Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung schriftlicher Stimmabgabe. Recht zur persönlichen Stimmabgabe. Rücksendung von Briefwahlunterlagen. Vermerk im Wählerverzeichnis. Grundsatz der freien und geheimen Wahl
Leitsatz (amtlich)
- Hat der Wahlvorstand gemäß § 19 BPersVWO schriftliche Stimmabgabe angeordnet, so bleibt den davon betroffenen Beschäftigten gleichwohl das Recht zur persönlichen Stimmabgabe.
- Die zur Vermeidung von Doppelzählungen getroffene Entscheidung des Wahlvorstandes, die Rücksendung der Briefwahlunterlagen im Wählerverzeichnis zu vermerken, verstößt weder gegen wahlrechtliche Vorschriften noch gegen den Grundsatz der freien und geheimen Wahl.
Normenkette
BPersVG §§ 25, 24; BPersVWO §§ 17-19
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Beschluss vom 19.06.2002; Aktenzeichen 17 LP 773/01) |
VG Hannover (Entscheidung vom 07.12.2000; Aktenzeichen 16 A 3026/00) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts – Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes – vom 19. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I.
In der Zeit vom 9. bis 11. Mai 2000 fand beim Bundeseisenbahnvermögen Dienststelle Nord die Personalratswahl statt. Der Wahlvorstand hatte für alle Beschäftigten – mit Ausnahme derjenigen in der Hauptstelle in Hannover – schriftliche Stimmabgabe angeordnet. In dem in der Dienststelle ausgelegten Wählerverzeichnis wurden die Zusendungen und die Rücksendungen der Briefwahlunterlagen sowie die ordnungsgemäßen schriftlichen Stimmabgaben vermerkt.
Die Antragsteller sind Beschäftigte beim Bundeseisenbahnvermögen Dienststelle Nord. Sie haben die Personalratswahl angefochten. Das Verwaltungsgericht hat die Wahl in der Gruppe der Angestellten im Wesentlichen mit der Begründung für unwirksam erklärt, die Eintragung der Rücksendevermerke stelle einen Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren dar. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Oberverwaltungsgericht den erstinstanzlichen Beschluss geändert und den Wahlanfechtungsantrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die wahlrechtlichen Vorschriften regelten nicht, dass die von der Briefwahlanordnung betroffenen Beschäftigten auch ein Recht zur persönlichen Stimmabgabe hätten, und träfen keine Vorkehrungen gegen eine doppelte Stimmabgabe. Angesichts dessen habe sich der Wahlvorstand im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens gehalten, wenn er nicht nur die Versendung, sondern auch den Rücklauf der Wahlunterlagen durch einen Datumsstempel im Wählerverzeichnis vermerkt habe. Dieser gesetzlich nicht verbotene Vermerk sei hier in Anbetracht des außerordentlichen hohen Anteils von Briefwählern in der Dienststelle geeignet gewesen, die Gefahr einer doppelten Stimmabgabe zu verringern. Es sei nicht feststellbar, dass der Vermerk über die Rücksendung der Briefwahlunterlagen im Wählerverzeichnis das Wahlergebnis in unzulässiger Weise hätte beeinflussen können. Das Gesetz gehe grundsätzlich von dem mündigen Bürger und Wähler aus und verbiete nur eine sittenwidrige Beeinflussung der Wahl. Deshalb begegne es keinen rechtlichen Bedenken, dass Wahlbewerber hier aufgrund des Vermerks über die Rücksendung der Wahlunterlagen im Wählerverzeichnis bei Einsicht in dieses hätten feststellen können, wer noch nicht von der Briefwahl Gebrauch gemacht habe, und daraufhin diese Wahlberechtigten mit dem Ziel der Einflussnahme hätten ansprechen können.
