei Wohngebäude unter Beseitigung eines Schwimmbeckens und zweier Pferdeställe errichtet werden können, nicht außer Betracht bleiben; denn zwei Wohngebäude haben unter siedlungsstrukturellen Gesichtspunkten, die für die Anwendung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB maßgebend zu sein haben, andere Bedeutung und anderes Gewicht als ein Schwimmbecken und zwei Pferdeställe als Nebenanlagen eines vorhandenen Wohnhauses.
2. Die Beschwerde rügt unzureichende Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der Annahme des Berufungsgerichts, das Jugendheimgrundstück (A.-D.-Weg 5) könne mit der Folge einer Verfestigung der Splittersiedlung mit einem weiteren Wohngebäude bebaut werden. Dabei geht die Beschwerde davon aus, ein solches Wohngebäude könne nicht ohne Veränderung des derzeit vorhandenen Zustandes des Grundstücks – einschließlich der Art der Nutzung – errichtet werden. Das ist, wie schon oben ausgeführt, ein für die Anwendung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB unzutreffender Standpunkt. Es liegt auf der Hand, daß die relativ große Fläche auf dem vorderen Teil des Grundstücks, die derzeit als Spielplatz genutzt wird, für eine Bebauung mit einem Wohnhaus in Betracht kommen könnte.
3. Die auf das Fehlen von Ermittlungen zur naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (§§ 8 a Abs. 2 Satz 2, 8 Abs. 2 BNatSchG) bezogene Aufklärungsrüge ist ebenfalls nicht begründet. Das Berufungsgericht mußte nicht aufklären, ob weitere Bauvorhaben auf den Grundstücken A.-D.-Weg 5 und 7, für die ein Wohngebäude auf dem Grundstück der Klägerin Vorbildwirkung im Sinne einer Verfestigung einer Splittersiedlung hätte, zwangsläufig daran scheitern würde, daß die gebotenen Maßnahmen des Ausgleichs oder Ersatzes für den Eingriff in Natur und Landschaft auf den betreffenden Grundstücken nicht möglich wären. Der Tatbestand des Befürchtens der Verfestigung einer Splittersiedlung setzt nicht voraus, daß – als Folge der Zulassung des insoweit öffentliche Belange beeinträchtigenden Vorhabens – ein uneingeschränkter Rechtsanspruch auf Zulassung weiterer Vorhaben entsteht. Es genügt, daß die Gründe, die weiteren Vorhaben entgegengehalten werden könnten, an Überzeugungskraft einbüßen würden, wenn das jetzt beantragte Vorhaben nicht aus eben den Gründen (Verfestigung einer Splittersiedlung) versagt würde, mit der Genehmigung also ein sog. Berufungsfall geschaffen würde. Mit der Versagung der Genehmigung soll bereits „den Anfängen gewehrt” werden. Abgesehen davon kämen übrigens Ausgleichs- oder (insbesondere) Ersatzmaßnahmen nicht nur auf den jeweiligen Grundstücken, sondern auch auf anderen Grundstücken in Betracht. Zu einer abschließenden Beurteilung der Zulässigkeit weiterer Vorhaben wäre überdies die Baugenehmigungsbehörde, insbesondere soweit es um die erforderlichen Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen geht, schon deshalb nicht in der Lage, weil ihr Art und Umfang etwaiger weiterer Vorhaben noch gar nicht bekannt sind.
