Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsverhältnis, Beendigung eines (fingierten) – eines früheren Jugend- und Auszubildendenvertreters. Rechtsgestaltung durch Auflösung eines Arbeitsverhältnisses. Rechtsschutzbedürfnis für Fortführung eines personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahrens
Leitsatz (amtlich)
Ist ein früherer Jugend- und Auszubilderdenvertreter freiwillig aus dem nach § 9 Abs. 2 BPersVG begründeten Arbeitsverhältnis ausgeschieden, so besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für das Begehren des antragstellenden Arbeitgebers festzustellen, daß zwischen ihm und dem früheren Beschäftigten nach Ablauf der Ausbildungszeit kein Arbeitsverhältnis begründet wurde.
Normenkette
Hess. PVG § 65 Abs. 2, 4; BPersVG § 9 Abs. 2, 4
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschlüsse des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs – Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen – vom 24. Juni 1993 und des Verwaltungsgerichts Gießen – Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen – vom 2. August 1989 werden aufgehoben.
Der Antrag des Antragstellers wird verworfen.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller begehrt die Feststellung, daß zwischen ihm und der Beteiligten zu 1 und Rechtsbeschwerdeführerin nach Beendigung ihres Ausbildungsverhältnisses kein Arbeitsverhältnis begründet wurde.
Die als Bauzeichnerin ausgebildete Beteiligte war Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung des Hessischen Straßenbauamtes G. Ihr Ausbildungsverhältnis endete mit dem Bestehen der Abschlußprüfung am 15. Juli 1988.
Danach war sie bis zum 8. August 1988 arbeitslos, dann bei Baufirmen und aufgrund einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Gießen ab 11. April 1989 im Hessischen Straßenbauamt G. tätig. Während des vorliegenden Verfahrens ist sie am 31. März 1990 aus dem Dienst der Straßenbauverwaltung ausgeschieden.
Sie hat eine Bruttolohnklage für die Zeit vom 17. Juli 1988 bis zum 18. August 1989 in Höhe von 28 513,40 DM erhoben. Das Landesarbeitsgericht hat darüber noch nicht entschieden.
Das Verwaltungsgericht Gießen hat mit Beschluß vom 2. August 1989 festgestellt, daß zwischen dem Land Hessen und der Beteiligten zu 1 im Anschluß an deren Berufsausbildung ein Arbeitsverhältnis nicht begründet wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1 mit Beschluß vom 24. Juni 1993 zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt:
Die Beteiligte habe noch ein Rechtsschutzbedürfnis an einer verwaltungsgerichtlichen Sachentscheidung, obwohl sie aus den Diensten des Antragstellers ausgeschieden sei, weil noch ihre arbeitsgerichtliche Zahlungsklage rechtshängig sei.
Der Antrag sei zulässig. Er sei von Anfang an vom Arbeitgeber der Beteiligten zu 1 und nicht vom Präsidenten des Hessischen Landesamtes für Straßenbau gestellt worden. Dieser habe auf die Regelung zur Vertretung des Landes hingewiesen.
Das Feststellungsinteresse des Arbeitgebers bestehe, weil sich der Ausgang des Beschlußverfahrens auf die arbeitsgerichtliche Bruttolohnklage auswirken könne; eine stattgebende Entscheidung wirke auf den Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses zurück. Die verbindliche Feststellung, ob infolge des Weiterbeschäftigungsverlangens eines ehemaligen Jugend- oder Auszubildendenvertreters ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet gelte oder nicht, treffe das Verwaltungsgericht im Beschlußverfahren.
Der Antrag sei begründet, weil dem Antragsteller die Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1 nicht habe zugemutet werden können. Ihm habe zum Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses beim Straßenbauamt G. keine ausbildungsbezogene freie Planstelle zur Besetzung mit einer Bauzeichnerin zur Verfügung gestanden. Diesem Amt sei im Rahmen der zentralen Stellenbewirtschaftung aufgrund einer Personalbedarfsberechnung keine solche Stelle zugewiesen worden. Dies sei haushaltsrechtlich zulässig und nicht als Einstellungsstopp anzusehen.