Die Antragsteller tragen zur Begründung ihrer Rechtsbeschwerde vor: Aus § 17 Abs. 1 Satz 4 der Wahlordnung zum Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVWO) ergebe sich, dass weitere Angaben außer denen über die Aushändigung oder die Übersendung der Briefwahlunterlagen nicht in das öffentlich ausliegende Wählerverzeichnis aufgenommen werden dürften. Es handele sich um eine Verfahrensvorschrift, welche den Gefahren begegnen solle, die regelmäßig im Hinblick auf die Wahlgrundsätze der Wahlfreiheit und des Wahlgeheimnisses mit der schriftlichen Stimmabgabe verbunden seien. Im vorliegenden Fall sei durch das Einstempeln der Rücklaufdaten der Freiumschläge ohne rechtfertigenden Grund die erhöhte Gefahr der Beeinträchtigung von Wahlgeheimnis und Wahlfreiheit geschaffen worden. Ausreichend sei insofern ein Vermerk in eine allein beim Wahlvorstand geführte Abschrift des Wählerverzeichnisses oder in das beim Wahlvorstand geführte Original des Wählerverzeichnisses bei zulässiger Auslage einer Abschrift für die wahlberechtigten Beschäftigten gewesen. Im Übrigen hätte bereits der Vermerk über die Zusendung der Briefwahlunterlagen den Wahlvorstand in die Lage versetzt, Doppelzählungen zu vermeiden. Unter Bezugnahme auf diesen Vermerk hätte er den um persönliche Stimmabgabe nachsuchenden Beschäftigten zur Rückgabe der Briefwahlunterlagen auffordern oder den bereits rückübersandten Freiumschlag ungeöffnet zu den Wahlunterlagen nehmen können. Aus dem Regelungszusammenhang von § 17 Abs. 1 Satz 4 und § 18 Abs. 1 BPersVWO ergebe sich, dass der Normgeber über die Eintragung der Zusendung hinausgehende Vermerke durch den Wahlvorstand in einem einheitlichen Vorgang auf einen bestimmten Zeitpunkt unmittelbar vor Abschluss der Wahl habe konzentrieren wollen, um die Kontrolle Dritter zu ermöglichen und so möglichen Manipulationen von vornherein einen Riegel vorzuschieben. Die Regelung in § 18 Abs. 1 BPersVWO solle außerdem sicherstellen, dass bei der Briefwahl die Frage, ob eine Stimme abgegeben sei oder nicht, erst unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe der Öffentlichkeit zugänglich sein solle, um die Wahl von Beeinflussungen freizuhalten. Die Einstempelung des Rücklaufdatums der Freiumschläge konterkariere diesen Normzweck vollständig.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den erstinstanzlichen Beschluss zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 1 beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er schließt sich ebenso wie der Beteiligte zu 2 den Ausführungen im angefochtenen Beschluss an.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde der Antragsteller ist nicht begründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der Nichtanwendung oder der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 93 Abs. 1 ArbGG). Der Wahlanfechtungsantrag gemäß § 25 BPersVG ist abzulehnen. Der Wahlvorstand hat nicht dadurch gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen, dass er die Rücksendung der Briefwahlunterlagen durch die Beschäftigten im Wählerverzeichnis vermerkt hat.
1. Diese Verfahrensweise verstößt nicht gegen § 17 Abs. 1 Satz 4 und § 18 Abs. 1 Satz 2 der Wahlordnung zum Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVWO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Dezember 1994, BGBl I S. 3653, geändert durch Art. 2 § 2 des Gesetzes vom 16. Dezember 1997, BGBl I S. 3094.
a) Diese Vorschriften sind anzuwenden, wenn der Wahlvorstand wie hier gemäß § 19 BPersVWO schriftliche Stimmabgabe angeordnet hat. Insofern handelt es sich um den Sonderfall eines Verfahrens der Stimmabgabe, welches bereits in §§ 17, 18 BPersVWO näher geregelt ist. An die Stelle der Briefwahl auf Antrag im Falle persönlicher Verhinderung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BPersVWO tritt die von Amts wegen angeordnete Briefwahl unter den in § 19 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BPersVWO normierten Voraussetzungen. Wenn für diese Fälle § 19 Satz 2 BPersVWO die Übersendung der “in § 17 Abs. 1 bezeichneten Unterlagen” an die Beschäftigten vorschreibt, so setzt der Verordnungsgeber unausgesprochen als selbstverständlich voraus, dass sich der weitere Gang des Verfahrens nach § 17 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 und § 18 BPersVWO bestimmt (vgl. Schlatmann, in: Lorenzen/Schmitt/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 19 WO Rn. 7; Altvater/Bacher/Hörter/Peiseler/Sabottig/Schneider/Vohs, Bundespersonalvertretungsgesetz, 4. Aufl. 1996, § 19 WO Rn. 5).