4. Die Beschwerde wirft als Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf, „ob und unter welchen Voraussetzungen eine weitreichende Vorbildwirkung und damit die Befürchtung einer Verfestigung einer Splittersiedlung auch aus einer Folgebebauung abgeleitet werden kann, die ohne Befreiung von einer entgegenstehenden Rechtsverordnung (hier: Landschaftsschutzverordnung/Landschaftsplan) nicht erteilt werden darf”. Die Beschwerde will damit – entgegen der Wortwahl – offenbar nicht das Verhältnis problematisieren, in dem naturschutzrechtliche Befreiung und baurechtliche Genehmigung zueinander stehen, ob also eine baurechtliche Genehmigung im Sinne der sog. Schlußpunkttheorie erst nach Vorliegen einer erforderlichen naturschutzrechtlichen Befreiung erteilt werden darf. Dies wäre als Frage des Landesrechts (vgl. BVerwG, Beschluß vom 25. Oktober 1995 – BVerwG 4 B 216.95 – BVerwGE 99, 351; DVBl 1996, 57; NVwZ 1996, 377) in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig (§ 137 Abs. 1 VwGO). Sie will vielmehr wohl geklärt wissen, ob die Verfestigung einer Splittersiedlung nicht zu befürchten ist, wenn feststeht, daß Folgebebauung an einem naturschutzrechtlichen Verbot scheitern muß, das durch Befreiung nicht zu überwinden sein wird, jedenfalls „nach Umständen und Verwaltungspraxis nicht zu erwarten ist”. Diese Frage verleiht indes der Sache keine grundsätzliche Bedeutung. Sie unterstellt einen Sachverhalt, der so vom Berufungsgericht nicht festgestellt ist. Zwar ist festgestellt, daß der Bereich am A.-D.-Weg im Geltungsbereich einer Landschaftsschutzverordnung liegt. Daraus folgt indes nicht, daß eine Befreiung von der Verordnung für eine etwaige weitere Bebauung der Grundstücke A.-D.-Weg Nr. 5 und Nr. 7 ernsthaft nicht erwartet werden kann. Immerhin hat die Klägerin selbst eine Befreiung von der Verordnung erhalten, die sie nunmehr für die Nachbargrundstücke für nicht erteilbar hält. Würde die der Klägerin erteilte Befreiung nach Erteilung auch einer Baugenehmigung realisiert, würde der Landschaftsschutz im Bereich des A.-D.-Wegs weiter ausgehöhlt mit der Folge, daß die Gründe für eine Versagung einer Befreiung für die Grundstücke Nr. 5 und 7 schwächer würden. Abgesehen davon sind die Ziele, die mit einer Landschaftsschutzverordnung und deren Anwendung sowie auch deren Aufrechterhaltung verfolgt werden, nicht identisch mit den – weitergehenden – Zielen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung, insbesondere einer Vermeidung der Zersiedlung des Außenbereichs, die von § 35 BauGB verfolgt werden. Folglich ist ein bestehender Landschaftsschutz für eine Außenbereichsfläche kein Garant, der eine Vorbildwirkung für weitere Bebauung, die aus der baurechtlichen Genehmigung eines Bauvorhabens entstehen kann, dauerhaft ausschließt.
5. Die Beschwerde wirft als Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf, „ob als öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB, der die Ablehnung einer Baugenehmigung rechtfertigt, auch die Anforderungen an eine Innenbereichsbebauung gemäß § 34 Abs. 1 BauGB angesehen werden können, diese also gewissermaßen in § 35 Abs. 3 BauGB hineinzulesen sind”. Diese Frage verleiht der Sache ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung. Die Beschwerde möchte die Anforderungen des § 34 Abs. 1 BauGB an die nach Auffassung des Berufungsgerichts zu „befürchtende” Folgebebauung auf den Grundstücken A.-D.-Weg Nr. 5 und Nr. 7 angelegt sehen und meint, im Hinblick auf diesen Maßstab sei eine Vorbildwirkung des Vorhabens der Klägerin für eine solche Folgebebauung auszuschließen. Diese Frage wäre in einem Revisionsverfahren nicht zu klären, weil sie nicht entscheidungserheblich wäre. Bei Beurteilung der Frage, ob die Genehmigung eines Vorhabens im Außenbereich im Hinblick auf eine Vorbildwirkung für weitere Bauvorhaben zur Verfestigung einer Splittersiedlung führt, kommt es nicht auf eine abschließende bebauungsrechtliche Prüfung zu „befürchtender” Folgevorhaben an. Selbst wenn über § 35 Abs. 3 BauGB Elemente des § 34 Abs. 1 BauGB für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Vorhabens innerhalb einer Splittersiedlung heranzuziehen wären, so ergäben überdies die Feststellungen des Berufungsgerichts, von denen der Senat in einem Revisionsverfahren auszugehend hätte, nicht, daß weitere Bebauung auf den Grundstücken Nr. 5 und Nr. 7 an diesem Maßstab scheitern müßte.
6. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, „ob auch bauliche Anlagen zu einer Splittersiedlung gehören können, die zwar zum Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, aber in keinerlei funktionalem Zusammenhang zur übrigen Bebauung stehen”, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil das Berufungsurteil sowohl bei Bejahung wie auch bei Verneinung der Frage zu bestätigen wäre, die Frage also nicht entscheidungserheblich ist; aus diesem Grunde hat das Berufungsgericht sie auch zu Recht offengelassen.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Lemmel, Heeren
Fundstellen
BauR 2000, 1173 |
ZfBR 2000, 278 |
BRS 2000, 508 |
KomVerw 2000, 371 |
FuBW 2000, 856 |
FuNds 2001, 306 |