Mit ihrer hiergegen eingelegten Rechtsbeschwerde erstrebt die Beteiligte zu 1 die Zurückweisung des Antrags des Antragstellers. Sie macht im wesentlichen geltend:
Der Antrag sei nicht fristgerecht wirksam, weil vom Präsidenten des Landesamts für Straßenbau im eigenen Namen und nicht vom Arbeitgeber, dem Land Hessen, gestellt worden. Für den Antrag bestehe zumindest jetzt kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, weil sie ihr Übernahmeverlangen seit dem 15. Mai 1992 nicht mehr weiterverfolge. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts und mit dem Bundesarbeitsgericht (Beschluß vom 29. November 1989, PersR 1991, 105) wirke ein nach § 78 a BetrVG oder § 9 BPersVG gestellter erfolgreicher Feststellungsantrag nicht auf den Zeitpunkt der fingierten Begründung eines Arbeitsverhältnisses des früheren Jugendvertreters zurück. Die Weiterbeschäftigung sei dem Antragsteller zumutbar gewesen. Dafür komme es nicht auf die jeweilige Ausbildungsdienststelle an. Freie besetzbare Planstellen, die der Haushaltsgesetzgeber dem Landesamt zugeordnet gehabt habe, hätten zur Verfügung gestanden.
Die Rechtsbeschwerdeführerin beantragt,
den Beschluß des Verwaltungsgerichts Gießen vom 2. August 1989 und den Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juni 1993 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 2 und 3 halten den angegriffenen Beschluß für rechtlich nicht haltbar und meinen, der Antrag des Antragstellers sei zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluß. Insbesondere macht er geltend, er habe noch ein Rechtsschutzbedürfnis für seinen Antrag, da das Ergebnis des wegen der Lohnklage noch anhängigen arbeitsgerichtlichen Verfahrens von dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens abhängig sei. Die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, wonach ein Antrag auf Feststellung, daß ein Arbeitsverhältnis nicht begründet worden sei, erst mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung für die Zukunft wirksam werde, sei abzulehnen.
Die Zumutbarkeitsfrage sei zum Zeitpunkt der Antragstellung zu prüfen. Ein Auszubildender dürfe es nicht in der Hand haben, allein durch seinen Übernahmeantrag ein Arbeitsverhältnis von zumindest nicht nur vorübergehender Dauer zu begründen. Seine Nichtweiterbeschäftigung müsse grundsätzlich möglich sein. Mit Recht habe das Beschwerdegericht auch angenommen, daß sich ein Weiterbeschäftigungsanspruch nur auf die (bisherige) Dienststelle beziehe. Eine Planstelle sei bei dem Straßenbauamt nicht verfügbar gewesen. Sie habe ihm nicht zu ihrer Weiterbeschäftigung im Rahmen der zentralen Stellenbewirtschaftung zugewiesen werden müssen. Willkürliches Verhalten liege nicht vor.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich an dem Verfahren. Er teilt die Auffassung des Beschwerdegerichts zur Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1.
Entscheidungsgründe
II.
Die zugelassene Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Verwerfung des Antrages des Antragstellers wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses an der von ihm begehrten Feststellung. Die Rechtsbeschwerdeführerin hat ein berechtigtes Interesse daran, dieses Verfahrensergebnis mit ihrem Rechtsmittel zu erreichen.
1. Mit den Vorinstanzen hat der Senat keine Bedenken gegen die Wirksamkeit des vom Präsidenten des Landesamts als Vertreter des Arbeitgebers, also des Landes Hessen, mit seinem Schriftsatz vom 27. Juni 1988 gestellten Feststellungsantrages nach § 65 Abs. 4 HessPVG = § 9 Abs. 4 BPersVG, denn der Präsident hat dort ausdrücklich auf seine Befugnis zur Vertretung des Landes hingewiesen.
2. Es besteht jedoch kein rechtlich zu schützendes Interesse des Landes an der Feststellung im vorliegenden Verfahren, daß ein Arbeitsverhältnis mit der Beteiligten nicht begründet wurde.