b) Nach § 17 Abs. 1 Satz 4 BPersVWO hat der Wahlvorstand die Übersendung der Briefwahlunterlagen im Wählerverzeichnis zu vermerken. § 18 Abs. 1 Satz 2 BPersVWO sieht weiter vor, dass die nach Maßgabe von § 17 Abs. 2 BPersVWO ordnungsgemäß erfolgte schriftliche Stimmabgabe im Wählerverzeichnis vermerkt wird. Der Zeitpunkt dieser Eintragung ist aus § 18 Abs. 1 Satz 1 BPersVWO abzulesen, wonach der Wahlvorstand unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe im Wahllokal die von den Briefwählern zurückgesandten Freiumschläge zu öffnen hat. Zu diesem Zeitpunkt hat er mithin auch den in § 18 Abs. 1 Satz 2 BPersVWO vorgesehenen Vermerk in das Wählerverzeichnis aufzunehmen. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass zwischen den beiden genannten Zeitpunkten ein weiterer (dritter) Vermerk über die Rücksendung der Briefwahlunterlagen zu unterbleiben hat. Eine derartige Schlussfolgerung verbietet sich, weil das die Briefwahl betreffende Regelwerk in §§ 17 bis 19 BPersVWO die Möglichkeit persönlicher Stimmabgabe nicht in den Blick nimmt und deswegen nicht anzunehmen ist, dass es diesbezüglich abschließende Vorkehrungen gegen eine doppelte Stimmenzählung enthält. Derartiger wirksamer Vorkehrungen bedarf es, weil auch in den Fällen des § 19 BPersVWO dem Beschäftigten die Möglichkeit der persönlichen Stimmabgabe im Wahllokal nicht vorenthalten werden darf.
aa) Nach der in § 17 Abs. 1 Satz 1 BPersVWO enthaltenen Grundregel zur Briefwahl erhält derjenige Beschäftigte auf Verlangen Briefwahlunterlagen, der im Zeitpunkt der Wahl verhindert ist, seine Stimme persönlich abzugeben. Hier nimmt der Verordnungsgeber gewisse Einschränkungen, die für die Grundsätze der freien und geheimen Wahl mit der Briefwahl verbunden sind, zugunsten der wünschenswerten hohen Wahlbeteiligung in Kauf. Von dieser Ausnahmeregelung unberührt bleibt jedoch, dass die persönliche Stimmabgabe, die unter dem Schutz des Wahlvorstandes im Wahllokal stattfindet, vorzugswürdig ist. Deswegen muss ein Wahlberechtigter, der schriftliche Stimmabgabe beantragt hat, seine Stimme persönlich abgeben dürfen, wenn er entgegen seiner ursprünglichen Annahme am Wahltag doch in der Dienststelle anwesend ist (vgl. Beschluss vom 13. Mai 1998 – BVerwG 6 P 9.97 – BVerwGE 106, 378, 390; Schlatmann, a.a.O., § 17 WO Rn. 4; Altvater u.a., a.a.O., § 17 WO Rn. 3 und 19; Grabendorff/Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 9. Aufl. 1999, § 17 WO Rn. 9; Fischer/Goeres, in: GKÖD Band V H § 17 Rn. 6). Dieser allgemeine auch im Personalvertretungsrecht gültige Wahlrechtsgrundsatz hat im Bundeswahlrecht seine ausdrückliche Regelung erfahren; danach kann der Inhaber eines Wahlscheins an der Bundestagswahl entweder durch Stimmabgabe in einem Wahlbezirk seines Wahlkreises oder durch Briefwahl teilnehmen (§ 14 Abs. 3, § 17 Abs. 2 des Bundeswahlgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Juli 1993, BGBl I S. 1288, zuletzt geändert durch Art. 11 Nr. 2 des Gesetzes vom 20. Juni 2002, BGBl I S. 1946).