Nach § 9 Abs. 4 BPersVG kann der Arbeitgeber nur beantragen, festzustellen, daß ein Arbeitsverhältnis … nicht begründet wird (Nr. 1), oder das bereits begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen (Nr. 2). Wie der Senat in Übereinstimmung mit dem Bundesarbeitsgericht (Beschlüsse vom 29. November 1989 – 7 ABR 67/88 – BAGE 63, 319, 324 ff., und vom 24. Juli 1951 – 7 ABR 68/90 – BAGE 68, 187, 191 f.) wiederholt entschieden hat (Beschlüsse vom 31. Oktober 1987 – BVerwG 6 P 25.85 – BVerwGE 78, 223, 225 f., und vom 31. Mai 1990 – BVerwG 6 P 16.88 – Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 8), kann der – von seiner Zielsetzung her anspruchsvernichtende – Feststellungsantrag nach dem Ausbildungsende, wenn also das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes begründet worden ist, nicht mehr gestellt werden. Es kommt dann nur noch ein Auflösungsantrag in Betracht. Wird über einen rechtzeitig gestellten Feststellungsantrag bis zur Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtskräftig entschieden, so wandelt er sich seinem Gegenstand nach in einen – von seiner Zielsetzung her rechtsgestaltenden – Auflösungsantrag, ohne daß es einer förmlichen Antragsänderung bedarf. Diese Rechtsprechung setzt allerdings voraus, daß das kraft Gesetzes begründete Arbeitsverhältnis noch besteht, um das Verfahren mit diesem geänderten Ziel fortsetzen zu können.
Auch wenn nicht darauf abgestellt wird, daß der gleichwohl ausdrücklich beibehaltene Feststellungsantrag des Antragstellers von dem Wortlaut des § 9 Abs. 4 BPersVG nicht gedeckt ist, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag, festzustellen, daß ein Arbeitsverhältnis … nicht begründet wurde. Denn die Beteiligte zu 1 als frühere Jugend- und Auszubildendenvertreterin ist während des Beschlußverfahrens freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und hat ausdrücklich erklärt, ihr Übernahmeverlangen nicht mehr aufrechtzuerhalten. In einem solchen Falle entfällt das Rechtsschutzbedürfnis des antragstellenden Arbeitgebers an der Fortführung des personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahrens wegen dessen Erledigung (so im Ergebnis auch OVG NW, Beschluß vom 2. September 1994 – 1 A 1824/91. PVL –), weil weder eine rückwirkende Vernichtung des untergegangenen Anspruchs auf Weiterbeschäftigung noch eine rückwirkende Gestaltung des nicht mehr bestehenden Arbeitsverhältnisses möglich ist. Auch insoweit folgt der Senat der vom Bundesarbeitsgericht in dessen erwähntem Beschluß vom 29. November 1989 a.a.O. vertretenen Auffassung zur fehlenden Rückwirkung der im Beschlußverfahren vom Arbeitgeber angestrebten Rechtsgestaltung. Will der Arbeitgeber einen bisherigen Jugend- oder Auszubildendenvertreter nicht weiterbeschäftigen, so stehen ihm zwei unabhängig voneinander zu betreibende Verfahren zur Verfügung, nämlich das Beschlußverfahren mit dem Ziel der Auflösung des durch die Fiktion des Betriebsverfassungsgesetzes (bzw. des § 9 Abs. 2 BPersVG) begründeten Arbeitsverhältnisses für die Zukunft wegen der zum Zeitpunkt des Endes der Ausbildung zu bejahenden Unzumutbarkeit einerseits und ein Klageverfahren mit dem Ziel der Feststellung, daß ein Arbeitsverhältnis nicht begründet worden ist, andererseits. Für eine Rechtsgestaltung – sei es im Wege einer rechtsvernichtenden Feststellung, sei es durch Auflösung des kraft Gesetzes begründeten Arbeitsverhältnisses – ist aber kein Raum mehr, wenn dieses Arbeitsverhältnis – wie hier – einvernehmlich aufgelöst worden ist. Auf die Dauer des gerichtlichen Verfahrens kommt es dabei nur insofern an, als dieses nach der gekennzeichneten Rechtslage einer dringlichen Beschleunigung bedarf.
Die Frage der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1 zum Zeitpunkt der Beendigung ihres Berufsausbildungsverhältnisses ist mithin im vorliegenden Verfahren nicht mehr zu prüfen. Darüber, ob ein Arbeitsverhältnis begründet worden war, kann nach dessen freiwilliger Beendigung nur noch in einem arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren über eine Lohnforderung oder über ein entsprechendes Feststellungsbegehren entschieden werden.
Nach alledem war der Antrag des Antragstellers unter Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen zu verwerfen.
Unterschriften
Ernst, Seibert, Albers, Vogelgesang, Eckertz-Höfer
Fundstellen