bb) Die Möglichkeit persönlicher Stimmabgabe im Wahllokal besteht auch, soweit nach § 19 Satz 1 Nr. 1 BPersVWO schriftliche Stimmabgabe angeordnet wird. Nach dieser Vorschrift kann der Wahlvorstand für die Beschäftigten von nachgeordneten Stellen einer Dienststelle, die nicht nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BPersVG selbständig sind, die Stimmgabe in diesen Stellen durchführen oder die schriftliche Stimmabgabe anordnen. Die Bestimmung ist einschlägig, wenn der vom Bundespersonalvertretungsgesetz als Regelfall angenommene dreistufige Verwaltungsaufbau überschritten wird (vgl. Schlatmann, a.a.O., § 19 WO Rn. 2; Fischer/Goeres, a.a.O., H § 19 Rn. 4). Sie war bei der hier zu beurteilenden Wahl nicht anzuwenden, weil das Bundeseisenbahnvermögen mit seiner Hauptverwaltung und den sechs regionalen Dienststellen einen lediglich zweistufigen Aufbau aufweist (§ 6 Abs. 6 des Gesetzes zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen vom 27. Dezember 1993, BGBl I S. 2378, zuletzt geändert durch Art. 263 der Verordnung vom 29. Oktober 2001, BGBl I S. 2785, i.V.m. § 2 Abs. 1 der Verwaltungsordnung des Bundeseisenbahnvermögens vom 6. Januar 2000, VkBl. 2000, 39). Sie ist jedoch für das rechtssystematische Verständnis des Verhältnisses von persönlicher und schriftlicher Stimmabgabe von Bedeutung.
§ 19 Satz 1 Nr. 1 BPersVWO setzt nicht voraus, dass die dort erfassten Stellen von der Dienststelle, der sie nachgeordnet sind, räumlich weit entfernt sind. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass die Briefwahlanordnung in diesen Fällen im Vergleich zu der in der Vorschrift ebenfalls vorgesehenen Einrichtung eines besonderen Wahllokals eine nachrangige, nur in atypischen Fällen zum Einsatz kommende Alternative darstellt. Die zeitgleiche Einrichtung mehrerer Wahllokale ist nämlich mit der Schwierigkeit verbunden, dass gemäß § 16 Abs. 3 BPersVWO mindestens zwei Mitglieder des gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 BPersVG dreiköpfigen Wahlvorstandes oder ein Mitglied des Wahlvorstandes und ein Wahlhelfer im Wahlraum zugegen sein müssen. Zwar ist denkbar, dass die Stimmabgabe in der Dienststelle und den ihr nachgeordneten Stellen zu verschiedenen Zeiten stattfindet (“fliegendes Wahllokal”). Doch kann es sich für den Wahlvorstand – auch unter Kostengesichtspunkten – als zweckmäßig erweisen, stattdessen die schriftliche Stimmabgabe anzuordnen.
Im letztgenannten Fall ist in Betracht zu ziehen, dass Beschäftigte der nachgeordneten Stellen ihre Stimme in der Dienststelle persönlich abzugeben wünschen. Dies ist, weil räumlich weite Entfernung für die Briefwahlanordnung nicht Voraussetzung ist, nicht als ein ganz seltener und damit zu vernachlässigender Ausnahmefall einzustufen. Ihrem Wunsch nach persönlicher Stimmabgabe ist in diesen Fällen aus dem gleichen Grunde Rechnung zu tragen wie in denen des § 17 Abs. 1 Satz 1 BPersVWO.
cc) Nichts anderes gilt in den Fällen des § 19 Satz 1 Nr. 2 BPersVWO, der hier für den ganz überwiegenden Teil der Beschäftigten der beteiligten Dienststelle zur Anwendung kam. Nach dieser Vorschrift kann der Wahlvorstand für die Beschäftigten von Nebenstellen und Teilen einer Dienststelle, die räumlich weit von dieser entfernt liegen und nicht als selbständige Dienststellen nach § 6 Abs. 3 BPersVG gelten, die Stimmabgabe in diesen Stellen durchführen oder die schriftliche Stimmabgabe anordnen. Schon aus systematischen Gründen verbietet sich eine unterschiedliche Behandlung der beiden Tatbestandsalternativen. Zwar ist die räumlich weite Entfernung in § 19 Satz 1 Nr. 2 BPersVWO Tatbestandsmerkmal, so dass der Wunsch nach persönlicher Stimmabgabe hier weniger oft auftreten wird. Ausgeschlossen ist sie aber auch hier nicht, weil immer denkbar ist, dass Beschäftigte der Nebenstellen oder Dienststellenteile sich am Wahltag in oder nahe der Dienststelle aufhalten. Hinzu kommt eine sachliche Nähe zur Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BPersVWO. § 19 Satz 1 Nr. 2 BPersVWO lässt sich als typisierende Regelung potenzieller Verhinderungsfälle auffassen, welche die jeweilige Äußerung eines Briefwahlverlangens durch den einzelnen Beschäftigten erübrigen (so zur Anordnung schriftlicher Stimmabgabe für Beschäftigte “mit besonderer Diensteinteilung”: Beschluss vom 13. Mai 1998, a.a.O., S. 385 ff., 390 f.). Auch Letzteres spricht dafür, in den von § 17 Abs. 1 Satz 1 und § 19 Satz 1 BPersVWO erfassten Fällen die Möglichkeit persönlicher Stimmabgabe gleichermaßen zuzulassen.
c) Hält man eine persönliche Stimmabgabe nur für zulässig, solange die Briefwahlunterlagen noch nicht nach Maßgabe von § 17 Abs. 2 BPersVWO dem Wahlvorstand zugegangen sind, so erweisen sich die Regelungen in § 17 Abs. 1 Satz 4 und § 18 Abs. 1 Satz 2 BPersVWO als unzureichende Sicherungen gegen eine doppelte Stimmabgabe. Die – wegen bereits wirksam erfolgter schriftlicher Stimmabgabe – gebotene Zurückweisung des Wunsches nach persönlicher Stimmabgabe kann der Wahlvorstand nur aussprechen, wenn er über den zuvor erfolgten Eingang der Briefwahlunterlagen unterrichtet ist. Der Vermerk über die Zusendung der Unterlagen kann ihm dieses Wissen nicht verschaffen, und der Vermerk über die Stimmabgabe liegt wegen der zeitlichen Vorgabe in § 18 Abs. 1 Satz 1 BPersVWO noch nicht vor.
Das Ergebnis ist kein anderes, wenn der in Teilen der Kommentarliteratur vertretenen Auffassung gefolgt wird, der Beschäftigte könne seine Stimme selbst dann noch persönlich abgeben, wenn er den Freiumschlag bereits übersandt oder abgegeben habe, der Wahlumschlag jedoch noch nicht nach Maßgabe von § 18 Abs. 1 Satz 2 BPersVWO in die Urne gelegt sei (vgl. Altvater u.a., a.a.O., § 17 WO Rn. 19, § 18 WO Rn. 1; Fischer/Goeres, a.a.O., H § 18 Rn. 5). Bei Zugrundelegung dieser Auffassung versetzt die sorgfältige Anwendung der Regelungen in § 17 Abs. 1 Satz 4 und § 18 Abs. 1 Satz 2 BPersVWO den Wahlvorstand in die Lage, eine Doppelzählung von Stimmen zu vermeiden. Er könnte jeden Beschäftigten, dem Briefwahlunterlagen zugesandt wurden, zur Urnenwahl zulassen, müsste aber bei der Behandlung der schriftlich abgegebenen Stimmen gemäß § 18 Abs. 1 BPersVWO darauf achten, dass der Freiumschlag mit der Absenderangabe des betreffenden Beschäftigten (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BPersVWO) in entsprechender Anwendung von § 18 Abs. 2 Satz 1 BPersVWO ungeöffnet zu den Wahlunterlagen genommen wird. Über die Gefahr einer doppelten Stimmabgabe informieren ihn die beiden Vermerke über die Zusendung der Briefwahlunterlagen (§ 17 Abs. 1 Satz 4 BPersVWO) und die persönliche Stimmabgabe (§ 16 Abs. 4 Satz 4 BPersVWO); Gewissheit erhält er aber erst, wenn er sich gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BPersVWO unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe im Wahllokal den eingegangenen Briefwahlunterlagen zuwendet. Das Verfahren ist mit einem gewissen Risiko behaftet. Dieses wird reduziert, wenn der Wahlvorstand bereits bei der persönlichen Stimmabgabe anhand des vor ihm liegenden Wählerverzeichnisses feststellen kann, ob der betreffende Beschäftigte die Briefwahlunterlagen bereits zurückgesandt hat. Er kann dann der Gefahr einer späteren Doppelzählung sofort dadurch begegnen, dass er die Briefwahlunterlagen des Beschäftigten aussondert. Dass das Regelwerk in §§ 17 bis 19 BPersVWO eine derartige sinnvolle Verfahrensweise verbietet, ist schon deswegen nicht anzunehmen, weil es zu der gesamten hier behandelten Thematik schweigt. Zudem dient die Vermeidung von Doppelzählungen dem Prinzip der Wahlgleichheit. Hierbei handelt es sich um ein hohes Gut, von welchem sich die Auslegung der wahlrechtlichen Bestimmungen leiten lassen muss.
2. Die Entscheidung des Wahlvorstandes für die Personalratswahl beim Bundeseisenbahnvermögen Dienststelle Nord, den Eingang der von den Beschäftigten der Außenstelle Hamburg und der verschiedenen Einsatzstellen zurückgesandten Briefwahlunterlagen im Wählerverzeichnis zu vermerken, verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der freien und geheimen Wahl (§ 19 Abs. 1 BPersVG). Dieser Grundsatz ist nicht deswegen verletzt, weil eine interessierte Person bei Einsicht ins Wählerverzeichnis gemäß § 2 Abs. 3 BPersVWO anhand der Eingangsvermerke schlussfolgern konnte, welcher Beschäftigte seine Stimme noch nicht abgegeben hatte, und diesen sodann mit dem Ziel der Wahlbeeinflussung aufsuchen konnte. Solchen Einflussnahmen sind die Beschäftigten in der Zeit vor dem Wahltermin vonseiten der in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften und der Beschäftigten, die einen Wahlvorschlag eingereicht haben, generell ausgesetzt. Insofern gilt für die Beschäftigten, denen Briefwahlunterlagen zugesandt wurden, prinzipiell nichts anderes als für diejenigen, die ihre Stimme im Wahllokal persönlich abgeben. Der letztgenannte Kreis der Beschäftigten war gerade im vorliegenden Fall, in welchem der Wahlvorstand für ungefähr 90 % der Beschäftigten schriftliche Stimmabgabe angeordnet hatte, wegen seiner überschaubaren Anzahl, für eine gezielte Ansprache bis zur Öffnung des Wahllokals geeignet. Vergleichbare Aktionen kamen andererseits in allen Nebenstellen und Dienststellenteilen in Betracht, deren Beschäftigte die Briefwahlunterlagen erhalten hatten. Solche Einflussnahmen im Zusammenhang mit der Willensbildung bei einer Personalratswahl sind unbedenklich, wie in § 24 Abs. 1 Satz 1 BPersVG vorausgesetzt wird, der nur die sittenwidrige Wahlbeeinflussung verbietet.
Den Bestimmungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes und der Wahlordnung liegt, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, die Vorstellung vom mündigen Bürger und Wähler zugrunde. Mit entsprechenden Überlegungen hat das Bundesverfassungsgericht die Briefwahl bei der Bundestagswahl für verfassungsmäßig erklärt (Beschluss vom 24. November 1981 – 2 BvC 1/81 – BVerfGE 59, 119, 126 f.). Die verbliebenen Bedenken betrafen diejenigen Regelungen, welche die Aushändigung von Briefwahlunterlagen an Bevollmächtigte vorsahen, und verbanden sich mit der Anregung an den Normgeber, dafür Sorge zu tragen, dass künftig die Unterlagen den Wahlberechtigten auf dem Postwege unmittelbar zugeleitet würden (a.a.O., S. 127 f.). Letzteres ist hier durch die Regelung in § 19 Satz 2 BPersVWO garantiert.
3. Das vom Wahlvorstand hier eingeschlagene Verfahren war schließlich nicht ermessensfehlerhaft. Im erstinstanzlichen Beschluss und in der Rechtsbeschwerdebegründung werden alternative Verfahrensweisen zur Vermeidung einer doppelten Stimmabgabe angesprochen. Diese unterliegen jedoch sämtlichen Bedenken rechtlicher oder tatsächlicher Art, so dass der Wahlvorstand sie gegenüber der von ihm gewählten Verfahrensweise nicht vorziehen musste.
a) Die Erwägung, der Wahlvorstand hätte die Beschäftigten nur Zug um Zug gegen Rückgabe der Briefwahlunterlagen zur Urnenwahl zulassen können, setzt die Klärung der rechtlichen Zulässigkeit einer derartigen Verfahrensweise voraus. Immerhin ist in der Rechtsprechung die Zurückweisung eines zur persönlichen Stimmabgabe bereiten Beschäftigten wegen fehlender Rückgabe von Briefwahlunterlagen bereits als unzulässige Wahlbehinderung gewertet worden (vgl. OVG Münster, ZfPR 2000, 7, 10). Im Übrigen versagt diese Verfahrensweise, wenn der Beschäftigte behauptet, die Briefwahlunterlagen bereits zurückgesandt zu haben und man ihm auch für diesen Fall noch die persönliche Stimmabgabe zugesteht. Der Wahlvorstand handelte nicht ermessensfehlerhaft, wenn er sich für eine Verfahrensweise entschied, die ihn der Klärung dieser Rechtsfragen enthob.
b) Die Erwägung, der Wahlvorstand hätte gemäß § 2 Abs. 3 BPersVWO eine Abschrift des Wählerverzeichnisses auslegen und die Eintragung der Rücksendevermerke in dem unter Verschluss gehaltenen Original vornehmen können, ist rechtlich nicht zweifelsfrei. Es lässt sich anführen, dass Original und ausgelegte Abschrift des Wählerverzeichnisses in jedem Stand des Wahlverfahrens vollständig inhaltsgleich sein müssen. Unabhängig von dieser Rechtsfrage durfte der Wahlvorstand erwägen, dass die Nichtübereinstimmung von Original und ausgelegter Abschrift geeignet ist, Misstrauen gegen die Korrektheit des Wahlverfahrens hervorzurufen.
c) Die umgekehrte Überlegung, der Wahlvorstand hätte das Original des Wählerverzeichnisses auslegen und die Eintragungen der Rücksendevermerke in einer unter Verschluss gehaltenen Abschrift vornehmen können, dürfte keinen rechtlichen Bedenken begegnen. Der Wahlvorstand wäre jedoch dann gehalten gewesen, während der Zeit der Stimmabgabe stets zwei Exemplare des Wählerverzeichnisses abzugleichen. Dies wäre mit der Gefahr verbunden gewesen, dass es zu Verwechslungen gekommen und eine Doppelzählung wegen fehlender Eintragungen in dem jeweils benutzten Verzeichnis nicht verhindert worden wäre.
d) Die Sorge vor Manipulationsgefahren schloss die vom Wahlvorstand hier eingeschlagene Verfahrensweise gleichfalls nicht aus. Theoretisch kann der Wahlvorstand oder eines seiner Mitglieder an den gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BPersVWO in seinen Gewahrsam gelangten Briefwahlunterlagen Manipulationen vornehmen. Das Gesetz unterstellt jedoch bis zum Beweis des Gegenteils, dass der gemäß §§ 20 ff. BPersVG ins Amt gelangte Wahlvorstand vertrauenswürdig ist. Weshalb die Manipulationsgefahr durch die Vornahme der Eingangsvermerke wesentlich erhöht wird, wird weder in der Rechtsbeschwerdebegründung noch in der dort zitierten Rechtsprechung überzeugend dargelegt. Im Übrigen ist der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 31. Juli 1975 (ZBR 1975, 357 f.) hier nur bedingt aussagekräftig, weil in dem dort entschiedenen Fall die Wahlumschläge der Briefwähler bereits vor dem in § 18 Abs. 1 Satz 1 BPersVWO bestimmten Zeitpunkt in die Urne gelegt worden waren.
4. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 8 Abs. 2 Satz 2, § 10 Abs. 1 BRAGO. Die Festsetzung in Höhe des Auffangwerts entspricht auch in Wahlanfechtungssachen ständiger Senatspraxis. Eine Erhöhung unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Antragshäufung scheidet aus. Es ist für die Bedeutung der Sache unerheblich, ob eine Personalratswahl gemäß § 25 BPersVG von einer Gewerkschaft, vom Dienststellenleiter oder wie hier von “mindestens drei Wahlberechtigten” angefochten wird. Der rechtliche Schwierigkeitsgrad, der im Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassener Rechtsbeschwerde nie gering zu veranschlagen ist, ist kein geeignetes Kriterium, um unterschiedliche Gegenstandswerte präzise zu bemessen.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Gerhardt, Büge, Vormeier
Fundstellen
Haufe-Index 1361722 |
ZBR 2003, 254 |
ZTR 2003, 255 |
PersR 2004, 6 |
PersV 2003, 268 |
ZfPR 2003, 104 |
NPA 2003, 0 |